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Das objektive Fehlen von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene nachgewiesen werden

von Thomas Ax

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Darüber hinaus gelten nach § 14 Abs. 6 VgV die Voraussetzungen des Abs. 4 Nr. 2 b) für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

Ausnahmen vom vorrangig durchzuführenden offenen oder nicht offenen Verfahren sind grundsätzlich eng auszulegen

Sämtliche Ausnahmen vom vorrangig durchzuführenden offenen oder nicht offenen Verfahren sind grundsätzlich eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-275/08). Dies gilt erst recht, wenn gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV nur mit einem Unternehmen verhandelt werden soll, die Vergabe also nicht im Wettbewerb erfolgt. Die Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands trägt der öffentliche Auftraggeber (vgl. EuGH, Urteil v. 15.10.2009, Rs. C-275/08, Rn. 54 ff. m.w.N; OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021, 13 Verg 9/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, Verg 13/17; Beschluss vom 07.06.2017, 53/16; OLG Rostock, Beschluss vom 25.11.2020, 17 Verg 1/20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.7.2010, 15 Verg 6/10; VK Bund, Beschluss vom 29.09.2020, VK 2 – 73/20; Beschluss vom 23.10.2019, VK 1-75/19).

Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfordert das objektive Fehlen von Wettbewerb

Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfordert das objektive Fehlen von Wettbewerb (OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021, 13 Verg 9/21; OLG Rostock, Beschluss vom 25.11.2020, 17 Verg 1/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, Verg 13/17; VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019, VK 1-75/19; vgl. auch Erwägungsgrund 50 RL 2014/24/EU zu Art. 32 Abs. 2).

Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, unterliegt bereits unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wettbewerbsoffenen Beschaffung vergaberechtlichen Grenzen  

Bereits für die Vergabe eines Auftrags innerhalb eines wettbewerblichen Verfahrens ist anerkannt, dass die – dem Vergabeverfahren grundsätzlich vorgelagerte – Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wettbewerbsoffenen Beschaffung vergaberechtlichen Grenzen unterliegt. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung gewahrt, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind, die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind, und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, Verg 13/17; Beschluss vom 14.09.2016, Verg 13/16; Beschluss vom 01.08.2012, Verg 10/12).

Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt

Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber dazu, dass im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 a) oder b) VgV der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV ein, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb, mithin eine Vergabe außerhalb des Wettbewerbs, nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als dies bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens der Fall ist. Eine Leistungsbestimmung, die im Falle des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine solche, die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs im Ergebnis (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt (OLG Rostock, Beschluss vom 25.11.2020, 17 Verg 1/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, Verg 13/17; Beschluss vom 07.06.2017, Verg 53/16; VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019, VK 1-75/19).

Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen

Der vom Auftraggeber zu führende Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-275/08; Urteil vom 02.06.2005, C-394/02; vgl. auch Dieckmann, in: Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV, 3. Aufl. 2022, § 14 Rn. 65; Hirsch/Kaelble, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 14 VgV Rn. 174).

Anforderungen an den Umfang der von einem öffentlichen Auftraggeber in diesem Zusammenhang anzustellenden Ermittlungen sind konsequenterweise ebenfalls hoch

Die Anforderungen an den Umfang der von einem öffentlichen Auftraggeber in diesem Zusammenhang anzustellenden Ermittlungen bevor er ausnahmsweise auf ein wettbewerbliches Vergabeverfahren verzichten darf, sind konsequenterweise ebenfalls hoch (VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019, VK 1-75/19). Die Rechtsprechung verlangt diesbezüglich „ernsthafte Nachforschungen auf europäischer Ebene“ (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, Rs. C-275/08) bzw. die Beibringung „stichhaltiger Beweise“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, Verg 13/17; Beschluss vom 07.06.2017, Verg 53/16). Der 50. Erwägungsgrund der RL 2014/24/EU nennt als ein Beispiel dafür, was vom Auftraggeber dazulegen und zu beweisen ist, um zu Recht auf ein wettbewerbliches Vergabeverfahren zu verzichten, dass es für andere „Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich ist, die geforderte Leistung zu erbringen“. Es muss auch ausgeschlossen sein, dass für die Auftragsdurchführung weitere Unternehmen in Frage kommen, die die für den Auftrag notwendigen Fähigkeiten und Ausstattungen rechtzeitig erwerben können (OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021, 13 Verg 9/21).

Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder rein wirtschaftliche Vorteile im Falle der Leistungserbringung reichen nicht aus

Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder rein wirtschaftliche Vorteile im Falle der Leistungserbringung durch ein bestimmtes Unternehmen reichen nicht aus (OLG Celle, a.a.O.; Völlink, in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 14 VgV Rn. 51; Dieckmann, in: Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV, 3. Aufl. 2022, VgV § 14 Rn. 65). Die Einschätzung des Auftraggebers, dass ein bestimmter Anbieter die Leistungen am besten erfüllen kann, genügt ebenfalls nicht um die Anwendung der Norm zu begründen (Pünder, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 14 VgV Rn. 63).

Ordnungsgemäße Marktuntersuchung muss zwingend vor der Festlegung der Wahl der Verfahrensart und der Entscheidung, nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, erfolgen

Die ordnungsgemäße Marktuntersuchung muss zwingend vor der Festlegung der Wahl der Verfahrensart und der Entscheidung, nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, erfolgen (vgl. VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.01.2020, 3 VK 08/19; VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019, VK 1-75/19; VK Hessen, Beschluss vom 27.04.2007, 69d-VK-11/2007; Hirsch/Kaelble, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 14 VgV Rn. 174).

Der Auftraggeber legt umfassend dar, zu welchem Zweck das Gerät beschafft werden soll.
Es muss erläutert werden, warum Alleinstellungsmerkmale „essentiell“ sind.
Es muss erkennbar sein, warum die technischen Spezifikationen, aus denen der Auftraggeber Alleinstellungsmerkmale ableitet, gefordert werden.
Es muss stattfinden eine Auseinandersetzung mit Alternativen.
Alternativen dürfen nicht am Markt vorhanden sein.

Es ist gerade nicht ausreichend für die Anwendung des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV, dass ein Auftraggeber sich von einem bestimmten Produkt die beste Leistungserfüllung erhofft. Dies ist vielmehr gerade im Wettbewerb unter verschiedenen Anbietern zu ermitteln.

Es reichen nicht aus lediglich Aussagen.

Es müssen stichhaltige Beweise für diese geliefert werden.

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