Ax Rechtsanwälte

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Bebautes Grundstück – Veräußerung im Bieterverfahren

von Thomas Ax

1.

Ausgangslage

Eine Kommune in Hessen möchte ein mit einer städtischen Gesundheitseinrichtung bebautes Grundstück veräußern.

2.

Rechtliche Implikationen

2.1

Ein Grundstücksverkauf unter Wert kann einen entgeltlichen Bauauftrag begründen.

Dementsprechend dient ein Bauauftrag nach § 99 Abs. 1 und 3 GWB der Herstellung von Bauwerken, die dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zu Gute kommen. Verkauft ein öffentlicher Auftraggeber hingegen ein Grundstück, so beschafft er keine (Bau-)Leistung, sondern er veräußert und übereignet ein Grundstück. Auf das Verfahren zum Verkauf von Grundstücken findet das Vergaberecht deshalb keine Anwendung (so schon Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.2.2008 – Az.: V ZR 56/07).

Vor diesem Hintergrund hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Beschluss vom 15.3.2013 – Az.: 1 Verg 4/12) nunmehr entschieden, dass der von einer Kommune gewährte Kaufpreisnachlass oder der Verkauf eines Grundstückes unter seinem Verkehrswert eine finanzielle Beteiligung an einem vom Käufer zu errichtenden Bauwerk darstellen kann.

In dem vorgenannten Rechtsstreit ging es um den Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit der Umsetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes (z.B. Durchführungsvertrag). Dabei sollte u.a. vom Grundstückskäufer auf dem Vorhaben ein Parkdeck verwirklicht und zur öffentlichen Nutzung bereitgestellt sowie öffentliche Straßen hergestellt bzw. umgestaltet werden.

Von einem Verkauf zum Marktwert wird nur dann ausgegangen, wenn der Verkaufspreis aus einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bieterverfahren oder aus einer vor den Verkaufsverhandlungen erfolgten unabhängigen Wertermittlung hervorgeht.

Hierbei wird eine Abweichung von bis zu 5% gegenüber dem festgelegten Marktwert toleriert.

Wurde weder ein Bieterverfahren durchgeführt noch ein unabhängiges Wertgutachten erstellt, so kann dies nach Meinung des schleswig-holsteinischen Vergabesenates unschädlich sein, wenn letztlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Grundstückskaufpreis – im Sinne einer finanziellen Beteiligung an den durchzuführenden Bauarbeiten – unterhalb des vollen Werts des Grundstückes bzw. des Marktwertes vereinbart wurde.

2.2

Die Kommune ist bereits aus gemeindewirtschaftsrechtlichen Gründen gehalten, ihre Grundstücke in der Regel nur zu ihrem vollen Wert, also dem nach der höchstzulässigen baulichen Nutzbarkeit zu bestimmenden Verkehrswert zu veräußern.

Dagegen verstoßende Verträge sind gemäß § 134 BGB nichtig.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die vergleichbare Regelung der Bayerischen Gemeindeordnung in Art. 75 Abs. 1 Satz 2 („Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden“) zu der Auffassung gekommen, dass ein Verstoß die privatrechtliche Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Wertausgleich zur Folge hat, denn Art. 75 Abs. 1 Satz 2 der Bayerischen Gemeindeordnung sei ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.

In einer dieser vorgehenden Entscheidung zum Grundbuchverfahren hat das Bayerische Oberste Landesgericht ausgeführt, dass das Grundbuchamt wegen der Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz zu Recht die schriftliche Feststellung des Vertretungsberechtigten der Gemeinde, dass keine Veräußerung unter Wert vorliege, gefordert habe, sie verstärke als Glaubhaftmachung den Erfahrungssatz, dass die Bestimmungen der Gemeindeordnung in der Regel eingehalten würden und ihre Nichtbeachtung sich auf Ausnahmen beschränke (vgl. BayObLGZ 2001, 54 ff., BayObLGZ 1995, 225).

Auch für Hessen ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 134 BGB davon auszugehen, dass § 109 Abs. 1 Satz 2 GemO ein Verbotsgesetz enthält.

Ob das Verbot der Unterwertveräußerung eine rein haushaltsrechtliche Bestimmung ohne zivilrechtliche Wirkung ist oder ein Verbotsgesetz im Sinn des § 134 BGB, das bei Nichtbeachtung zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes führt, ist streitig (vgl. nur Mayer in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005 Art. 119 EGBGB Rdn. 64).

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vergleichbaren Regelung in § 63 Abs. 3 Satz 1 BHO ausgeführt, dass die haushaltsrechtliche Bestimmung als Verbotsgesetz deshalb nicht angesehen werden könne, weil § 61 Abs. 3 Satz 3 BHO unter bestimmten Voraussetzungen von der in Satz 1 normierten Verpflichtung zur Werterstattung abweichende Verwaltungsvereinbarungen erlaube und es deshalb an der für ein Verbotsgesetz erforderlichen Voraussetzung fehle, dass der mit dem Verstoß erreichte Rechtserfolg durch die verletzte Rechtsnorm unbedingt ausgeschlossen, d.h. strikt und ausnahmslos untersagt ist (BVerwGE 118, 361 ff.; so auch von Köckritz/Ermisch/von Hoegen/Musti, BHO Januar 2010 § 63 BHO Rdn. 7 mit der Ausnahme für vorsätzliches Handeln; offen gelassen bei Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder Band III C/63/6 Rdn. 5).

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 17.09.2004 zum gleichlautenden § 90 Abs. 1 Satz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung diese Streitfrage ebenfalls aufgeworfen. Zu § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 ThürKO 1993, wonach Vermögensgegenstände der Gemeinde in der Regel nur zum vollen Wert zu veräußern sind, hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch eine Vorschrift des Landesrechts ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB darstellen könne BGH, Urteil vom 17.09.2004 – V ZR 339/03, BGHZ 160, 240 ff., vgl. dazu und zum Weiteren BGH, Urteil vom 17.01.2003 – V ZR 137/02, WuM 2003, 281 ff.)

Dabei hat er darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof bereits für unentgeltliche Zuwendung aus staatlichem (nicht kommunalen Vermögen) es als naheliegend erachtet habe, dass der allgemeine Grundsatz, wonach der Staat nichts „verschenken dürfe“ als Verbotsgesetz anzusehen sei.

Fehle eine ausdrückliche Regelung, so sei die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führe, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend sei, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wende, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Letzteres und damit das Vorliegen eines Verbotsgesetzes werde von der Rechtsprechung regelmäßig bejaht, wenn beide Vertragsparteien mit dem Vertragsschluss ein gesetzliches Verbot verletzten. Sollte das Verbot nur die Gemeinde treffen, so führe ein Verstoß nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liege, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordere. Wenn das Gericht vor diesem Hintergrund ein Verbotsgesetz bejahe, so seien dessen Voraussetzungen im Einzelnen zu ermitteln. Bleibe der Kaufpreis nur geringfügig hinter dem Verkehrswert zurück, werde auch unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen die Rechtsfolge einer Nichtigkeit schwerlich zu rechtfertigen sein. Gelange das Gericht zu der Annahme eines inhaltlich näher bestimmten Verbotsgesetzes, so werde dessen Verletzung im konkreten Fall zu prüfen sein. Ggf. seien Feststellungen zum Verkehrswert zu treffen (vgl. BGHZ 78, 269 ff.; 89, 369 ff.; 115, 123 ff.; 143, 283 ff., vgl. BGH a.a.O. WuM 2003, 281 ff.)

Gemessen daran handelt sich bei § 109 Abs. 1 Satz 2 GemO um ein Verbotsgesetz.

  • 109 Abs. 1 Satz 2 GemO wendet sich allein an die Gemeinde als Adressatin, nicht an den Erwerber eines Vermögensgegenstandes der Gemeinde. Es handelt sich dennoch um ein Verbotsgesetz, da dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert. § 109 Abs. 1 Satz 2 GemO will verhindern, dass sich die Gemeinde leichtfertig von Vermögen trennt, das künftigen Generationen zur Aufgabenerfüllung nützlich sein kann. Satz 2 verpflichtet zu einer durchsichtigen Vermögenspolitik, die nicht mit verdeckten Subventionen oder anderer Vorteilsgewährung verbunden sein darf.

Sinn ist also die Erhaltung kommunalen Vermögens. Dieses soll zur Erfüllung kommunaler Aufgaben dienen und nicht durch Fehlleistungen einzelner Beamter oder durch Bevorzugung einzelner Dritter dem Gemeinnutzen entzogen werden. Deshalb ist für jede Verwertung kommunaler Vermögensgegenstände außerhalb der kommunalen Aufgaben eine gleichwertige Gegenleistung zu verlangen. Das Verständnis, dass es sich hier um eine haushaltsrechtliche Einschränkung handle, die die Gemeinde nur im Innenverhältnis binde, würde zu dem Ergebnis führen, dass ein außerhalb des Adressatenbereichs der Vorschrift stehender Dritter den Vollzug eines entgegen diesem Verbot zustande gekommenen Vertrages zu Lasten der Gemeinschaft verlangen könnte.

Zwar kann nicht jede geringfügig unter dem Verkehrswert liegende Veräußerung zur Nichtigkeit führen, doch hat der Grundsatz zu gelten, dass § 109 Abs. 1 Satz 2 GemO ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB enthält, dass Veräußerungen verboten werden, die zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis erfolgen und unter keinerlei Gesichtspunkten durch die Verfolgung legitimer öffentlicher Aufgaben im Rahmen einer an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit orientierten Verwaltung gerechtfertigt sind.

2.3

Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Verstoß dem Grundbuchamt vorliegen, nicht nur bei der abstrakten Gefahr eines Verstoßes, weil ein gemeindeeigenes Grundstück veräußert wird, muss das Grundbuchamt weiter aufklären und ggf. eine Erklärung des Vertretungsberechtigten oder weitere Informationen, wie z.B. die Vorlage eines Verkehrsgutachtens, fordern.

Der Landesgesetzgeber hat nämlich durch § 109 Abs. 1 Satz 2 GemO in seiner neuen Fassung zum Ausdruck gebracht, dass davon auszugehen ist, dass in den Gemeinden eine ordnungsgemäße Überprüfung des Wertes der zu veräußernden Vermögensgegenstände vor der Veräußerung erfolgt und als Ausdruck seines Vertrauens in das ordnungsgemäße Funktionieren und zur Entlastung von unnötig erscheinenden internen Verwaltungsvorgängen und Prüfungen das Kontroll- und Eingriffsinstrumentarium der Rechtsaufsichtsbehörde deutlich und bewusst beschränkt.

Eine generelle Erklärungspflicht der Gemeinde zum Wert bei jedem Grundstücksverkauf würde dazu führen, dass „die Gemeinden bei der Veräußerung von Liegenschaften letztlich unter die Kuratel des Grundbuchamtes gestellt werden, obgleich der Gesetzgeber gerade aus Gründen der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung die rechtsaufsichtliche Kontrolle der Fachbehörde abgeschafft hat“.

Im Übrigen ist das Grundbuchamt gehalten, selbst bei Vorlage einer entsprechenden Erklärung des Gemeindevertreters weitere Aufklärung zu betreiben und eine Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verhindern, wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass diese Erklärung inhaltlich falsch sein könnte und die Verschleuderung von Gemeindeeigentum droht.

2.4

Bleiben sonst ins die Konkurrentenklage und Rückforderung des Differenzbetrages.

3.

Lösung

Von einem Verkauf zum Marktwert wird nur dann ausgegangen, wenn der Verkaufspreis aus einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bieterverfahren oder aus einer vor den Verkaufsverhandlungen erfolgten unabhängigen Wertermittlung hervorgeht.

Durchgeführt wird ein hinreichend publiziertes, allgemeinen und bedingungsfreies Bieterverfahren.