Ax Rechtsanwälte

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§ 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 sind europarechtswidrig

von Thomas Ax

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 04.07.2019 (Az. C-377/17) festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden „Dienstleistungsrichtlinie“) verstoßen hat, indem sie mit der HOAI 2013 verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieure beibehalten hat. Diese Wertung gilt in gleicher Weise für die HOAI 2009 (unten a)). Allein auf einen Richtlinienverstoß kann sich – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – der Beklagte allerdings nicht berufen (unten b)). § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 verstoßen jedoch nicht nur gegen die Dienstleistungsrichtlinie, sondern zugleich auch gegen die in Art. 49 AEUV garantierte Niederlassungsfreiheit. Dies führt zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Regelung auch dann, wenn dadurch Verpflichtungen zu Lasten des Einzelnen begründet werden (unten c)).  § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2009 verstoßen gegen Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie.  Die Bundesrepublik Deutschland hat durch Beibehaltung von Mindestsätzen in § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2013 gegen die ihr aus der Dienstleistungsrichtlinie obliegende Pflicht zur Umsetzung verstoßen (vgl. EuGH, Urt. v. 04.07.2019, Az. C-377/17). Der EuGH hat in seiner Entscheidung gerügt, dass die Beibehaltung von Mindest- und Höchstsätzen in der HOAI 2013 nicht gem. Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Zwar kann der insoweit von der Bundesrepublik Deutschland angeführte Grund der Qualitätssicherung des Leistungsangebotes ein berechtigtes Allgemeininteresse begründen. Die Regelungen der HOAI 2013 sind im Hinblick auf dieses Ziel jedoch inkohärent, da die Leistungserbringung selbst nicht von dem Erfordernis des Nachweises einer fachlichen Eignung abhängig gemacht wird (vgl. Urt. v. 04.07.2019, Rn. 90, 92).  Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die hier anzuwendende HOAI 2009. Die HOAI 2009 war nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie unverändert beibehalten worden. Auch sie schreibt in § 7 Abs. 1 HOAI 2009 Mindestsätze vor und ist auf Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden, unabhängig davon, ob die Leistungserbringer ihre fachliche Eignung durch einen besonderen Abschluss nachgewiesen haben. Die Beibehaltung von Mindestsätzen gem. § 7 HOAI 2009 stellt demnach ebenso einen Verstoß gegen Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie dar, wie im Rahmen des § 7 HOAI 2013. Dieser Verstoß ist aus denselben Gründen wie von dem EuGH in Bezug auf die HOAI 2013 ausgeführt, sachlich nicht gerechtfertigt, da auch die Regelungen der HOAI 2009 in Bezug auf den von der Bundesrepublik angegebenen Zweck zur Rechtfertigung der Mindestsätze, nämlich eine Qualitätssicherung, nicht kohärent sind. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2020 – 21 U 21/19 (nicht rechtskräftig) vorhergehend: LG Wuppertal, 16.01.2019 – 17 O 269/14

G r ü n d e

I.

Die Parteien streiten um Honoraransprüche der Klägerin. Die Klägerin, eine Planungsgesellschaft, und der Beklagte, ein erfahrener Projektentwickler, waren vertraglich u.a. verbunden betreffend das Projekt „Neubau eines Presse-Großvertriebes in M.“ (im Folgenden „Projekt M…“), das Bauvorhaben „H.-H.“, sowie das Bauvorhaben „K… in L…“. Erstinstanzlich waren die Honoraransprüche aus diesen drei Bauvorhaben im Streit. In der zweiten Instanz streiten die Parteien nur noch um Honoraransprüche aus den Bauvorhaben „Projekt M.“ und dem Bauvorhaben in H.-H. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter dem 17. bzw. 19.09.2012 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Honorarangebot betreffend das Projekt „Presse-Großvertrieb in M.“. Das Angebot umfasste weit überwiegend die Leistungsphasen 1 bis 8 und gelangte unter Berücksichtigung von Nachlässen zu einem Nettogesamthonorar von 413.000,00 Euro als Pauschalfestpreis (vgl. Anlage 2, Bl. 3 ff. AB). Der Beklagte hatte bezüglich dieses Vorhabens unter anderem angedacht, das betreffende Grundstück selbst zu erwerben, das Gebäude zu errichten und sodann an den Pressegroßvertrieb zu vermieten. Wegen dieser Absichten stand er mit der Geschäftsführung der Presse-Vertrieb M. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Presse-Vertrieb) in Verhandlungen. Am 17.09.2012 unterbreitete die Klägerin dem Beklagten ein Honorarangebot für die „erste Bearbeitungsphase“. Das Angebot bezog sich überwiegend auf die Leistungsphasen 1 und 2 und endete mit einem Nettogesamthonorar von 32.500,00 Euro unter Berücksichtigung von Nachlässen in Höhe von rund 20 Prozent (vgl. Bl. 105 ff. AB). Am 24.09.2012 schloss der Beklagte mit dem Presse-Vertrieb eine Vereinbarung (vgl. Bl. 98 AB). Nach § 2 dieser Vereinbarung sollte er einen Architekten mit der Entwurfsplanung beauftragen, um eine möglichst genaue Kostenschätzung zu ermitteln. Ferner sollte er gemäß § 3 der Vereinbarung dem Presse-Vertrieb Planungskosten bis 25.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zuzüglich eines Kostenersatzes für die eigenen Aufwendungen in Höhe von pauschal 5.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen können (vgl. Bl. 98 AB).

Mit Schreiben vom 27.09.2012 bot die Klägerin dem Beklagten in dem Schreiben im Einzelnen aufgeführte Leistungen zu einem Pauschalpreis von 17.500,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an (vgl. zu den Einzelheiten Bl. 1 AB). Der Beklagte nahm dieses Angebot an. Auf eine Abschlagsrechnung der Klägerin vom 22.01.2013 zahlte der Beklagte im Januar 2013 15.191,94 Euro. Mit E-Mail vom 18.02.2013 teilte der Presse Vertrieb dem Beklagten mit (vgl. Bl. 111 AB), die ursprünglich genannten Kosten von 7.000.000,00 Euro seien zu hoch, eine grobe Neuplanung sei erforderlich, bis zum 26.02.2013 bleibe es bei einem Schwebezustand. Am 25.02.2013 informierte er den Beklagten (Bl. 116 AB), dass er das Grundstück kaufen, selber bauen und dort dann das Unternehmen betreiben wolle. Unter dem 28.06.2013 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten eine Schlussrechnung für das Bauvorhaben M. In dieser stellt sie 152.351,49 Euro brutto in Rechnung und gelangte unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlung von 15.191,94 Euro zu einem Endbetrag von 137.159,55 Euro. Betreffend ein Bauvorhaben in H.-H. beauftragte der Beklagte die Klägerin mit der Erbringung von Ingenieurleistungen, für die sie unter dem 16./19.11.2012 ein Stundensatzhonorar vereinbarten (vgl. Bl. 46 AB). Ihre diesbezüglichen Leistungen rechnete die Klägerin nach Zeitabschnitten in verschiedenen Rechnungen in Höhe von insgesamt 11.266,78 Euro ab. Soweit die Klägerin erstinstanzlich erfolgreich Honoraransprüche in Höhe von 6.545,00 Euro wegen eines Bauvorhabens in L. geltend gemacht hat, ist dies nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich einen Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 154.971,33 Euro nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für ihre Leistungen in Bezug auf die Bauvorhaben Presse-Großvertrieb, H.-H. und ein weiteres Bauvorhaben in L. geltend gemacht. Hierzu hat sie bezüglich des Bauvorhabens in M. die Auffassung vertreten, sie sei von dem Beklagten über die Leistungen, für die das Pauschalhonorar vereinbart worden war, hinaus mit weiteren Leistungen beauftragt worden. Sie hat hierzu behauptet, der Beklagte habe ihr gegenüber immer wieder erklärt, sie habe den Gesamtauftrag sicher, auch unabhängig von der Frage, ob er selbst das Projekt realisiere. Es habe ständig neue Beauftragungen gegeben, insbesondere auch zu Änderungen der Planung. Der Beklagte habe insbesondere auch Planungsvarianten verlangt. Sie habe die beauftragten Leistungen mangelfrei erbracht. Die Vereinbarung zwischen dem Presse-Vertrieb und dem Beklagten vom 24.09.2012 sei ihr erst nach der Annahme des Angebots vom 27.09.2012 bekannt geworden. Die Klägerin hat ferner gemeint, für die von ihr erbrachten Leistungen gem. § 7 Abs. 1, Abs. 3 HOAI 2009 die in der HOAI 2009 festgelegten Mindestsätze verlangen zu können, die Geltendmachung eines über dem vereinbarten Pauschalhonorar liegenden Vergütungsanspruchs sei nicht treuwidrig. Zudem hat sie behauptet, die in den Rechnungen bezüglich des Bauvorhabens in H.-H. abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß erbracht zu haben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. an sie 154.971,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Betrag von 137.159,55 Euro seit dem 20.07.2013 und aus dem Betrag von 17.811,78 Euro seit dem 13.07.2013 zu zahlen,

2. an sie Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 2.753,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (19.09.2013) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,die Klage abzuweisen. Er hat hinsichtlich des Bauvorhabens in M. gemeint, die Honorarvereinbarung auf Basis des Angebots vom 27.09.2012 sei wirksam. Die Klägerin müsse sich jedenfalls nach Treu und Glauben an der Vereinbarung festhalten lassen. Weiter hat der Beklagte behauptet, die Leistungen der Klägerin seien insgesamt unbrauchbar, da die Kostenberechnungen mit 6,19 Millionen Euro deutlich über dem der Klägerin kommunizierten Kostenlimit lägen. Er habe bei einem Telefonat vom 24.09.2012 gegenüber dem Mitgeschäftsführer der Klägerin mitgeteilt, dass das Honorarangebot vom 17.09.2012 über 32.500,00 Euro noch zu hoch sei und für das Bauvorhaben in M. ein Kostenlimit von 4,5 bis 6 Millionen Euro herausgestellt. Seine Vereinbarung mit dem Presse-Vertrieb vom 24.09.2012 sei der Klägerin bereits vor Abgabe des Angebots vom 27.09.2012 bekannt gewesen. Er habe mit einem Schreiben vom 25.09.2012 der Klägerin unter anderem mitgeteilt, an Honorar könne an die Klägerin nur das vergeben werden, was der Presse-Vertrieb ihm erstatte. Ferner sei in dem Schreiben mitgeteilt worden, dass das Gesamtinvestitionsvolumen inklusive Grundstückskaufpreis und Nebenkosten, Herstellung des Geländes und des Gebäudes inklusiver aller, auch der Architektennebenkosten 4,5 Millionen Euro, in keinem Fall aber 5.000.000,00 Euro überschreiten dürfe (vgl. Bl. 57 AB). Vor dem 27.09.2012 sei zwischen den Parteien und dem Presse-Vertrieb ein Kostenbudget von höchstens 5.000.000,00 Euro kommuniziert worden. Hinsichtlich des Bauvorhabens H.-H. hat der Beklagte behauptet, es seien Leistungen nur unvollständig oder auch gar nicht erbracht worden. Auch seien die Leistungen nicht abgenommen worden. Weiter hat er die von der Klägerin behaupteten Stunden bestritten. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.11.2015 (Bl. 187ff. d. A.) und auf die Gutachten des Sachverständigen W. vom 19.07.2016 und 26.03.2018 Bezug genommen.

Durch Urteil vom 16.01.2019, auf das wegen der weiteren Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 77.144,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Vergütungsanspruch in Höhe von 59.332,57 Euro gemäß § 631 Abs. 1 BGB i. V. mit der HOAI 2009 für das Projekt in M., in Höhe von 11.266,78 Euro für das Bauvorhaben in H.-H. und in Höhe von 6.645,00 Euro für das Vorhaben in L. In Bezug auf das Bauvorhaben in M. sei die Klägerin von dem Beklagten lediglich mit den in dem Schreiben vom 27.09.2012 aufgeführten Leistungen, sogenannte „Bearbeitungsphase 1“, beauftragt worden. Der Beklagte habe ihr keinen Auftrag zur Erbringung aller von Leistungen aller Leistungsphasen der HOAI exklusive der Leistungsphase 9 erteilt. Soweit es in ihrem Schreiben vom 27.09.2012 heiße, „Der Planungsauftrag wird an Lindschulte erteilt gemäß dem Angebot vom 17.09.2012 (siehe Anlage).“, ergebe die gem. §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung, dass damit eine in der Zukunft liegende Beauftragung gemeint sei. Nach dem Honorarsystem der HOAI 2009 seien damit Leistungen der Leistungsphase 1 bis 3 beauftragt worden. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Honorars unter Anwendung der Mindestsätze der HOAI 2009 gemäß § 7 Abs. 1 HOAI. Ein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 3 HOAI liege nicht vor. Der Klägerin sei eine Abrechnung nach Mindestsätzen der HOAI nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt. Der Beklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Mindestsätze nicht unterschritten werden. Er sei ein fachkundiger und erfahrener Auftraggeber. Ausgehend von zumindest im Raum stehender anrechenbarer Kosten von mindestens 4.000.000,00 Euro hätte ihm klar gewesen sein müssen, dass das vereinbarte Honorar unter den Mindestsätzen liege. Eine Bindungswirkung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil der Klägerin die Kostenvereinbarung zwischen dem Presse-Vertrieb und dem Beklagten vom 24.09.2012 bekannt gewesen wäre. Dem Beklagten sei der Beweis nicht gelungen, dass die Klägerin bei Abschluss des Vertrages vom 27.09.2012 eine entsprechende Kenntnis gehabt habe.

Die Leistungen der Klägerin seien vertragsmäßig i. S. des § 15 Abs. 1 HOAI 2009. Der Beklagte mache ohne Erfolg geltend, die Leistungen der Klägerin seien wegen Überschreitung des vereinbarten Kostenrahmens mangelhaft. Die Vereinbarung eines verbindlichen Kostenrahmens sei auf Basis der durchgeführten Beweisaufnahme und der vernommenen Zeugen nicht festzustellen. Die seitens der Klägerin vorgelegte Honorarrechnung sei auch prüffähig. Auf der Grundlage der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen habe die Klägerin hinsichtlich der von ihr nachgewiesenen Leistungen unter Berücksichtigung der von dem Beklagten geleisteten Abschlagszahlung von 15.191.94 Euro unter Anwendung der Sätze der HOAI 2009 einen offenen Honoraranspruch in Höhe von insgesamt 59.332,57 Euro. Soweit die Klägerin ein zusätzliches Honorar für die Erarbeitung von Planungsvarianten geltend mache, stehe ihr kein Vergütungsanspruch auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen zu. Zusätzliche Planungsleistungen, die aufgrund von Änderungen des Beklagten nach vorheriger Erbringung der geschuldeten Leistungen erforderlich gewesen seien, habe der Sachverständige nicht feststellen können. Die Forderung der Klägerin sei nicht gemäß § 389 BGB erloschen. Dem Beklagten stehe gegen die Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 311 Abs. 2 BGB zu. Dieser verweise ohne Erfolg darauf, dass sich die Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht habe, weil sie ein rechtswidriges Honorar vorgeschlagen habe. Ein solcher Schadensersatzanspruch komme allenfalls dann in Betracht, wenn der Beklagte hier aufklärungsbedürftig gewesen wäre. Das sei indes nicht der Fall, was sich aus den bereits erfolgten Darlegungen ergeben. Aufgrund ihrer Leistungen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben H.-H. habe die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 11.266,78 Euro. Sie habe die in dem Angebot vom 16.11.2012 (Anlage K19) angebotenen Leistungen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ordnungsgemäß erbracht. Hinsichtlich des Bauvorhabens in L. bestehe ein offener Honoraranspruch in Höhe von 6.545,00 Euro gemäß § 631 BGB zugunsten der Klägerin.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, soweit er in Bezug auf das Projekt M. über einen Betrag von 5.633,06 Euro hinaus zu einer weiteren Zahlung sowie in Bezug auf das Bauvorhaben H.-H. zur Zahlung von 11.266,78 Euro verurteilt wurde. Der bezüglich des Bauvorhabens Pressevertrieb M. zugestandene Betrag von 5.633,06 Euro errechnet sich aus dem vereinbarten Pauschalhonorar von 20.825,00 Euro brutto abzüglich der erbrachten Abschlagszahlung von 15.191,94 Euro. Der Beklagte rügt, die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin berechtigt sei, über die hinsichtlich des Projektes M. vertraglich getroffene Pauschalpreisabrede hinaus Vergütungsansprüche geltend zu machen, sei rechtsfehlerhaft. Die Mindestsatzvorschriften der HOAI 2009, insbesondere die § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009, seien europarechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des EuGH finde die Richtlinie 2006/123/EG auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte Anwendung. Darüber hinaus habe sich das Gericht nur unzureichend mit den gesetzlichen Anforderungen des § 15 Abs. 1 HOAI auseinandergesetzt. Ferner sei die Nachforderung einer Vergütung über das vereinbarte Pauschalhonorar hinaus treuwidrig und verstoße gegen § 242 BGB. Soweit das Landgericht der Klägerin einen Anspruch in Höhe von 11.266,78 Euro für das Bauvorhaben H.-H. zugesprochen hat, trügen die Feststellungen des Sachverständigen das Urteil nicht. Das Landgericht habe zudem übergangen, dass er die vorgelegten Stundennachweise bestritten habe. Schließlich greift er das Urteil hinsichtlich des zugesprochenen Zinssatzes und der Rechtsanwaltskosten an.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 16.01.2019, Az. 17 O 269/14, aufzuheben und die Klage abzuweisen, sofern er zu einer Zahlung über einen Betrag in Höhe von 12.278,06 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.645,00 Euro seit dem 13.07.2013 und aus 5.633,06 Euro, seit dem 20.07.2013 hinaus verurteilt wurde.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Weiter trägt sie vor, das Urteil des EuGH zur Notwendigkeit einer Reform an der HOAI ändere an der Richtigkeit der Entscheidung nichts. Die Dienstleistungsrichtlinie finde keine unmittelbare Anwendung in einem Rechtsstreit zwischen Privaten. Der EuGH habe nicht über die hier einschlägige HOAI 2009 entschieden, sondern über die HOAI 2013. Ein nationales Gericht sei nicht mit einem Mitgliedstaat gleichzusetzen und die Dienstleistungsrichtlinie deshalb nicht unmittelbar anzuwenden. Dies würde der Rechtsprechung des EuGH zur fehlenden horizontalen Anwendbarkeit von Richtlinien widersprechen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Landgericht hat zu Unrecht entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten hinsichtlich des Bauvorhabens „H.-H.“ ein Vergütungsanspruch gem. § 631 BGB und wegen des Projekts in M. gem. § 631 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI ein Honoraranspruch zusteht, der das vereinbarte Pauschalhonorar überschreitet. Auch die Entscheidung hinsichtlich des zugesprochenen Zinsanspruchs und der Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten war antragsgemäß abzuändern. Im Einzelnen:

A. Projekt M.

Die Klägerin hat wegen ihrer Leistungen bezüglich des Projektes in M. gegen den Beklagten gem. § 631 BGB aufgrund des mit dem Beklagten vereinbarten Pauschalhonorars lediglich einen offenen Vergütungsanspruch in Höhe von 5.633,06 Euro. Die Berufung hat in vollem Umfang Erfolg, da sich der Berufungsangriff des Beklagten diesbezüglich auf seine Verurteilung zur Zahlung eines Betrages beschränkt, der 5.663,06 Euro überschreitet.

1. Die Parteien haben hinsichtlich der Arbeiten der Klägerin bezüglich des Bauvorhabens „Projekt M.“ eine Brutto-Pauschalvergütung in Höhe von 20.825,00 Euro vereinbart.

2. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin wegen des Bauvorhabens „Projekt M.“ nicht bereits mit allen Leistungsphasen exklusive der Leistungsphase 9 beauftragt wurde. Auf die zutreffende Begründung des Landgerichts wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen verwiesen. Diese rechtliche Bewertung wird von den Parteien in der Berufungsinstanz auch nicht in Frage gestellt. Soweit die Klägerin erstinstanzlich ein zusätzliches Honorar für die Erarbeitung von Planungsvarianten geltend gemacht hat, hat das Landgericht einen solchen Anspruch ebenfalls mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, verneint. Auch dieser nicht zu beanstandenden rechtlichen Bewertung ist die Klägerin im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten.

3. Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin gegen den Beklagten wegen ihrer Leistungen in Bezug auf das Projekt M. gem. § 7 Abs. 2 und Abs. 3 HOAI 2009 einen das vereinbarte Pauschalhonorar überschreitenden Vergütungsanspruch verlangen kann, da dieses unter den Mindestsätzen der HOAI 2009 liege und daher nach diesen Vorschriften der HOAI 2009 unwirksam sei. Die Klägerin kann sich dem Beklagten gegenüber nicht auf § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 berufen, da das Unionsrecht der Anwendung dieser Vorschriften entgegensteht. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 04.07.2019 (Az. C-377/17) festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden „Dienstleistungsrichtlinie“) verstoßen hat, indem sie mit der HOAI 2013 verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieure beibehalten hat. Diese Wertung gilt in gleicher Weise für die HOAI 2009 (unten a)). Allein auf einen Richtlinienverstoß kann sich – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – der Beklagte allerdings nicht berufen (unten b)). § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 verstoßen jedoch nicht nur gegen die Dienstleistungsrichtlinie, sondern zugleich auch gegen die in Art. 49 AEUV garantierte Niederlassungsfreiheit. Dies führt zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Regelung auch dann, wenn dadurch Verpflichtungen zu Lasten des Einzelnen begründet werden (unten c)).

Im Einzelnen:

a) § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2009 verstoßen gegen Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie.

Die Bundesrepublik Deutschland hat durch Beibehaltung von Mindestsätzen in § 7 Abs. 1 und 3 HOAI 2013 gegen die ihr aus der Dienstleistungsrichtlinie obliegende Pflicht zur Umsetzung verstoßen (vgl. EuGH, Urt. v. 04.07.2019, Az. C-377/17). Der EuGH hat in seiner Entscheidung gerügt, dass die Beibehaltung von Mindest- und Höchstsätzen in der HOAI 2013 nicht gem. Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Zwar kann der insoweit von der Bundesrepublik Deutschland angeführte Grund der Qualitätssicherung des Leistungsangebotes ein berechtigtes Allgemeininteresse begründen. Die Regelungen der HOAI 2013 sind im Hinblick auf dieses Ziel jedoch inkohärent, da die Leistungserbringung selbst nicht von dem Erfordernis des Nachweises einer fachlichen Eignung abhängig gemacht wird (vgl. Urt. v. 04.07.2019, Rn. 90, 92). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die hier anzuwendende HOAI 2009. Die HOAI 2009 war nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie unverändert beibehalten worden. Auch sie schreibt in § 7 Abs. 1 HOAI 2009 Mindestsätze vor und ist auf Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden, unabhängig davon, ob die Leistungserbringer ihre fachliche Eignung durch einen besonderen Abschluss nachgewiesen haben. Die Beibehaltung von Mindestsätzen gem. § 7 HOAI 2009 stellt demnach ebenso einen Verstoß gegen Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie dar, wie im Rahmen des § 7 HOAI 2013. Dieser Verstoß ist aus denselben Gründen wie von dem EuGH in Bezug auf die HOAI 2013 ausgeführt, sachlich nicht gerechtfertigt, da auch die Regelungen der HOAI 2009 in Bezug auf den von der Bundesrepublik angegebenen Zweck zur Rechtfertigung der Mindestsätze, nämlich eine Qualitätssicherung, nicht kohärent sind.

b) Der Beklagte kann sich gegenüber der Klägerin jedoch nicht auf den Richtlinienverstoß berufen.

Zwar entfaltet die Dienstleistungsrichtlinie unmittelbare Wirkung (unten aa)). Der Senat ist aber nicht befugt, deswegen die Vorschriften des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 in dem vorliegenden Rechtsstreit unangewendet zu lassen. Eine unionsrechtskonforme Auslegung scheitert an den Vorgaben des nationalen Gesetzesrechts (unten bb)). Der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie im Verhältnis der Parteien steht entgegen, dass dadurch mit unmittelbarer Wirkung Verpflichtungen zu Lasten eines Einzelnen begründet würden (unten cc)).

aa) Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG entfaltet unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten.

Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie ist inhaltlich hinreichend bestimmt, um einer Anwendung im Einzelfall zugänglich zu sein (vgl. EuGH, Urt. v. 30.01.2018, „X und Visser“ , C-360/15 und C-31/16, Rn. 130; Schlussanträge des Generalanwalts vom 28.02.2019 – C-311/17, Rn. 25, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.09.2019 – 23 U 155/28, Rn. 21; OLG Celle, Urt. v. 23.07.2019 – 14 U 182/18; Urt. v. 17.07.2019 – 14 U 188/18). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien war die Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie abgelaufen. Die Dienstleistungsrichtlinie war bis zum 28.12.2009 umzusetzen (Art. 44 Dienstleistungsrichtlinie). Der Beklagte hat die Klägerin im September 2012 beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Bundesrepublik Deutschland die ihr aus der Dienstleistungsrichtlinie obliegende Umsetzungsverpflichtung erfüllen müssen. Mindestsätze hätte sie nur im Rahmen einer sachlichen Rechtfertigung beibehalten, im Übrigen jedoch abschaffen müssen.

bb) Eine Richtlinie, die, wie die Dienstleistungsrichtlinie, alle Voraussetzungen einer unmittelbaren Wirkung erfüllt, ist von den nationalen Gerichten, die über einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen zu entscheiden haben, uneingeschränkt zu beachten, soweit das nationale Gesetzesrecht für eine unionsrechtskonforme Auslegung offen ist.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH obliegt es den nationalen Gerichten, die über einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen zu entscheiden haben, in dem sich zeigt, dass eine anzuwendende nationale Regelung gegen das Unionsrecht verstößt, den Rechtsschutz, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, sicherzustellen und deren volle Wirkung zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 05.10.2004, „Pfeiffer u.a.“, C-397/01 bis C-403/01, Rn. 111; Urt. v. 10.01.2010, „Kücükdeveci“, C-555/07, Rn. 45; Urt. v. 19.04.2016, „Dansk Industri“, C-441/14, Rn. 20; Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 37). Die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und ihre Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen zu treffen, obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten. Hierzu gehören grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit, auch die Gerichte (vgl. EuGH, Urt. v. 10.04.1984, „von Colson und Kamman“, 14/83, Rn. 26; Urt. v. 19.01.2010, „Kücükdeveci“, C-555/07, Rn. 47; Urt. v. 19.04.2016, „Danks Industri“, C441/14, Rn. 30; Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 38; BVerfG, Beschl.v.06.11.2019 – 1 BvR 276/17 „Recht auf Vergessen“ II).

(2) Die nationalen Gerichte, die über zivilrechtliche Streitigkeiten zu entscheiden haben, sind zuständig für die Anwendung und Auslegung der seitens der Legislative erlassen Gesetze. Aus der auch den nationalen Gerichten obliegenden Verpflichtung, die Ziele einer erlassenen und umsetzungspflichtigen Richtlinie umzusetzen, folgt, dass sie bei der Anwendung des nationalen Rechts sämtliche nationalen Rechtsnormen zu berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden haben, um die Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (vgl. EuGH, Urt. v. 05.10.2004, „Pfeiffer u.a.“, C-397/01 bis C-403/01, Rn. 113, 114, Urt. v. 19.01.2010, „Kücükdeveci“, C-555/07, Rn. 48; Urt. v. 19.04.2016, „Danks Industri“, C-441, 14, Rn. 31; Urt. v. 07.08.2018, C- 122/17, Rn. 39). Ist eine unionskonforme Auslegung einer nationalen Regelung möglich, hat das nationale Gericht diese vorzunehmen, auch wenn dies zu Lasten eines Dritten geht. In diesem Fall beruht der Nachteil nicht auf der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie selbst, sondern auf der Anwendung nationalen Rechts, auch wenn dies im Lichte des Unionsrechts erfolgt.

(3) Die Verpflichtung zur unionskonformen Auslegung findet jedoch ihre Grenze an den zur Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschrift heranzuziehenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts (vgl. EuGH, Urt. v. 24.01.2012, „Dominguez“, C-282/10, Rn. 25; Urt. v. 15.01.2014, „Association de mediation sociale“, C-176/12, Rn. 39; Urt. v. 19.04.2016, „Dansk Industri“, C-441/14, Rn. 32; Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 40). Die richtlinienkonforme Auslegung darf insbesondere nicht die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz sprengen. Sie darf daher den erkennbaren Willen des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändern. Die Auslegung muss sich vielmehr noch im Rahmen des von ihm Gewollten bewegen (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2015 – VIII ZR 158/11; Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, Rn. 28; BVerfG, 17.01.2013 – 1 BvR 121/11). Die unionskonforme Auslegung kann hingegen nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2015 – VIII ZR 158/11, NJW 2016, 1718, 1721; EuGH, Urt. v 24.01.2012, „Dominguez“, C-282/10, Rn. 25; Urt. v. 15.01.2014, „Association de mediation sociale“, C-176/12, Rn. 39; Urt. v. 19.04.2016, „DI“, C-441/14, Rn. 32; Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 40).

(4) Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Abs. 1, Abs. 3 HOAI 2009 ist vorliegend nicht möglich (vgl. hierzu ausführlich: OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2019 – 21 U 24/18, Rn. 52 – 55; KG, Beschl. v. 19.08.2019 – 21 U 20/19. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI).

Der Gesetzgeber schreibt mit diesen Regelungen Mindestsätze für die Vergütung von Architekten und Ingenieuren vor, von denen nach der HOAI nur im Ausnahmefall abgewichen werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat und was seitens der Berufung auch nicht angegriffen wird, nicht vor. Dem Senat ist es verwehrt, den Anwendungsbereich des Ausnahmefalles der HOAI zur Erreichung der EU-Konformität der Regelungen des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 im Wege der Auslegung weiter auszulegen. Um der Vorgabe von Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie gerecht zu werden, dass Mindestsätze nur im Falle einer sachlichen Rechtfertigung zulässig sind, müsste die Vereinbarkeit von Vergütungen unterhalb der Mindestsätze grundsätzlich und nicht nur ausnahmsweise zulässig sein. Dies steht jedoch im diametralen Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, der die Zulässigkeit solcher Vergütungsvereinbarung gerade nur auf Ausnahmefälle beschränken wollte (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2019 – 21 U 24/18, Rn. 52 – 55; KG, Beschl. v. 19.08.2019 – 21 U 20/19, Rn. 68).

(5) Scheidet eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 somit aus, so kann die Unvereinbarkeit dieser Vorschrift mit der unmittelbar wirkenden Dienstleistungsrichtlinie hier auch nicht aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts geltend gemacht werden. Selbst eine klare, genaue und unbedingte Bestimmung einer Richtlinie kann in einem Rechtsstreit zwischen Privaten („horizontales Verhältnis“) keine Anwendung finden, wenn dadurch mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten eines Einzelnen Verpflichtungen begründet werden (vgl. EuGH, Urt. v. 27.02.2014, „OSA“, C-351/12, Rn. 48; Urt. v. 07.08.2018, C-122717, Rn. 42 u. Rn. 49). Gegenüber dem Einzelnen können die Bestimmungen einer Richtlinie nur Rechte begründen (vgl. EuGH, Urt. v. 07.01.2004, „Wells“, C-201702, Rn. 56; Urt. v. 26.02.1985 1986, 152/84, „Marshall, Rn. 48), nicht hingegen Verpflichtungen für einen Einzelnen (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1986, „Marshall“, 152/84, Rn. 48, juirs; Urt. v. 14.07.1994, „Faccini Dori“, C-91/92, Rn. 20; Urt. v. 05.10.2004, „Pfeiffer u.a.“, C-397-01 bis C-403/01, Rn. 108; Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 42; Karpenstein, Praxis des EU-Rechts, 2. Auflage 2013, 1. Teil, § 2, Rn. 57). Dies würde andernfalls auf die Befugnis der Europäischen Union hinauslaufen, mit unmittelbarer Wirkung Verpflichtungen zu Lasten der einzelnen Bürger der Mitgliedstaaten anzuordnen, obwohl ihr diese Kompetenz nur dort zugewiesen ist, wo sie die Befugnis zum Erlass von Verordnungen hat (vgl. EuGH, Urt. v. 07.08.2018, C-122/17, Rn. 42). Zudem steht der Grundsatz der Rechtssicherheit der Begründung von Verpflichtungen für den Einzelnen durch Richtlinien entgegen. Möglich wäre allenfalls eine (mittelbare) negative Auswirkung (vgl. EuGH, Urt. v. 07.01.2004, „Wells“, C-201/02, Rn.56). Aus diesen Gründen können dem Einzelnen durch Richtlinienbestimmung nicht Ansprüche gegen Private entzogen oder belastend modifiziert werden (Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 67. EL Juni 2019, Art. 288 AEUV Rn: 160). Eben dies wäre hier der Fall. Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie erfordert eine Aufhebung vorgeschriebener Mindestsätze, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Könnte sich der Beklagte gegenüber der Klägerin auf die unmittelbare Wirkung von Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie berufen, wäre es der Klägerin verwehrt, sich auf das Verbot von Vergütungen unter den Mindestsätzen zu berufen. Sie wäre verpflichtet, (lediglich) die vereinbarte Vergütung zu verlangen. Der ihr nach § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 zustehende Anspruch auf ein Entgelt in Höhe der darin geregelten Mindestsätze würde ihr entzogen. Eine solche unmittelbar zu Lasten eines Einzelnen gehende Wirkung kommt einer Richtlinie nicht zu (so auch, KG, Beschl. v. 19.08.2019 – 21 U 20/19). Sollte man die Auffassung vertreten, dass die Dienstleistungsrichtlinie keine Verpflichtung zu Lasten eines Dritten anordnet, sondern dass der aus dieser Dienstleistungsrichtlinie sich ergebende Nachteil zu Lasten des Architekten lediglich einen Rechtsreflex darstellt, würde die Dienstleistungsrichtline bereits im Rahmen eines Rechtsstreits unter Privaten einer Anwendung der § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 entgegenstehen. Der Senat gelangt zu diesem Ergebnis demgegenüber erst infolge der Feststellung eines Verstoßes dieser Vorschriften gegen europäisches Primärrecht in Form des Art. 49 AEUV (unten c)).

c) Das Unionsrecht steht einer Anwendung von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 allerdings in Gestalt des Art. 49 AEUV entgegen, dessen Vorgaben durch die Regelungen des Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie konkretisiert und hierbei ihrem Regelungshalt nach inhaltsgleich wiedergegeben werden.

aa) Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ist Teil des unionsrechtlichen Primärrechts. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten haben auch auf nationaler Ebene grundsätzlich unmittelbare Wirkung (vgl. Pötter, in Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Auflage 2019, Die Unionsgrundrechte, Rn. 3.26 m.w.N.; Karpenstein, Praxis des EU-Rechts, 2. Auflage 2013, 1. Teil, § 2 Rn. 49). Sofern eine gesetzliche Regelung mit dem Primärrecht nicht im Einklang steht und zu bringen ist, hat dieses einen Anwendungsvorrang und verdrängt jene (vgl. BVerfG NJW 2010, 3422 [3423]; Karpenstein, Praxis des EU-Recht, 2. Auflage, 2013, 1. Teil, § 2 Rn. 98). Auf einen Verstoß gegen europäisches Primärrecht kann sich der Einzelne auch in einem Rechtsstreit gegenüber einem Privaten berufen mit der Folge, dass die mit dem europäischen (Primär-)Recht nicht in Einklang zu bringende nationale Regelung unangewendet bleiben muss (vgl. EuGH, Urt. v. 19.04.2016, „Danks Industri“, C-441/14; Urt. v. 19.01.2010, „Kücükdeveci“, C-555/07; Urt. v. 11.12.2007, „Viking“, C-438/05).

bb) Art. 49 AEUV findet auf den vorliegenden Fall Anwendung.

(1) Damit Art. 49 AEUV anzuwenden ist, muss der zu entscheidende Sachverhalt ein grenzüberschreitendes Element aufweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-419/12 und C-420/12; Schlussanträge des Generalanwalts v. 05.09.2013, „Venturini“, C-159/12, Rn. 26 ff.). Sachverhalte, die ausschließlich im Inneren eines Mitgliedsstaates spielen und keine Berührungspunkte mit Sachverhalten aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, werden von den Grundfreiheiten nicht erfasst (vgl. EuGH, Urt. v. 15.01.1986, „Hurd“, 44/84, Rn. 55; Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, 67. EL, Juni 2019, AEUV, Art. 45, Rn. 54; Karpenstein, a.a.O., Rn. 160). Für das Vorliegen eines solchen grenzüberschreitenden Elements genügt bereits die bloße Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Bezugs (vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1982, „Oosthoek’s Uitgeversmaatschappij“, C-286/81; Urt. v. 07.05.1997, „Pistre“, C-321/94 bis C-324/94, Rn. 45; Urt. v. 01.06.2010, „Blanco Pérez und Chao Gómez“, C-570/07, Rn. 40; Urt. v. 05.12.2013 – C-159/12 bis C-161/12, Rn. 25, 26). Ein grenzüberschreitendes Element ist namentlich nicht bereits dann auszuschließen, wenn lediglich Inländer eines Mitgliedsstaates vor einem Gericht dieses Mitgliedstaates streiten. Insbesondere in der Entscheidung vom 07.05.1997 („Pistre“) und in seiner Entscheidung vom 05.12.2013 (Az. C-159/12 bis 161/12), die ebenfalls einen möglichen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zum Gegenstand hatten, hat es der EuGH bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ausreichen lassen, dass die fragliche Regelung Wirkungen entfaltet, die sich nicht auf diesen Mitgliedsstaat beschränken.

(2) Nach diesen Maßstäben ist der Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV hier eröffnet.

An dem vorliegenden Rechtsstreit sind zwar ausschließlich Inländer beteiligt. Dennoch ist ein grenzüberschreitendes Element im Hinblick auf die in § 7 HOAI 2009 vorgeschriebenen Mindestsätze zu bejahen (a.A. KG, Beschl. v. 19.08.2019, Rn. 88 ff). Denn es besteht die Möglichkeit, dass diese Vorschrift Wirkungen entfaltet, die sich nicht auf diesen Mitgliedsstaat beschränken. Nationale Regelungen, die wie § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 Mindesttarife vorschreiben, nehmen Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, die Möglichkeit, durch geringere Honorarforderungen als den vom nationalen Gesetzgeber festgesetzten den inländischen Unternehmen wirksame Konkurrenz zu machen (Schlussanträge des Generalanwalts v. 28.02.2019 – C-377/17, Rn. 40). Die Geltung der Mindestsätze nach der HOAI kann danach bereits an sich abschreckende Wirkung auf einen Architekten haben, der erwägt, sich auf dem Gebiet der Bundesrepublik gewerblich niederzulassen, da er seine Möglichkeiten, Zutritt zum Markt zu finden, durch die vorgeschriebenen Mindestsätze erschwert sieht. Damit wirken die Regelung der HOAI 2009 über die deutschen Grenzen hinaus. Der zu entscheidende Sachverhalt ist mit denjenigen zu vergleichen, die der Entscheidung des EuGH v. 05.12.2013, C-159/12 bis C-161/12 (vgl. dort Rn. 26), sowie der Entscheidung vom 07.05.1997 („Pistre“) (vgl. dort Rn. 45) zugrunde lagen, und hat einen grenzüberschreitenden Charakter.

(3) Dem Beklagten ist es auch erlaubt, sich auf einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zu berufen. Der Beklagte als Auftraggeber ist zwar nicht derjenige, dessen Schutz Art. 49 AEUV primär bezweckt. Art. 49 AEUV schützt die Niederlassungsfreiheit und damit die Niederlassung einer Person zum Zwecke der Aufnahme und Ausübung selbständiger dauerhafter Erwerbstätigkeit, im vorliegenden Fall den Anbieter von Architekten- und Ingenieurleistungen. Nach dem Unionsrecht ist jedoch der Kreis derjenigen, die einen Verstoß gegen Unionsrecht rügen dürfen, weit gefasst (Frosthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 67. EL Juni 2019, Art. 45 AEUV, Rn. 47, 49). Nach der EuGH-Rechtsprechung gewährt das Unionsrecht dem Betroffenen schon dann einklagbare Rechte, wenn die in Rede stehende Vorschrift dem Mitgliedstaat eine Pflicht auferlegt und ihn dadurch mittelbar begünstigt (Frosthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O. Rn. 49). Anders als im deutschen Recht können sich die Rechtsunterworfenen auf objektive Verpflichtungen berufen, sofern das Unionsrecht den Mitgliedsstaaten Verpflichtungen auferlegt, die sich zur unmittelbaren Anwendung von Gerichten und Behörden eignen (vgl. EuGH, Urt. v. 05.04.1979, „Ratti“, C-148/78, Rn. 21). Der Beklagte wird vorliegend durch die Niederlassungsfreiheit und den hierdurch bewirkten Ausschluss der Beschränkung durch einen einzuhaltenden Mindestsatz begünstigt. Die Möglichkeit eines Architekten, mit einem Kunden niedrigere Preise als von der HOAI 2009 vorgeschrieben, vereinbaren zu können, liegt auch im Interesse des Auftraggebers, der gleichfalls ein Interesse an attraktiven Angeboten und Wettbewerb durch aus dem Ausland zuziehende Anbieter hat.

cc) § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 verstoßen gegen Art. 49 AEUV.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH stellt jede nationale Maßnahme, die geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, eine Beschränkung i.S.d. Art. 49 AEUV dar (vgl. EuGH, Urt. v. 05.12.2014 – C-159/12 bis C-161/12, Rn. 30, m.w.N.). Mindestsätze beschränken die Niederlassungsfreiheit in diesem Sinne. Sie erschweren einem Architekten, der sich aus einem anderen Mitgliedsstaat in der Bundesrepublik niederlassen will, die Möglichkeit bereits ansässigen Architekten wirksame Konkurrenz zu machen, indem er seine Leistungen nicht auch über einen günstigen Preis attraktiver gestalten kann (vgl. Schlussanträge v. 28.02.2019, a.a.O., Rn. 39 – 42). Eine solche – nicht diskriminierende – Beschränkung ist nach Art. 49 AEUV nur dann zulässig, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (st. Rspr. d. EUGH, vgl. Urt. v 20.02.1979, „Cassis de Dijon“, 120/78).

(2) Diese Vorgaben aus der Grundfreiheit des Art. 49 AEUV werden durch Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie und bezogen auf die in Abs. 2 dieser Regelung genannten Anforderungen – jedenfalls für die in Abs. 2 lit. g beschriebenen Mindestpreise – inhaltsgleich wiedergegeben. Die durch die Richtlinie normierte Verpflichtung, solche Mindestsätze auf die Einhaltung der in Abs. 3 aufgeführten Bedingungen zu prüfen, entspricht den sich unmittelbar aus Art. 49 AEUV ergebenden Anforderungen. So greift Art. 15 Abs. 3 lit. a) bis c) der Dienstleistungsrichtlinie die Kriterien auf, nach denen nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH eine nicht diskriminierende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt sein kann (siehe oben (1)). Die Regelungen von Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie folgen der gleichen Logik der „negativen Integration“ wie die im Vertrag verankerten Freiheiten (vgl. Schlussanträge des Generalanwaltes v. 28.02.2019, a.a.O. Rn. 21, 22). Während Art. 49 AEUV Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit generell verbietet, behandelt Art. 15 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie konkrete Maßnahmen, die die Niederlassungsfreiheit beschränken, wie die Anordnung von Mindest- und Höchstsätzen (Art. 15 Abs. 2 lit g) d. Dienstleistungsrichtlinie). Die Pflicht, die Mindestsätze des Art. 15 Abs. 2 lit. g) der Richtlinie auf die Einhaltung der Anforderungen des Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie zu prüfen, ergäbe sich – die Existenz von Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie hinweggedacht – unmittelbar aus Art. 49 AEUV. Beschränkungen der Grundfreiheiten, wie Art. 49 AEUV, sind zulässig, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erforderlich sind. Diese Möglichkeit einer Rechtfertigung von beschränkenden Maßnahmen nach Art. 15 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie vollzieht Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie nach.

(3) Dies rechtfertigt es, die tragenden Annahmen, auf die der EuGH die Unvereinbarkeit der Mindestsätze des § 7 HOAI 2013 mit Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie gestützt hat, auch für die Frage heranzuziehen, ob die Mindestsätze nach § 7 HOAI 2009 eine sachlich gerechtfertigte Beschränkung der durch Art. 49 AEUV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellen. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 verstoßen damit gegen Art. 49 AEUV, wie er in Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie konkretisiert wird, und sind auf den Vergütungsanspruch der Klägerin bezüglich des Projektes in M. unanwendbar.

4. Die Frage nach der Prüffähigkeit der weiteren Schlussrechnung wie auch nach einem etwaigen Verstoß gegen Treu und Glauben durch die Klägerin stellt sich nicht mehr.

5. Der nach den vorstehenden Ausführungen bestehende Vergütungsanspruch der Klägerin gem. § 631 BGB in Höhe von 20.825,00 Euro brutto ist durch die Zahlung eines Abschlags in Höhe von 15.191,94 Euro seitens des Beklagten erloschen (§ 362 BGB). Die Klägerin hat somit einen verbleibenden Vergütungsanspruch in Höhe von 5.633,06 Euro.

B. Projekt H.-H.

Die Berufung hat ebenfalls Erfolg, soweit sich der Beklagte gegen seine Verurteilung in Höhe von 11.266,78 Euro im Hinblick auf das Bauvorhaben H.-H. wendet. Ein entsprechender Anspruch der Klägerin gem. § 631 BGB ist nicht feststellbar. Der Beklagte rügt mit seiner Berufung zu Recht, dass sich das Landgericht bei seinen Feststellungen nicht hinreichend mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt, und seine Rüge, dass die Klägerin ihre Vergütung nicht näher erläutert habe, wie auch sein Bestreiten der vorgelegte Stundenaufstellungen übergangen habe (unten 1.). Der Senat vermag auch nicht im Übrigen festzustellen, in welchem Umfang die Klägerin Leistungen erbracht hat, so dass sich kein konkreter Vergütungsanspruch zugunsten der Klägerin beziffern lässt (unten 2.). Im Einzelnen:

1. Der Sachverständige hat lediglich für die beauftragte „Mitwirkung bei der Erstellung des erforderlichen Abriss-Antrages“ feststellen können, dass die Klägerin diese Arbeiten erbracht hat. Hinsichtlich der in Auftrag gegebenen Planung der erforderlichen tiefbautechnischen Baumaßnahmen hat der Sachverständige zwar eine Leistungserbringung feststellen können. Gleichzeitig hat er jedoch festgestellt, dass die Unterlagen darauf hindeuteten, dass wesentliche Planungs- und Koordinationsleistungen nicht von der Klägerin, sondern dem Beklagten erbracht worden seien (vgl. S. 55 d. Gutachtens v. 19.07.2016). Eine nachvollziehbare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten sei sachverständigenseits nicht möglich (vgl. S. 56 d. Gutachtens). Zu der beauftragten „CAD-Erstellung von Planungsunterlagen in erforderlichem Umfang für die Tiefbauleistungen“ hat der Sachverständige lediglich feststellen können, dass CAD-Pläne erstellt wurden, jedoch nicht ob diese in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse erforderlich waren (vgl. S. 57 d. Gutachtens). Eine Erstellung der in Auftrag gegebenen Tiefbau-Ausschreibungsunterlagen konnte der Sachverständige nicht feststellen (vgl. S. 57 d. Gutachtens). Ebenso wenig konnte der Sachverständige feststellen, dass die Klägerin die in Auftrag gegebene örtliche Bauüberwachung durchgeführt hat (vgl. S. 58 d. Gutachtens).

2. Selbst wenn man angesichts der Ausführungen des Sachverständigen annimmt, dass die Klägerin teilweise Arbeiten, mit denen sie am 19.11.2012 in Bezug auf das Bauvorhaben H.-H. beauftragt wurde, ausgeführt hat, ist ein Vergütungsanspruch der Klägerin in einer konkreten Höhe nicht feststellbar. Den Unterlagen, insbesondere den Stundennachweisen, ist nicht zu entnehmen, inwieweit die dort aufgeführten Arbeiten mit den in Auftrag gegebenen Leistungen im Zusammenhang stehen. Zu diesem Punkt hat die Klägerin nichts vorgetragen und – entsprechend – keinen Beweis angeboten. Soweit sie Beweis angeboten hat durch Vernehmung von Zeugen, bezieht sich dies allein darauf, dass die von ihr abgerechneten Stunden (überhaupt) erbracht worden seien (vgl. Bl. 104, 105 GA). Eine Zuordnung der Stunden zu den von dem Sachverständigen festgestellten Leistungen ist jedoch nicht möglich.

3. Soweit der Beklagte sich weiter gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Honorars für Vermessungsleistungen zu einem Pauschalbetrag von 1.600,00 Euro wendet, ist seine Berufung ebenfalls begründet. Weder dem Angebotsschreiben der Klägerin vom 16.11.2012 (Anlage K19, Bl. 46 AB) noch dem Auftragsschreiben des Beklagten vom 19.11.2012 (Anlage K20, Bl. 47 AB) ist eine solche Pauschale zu entnehmen.

C.

Nebenforderungen

1. Der Beklagte wendet sich ebenfalls zu Recht gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Zinsen in einer Zinshöhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Erhöhung des Zinssatzes für Verzugszinsen von 8 Prozentpunkten auf 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wurde durch Art. 3 ZVerzugsRL-UG vom 22.07.2014 mit Wirkung vom 29.07.2014 eingeführt (vgl. Grüneberg, Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 288 Rn. 3; Sprau, Palandt, a.a.O., EGBGB 229 § 34 Rn.1). Gem. EGBGB 229 § 34 Satz 1 ist die seit dem 29.07.2014 geltende Fassung nur auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Für die Vergütung der Klägerin für die von dem Beklagten im Jahr 2012 in Auftrag gegebenen Leistungen gilt daher die vorherige Fassung des § 288 BGB, in der ein Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vorgeschrieben war.

2. Auch soweit der Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten wendet, hat seine Berufung Erfolg. Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten, soweit sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Erfüllung des berechtigten Vergütungsanspruchs der Klägerin in Verzug befand. Die Klägerin verweist zur Begründung ihres Verzugsanspruch auf ihr Schreiben vom 28.07.2013 (Anlage K23, Bl. 50 AB) und das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.04.2013 (Anlage K17, Bl. 35 ff. AB). Auf dieser Grundlage ist jedoch ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nur hinsichtlich ihres Vergütungsanspruchs für ihre Leistungen im Hinblick auf das Bauvorhaben L. in Höhe von 6.545,00 Euro begründet. Mit dem von der Klägerin angeführten Schreiben vom 09.04.2013 (Anlage K17, Bl. 35 ff. AB) wurde durch die darin enthaltene Fristsetzung ein Verzug des Beklagten hinsichtlich ihres offenen Vergütungsanspruchs in Bezug auf das Bauvorhaben M. erst begründet. Dieses Schreiben stammt jedoch bereits von dem Klägervertreter. Ein Zusammenhang zwischen der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem (nach Sachlage danach begründeten) Verzug des Beklagten ist nicht erkennbar. Soweit darin auf ein weiteres Schreiben eines früheren bevollmächtigten Anwalts der Klägerin Bezug genommen wird, ist ebenfalls nicht erkennbar, dass sich der Beklagte zuvor in Verzug befunden hat. Der Umstand, dass die Klägerin den Anwalt gewechselt hat, führt nicht dazu, dass ein zuvor mangels Verzug nicht begründeter Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten begründet wäre. Die Beauftragung des zweiten Anwalts beruht auf der Erwartung der Klägerin, von dem späteren Anwalt besser vertreten zu werden, und nicht auf dem Verzug des Beklagten.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens folgt sie aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

2. Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, soweit der Senat über den Vergütungsanspruch der Klägerin wegen ihrer Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt M. entschieden hat. Die der Entscheidung zugrundeliegende maßgebliche Rechtsfrage, ob sich ein Architekt trotz der Feststellungen des EuGH in seinem Urteil vom 04.07.2019, dass die HOAI 2013 gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstößt, weiterhin auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung eines Pauschalhonorar gem. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2009 berufen kann, wird von den verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet (vgl. etwa: für eine Unanwendbarkeit der Regelungen der HOAI: OLG Celle, Urt. v. 17.07.2019 – 14 U 188/18; Urt. v. 23.07.2019 – 14 U 182/18; Urt. v. 14.08.2019 – 14 U 198/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.09.2018 – I-23 U 155/18; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 25.10.2019 – 1 U 74/18; gegen eine Unanwendbarkeit: OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2019 – 21 U 24/18; KG, Beschl. v. 19.08.2019 – 21 U 20). Die Frage hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshof ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 64.866,29 Euro festgesetzt.

Beschluss

vom 14.02.2020

In dem Rechtsstreit

(…)

wird der erste Satz der Kostenentscheidung des Urteils des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28.01.2020 gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass er wie folgt lautet:

„Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 92% und der Beklagte zu 8%.“

Gründe:

Die Kostenentscheidung war gem. § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen. Der in dem Urteil formulierte Ausspruch war evident unrichtig, wie sich auch für einen Außenstehenden aus dem Urteil, insbesondere der weiteren Kostenentscheidung und der Begründung der Kostenentscheidung, ohne Weiteres ergibt. Die Parteien waren versehentlich falsch benannt worden. Hierbei handelt es sich um eine offenkundige Falschbezeichnung.