Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

Schwerpunkt Vertragsverlängerung – Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Schwerpunkt Vertragsverlängerung

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Können Vertragsverlängerungen unwirksam sein?

Antwort: Nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2, Absatz 2 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist.

Frage: Betrifft die Unwirksamkeit auch wesentliche Vertragsänderungen?

Antwort: Die Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB betrifft auch wesentliche Vertragsänderungen bei einem entsprechenden öffentlichen Auftrag.

Frage: Was ergibt sich aus § 132 GWB?

Antwort: Wie sich aus § 132 GWB ergibt, darf eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags nicht freihändig von dem öffentlichen Auftraggeber und dem Auftragnehmer vorgenommen werden, sondern muss zu einem neuen Vergabeverfahren über den geänderten Auftrag führen.

Frage: D.h. wann ist eine Verlängerung eine wesentliche Vertragsänderung?

Antwort: Es kommt auf den Einzelfall an. Die Verlängerung von Verträgen mit  befristeter Laufzeit ist bei Verträgen, bei denen das Zeitmoment ein wesentliches Element der geschuldeten Leistung ist, bei einer erheblichen Ausweitung des Leistungsvolumens als eine wesentliche Vertragsänderung nach § 132 Abs. 1 GWB und damit als neuer Beschaffungsvorgang zu werten. Die Verlängerung der Leistungszeit eines Vertrages um zwei Jahre, mithin um 20 % der vertragsgemäß zulässigen Laufzeit von zehn Jahren, stellt eine erhebliche Ausweitung dar, wie einem Blick auf den insoweit einschlägigen § 132 Abs. 3 GWB entnommen werden kann. Hiernach ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens lediglich zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung die jeweiligen Schwellenwerte nach § 106 nicht übersteigt und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 Prozent und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.

Frage: Braucht es eine ausdrückliche Vereinbarung zur nachträglichen Verlängerung des Vertrages?

Antwort: Nein. Nach § 135 Abs. 1 GWB kann ein „öffentlicher Auftrag“ von Anfang an unwirksam werden, wobei nach § 103 Abs. 1 GWB ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen ist. Für diesen bedarf es nicht zwangsläufig des Abschlusses eines neuen Vertrages oder eines ausdrücklichen Änderungsvertrages, ausreichend ist ein selbständiger vergaberechtsrelevanter Beschaffungsvorgang, wobei eine mündliche, konkludente oder nach einer überwiegenden Lebenswahrscheinlichkeit vorliegende Beauftragung ausreicht.

Frage: Der Vertrag ist also auszulegen. Welche Maßstäbe gelten?

Antwort: Nehmen wir ein Beispiel: Unter II.3 der Auftragsbekanntmachung zu „Vertragslaufzeit bzw. Beginn und Ende der Auftragsausführung“ heißt es: Beginn 2.5.2011. Ende: 31.07.2019. Im Vertragsentwurf, der Bestandteil der Vergabeunterlagen ist, heißt es: Der Vertrag verlängert sich automatisch um 2 Jahre, wenn er nicht 12 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt wird. Die Vertragsbestimmungen eines im Wege des Vergabeverfahrens zustande gekommenen Vertrages sind nach den §§ 133, 157 BGB (erläuternd) auszulegen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach § 133 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände
herangezogen werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt waren oder für ihn erkennbar waren. Abzustellen ist auf den Horizont und die Verständnismöglichkeiten des Empfängers. Entscheidend ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden. Die auf den Willen verweisende gesetzliche Auslegungsregel in § 133 BGB verbietet es im Ausgangspunkt, eine rechtsgeschäftliche Regelung gegen den tatsächlichen oder den erklärten Willen einer Partei nach rein objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Im Einzelfall kann es sogar allein auf das tatsächliche Wollen der Erklärenden und nicht auf den objektiven Erklärungssinn ankommen, wenn Erklärender und Erklärungsempfänger dasselbe meinen oder der Erklärungsempfänger wenigstens erkannt hat, was der Erklärende in Wirklichkeit wollte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1997 – V ZR 246/96 -). Im Hinblick auf § 157 BGB ist die Auslegung von Vertragserklärungen dann jedoch noch am Maßstab von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu prüfen. Bei einer öffentlichen Ausschreibung im Rahmen eines Vergabeverfahrens tritt unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 157 BGB für die Auslegung von Vergabeunterlagen ein von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abweichender übereinstimmender Wille der Vertragsparteien hinter den objektiven Empfängerhorizont zurück. Maßgeblich für das Verständnis von öffentlich bekannt gemachten Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter. Der Wortlaut Der Vertrag verlängert sich automatisch um 2 Jahre, wenn er nicht 12 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt wird. schließt aus der maßgeblichen Sicht der Bieter eine revolvierende Vertragsverlängerung nicht aus. Sowohl eine einmalige als auch eine mehrfache Verlängerung ist nach dem Wortsinn möglich. Ein die Vereinbarung in Richtung einer nur einmaligen Verlängerung einschränkendes Verständnis kann jedoch aus der im Rahmen der grammatikalischen und systematischen Auslegung heranzuziehenden Angabe unter II.3 der Auftragsbekanntmachung zu „Vertragslaufzeit bzw. Beginn und Ende der Auftragsausführung“ resultieren: Beginn 2.5.2011. Ende: 31.07.2019. Hier kommt es auf jedes Detail an.

Frage: Gibt es Fristen für die Geltendmachung der Unwirksamkeit?

Antwort: Ja. Nach § 135 Abs. 2 GWB kann die Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrages nach § 135 Absatz 1 GWB nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.

Herr Dr. Ax wir danken für das Gespräch.

Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur T. Schmitt. 

 

Ein neues, modernes und dynamisches VergabeRecht für Deutschland

Ein neues, modernes und dynamisches VergabeRecht für Deutschland

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Thomas Ax fordert nicht weniger als eine Rundumerneuerung des deutschen Vergaberechts, Unterstützung der Auftraggeber und Bieter und Fortbildung. Tenor: Unsicherheiten sind zu beseitigen. Klarstellungen sind vorzunehmen. Hindernisse sind aus dem Weg zu räumen. Das Vergaberecht muss wieder zur Beschaffungswirklichkeit passen. In jüngerer Zeit haben sich Marktsegmente entwickelt, bei denen die Markteilnehmer feste Leistungsmodelle entwickelt haben, die von Anbieter zu Anbieter nicht mehr 1:1 verglichen werden können. Vielfach werden Leistungsgegenstände nur Online vermarktet. Hier besteht in vielen Fällen nicht das Interesse der Anbieter, individuelle Angebote zu erstellen, sich einer Eignungsprüfung zu unterziehen oder auf die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu verzichten. Dieses neue Markgeschehen korrespondiert nicht mit den Verfahrensregeln des Vergaberechts. Soweit Vergaben auf die Nutzung elektronischer Medien gerichtet sind, stellt das die Vergabestellen vor neue Herausforderungen. Im Bereich der sog. social media, wie z.B. Facebook, Twitter oder Instagram bestehen von den Anbietern vorgegebene Leistungspakete, von denen sie nicht abzuweichen bereit sind. Typischerweise geben solche Marktteilnehmer keine Angebote in einem Vergabeverfahren ab. Das aktuelle Vergaberecht bietet keine Handhabe, um auf diese Beschaffungsgegenstände adäquat und flexibel zu reagieren. Aufgrund aktueller Entwicklungen ist im Bereich Verteidigung und Sicherheit eine Änderung an den bestehenden Regelungen erforderlich geworden, um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr schneller zu decken. Die militärischen und die zivilen Sicherheitsbehörden stehen vor neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Die Notwendigkeit, kurzfristig und effektiv auf sicherheitsrelevante Entwicklungen sowohl im In- als auch im Ausland reagieren zu können, gewinnt immer größere Bedeutung. Dabei werden die Herausforderungen vielfältiger und reichen von internationalem Krisenmanagement über die Abwehr terroristischer Gefahren bis zu Fragen der Cybersicherheit und der asymmetrischen Kriegsführung. Ziel muss es sein, bessere Möglichkeiten für eine beschleunigte Beschaffung zu schaffen, die vergaberechtlichen Regularien im Falle kurzfristiger Anforderungen an die Beschaffung noch besser zu nutzen und die vergaberechtlichen Spielräume für eine schnelle Beschaffung konsequenter zu nutzen. Kurzum: Es besteht erheblicher gesetzgeberischer Verbesserungsbedarf. Ein neues, modernes und dynamisches VergabeRecht für Deutschland!

Lesen Sie das Interview:

Frage: Welche wirtschaftliche Bedeutung haben öffentliche Aufträge?

Antwort: Bundesweit macht das jährliche Beschaffungsvolumen öffentlicher Institutionen geschätzt mehr als zehn Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts oder mindestens 300 Mrd. Euro aus. Neben Ausgaben für den laufenden Betrieb der öffentlichen Hand sind Aufträge für öffentliche Investitionen ein besonders wichtiger Teil dieser Beschaffungen. Beispiele für öffentliche Aufträge sind der Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs, der Bau von Straßen oder die Ausstattung von Kindergärten, Schulen und Universitäten. Immer öfter entscheidet sich zudem die öffentliche Hand dafür, bestimmte Leistungen durch Private über die Vergabe von Konzessionen anbieten zu lassen, wie etwa den Betrieb von Freizeiteinrichtungen oder Parkhäusern. Für beides – öffentliche Aufträge wie Konzessionen – gilt: Die öffentliche Hand soll im Interesse des Steuerzahlers immer dem wirtschaftlichsten Angebot – gemessen am Preis-Leistungs-Verhältnis – den Vorzug geben. Das Vergaberecht legt fest, wie Bund, Länder und Kommunen vorgehen müssen, um Güter am Markt einzukaufen oder Bau- und Dienstleistungen in Auftrag zu geben. Es soll sicherstellen, dass Haushaltsmittel wirtschaftlich und in einem wettbewerblichen, transparenten und nicht-diskriminierenden Verfahren eingesetzt werden. Je effizienter die Verfahren ablaufen, umso wirtschaftlicher fallen die öffentlichen Investitionen aus. Umgekehrt können schwerfällige Verfahren und komplexe Regelwerke Investitionen verteuern oder verhindern.

Frage: Wird das Vergaberecht richtig angewendet?

Antwort: Vielfach: Nein.

Eine Auswertung der Entscheidungen von unseren Nachprüfungsverfahren hat Folgendes ergeben: Soweit im Sinne der Antragsteller entschieden wurde, bestanden die vergaberechtlichen Verstöße überwiegend in handwerklichen Fehlern des jeweiligen Auftraggebers, insbesondere bei der Erstellung der Leistungsbeschreibungen, im Rahmen der Eignungsprüfung sowie der Wertung der Angebote. Darüber hinaus wurde in einigen Fällen wegen mangelhafter Dokumentation gegen das Transparenzgebot verstoßen. Ferner haben einige Auftraggeber bei der Eignungsprüfung der Unternehmen und Wertung der Angebote das Vergaberecht unverhältnismäßig eng ausgelegt. Kleine und mittlere Unternehmen sind über die rechtlichen Möglichkeiten des Vergaberechtsschutzes häufig nicht hinreichend informiert und scheitern an den prozessualen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Nachprüfungsantrag.

Frage: Sind das einfache Verstöße?

Antwort: Vielfach: Nein.

Folgende gravierende Beispiele:


Frage
: Was sind die Ursachen einer falschen Rechtsanwendung oder Rechtsunsicherheit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen?

Antwort: Als häufigste Ursachen von Rechtsunsicherheit und falscher Rechtsanwendung nennen die von uns betreuten Auftraggeber die Komplexität und die als wenig anwenderfreundliche empfundene Struktur des Vergaberechts. Auch die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe bereite Schwierigkeiten, dies betreffe insbesondere solche Begriffe, die noch nicht durch die Rechtsprechung ausgeformt sind. Die kasuistische Rechtsprechung und immer kürzere „Erneuerungszyklen“ der Vorschriftenwerke mache es in der Praxis schwierig, stets basierend auf dem aktuellen Sach- und Rechtsstand rechtssicher Vergabeverfahren durchzuführen. Es bestehe hoher Fortbildungs- und Beratungsbedarf, eine Vielzahl von Vergabestellen sei bei Oberschwellenvergaben auf die Hilfe Dritter angewiesen. Verschärft werde dies dadurch, dass sich die Personalsituation in den staatlichen Behörden und den Kommunen nicht positiv entwickelt habe.

Frage: Welche Konkreten Fehlerquellen werden genannt?

Antwort: Als konkrete Fehlerquelle nennen unsere Auftraggeber-Mandanten die Bestimmung von Auftragswerten (insb. bei Bau- und Planungsleistungen) sowie die Abgrenzung von Bau- und Lieferleistungen, die Wahl der Verfahrensart (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV), das Dilemma zwischen Produktneutralität und eindeutiger Leistungsbeschreibung, die Verwendung der CPV-Nomenklatur (insb. bzgl. Informations- und Kommunikationstechnologie, Forschungsgeräten, sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen), die Nachforderung von Unterlagen (§ 56 Abs. 2 VgV), die Eignungs- und Zuschlagskriterien, Dokumentations- und Begründungsmängel, die Bildung von Teillosen (§ 97 Abs. 4 Satz 2 GWB), die Verpflichtung zur Festlegung einer Höchstmenge der abrufbaren Leistung nach § 21 Abs. 1 VgV bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen, Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit, die Veröffentlichung von Bekanntmachungen (§ 37 VgV), die Anwendbarkeit des Beschaffungsübereinkommens (GPA), die Einheitliche Europäische Eigenerklärungen (EEE) sowie die rechtskonforme elektronische Übermittlung von Informationen über die E-Vergabe-Plattform gem. § 134 GWB, § 162 Abs. 1 VgV und die Einhaltung der strikten elektronischen Kommunikation über die Vergabeplattform (§ 9 Abs. 1 VgV; § 11 Abs. 1 VOB/A EU).

Frage: Leisten rechtliche Vorgaben bestimmten Umsetzungsproblemen Vorschub?

Antwort: Unsere Auftraggeber sehen die bestehenden hohen rechtlichen Vorgaben als Ursache dafür, dass die Anzahl zuschlagsfähiger Angebote immer mehr abnimmt, insbesondere wenn Umwelt- und Sozialvorgaben eine Rolle spielen. Die als sehr groß empfundene Diskrepanz zwischen den Schwellenwerten im Liefer- und Dienstleistungsbereich auf der einen und dem Baubereich auf der anderen Seite seien nicht vermittelbar. Zudem seien die sehr langen Fristen des EU-Vergaberechts ein Hindernis, flexibel auf Bedarfe und Marktsituationen zu reagieren.

Frage: Ist Vergaberecht noch zeitgemäß?

Antwort: Nur bedingt.

Aufgrund aktueller Entwicklungen ist im Bereich Verteidigung und Sicherheit eine Änderung an den bestehenden Regelungen erforderlich geworden, um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr schneller zu decken. Die militärischen und die zivilen Sicherheitsbehörden stehen vor neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Die Notwendigkeit, kurzfristig und effektiv auf sicherheitsrelevante Entwicklungen sowohl im In- als auch im Ausland reagieren zu können, gewinnt immer größere Bedeutung. Dabei werden die Herausforderungen vielfältiger und reichen von internationalem Krisenmanagement über die Abwehr terroristischer Gefahren bis zu Fragen der Cybersicherheit und der asymmetrischen Kriegsführung. Ziel muss es sein, bessere Möglichkeiten für eine beschleunigte Beschaffung zu schaffen, die vergaberechtlichen Regularien im Falle kurzfristiger Anforderungen an die Beschaffung noch besser zu nutzen und die vergaberechtlichen Spielräume für eine schnelle Beschaffung konsequenter zu nutzen.

Frage: Hat die Corona-Pandemie die Bedeutung der öffentlichen Beschaffung verdeutlicht?

Antwort: Ja. Aber auch die Grenzen aufgezeigt.

Durch zeitweise Engpässe bei Gütern wie Atemschutzmasken, Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln wurde die zentrale Rolle funktionierender Beschaffungsprozesse zur akuten Bewältigung der Krise sichtbar. Unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie sind Vereinfachungen im Vergabeprozess eingeführt worden, die über Gebühr und unsachgemäß angewendet worden sind.

Beispiel:

Ein Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung an die Modefirma van Laack beschäftigte die VK Rheinland. Das Mönchengladbacher Unternehmen van Laack hatte im Zuge der Corona-Pandemie mehrere Aufträge für Schutzausrüstung erhalten. Vor allem die Bestellung von zehn Millionen Schutzkitteln sorgte für Debatten, weil bekannt wurde, dass Johannes «Joe» Laschet, der Sohn von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), den Kontakt zu der Firma hergestellt hatte. Neben den Kitteln hatte die Textilfirma auch zwei Aufträge der NRW-Polizei über je 1,25 Millionen sogenannter Alltagsmasken aus Stoff bekommen.

Frage: Gab es auch Entscheidungen?

Antwort: Ja.

Beispiel:

Coronapandemie als Rechtfertigung für die Aufhebung eines Vergabeverfahrens?

VK Bund, Beschl. vom 07.05.2020 (Az.: 2-31/20)

Frage: Was wird benötigt?

Antwort: Unsicherheiten sind zu beseitigen. Klarstellungen sind vorzunehmen. Hindernisse sind zu beseitigen.

Beispiel 1
Obergrenze bei Rahmenvereinbarungen (EuGH 19.12.2018, C-216/17)
Hinsichtlich des o.g. Urteils des EuGH besteht Unsicherheit, inwieweit die derzeitige Rechtslage bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen die Angabe einer Obergrenze erfordert. Derzeit wird deshalb teilweise der geschätzte Auftragswert in den Vergabeunterlagen als Obergrenze genannt und mit einer Option im Sinne des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB verbunden. Es stellt sich die Frage, ob die Erhöhung der Obergrenze durch eine quantitative Leistungserweiterungsoption im Sinne § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB dem Zweck des Missbrauchsverbots von Rahmenvereinbarungen entgegensteht. Die praktische Handhabbarkeit bereitet Schwierigkeiten. Zudem ist zwischenzeitlich ein neues Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, C-23-20) anhängig. Bis zur Entscheidung wird davon ausgegangen, dass eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur alten Vergaberichtlinie möglich ist.

Beispiel 2
Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (§ 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB)
Nach dem Wortlaut des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB ist die Auftragsänderung in den dort genannten Fällen ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn der Wechsel des Lieferanten aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht erfolgen kann und mit erheblichen Schwierigkeiten oder beträchtlichen Zusatzkosten verbunden wäre. Es besteht Unsicherheit darüber, inwieweit sich der Meinung in der Literatur angeschlossen werden kann, dass es sich um redaktionelles Versehen handelt und das Wort „und“ als „oder“ zu lesen ist und somit ein alternatives Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen ausreichend ist. § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB regelt nicht, inwieweit zusätzliche Leistungen, die nicht zur Erfüllung der Vertragsleistung erforderlich sind, und die nach Nr. 1.4.2. des Leitfadens 510 des VHB ausschreibungspflichtig sind, einen Bezug zur ausgeschriebenen Leistung haben müssen, damit kein gesondertes Vergabeverfahren durchgeführt werden muss. Gewünscht wird eine Klarstellung, ob ggf. eine separate Ausschreibung erforderlich ist und ob und inwieweit ein sachlicher Zusammenhang mit der beauftragten Leistung des Hauptauftrages erforderlich ist.

Beispiel 3
Bereitstellung der Vergabeunterlagen (§ 41 Abs. 1 VgV)
Fraglich ist, ob auch bei zweistufigen Vergabeverfahren (nicht offene Verfahren mit Teilnahmewettbewerb, Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb) sämtliche Vergabeunterlagen, d.h. auch die Unterlagen für die Angebots- bzw. Verhandlungsphase, die sich dem Teilnahmewettbewerb anschließt, bereits mit der Bekanntmachung des Teilnahmewettbewerbs veröffentlicht werden müssen. Hierzu existieren unterschiedliche Rechtsmeinungen (vgl. OLG München, Beschluss vom 13. März 2017, Verg 15/16 – NZBau 2017, 371 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Oktober 2018, VII-Verg 26/18 – NZBau 2019, 129 ff., Rn 45).

Beispiel 4
Auslegung der Regelung § 3 Abs. 6 VgV zur Auftragswertberechnung bei Bauaufträgen
Unsicherheit besteht darüber, inwieweit bei der Auftragswertbetrachtung die Architekten- und Ingenieurleistungen zu  den geschätzten Baukosten (abzgl. Umsatzsteuer) hinzuzurechnen sind.

Beispiel 5
Bekanntmachung der Vergabeunterlagen oberhalb der EU-Schwellenwerte (§§ 37, 38 VgV, § 12 EU VOB/A)
Hier wird die Einführung einer Öffnungsklausel in Bezug auf die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt der Vorinformation oder der Bekanntmachung bereits vollständig, unmittelbar und uneingeschränkt bereitzustellen, vorgeschlagen.

Beispiel 6
Nachforderung von Unterlagen (§ 56 Abs. 2 VgV)
Es bestehen Rechtsunsicherheiten bei allen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und allen Verfahrensarten, wie weit das Nachreichen fehlerhafter unternehmensbezogener Unterlagen sowie die Ergänzung von Referenzen ausgelegt werden kann.

Beispiel 7
§ 120 Abs. 4 GWB
Nach § 120 Abs. 4 GWB können zentrale Beschaffungsstellen für andere öffentliche Auftraggeber öffentliche Aufträge vergeben oder vermitteln. In der Auftragsbekanntmachung muss der öffentliche Auftraggeber die zuständige Nachprüfungsinstanz angeben und er kann auch angeben, ob der Auftrag von einer zentralen Beschaffungsstelle vergeben wird. Die Übermittlung des Nachprüfungsantrags erfolgt in der Regel an den dort genannten öffentlichen Auftraggeber, was nicht unbedingt zutreffend sein muss. Denn im Falle einer zentralen Beschaffungsstelle sind zwei oder mehrere öffentliche Auftraggeber beteiligt, wobei sich erst aus dem Innenverhältnis ergibt, wer die Leistungen tatsächlich vergibt bzw. die Verträge letztendlich schließt. Die Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit der Vergabe ergibt sich deshalb erst aus dem Innenverhältnis, das bei Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht bekannt ist. Dies hat zwei Auswirkungen: Es lässt sich nicht erkennen, ob der Nachprüfungsantrag an den richtigen Auftraggeber zugestellt worden ist und das Zuschlagsverbot ausgelöst wurde. Es lässt sich nicht erkennen, welche Vergabekammer für die Nachprüfung zuständig ist, wenn mehrere öffentliche Auftraggeber tätig werden (Beispiel: Straßen NRW und neue Autobahn GmbH). Es sollte aus der Bekanntmachung klar erkennbar sein, wer der öffentliche Auftraggeber ist.

Beispiel 8
§ 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 GWB
Die Anwendung der Tatbestandsmerkmale bereitet den öffentlichen Auftraggebern offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten, die dann in die Nachprüfungsverfahren getragen werden. Hier geht es insbesondere darum, dass die Vergabekammern innerhalb eines Nachprüfungsverfahrens außervergaberechtliche Streitigkeiten im Rahmen einer sogenannten Inzidentkontrolle mitentscheiden sollen, obwohl das so nicht vorgesehen ist und auch nicht sein sollte. Wann hat ein Unternehmen im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen? Oft stehen ordnungsbehördliche Erlaubnisse dahinter, die nicht verlängert werden, oder strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die nicht abgeschlossen sind. Die vorzeitige Beendigung eines Vertragsverhältnisses aufgrund Schlechterfüllung bereitet erhebliche Probleme in der Praxis. Muss die „Beendigung“ unstreitig vorliegen oder reicht es aus, wenn Klagen bei den Zivilgerichten vorliegen bzw. geplant sind? Was ist eine vergleichbare Rechtsfolge?

Beispiel 9
§ 65 Abs. 5 Satz 1 VgV
Die Regelung befindet sich im Abschnitt 3 als Besondere Vorschrift für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen. Unter diese Vorschrift fallen nach Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU auch Sicherheitsdienstleistungen beispielsweise in Flüchtlingsunterkünften oder in öffentlichen Einrichtungen und dem ÖPNV mit dem CPV-Code 79700000 etc.. Die Regelung eröffnet den Vergabestellen die Möglichkeit, die Referenzen des Bieters oder die Referenzen des vom Bieter eingesetzten Personals auf der Ebene der Zuschlagsentscheidung zu berücksichtigen und stellt somit eine Erweiterung des § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr.2 VgV dar, der lediglich die Einbeziehung der Qualitätskontrolle bei dem Personal vorsieht, das tatsächlich für den zukünftigen Auftrag eingesetzt werden soll (sog. Projektteams bei Architektenwettbewerben usw.). Diese Vorschrift mag zwar sinnvoll im Bereich von arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen sein, aber nicht bei anderen unter Anhang XIV fallenden Dienstleistungen. Die Vergabekammer Westfalen hat deshalb eine Ausschreibung eines öffentlichen Auftraggebers vollständig aufgehoben, weil die Regelung nach ihrer Auffassung europarechtskonform anzuwenden ist. Die Leistungen des Bieters (Unternehmensreferenzen) dürfen deshalb nicht auf der 4. Wertungsstufe (erneut) berücksichtigt werden. Eine entsprechende Klarstellung wird angeregt.

Beispiel 10
Nachweisführung durch Gütezeichen, § 34 VgV
Die Regelung des § 34 VgV löst Rechtsunsicherheiten aus, da nicht klar ist, ob allein die Forderung des Gütezeichens ausreicht oder aber die einzelnen Anforderungen zu benennen sind.

Beispiel 11
Anforderungen an die ausführenden Personen, § 46 VgV
Für öffentliche Auftraggeber hat die Qualifikation und die Erfahrung des ausführenden Personals erhebliche Bedeutung. Eine ausdrückliche Erwähnung erfahren die ausführenden Personen lediglich unter § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV. Es spricht jedoch vieles dafür, die Anforderungen an die ausführen den Personen auch in § 46 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 VgV hineinlesen zu können. Mangels ausdrücklicher Regelung bedeutet diese Einordnung allerdings Rechtsunsicherheiten.

Beispiel 12
Nachforderung von Unterlagen, § 56 VgV
Bzgl. des ausführenden Personals: Korrespondierend mit den Ausführungen zu den Anforderungen an die ausführenden Personen stellt sich die Frage, ob es sich um unternehmensbezogene bzw. leistungsbezogene Unterlagen oder keine der beiden Alternativen handelt. Sofern man es unter § 46 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 VgV subsumieren würde, wären die Anforderungen als unternehmensbezogene Unterlagen einzuordnen. Dieser Aspekt bedeutet eine weitere Rechtsunsicherheit. Entscheidungsspielräume der Auftraggeber bzgl. der Anwendung der Alternativen des § 56 Abs. 2 VgV: Dem öffentlichen Auftraggeber steht gem. § 56 Abs. 2 S. 1 VgV ein Ermessen bei der Nachforderung von Unterlagen zu. Es stellt sich daher die Frage, ob er ein solches Ermessen auch vorab bei der Festlegung gem. § 56 Abs. 2 S. 2 VgV ausüben kann oder nur ein Verzicht auf jegliche Form der Nachforderung möglich ist.

Beispiel 13
Auslegung von § 135 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB
Gem. § 135 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB tritt die Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht ein, wenn der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist. Sofern die weiteren Voraussetzungen nach den Nr. 2 und 3 vorliegen, stellt sich die Frage, ob für die Ausnahme von der Unwirksamkeit die Rechtsauffassung des öffentlichen Auftraggebers („der Ansicht ist“) ausreicht.

Frage: Welchen Herausforderungen ist wie zu begegnen?

Antwort: Es besteht erheblicher gesetzgeberischer Verbesserungsbedarf.

Beispiel 1
In jüngerer Zeit haben sich Marktsegmente entwickelt, bei denen die Markteilnehmer feste Leistungsmodelle entwickelt haben, die von Anbieter zu Anbieter nicht mehr 1:1 verglichen werden können. Vielfach werden Leistungsgegenstände nur Online vermarktet. Hier besteht in vielen Fällen nicht das Interesse der Anbieter, individuelle Angebote zu erstellen, sich einer Eignungsprüfung zu unterziehen oder auf die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu verzichten. Dieses neue Marktgeschehen korrespondiert nicht mit den Verfahrensregeln des Vergaberechts. Zunächst wären kleinteilige Gegenstände zu nennen, die nahezu nur noch Online erhältlich sind. Soweit hier größere Mengen zu beschaffen sind, könnte der Schwellenwert überschritten werden. In diesem Bereich entfällt dem öffentlichen Auftraggeber aufgrund der starren Vergabevorschriften ein komplettes Marktsegment, welches möglicherweise zu wirtschaftlicheren Ergebnissen führen würde. Insofern wäre eine flexiblere Handhabung in den gennannten Bereichen beispielsweise die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots durch andere Mittel als die der Ausschreibung, beispielsweise durch Preisvergleich wünschenswert. Zu nennen sind auch Abonnements von Fotodatenbanken, die Teilnahme an social-media-Kanälen, Öffentlichkeitsarbeit durch klassische Medien (Radiosender, Fernsehen, Zeitungen) oder die Beschaffung von Computerlizenzen. Soweit Vergaben auf die Nutzung elektronischer Medien gerichtet sind, stellt das die Vergabestellen vor neue Herausforderungen. Im Bereich der sog. social media, wie z.B. Facebook, Twitter oder Instagram bestehen von den Anbietern vorgegebene Leistungspakete, von denen sie nicht abzuweichen bereit sind. Typischerweise geben solche Marktteilnehmer keine Angebote in einem Vergabeverfahren ab. Auch gibt es im Bereich der sozialen Medien keine vergleichbaren Marktteilnehmer. Bestimmte Anbieter webbasierter Medien verfügen quasi über eine Monopolstellung und sind alternativlos zu beauftragen. Um die Bevölkerung flächendeckend zu erreichen, muss wegen des unterschiedlichen Nutzungsverhaltens zudem an mehrere Anbieter vergeben werden. Das aktuelle Vergaberecht bietet keine Handhabe, um auf diese Beschaffungsgegenstände adäquat und flexibel zu reagieren.

Beispiel 2
Eine Ausnahmebestimmung zu Fallkonstellationen, in denen keine wirtschaftliche Fortfüh rung einer bestehenden Leistung außerhalb des bisherigen Vertragspartners erzielt werden kann, wäre wünschenswert. Die Bedingungen des Art. 72 Abs. 1 Buchst. b) i)) und ii)) der RL 2014/24/EU könnten als Maßstab angelegt werden, unter deren Voraussetzung eine Verlängerung der Rahmenvereinbarungslaufzeit in eine unbefristete oder sehr langfristige Laufzeit zulässig ist. In der IT kann dies regelmäßig ein Zeitraum von 10 Jahren sein, nach dem die technischen Novellierungen zu einer Neuaufstellung der Anwendung führen können. Das Ergebnis der derzeitigen Verfahrensweise ist das Risiko des Auftraggebers (hier der Behörde) die in Nutzung befindliche IT-Leistung zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung künftig nicht fortgeführt zu erhalten. Denn es besteht das Risiko, dass im Rahmen
eines Vergabeverfahrens aus den vorgenannten Gründen keine Angebote abgegeben werden.

Beispiel 3
Im Bereich der Universitätskliniken ergeben sich aufgrund des § 67 Abs. 1 VgV besondere Herausforderungen. Nach § 67 Abs. 1 VgV sind unter anderem bei der Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Waren, technischer Geräte oder Ausrüstungen die in § 67 VgV genannten, besonderen Anforderungen an die Energieeffizienz zu berücksichtigen. In der Leistungsbeschreibung sollen nach § 67 Abs. 2 VgV im Hinblick auf die Energieeffizienz insbesondere folgende Anforderungen gestellt werden: (1.) das höchste Leistungsniveau an Energieeffizienz und, (2.) soweit vorhanden, die höchste Energieeffizienzklasse im Sinne der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Ein höchstes Leistungsniveau an Energieeffizienz kann dabei nicht für alle durch ein Universitätsklinikum zu beschaffenden Beschaffungsgegenstände/zu beschaffenden Systeme – dies betrifft vor allem hochkomplexe medizintechnische Großgeräte wie z.B. MRT-Geräte, Linearbeschleuniger, Geräte zur MRT-geführten Strahlentherapie (MR-LINAC), aber ausdrücklich nicht alle durch ein Universitätsklinikum zu beschaffenden Leistungen – ermittelt und folglich auch nicht festgelegt werden. Ebenso wenig ist für entsprechende Systeme eine Kennzeichnung nach der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (keine produktspezifische Energieeffizienzklassifizierung) vorgeschrieben bzw. vorhanden. Entsprechende Anforderungen nach § 67 Abs. 2 VgV können dementsprechend in diesen Fällen nicht gestellt werden.

Frage: Hilft Fortbildung?

Antwort: Ja. Aber bitte nicht undifferenziert und mit der Gießkanne. Beschaffung ist nicht einfach gleich VgV oder UVgO. Jeder Beschaffungsgegenstand in seinem speziellen Beschaffungskontext erfährt eine andere Behandlung. Das betrifft die Markterkundung oder die Bestimmung der Eignungs- und Auswahl- und Zuschlagskriterien, die Festlegung der Verfahrensart oder der zu beschaffenden Leistung. Stadtwerke haben anders gelagerte Beschaffungsbedarfe als ein Universitätsklinikum. Eine Gemeinde ist anders unterwegs als ein Bundesministerium. Nicht alle haben die gleichen Probleme: Bei der Ausgestaltung und Ausrichtung der Inhalte ist folgende Binnendifferenzierung vorzunehmen und sind die jeweils unterschiedlichen Bedarfs-/ Bedürfnislagen in den Blick zu nehmen: Spezial- und Vertiefungsthemen VgV/ UVgO für Gemeinden, Städte, Kreise, Bezirke, für Bundesländer und Bund, für Hochschulen, Fortbildungseinrichtungen, für Universitätsklinika, Krankenhäuser, für Forschungseinrichtungen, für Messen, Theater, Kultureinrichtungen, für kommunale Betriebe, Stadtwerke, Verkehr, ÖPNV, Wasser, Abwasser, Gas, Strom, für kommunale Bäder, Freibäder, Hallenbäder, Freizeit.  

Frage: Kommen auch organisatorische Fragen in Betracht?

Antwort: Ja. Organisatorische Maßnahmen dienen der Zentralisierung von vergaberechtlichen Kenntnissen und Erfahrungen sowie der Korruptionsbekämpfung. Dazu zählen insbesondere die für Behörden und Einrichtungen des Landes zuständigen zentralen Beschaffungsstellen für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen, Bauleistungen und Standard-IT-Leistungen. Mit der grundsätzlichen Trennung von Bedarfs- und Vergabestellen wird die vergaberechtliche Kompetenz gebündelt.

Herr Dr. Ax wir danken für das Gespräch.

Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur T. Schmitt. 

Mehr Sicherheit bei der Handhabung von Störungen während der Leistungserbringung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie

Umfassende Unterstützung öffentlicher Auftraggeber bei der Durchführung von VgV-Verfahren

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur Tobias Schmitt.

Frage: Wenn die sich ausbreitende Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Vertragserfüllung hat: Wie ist vertragsrechtlich umzugehen mit Störungen während der Leistungserbringung?

Antwort: Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist.

Frage: Kann das Vorliegen dieser strengen Voraussetzungen in der jetzigen Ausnahmesituation pauschal angenommen werden?

Antwort: Nein, das muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich muss derjenige, der sich darauf beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Beruft sich der Unternehmer also auf höhere Gewalt, müsste er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann.

Frage: Wann kann das der Fall sein?

Antwort: Z.B., weil ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt ist und er auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden kann, seine Beschäftigten aufgrund von Reisebeschränkungen den Ort der Leistungserbringung nicht erreichen kennen und kein Ersatz möglich ist, er die für die Leistungserbringung notwendige Ausstattung nicht beschaffen kann. Übrigens: Kostensteigerungen sind dabei nicht grundsätzlich unzumutbar.

Frage: Was muss der Auftragnehmer darlegen?

Antwort: Die Darlegungen des Auftragnehmers müssen das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen. Auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Bescheinigungen und Nachweisen ist mit Blick auf die Überlastung von Behörden und die stark reduzierte Geschäftstätigkeit der Privatwirtschaft Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, die vom Auftragnehmer geforderten Darlegungen im Einzelfall mit Augenmaß, Pragmatismus und mit Blick auf die Gesamtsituation zu handhaben.

Frage: Was reicht nicht?

Antwort: Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfüllt den Tatbestand der höheren Gewalt nicht. Dies gilt insbesondere, falls der Auftragnehmer schon bei der bisherigen Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte und sich nun auf die Corona-Pandemie beruft.

Frage: Kann höhere Gewalt auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten?

Antwort: Ja, absolut. Höhere Gewalt kann auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten, beispielsweise, weil die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird. Dabei wäre dann – entsprechend der an die Auftragnehmer gestellten Anforderungen und nach denselben Maßstäben – zu dokumentieren, dass und warum die Projektleitung nicht aus dem Homeoffice erfolgen kann, oder dass und warum keine Vertretung organisiert werden kann.

Frage: Mit welchen rechtlichen Folgen?

Antwort: Falls das Vorliegen höherer Gewalt im Einzelfall angenommen werden kann, verlängern sich Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung zuzüglich erforderlicher Zeit für die Wiederaufnahme der Leistung. Beruft sich der Auftragnehmer nach den o.g. Maßstäben zu Recht auf höhere Gewalt, entstehen gegen ihn keine Schadens- oder Entschädigungsansprüche.

Frage: Behinderung und Behinderungsfolgen?

Antwort: Bei höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor. Ich verweise gerne auf BGH, Urteil vom 20.4.2017- VII ZR 194/13: die dortigen Ausführungen zu außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnisses sind – erst recht – auf eine Pandemie übertragbar. Das gilt insbesondere auch für Fallkonstellationen, in denen eine Vorleistung aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun das nachfolgende Gewerk deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt

Danke für das Interview.

Umfassende Unterstützung öffentlicher Auftraggeber bei der Durchführung von VgV-Verfahren

Umfassende Unterstützung öffentlicher Auftraggeber bei der Durchführung von VgV-Verfahren

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

 

Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur Tobias Schmitt.

Frage: Mit welchen Leistungen unterstützen Sie und Ihr Team öffentlicher Auftraggeber bei der Durchführung von VgV-Verfahren?

Antwort: Es geht zumeist um die Betreuung und Durchführung von Vergabeverfahren nach der Vergabeverordnung (VgV 2016). Im Rahmen eines VgV-Verfahrens sollen bspw. Planungsleistungen vergeben werden. Gegenstand eines solchen VgV-Verfahrens sind zumeist Planungsleistungen nach HOAI der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Technischen Ausrüstung.

Frage: Können Sie beschreiben, wie Sie arbeiten?

Antwort: Absolut dienstleistungsorientiert und in dienender Funktion. Wir wirken mit und unterstützen bei der Durchführung und Abwicklung des vollständigen VgV­-Verfahrens für die Planungsleistungen gemäß Vergabeverordnung (VgV 2016). Die Durchführung der Leistungen erfolgt in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber. Die Vorgehensweise und Bearbeitungsschritte werden in Abstimmung mit dem Auftraggeber detailliert im Rahmen von ggf. digitalen Jour-Fixe dargelegt. Es werden einstündige Termine mit Anwesenheit einer unserer Sachbearbeitungen angesetzt. Unsere Leistungen beinhalten die vollständige Abwicklung des Verfahrens auf und mit der jeweils gewählten Vergabeplattform, wie z.B. die Einstellung der Formblätter etc. auf der Vergabeplattform. Wir erhalten einen Gastzugang. Jedes Formblatt/ Dokument wird erst nach vorheriger Durchsicht und Freigabe durch den Auftraggeber veröffentlicht.

Frage: Können Sie beschreiben, welchen Umfang die zu erbringenden Leistungen haben bzw welche Leistungen Sie für notwendig und zweckmäßig halten?

Antwort: Phase (0) umfasst die Erläuterung der Durchführung und Abwicklung des vollständigen VgV-Verfahrens für die Planungsleistungen gemäß Vergabeverordnung (VgV 2016), insbesondere Erläuterung der Vorgehensweise und Bearbeitungsschritte auf der e­Vergabe-Plattform. Phase (1) betrifft das Vorbereiten des Verfahrens. Dazu gehören: Gemeinschaftliche Erarbeitung der Aufgabenbeschreibung; Beratung zum Vergabeverfahren und der möglichen Vorgehensweisen, Erläuterung des gewählten Verfahrens; Erstellen eines Flussdiagramms mit Angabe der Beteiligten inklusive Rollenzuordnung, der jeweiligen Formblätter, der erforderlichen Unterlagen, der Termine, Fristen und Schnittstellen für die einzelnen Verfahrensschritte; Terminplanung sowie Steuerung des Vergabeverfahrens inkl. Erstellen und bedarfsgerechtes Aktualisieren eines Terminplanes und Verteilung an die Beteiligten; Sichten und Abstimmen der Leistungsbeschreibung und des Ingenieurvertrages; Überprüfen der Ansätze der Honorarberechnungen der AG für die Honorierung der Planungsleistungen nach HOAI auf Anforderung der AG. Die Prüfung erfolgt unter dem Gesichtspunkt des EuGH-Urteils vom 4. Juli 2019 und der neu in Kraft getretenen HOAI 2021. Wir erstellen einen umfassenden Bericht für den AG. Zu den Arbeitsschritten gehören: Erarbeitung und Abstimmung eines Entwurfs für Mindestanforderungen zur Prüfung und Wertung der Teilnahmeanträge; Erarbeitung und Abstimmung der projektspezifischen Eignungs- und Auswahlkriterien einschließlich Gewichtung und Bewertungsmatrix; Erarbeitung und Abstimmung der Zuschlagskriterien einschließlich Gewichtung und Bewertungsmatrix; Zusammenstellen der Vergabeunterlagen und des Teilnahmeantrags auf der Vergabeplattform auf Grundlage der Muster/ Formblätter des Auftraggebers (insb. Bewertungsmatrix für die Auswahlkriterien und die Zuschlagskriterien, Referenzliste, Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen, Einheitliche Europäische Eigenerklärung, Formulare Bewerbergemeinschaft, Nachunternehmer und dgl.); Erarbeitung und Abstimmung des Entwurfs der Bekanntmachung; Erstellen der Vergabebekanntmachung für das EU Amtsblatt auf der Vergabeplattform; Mitwirkung bei der Vorbereitung und Fortschreibung des Vergabevermerks; Erstellen und laufende Aktualisierung einer chronologischen Vergabedokumentation; Erarbeitung und Abstimmung einer Dokumentation bezüglich der Rechtssicherheit einer gemeinsamen Ausschreibung mehrerer Planungsgewerke.

Frage: Und wie geht es dann weiter?

Antwort: Phase (2) betrifft dann den Teilnahmewettbewerb. Dazu sind erforderlich: Mitwirkung bei der Beantwortung von Bewerberfragen mit Erstellen von Antwortentwürfen; Prüfung und Wertung der eingegangenen Bewerbungen (Teilnahmeanträge) im Rahmen eines Bewertungsteams anhand der aufgestellten Kriterien (Bewerbungsbedingungen und der Mindestanforderungen sowie der quantitativen Eignungskriterien), Vorlage des Wertungsvorschlages zur Entscheidung durch die AG; Protokollieren des Auswahlverfahrens; Dokumentation und Zusammenstellen der Ergebnisse (inkl. Rangfolge), Vorstellen der Ergebnisse; Vorbereiten von Nachforderungs- bzw. Aufklärungsschreiben auf der Vergabeplattform; Vorbereiten der Absageschreiben mit Begründung an die nicht berücksichtigten Bewerber auf der Vergabeplattform; Mitwirkung bei der Behandlung eventueller Nachfragen/Rügen von Bewerbern mit Erstellen von Antwortentwürfen, wobei die AG die Entscheidungsbefugnis hat; Mitwirkung bei der Fortschreibung des Vergabevermerks.

Frage: Und dann geht es in das eigentliche Verhandlungsverfahren?

Antwort: Ja, genau. Phase (3) betrifft das Verhandlungsverfahren. Hier sind wir besonders gefordert mit: Vorbereitung der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots mit Zusammenstellung und Erarbeitung per erforderlichen Vergabe- bzw. Vertragsunterlagen auf der Vergabeplattform; Mitwirkung bei der Beantwortung von Bieterfragen mit Erstellung von Antwortentwürfen; Prüfung und Wertung der eingegangenen Erstangebote im Rahmen eines Bewertungsteams mit Dokumentation; Vorbereiten von möglichen Nachforderungs- bzw. Aufklärungsschreiben; Vorbereiten und Zusammenstellen der Unterlagen für die (Verhandlungs-)termine; Organisation der Verhandlungstermine; Teilnahme an den (Verhandlungs-)terminen mit Protokollführung und Dokumentation, inkl. Moderation der Sitzung; Vorbereitung der Aufforderung zur Abgabe eines neuen Angebots mit Zusammenstellung/Anpassung der erforderlichen Vergabe- bzw. Vertragsunterlagen; formale Prüfung der eingegangenen neuen Angebote im Rahmen eines Bewertungsteams mit Dokumentation; Erstellen eines begründeten Wertungsvorschlags anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien (Unterkriterien), Vorlage des Wertungsvorschlags zur Entscheidung durch die AG; Vorbereiten der Einladungsschreiben zum (Verhandlungs-)termin einschließlich Gesprächsleitfaden; Dokumentation und Zusammenstellen der Ergebnisse (inkl. Rangfolge); Vorbereiten der Informationsschreiben mit Begründung an die (nicht berücksichtigten) Bieter; Mitwirkung bei der Behandlung eventueller Nachfragen/Rügen von Bewerbern mit Erstellen von Antwortentwürfen; Mitwirkung bei der Fortschreibung des Vergabevermerks.

Frage: Dann folgt wahrscheinlich Phase (4) als Abschluss des Verfahrens? Wo greifen Sie hier an?

Antwort: Dazu gehören: Erstellen der Bekanntmachung über die Auftragsvergabe; Zusammenstellen aller Verfahrensunterlagen für die Dokumentation und gesammelte Übergabe an den Auftraggeber, 2-fach in Papierform und einfach auf Speichermedium; Mitwirken bei der Behandlung von Verfahrensrügen und Einsprüchen; Erstellen eines textlichen Vermerkes über die Vergabeentscheidung; Abschluss des Verfahrens auf der eVergabe Plattform

Frage: Was muss der Auftraggeber zur Verfügung stellen?

Antwort: Wenn vorhanden stellt der Auftraggeber uns folgende Unterlagen zur Verfügung: zu verwendende Musterformblätter zur Durchführung des VgV-Verfahrens; Mustermatrix der Mindestanforderungen, Zuschlags- und Eignungskriterien; Bereitstellung bisher zusammengestellter Unterlagen (Honorarberechnung, Entwurf Planungsvertrag, Entwurf Leistungsbeschreibung, etc.); Projektbeschreibung (Projektbuch).

Frage: Welche Leistungen erbringt der Auftraggeber selbst?

Antwort: Entscheidung und Auswahl über die einzuladenden Bewerber, ggf. Versand von Schreiben (Nachforderungs- bzw. Aufklärungsschreiben, Einladungsschreiben, Informationsschreiben, Absageschreiben), das können wir aber auch für den Auftraggeber erledigen; Treffen der Vergabeentscheidung und -genehmigung; Aufstellung· des Wertungsteams; Entscheidung über die zur Anwendung kommenden Mindestanforderungen, Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien.

Frage: Erfolgt eine förmliche Verpflichtung durch den Auftraggeber?

Antwort: Ja, natürlich. Zu den allgemeinen Pflichten gehört: Wir müssen uns auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten gemäß § 1 des Verpflichtungsgesetzes vom 02. März 1974 (BGBI S. 547), geändert durch Gesetz vom 15. August 1974 (BGBI I S. 1942), in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuches verpflichten lassen. Selbstverständlich ist, dass wir im Zusammenhang mit den Leistungen keine Leistungen für Dritte beziehungsweise andere Auftraggeber im Zusammenhang mit der Maßnahme erbringen.

Danke für das Interview.

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (3)

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (3)

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Welche Rolle spielen kleinere und mittlere Unternehmen?

Unter welchen Voraussetzungen sind Bewerber- und Bietergemeinschaften zulässig?

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Abweichen von dem Vorrang der Fach- und Teillosvergabe möglich?

Welche Rolle spielen Nachunternehmer?

Welche Rolle spielen Unternehmereinsatzformen, GÜ, TÜ, GU, TU etc.?

Wodurch zeichnet sich das neue Vergaberecht für Rheinland-Pfalz insoweit nach der Verwaltungsvorschrift 2021 aus?

Antwort: Teilnahme am Wettbewerb

Die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen am Wettbewerb soll insbesondere dadurch sichergestellt werden, dass der Vergabe regelmäßig eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgeht (vgl. § 55 Abs. 1 LHO und § 22 Abs. 1 ­GemHVO). Bei beschränkter Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und bei Verhandlungsvergabe oder freihändiger Vergabe sind regelmäßig auch kleine und mittlere Unternehmen in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern. Im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs sollen die Unternehmen, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, möglichst gewechselt werden.

Beteiligung von Bewerber- und Bietergemeinschaften

Unternehmen haben die Möglichkeit, sich zu einer Bewerber- oder Bietergemeinschaft zusammenzuschließen und ein gemeinsames Angebot abzugeben. Dies kann beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn es den jeweiligen Unternehmen aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, sich als selbstständige Anbieter dem Wettbewerb zu stellen und sie erst durch ein gemeinsames Auftreten zur Teilnahme an der Ausschreibung befähigt werden.

Die Teilnahme von Bewerber- und Bietergemeinschaften an Ausschreibungen ist unter den gleichen Bedingungen wie solche von einzelnen Bewerbern und Bietern zuzulassen.

Bestehende Arbeitsgemeinschaften mittelständischer Unternehmen sollen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Bewerber- oder Bietergemeinschaften haben im Teilnahmeantrag oder im Angebot jeweils die Mitglieder sowie eines ihrer Mitglieder als bevollmächtigte Person für den Abschluss und die Durchführung des Vertrages zu benennen.

In die Vergabeunterlagen ist folgende Regelung aufzunehmen: „In Verträgen zwischen Mitgliedern von Arbeitsgemeinschaften, die sich sowohl aus Unternehmen nach Nummer 7.1 der Verwaltungsvorschrift über das Öffentliche Auftragswesen in Rheinland-Pfalz als auch aus anderen Unternehmen zusammensetzen, dürfen kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligt werden. Die Verträge sind dem öffentlichen Auftraggeber auf Verlangen vorzulegen.“

Die Bildung einer Bewerber- und Bietergemeinschaft kann im Einzelfall aus kartellrechtlichen Gründen problematisch sein. So kann eine Bewerber- und Bietergemeinschaft unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn mit ihrer Bildung eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wird (vgl. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB).

Teil- und Fachlosvergabe

Die Ausschreibungen für Lieferungen und Leistungen sind, soweit es die zu erstellende Lieferung oder Leistung zulässt, durch Bildung von Teil- und Fachlosen so zu gestalten, dass sich kleine und mittlere Unternehmen an der Angebotsabgabe beteiligen können (§ 22 ­UVgO, § 5 Abs. 2 VOB/A).

Bauleistungen sind grundsätzlich in Lose aufzuteilen und nach Losen zu vergeben (Teillose).

Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige sind in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben (Fachlose).

Die zusammengefasste Vergabe eines öffentlichen Auftrags, der aus mehreren Losen besteht, ist möglich, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Bestimmung der Losgröße sind die Besonderheiten der jeweiligen Branche, der die Lieferung oder die zu erbringende Leistung überwiegend zuzurechnen ist, zu berücksichtigen.

Hierzu stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf seiner Internetseite ein Onlineberechnungswerkzeug und einen dazu gehörigen Leitfaden zur Verfügung (https://www.bmwi.de/Redaktion/ DE/Artikel/Wirtschaft/vergabeverfahren.html).

Zahlung an Nachunternehmen

Unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 6 VOB/B sollen im Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen Zahlungen unmittelbar an Nachunternehmen geleistet werden.

General- und Totalübernehmer, General- und Totalunternehmer, Hauptunternehmer, Nachunternehmer

General- und Totalübernehmer

Die Vergabe von Bauleistungen an General- und Totalübernehmer ist nicht zulässig.

Generalübernehmer sind solche Unternehmen, die mehrere oder alle Bauleistungen übernehmen, selbst aber keine Bauleistung gewerbsmäßig erbringen.

Totalübernehmer übernehmen neben den Bauleistungen auch Planungsleistungen, ohne selbst diese Leistungen zu erbringen. Baubetreuungsunternehmen dürfen mit der Planung, Koordinierung und Finanzierung nur beauftragt werden, wenn

) baufachliche, technische, personelle oder organisatorische Gründe dies erfordern,

b) dem öffentlichen Auftraggeber alle wichtigen Entscheidungen, insbesondere über Planungs- und Vergabeangelegenheiten (z. B. Wahl des Vergabeerfahrens, Auswahl der Bewerber oder Bieter, Zuschlagserteilung), vorbehalten bleiben und

c) das Unternehmen verpflichtet wird, die für den öffentlichen Auftraggeber geltenden Vorschriften zu beachten.

General- und Totalunternehmer

Die Auftragsvergabe an General- und Totalunternehmer ist nur zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtlosvergabe erfordern. Dies ist durch den öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung festzustellen und entsprechend zu dokumentieren.

Generalunternehmer sind solche Hauptauftragnehmer, die sämtliche für die Herstellung eines Bauwerks erforderlichen Bauleistungen zu erbringen haben und wesentliche Teile hiervon selbst ausführen.

Totalunternehmer übernehmen neben den Bauleistungen auch Planungsleistungen. Ein General- und Totalunternehmer, der keinen wesentlichen Teil der Bauleistung selbst erbringt, steht dem General- und Totalübernehmer gleich.

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (2)

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (2)

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Sind Vergabeverfahren und wenn ja wie elektronisch durchzuführen?

Wodurch zeichnet sich das neue Vergaberecht für Rheinland-Pfalz insoweit nach der Verwaltungsvorschrift 2021 aus?

Antwort: Kommunikation (eVergabe)

Vergabeverfahren mithilfe elektronischer Mittel

Für die Kommunikation zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bietern oder Bewerbern in einem Vergabeverfahren gelten die einschlägigen Vergabeverfahrensordnungen. Es wird empfohlen, alle Vergabeverfahren grundsätzlich mithilfe elektronischer Mittel durchzuführen. Vergabeverfahren über Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem geschätzten Auftragswert bis 20.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) können bis zum 31. Mai 2022 auch mittels einfacher E-Mail durchgeführt werden. § 7 Abs. 4, § 39 Satz 1 und § 40 UVgO gelten insoweit nicht.

Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können (§ 29 Abs. 1 UVgO; § 11 Abs. 3 VOB/A). Interessenten müssen die Vergabeunterlagen direkt ohne Registrierung herunterladen können. Eine freiwillige Registrierung ist möglich und zu empfehlen, damit interessierte Unternehmen über ergänzende Bieterinformationen unterrichtet werden können. Ohne Registrierung müssen die Unternehmen selbst bemüht sein, solche Informationen in Erfahrung zu bringen (Holschuld).

Nutzung des Vergabemarktplatzes (VMP)

Die Vergabestellen der unmittelbaren Landesverwaltung und der landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Sinne der Nummer 2.2.1 Buchst. a nutzen für die elektronische Durchführung öffentlicher Beschaffungen die Vergabeplattform des Landes Rheinland-Pfalz als Vergabemarktplatz (VMP). Das den vorgenannten Nutzern des VMP optional zur Verfügung stehende Vergabemanagementsystem (VMS) unterstützt die digitale rechtskonforme Abwicklung des gesamten internen arbeitsteiligen Vergabeprozesses.

Vergabedokumentation und Aufbewahrungspflichten

Mindestanforderungen an die Dokumentation

Das Vergabeverfahren ist nach § 6 UVgO beziehungsweise § 20 VOB/A von Beginn an fortlaufend in Textform zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.

Aufbewahrung von Vergabeunterlagen

Die Vergabeunterlagen (Dokumentation, Angebote, Teilnahmeanträge und ihre Anlagen) sind für mindestens fünf Jahre nach Vorlage der Schlussrechnung aufzubewahren. Sonstige, z. B. zuwendungsrechtliche Aufbewahrungsfristen bleiben unberührt.

Abfragen aus dem Wettbewerbsregister

Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters

Mit dem Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines Registers zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen (Wettbewerbsregistergesetz – ­WRegG) vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739), geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S. 2) wurde die Rechtsgrundlage für ein bundeseinheitliches Wettbewerbsregister geschaffen. Das Wettbewerbsregister wird beim Bundeskartellamt in Form einer elektronischen Datenbank geführt (§ 1 Abs. 1 und 3 WRegG). Einzelheiten des Melde- und Abfrageverfahrens sind in der Wettbewerbsregisterverordnung (WRegV) vom 16. April 2021 (BGBl. I S. 809) geregelt. Das BMWi hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung festzustellen und im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die Meldepflichten durch die Strafverfolgungsbehörden und der Behörden, die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufen sind, werden nach Ablauf des Monats, der auf den Tag der Bekanntmachung durch das BMWi folgt, wirksam. Die Abfraepflichten der Auftraggeber beginnen sechs Monate nach Ablauf des Monats der Bekanntmachung (§ 12 WRegG). Sobald das Wettbewerbsregister nach § 6 ­WRegG verpflichtend abzufragen ist, wird hierdurch die bisher bestehende Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Abfrage beim Gewerbezentralregister bei öffentlichen Aufträgen mit einem Wert von mehr als 30.000 Euro nach § 21 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 448), nach § 19 Abs. 3 des Mindestlohngesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1657), und nach § 21 Abs. 3 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1657), ersetzt. Gleiches gilt für die Abfragepflicht nach Nummer 4.3.5 Abs. 8 der Verwaltungsvorschrift „Korruptionsprävention in der öffentlichen Verwaltung“. Für die Dauer von drei Jahren nach Inbetriebnahme des Wettbewerbsregisters bleibt den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit erhalten, ergän[1]zend auch das Gewerbezentralregister abzufragen.

Aufgabe des Wettbewerbsregisters

Mit dem Wettbewerbsregister werden den öffentlichen Auftraggebern Informationen über Ausschlussgründe im Sinne der §§ 123 und 124 GWB zur Verfügung gestellt. Die eintragungspflichtigen Rechtsverstöße sind in § 2 ­WRegG abschließend aufgezählt. Die Entscheidung über die Eintragung trifft die Registerbehörde auf der Grundlage der meldepflichtigen Informationen, die ihr von den Strafverfolgungsbehörden und der zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden übermittelt werden. Eine Eintragung im Register wird entweder nach Ablauf der Eintragungsfrist (§ 7 ­WRegG) oder vorzeitig nach einer erfolgreichen Selbstreinigung des Unternehmens (§ 8 WRegG) wieder gelöscht. Die grundsätzlichen Anforderungen an eine Selbstreinigung ergeben sich aus § 8 Abs. 1 WRegG in Verbindung mit § 123 Abs. 4 Satz 2 und § 125 Abs. 1 GWB. Nach § 6 Abs. 5 ­WRegG entscheidet der öffentliche Auftraggeber in eigener Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens von einem Vergabeverfahren nach den §§ 123 bis 125 GWB. Eine Registereintragung hat daher nicht automatisch einen Ausschluss vom Vergabeverfahren zur Folge.

Abfragepflicht, Abfragemöglichkeit

Öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB sind verpflichtet, vor Erteilung des Zuschlags in einem Vergabeverfahren mit einem geschätzten Auftragswert ab 30.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) das Wettbewerbsregister zu demjenigen Bieter, an den der öffentliche Auftraggeber den Auftrag zu vergeben beabsichtigt, abzufragen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ­WRegG). Damit besteht grundsätzlich die Abfragepflicht oberhalb und unterhalb der EU-Schwellenwerte. Registerabfragen können nur von öffentlichen Auftraggebern und nur im Rahmen von konkreten Vergabeverfahren vorgenommen werden. Bei Bietergemeinschaften betrifft die Abfragepflicht alle an der Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen. Eine Verpflichtung zur Abfrage besteht nicht bei Sachverhalten, für die das Vergaberecht Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Vergaberechts vorsieht (§ 6 Abs. 1 Satz 3 ­WRegG). Auf eine erneute Anfrage zu konkreten Unternehmen kann verzichtet werden, wenn innerhalb der letzten zwei Monate zu dem Unternehmen bereits eine Auskunft aus dem Wettbewerbsregister erteilt wurde (§ 6 Abs. 1 Satz 5 ­WRegG). Neben der Abfragepflicht besteht für öffentliche Auftraggeber und Konzessionsgeber im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift die Möglichkeit, vor der Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession auch unter[1]halb der jeweiligen Wertgrenzen das Wettbewerbsregister abzufragen (§ 6 Abs. 2 ­WRegG).

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (1)

Neues Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 auf einen Blick (1)

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Wodurch zeichnet sich das neue Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 aus?

Antwort: Haushalts- und Vergabegrundsätze

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sind die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO, § 93 der Gemeindeordnung – GemO – vom 31. Januar 1994 – GVBl. S. 153, BS 2020-1 – in der jeweils geltenden Fassung) zu beachten. Darüber hinaus gelten die Vergaberechtsgrundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Wirtschaftlichkeit, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit. Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte werden nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift und der anzuwendenden Verfahrensvorschriften berücksichtigt.

Anzuwendende Vergabeverfahrensvorschriften

Für öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten § 55 LHO und die Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) vom 20. Dezember 2002 (MinBl. 2003 S. 22, 324; 2017 S. 340) zu § 55 LHO sowie § 22 ­GemHVO und die Verwaltungsvorschriften zu § 22 ­GemHVO entsprechend der Neufassung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO-VV) vom 17. Januar 2017 (MinBl. S. 105) in ihren jeweils geltenden Fassungen.

Es sind anzuwenden:

a) die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1, ber. BAnz AT 08.02.2017 B1) und der Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/B) vom 5. August 2003 (BAnz Nummer 178a vom 23.09.2003),

b) die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) – Ausgabe 2019 – Teil A, Abschnitt 1 vom 19. Februar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2), Teil B vom 7. Januar 2016 (BAnz AT 19.01.2016 B3, ber. BAnz AT 01.04.2016 B1) und Teil C in der Fassung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV), herausgegeben als DIN-Normen, Ausgabe September 2016, in der jeweils geltenden Fassung, sofern in dieser Verwaltungsvorschrift keine abweichenden oder ergänzenden Regelungen getroffen sind. Die Vergabe- und Vertragsordnungen stehen im Internet unter bmwi.de unter der Rubrik „Öffentliche Aufträge und Vergabe“ und www.fib-bund.de unter der Rubrik „Vergabe“ zur Verfügung.

Öffentliche Auftraggeber im Unterschwellenbereich

Öffentliche Auftraggeber im Sinne der Verwaltungsvorschrift 2021 sind:

a) das Land und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die § 55 LHO unmittelbar oder nach § 105 LHO zu beachten haben,

b) die kommunalen Gebietskörperschaften und ihre juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die § 22 GemHVO unmittelbar oder durch Verweisung auf diese Bestimmung zu beachten haben.

Binnenmarktrelevanz

Bei binnenmarktrelevanten öffentlichen Aufträgen und Konzessionen kann sich die Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung aus dem primären Unionsrecht ergeben. In diesen Fällen sind die Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlagen diskriminierungsfrei auszugestalten, so dass in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmen die Möglichkeit haben, ihr Interesse zu bekunden und am Wettbewerb teilzunehmen.

Auf die Mitteilung der Kommission vom 1. August 2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. EU Nr. C 179 S. 2), wird hingewiesen.

Vergabehandbücher

Die mit der Durchführung von Bauaufgaben betrauten Dienststellen werden im Hinblick auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Beschaffung hingewiesen auf:

a) das „Vergabe- und Vertragshandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes“,

b) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB)“,

c) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Lieferungen und Leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA L-StB)“ sowie

d) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen der Ingenieure und Landschaftsarchitekten im Straßen- und Brückenbau (HVA F-StB)“.

Vergabeverfahrensarten

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt grundsätzlich nach öffentlicher Ausschreibung oder beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb (§ 55 Abs. 1 LHO, § 22 Abs. 1 ­GemHVO, § 8 Abs. 2 Satz 1 ­UVgO, § 3 a Abs. 1 Satz 1 VOB/A). § 8 Abs. 3 und 4 ­UVgO und § 3 a Abs. 2 und 3 VOB/A bestimmen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und die Verhandlungsvergabe oder freihändige Vergabe.

Auftragswertgrenzen

Bei öffentlichen Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen sind ohne weitere Einzelbegründung zulässig:

a) Verhandlungsvergaben bis zu 40.000 Euro (§ 8 Abs. 4 Nr. 17 ­UVgO),

b) beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 80.000 Euro.

Bei öffentlichen Aufträgen über Bauleistungen sind ohne weitere Einzelbegründung zulässig:

a) freihändige Vergaben bis zu 40.000 Euro (abweichend von § 3 a Abs. 3 Satz 2 VOB/A),

b) beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 200.000 Euro (abweichend von § 3 a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c VOB/A).

Für die Einhaltung der Auftragswertgrenzen ist der objektiv geschätzte Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens maßgebend. Die Schätzung des Auftragswerts oder Aufteilung des Auftrags in Gewerke/Lose darf nicht in der Absicht erfolgen, die Wertgrenzen zu unterschreiten. Die Auftragswerte beziehen sich auf den im jeweiligen Vergabeverfahren angestrebten zivilrechtlichen Vertrag. Werden z. B. die Bauleistungen für etwa die Herstellung eines beabsichtigten Bauvorhabens in mehreren Losen vergeben, ist – insofern abweichend von § 3 Abs. 7 VgV – der Auftragswert des jeweiligen Loses maßgeblich.

Das für die Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständige Ministerium kann die Auftragswertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und Verhandlungsvergaben oder freihändige Vergaben befristet erhöhen:

a) im Rahmen konjunkturfördernder Maßnahmen,

b) zur Bewältigung von Krisensituationen.

Direktauftrag

Die Beschaffung von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen ist unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) zulässig. Hierzu empfiehlt sich, eine Markterkundung (z. B. Preisrecherche) durchzuführen.

Vergabe freiberuflicher Leistungen

Allgemeine Grundsätze

Bei der Vergabe von Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden (§ 50 ­UVgO) ist Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (§§ 1 bis 6) und § 44 ­UVgO anzuwenden. Die Aufträge sind an solche Leistungserbringer zu vergeben, deren Eignung feststeht und bei denen Ausschlussgründe nach § 31 Abs. 1 ­UVgO in Verbindung mit §§ 123 und 124 GWB nicht vorliegen. Bei der Auftragsvergabe ist ohne Bindung an die übrigen Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung ein wettbewerbsoffenes Verfahren durchzuführen.

Sofern es im Einzelfall nach der Natur des Geschäfts oder aufgrund besonderer Umstände im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Vergabe geboten erscheint, darüber hinaus gehende wettbewerbliche Anforderungen zu stellen, kann die Vergabestelle hierbei auch auf weitere Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung zurückgreifen. Nur wenn zwingende Gründe vorliegen (z. B. besondere Dringlichkeit oder unverhältnismäßiger Aufwand) kann mit nur einem Unternehmen ohne Aufforderung weiterer Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes verhandelt werden. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme ist besonders zu dokumentieren.

Planungsleistungen

Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren (Grundleistungen, Beratungsleistungen wie Umweltverträglichkeitsstudien und Besondere Leistungen wie Bedarfsplanung und Bedarfsermittlung nach § 3 Abs. 1 bis 3 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI – vom 10. Juli 2013 – BGBl. I S. 2276 –, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 2. Dezember 2020 – BGBl. I S. 2636 –) dürfen bis zu einer Auftragswertgrenze von 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) auch ohne Aufforderung weiterer Planungsbüros zur Abgabe eines Angebots mit nur einem Planungsbüro verhandelt werden. § 30 UVgO gilt entsprechend. § 77 VgV gilt entsprechend. Die Vergütung ist den Unternehmen vor Ausarbeitung der zusätzlichen Unterlagen zur Kenntnis zu geben. Die Vergütung kann entweder mit der Bekanntmachung oder mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgesetzt werden. In solchen Fällen eignet sich auch, ein zweistufiges Verfahren durchzuführen.

Rahmenvereinbarungen

Für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen kann in geeigneten Fällen das Instrument der Rahmenvereinbarung genutzt werden.

Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich

Baukonzessionen

Für die Vergabe von Baukonzessionen unterhalb des EU-Schwellenwertes sind die Bestimmungen über die Vergabe von Bauleistungen sinngemäß anzuwenden (§ 23 VOB/A).

Dienstleistungskonzessionen

Dienstleistungskonzessionen unterhalb des EU-Schwellenwertes sind in einem wettbewerbsoffenen Verfahren zu vergeben.

Regelungen für ein wettbewerbsoffenes Verfahren

Bei der Durchführung eines wettbewerbsoffenen Verfahrens ist Folgendes zu beachten:

a) es sind grundsätzlich wenigstens drei geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, sofern nicht zwingende Gründe dagegensprechen,

b) bei wiederkehrenden Vergaben soll der Kreis der Unternehmen, die zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden, möglichst gewechselt werden, c) der Wettbewerb darf nicht auf Unternehmen beschränkt werden, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind,

d) der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot,

e) die einzelnen Schritte der Vergabe, insbesondere die Beachtung des Wechselgebots sind zu dokumentieren.

Anforderungen an Unternehmen

Eignung, Zuverlässigkeit und Nichtvorliegen von Ausschlussgründen

Bieter und Bewerber müssen im Interesse einer sachgerechten Auftragserfüllung nachweisen, dass sie fachkundig und leistungsfähig sind. Bei Bauleistungen ist zudem zu prüfen, ob sie zuverlässig sind, bei Liefer- und Dienstleistungen darf kein Ausschlussgrund im Sinne der §§ 123 oder 124 GWB vorliegen. Ergänzend zu §§ 31 bis 36 ­UVgO und §§ 6 a und 6 b VOB/A müssen die zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags erforderlichen Anforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind bei öffentlichen Ausschreibungen und Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb bereits in der Auftragsbekanntmachung, bei den übrigen Vergabearten in den Vergabeunterlagen aufzuführen. Der öffentliche Auftraggeber kann abweichend von § 6 a Abs. 5 VOB/A auch oberhalb eines Auftragswertes von 10.000 Euro auf Angaben nach § 6 a Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 VOB/A verzichten, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrags gerechtfertigt ist.

Nachweis der Eignung

Als Nachweis der Eignung dürfen nur solche Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind und sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Eigenerklärungen sind grundsätzlich ausreichend. Auf die Vorlage von Einzelnachweisen soll verzichtet werden, soweit die Vergabestelle bereits im Besitz dieser Nachweise ist.

Präqualifizierung

Sind zu der Eignung als Auftrag nehmendes Unternehmen Nachweise zu führen und sind diese

a) in einem anerkannten Register eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellten Vertragsstaates oder

b) in der Liste des anerkannten Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (https://www.pq-verein.de/) oder c) im Präqualifikationsregister der ­Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. (https://www.absthessen.de/hpqr.html) oder d) im amtlichen Verzeichnis der Industrie- und Handelskammern (https://amtliches-verzeichnis.ihk.de/) hinterlegt und nicht älter als 13 Monate, sollen die Vergabestellen diese Bescheinigungen wie individuelle Einzelnachweise zulassen und anerkennen, wenn die geprüften Einzelnachweise nach Form und Inhalt den geforderten Eignungsnachweisen entsprechen. Der öffentliche Auftraggeber zieht Eintragungen und Angaben in zugelassenen Bescheinigungen nur in begründeten Fällen in Zweifel (Eignungsvermutung). Das Präqualifikationsverfahren im Liefer- und Dienstleistungsbereich ist dezentral nach Bundesländern organisiert. Die Präqualifizierung nehmen Industrie- und Handelskammern oder die von ihnen getragenen Auftragsberatungsstellen vor (PQ-Stellen). Die Industrie- und Handelskammer Wiesbaden führt für die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland ein amtliches Verzeichnis für präqualifizierte Unternehmen nach § 35 Abs. 6 UVgO.

Schadensersatz auf positives Interesse?

Schadensersatz auf positives Interesse?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Kann aus Vergabefehlern ein Schadensersatz auf positives Interesse erwachsen?

Antwort: Ja!

Durch die Teilnahme an einer Ausschreibung wird ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet, durch das Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB entstehen. Verletzt die Vergabestelle eine solche Rücksichtnahmepflicht, kann der Bieter Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist. So ist regelmäßig ein Anspruch des Bieters auf Erstattung des negativen Interesses gegeben, wenn die Vergabestelle das Vergabeverfahren aufhebt, ohne dass ein Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 VOB/A vorliegt.

Die vergaberechtlichen Vorschriften mit bieterschützendem Charakter begründen zwar kein Recht auf die Auftragserteilung, sondern nur das Recht eines jeden Bieters, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt, auf Teilnahme am Wettbewerb unter fairen, transparenten und nicht-diskriminierenden Bedingungen und damit auf Wahrung der Chance auf einen Zuschlag. Die Bieter können demgemäß zwar die Beachtung aller für das Verfahren und die Zuschlagserteilung maßgeblichen Vorschriften erwarten, nicht aber die Auftragsvergabe selbst (st. Rspr., BGH, Urteile vom 20. März 2014 – X ZB 18/13, VergabeR 2014, 538 Rn. 20 f. mwN – Fahrbahnerneuerung I; BGHZ 228, 15 Rn. 9 ff., 21 – Flüchtlingsunterkunft).

Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns besteht aber ausnahmsweise dann, wenn der übergangene Bieter den Auftrag bei ordnungsgemäßer Vergabe hätte erhalten müssen und ein Zuschlag tatsächlich erteilt worden ist.

Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns kommt indessen nicht in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber ein mit einer Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens und einer fehlerfreien Neuvergabe wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis herbeiführt, indem er mit demjenigen, der den Zuschlag zu Unrecht erhalten hat, einen Aufhebungsvertrag schließt und sodann in Bezug auf den gleichen Auftrag ein neues Vergabeverfahren durchführt.

Dabei kann dahinstehen, ob die zwischen dem Mitbieter und der Beklagten gemäß § 311 Abs. 1 BGB vereinbarte Aufhebung den Zuschlag – wofür einiges spricht – mit Rückwirkung hat entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1978 – V ZR 115/77, NJW 1978, 2198 [juris Rn. 8 f.]).

Denn ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der „falsche“ Bieter den Auftrag auch tatsächlich erhält. Ist das nicht der Fall, weil es zu einem den gesamten Auftrag betreffenden Aufhebungsvertrag und einer sich daran anschließenden Neuvergabe kommt, wird das Recht des übergangenen Bieters auf Teilhabe am Vergabeverfahren und Wahrung seiner Chance bei der Auftragsvergabe im Regelfall ausreichend gewahrt.

Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren?

Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Unter welchen Voraussetzungen ist von einer Antragsbefugnis im Vergabeverfahren auszugehen?

Antwort: Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, sofern ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Sinn und Zweck der in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 3 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21. Dezember 1989 stehenden Berechtigungsvoraussetzung eines entstandenen oder drohenden Schadens ist, zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebotes und Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein – investitionshemmendes Nachprüfungsverfahren einleiten kann (BT-Drucks. 13/9340, S. 40, Nr. 22; Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006, Verg 6/06BeckRS 2006, 4700 Rn. 12).
Der in der Vorschrift verwandte Schadensbegriff muss demnach unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Der Schaden kann nur darin bestehen, dass durch den beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten der antragstellenden Partei auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können (Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006, Verg 6/06BeckRS 2006, 4700 Rn. 13).

Der Schaden muss auf die Zuschlagschance bezogen sein (Horn/Hofmann in Burgi/Dreher, Beckscher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, § 160 Rn. 33).

Schaden im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB ist folglich allein die tatsächliche oder drohende Nichterteilung des Auftrags, denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09NZBau 2010, 124 Rn. 32).
Aus jenseits der Zuschlagschance liegenden Beeinträchtigungen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art kann die Antragsbefugnis folglich grundsätzlich nicht hergeleitet werden (Horn/Hofmann in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, § 160 Rn. 33).
Mit dem Verlust der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB hat sich das Nachprüfungsverfahren in sonstiger Weise gemäß § 168 Abs. 2 Satz 2 Var. 3 GWB i.V.m. § 178 Satz 4 GWB erledigt. Der Grundsatz, dass die Hauptsache erledigt ist, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGH, NJW 2003, 3134), gilt auch für das Vergabenachprüfungsverfahren mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Klagezustellung die Zustellung des Nachprüfungsantrags tritt.

Fortsetzungsfeststellungsantrag im Nachprüfungsverfahren?

Fortsetzungsfeststellungsantrag im Nachprüfungsverfahren?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Kann, wenn sich der zunächst statthafte Nachprüfungsantrag erledigt hat, der Antragsteller noch feststellen lassen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat?

Antwort: Ja!

Hat sich der zunächst statthafte Nachprüfungsantrag erledigt, kann der Antragsteller, wenn er ein Interesse an der Entscheidung hat, feststellen lassen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – Verg 28/13BeckRS 2014, 4285).

Durch den Feststellungsantrag nach Eintritt der Erledigung soll sichergestellt werden, dass dem Antragsteller die Früchte des von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens nicht verloren gehen (Senatsbeschlüsse vom 29. Januar 2014 – Verg 28/13BeckRS 2014, 4285, vom 11. Mai 2011 – Verg 8/11, und vom 4. Mai 2009 – Verg 68/08, m. w. N.). Er ist daher in seiner Reichweite durch den ursprünglichen Nachprüfungsantrag beschränkt.

Zu einem solchen Fortsetzungsfeststellungsantrag kann der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung übergehen. Anträge können bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden. Dabei ist der Übergang zum Feststellungsantrag auch ohne Zustimmung des Gegners jederzeit zulässig, er stellt in entsprechender Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO keine zustimmungspflichtige Änderung dar (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2010, 9 AZR 642/09NZA 2011, 509 Rn. 20; zum ergänzenden Rückgriff auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung: Senatsbeschluss vom 23. Dezember 2009 – Verg 30/09BeckRS 2010, 4614).
Ein Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes gemäß vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (Senatsbeschlüsse vom 29. Januar 2014 – Verg 28/13BeckRS 2014, 4285, vom 11. Mai 2011 – Verg 8/11, und vom 4. Mai 2009 – Verg 68/08 m. w. N.)

Ein solches Feststellungsinteresse kann insbesondere gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient. In geeigneten Fällen kann mit einem Feststellungsantrag auch der Gefahr einer Wiederholung begegnet werden. Es soll dadurch sichergestellt werden, dass dem Antragsteller die Früchte des von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens nicht verloren gehen (Senatsbeschlüsse vom 29. Januar 2014 – Verg 28/13BeckRS 2014, 4285, vom 11. Mai 2011 – Verg 8/11, und vom 4. Mai 2009 – Verg 68/08 m. w. N.)