Ax Rechtsanwälte

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Das ungeschickte Baustellenverbot

von Thomas Ax

Der Fall:

Die Kläger als Auftraggeber verlangen von der Beklagten als Auftragnehmerin die Rückzahlung von 77.500.-€, d.h. der Hälfte von sechs geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 145.498,50 € und von Sonderzahlungen auf Mehrleistungen für Schotter und eine Garagenbodenplatte in Höhe von 8.960,99 € nebst Zinsen, den Ersatz von Kosten ihres Privatgutachters … in Höhe von 1.538,71 € nebst Zinsen, den Ersatz von Kosten des von ihnen eingeschalteten Drittunternehmens … für „Sofortmängelbeseitigungsmaßnahmen“ vom 10.08.2018 bis 09/2018 in Höhe von 10.710.-€ nebst Zinsen sowie den Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 2.561,83 € aus einem Pauschal-BGB-Bauvertrag vom 11.12.2017 über die Errichtung eines Einfamilienhauses nebst Garage in … zum Preis von brutto 230.950.-€.

Nach § 2 des Vertrages war der Pauschalpreis in folgenden Raten zu zahlen:

2 % mit Aushändigung Bauantrags/Bauanzeige

Rechnung vom 17.01.2018

3 % mit Erteilung Baugenehmigung

Rechnung vom 05.03.2018

14 % mit Betonierung der Bodenplatte (Haupthaus)

Rechnung vom 27.04.2018

16 % mit Verlegung Decke über Erdgeschoss

Rechnung vom 17.05.2018

15 % mit Betonierung Ringanker (Haupthaus)

Rechnung vom 15.06.2018

13 % mit Aufstellung des Dachstuhls (Haupthaus)

Rechnung vom 15.06.2018

11 % mit Auftragung des Innenputzes

10 % mit Verlegung der Fußbodenheizungsrohre

9 % mit Verlegung des Estrichs

2 % mit Montage Sanitärobjekte

3 % mit Auftragung Außenputz

2 % mit Abnahme.

Am 29.05.2018 wurden von der Beklagten Mehrkosten Schotter in Höhe von brutto 8.510,99 €, am 17.05.2018 Mehrpreis Garagenbodenplatte von brutto 450.-€ und am 27.04.2018 Mehrsparteneinführung von brutto 750.-€ in Rechnung gestellt und am 16.07.2018 eine Gutschrift für Tür und Revisionsschacht von brutto 420.-€ erteilt.

Die Rohbauarbeiten wurden von der Subunternehmerfirma der Beklagten … durchgeführt. Der von der Beklagten eingesetzte örtliche Bauüberwacher war …, der Statiker war ….

Nach Erbringung der Roharbeiten und Aufstellung des Dachstuhls und Zahlung der vertraglich vereinbarten sechs Abschlagszahlungen (6. Abschlagsrechnung stammt vom 15.06.2018) haben die Kläger wegen Baumängeln den Privatsachverständigen … aus … beauftragt, der zwei Ortstermine am 27.06.2018 und 20.07.2018 ohne die Beklagte abgehalten und zwei Gutachten vom 07.07.2018 (Bl. 31 ff. d.A.) und 24.07.2018 (Bl. 166 ff. d.A.) erstattet hat.

Mit E-Mail vom 30.07.2018 hat die Beklagte den Klägern Statikpläne übersandt und per Einschreiben am 08.08.2019 in Papierform an Rechtsanwalt ….

Die Kläger haben die Beklagte persönlich mit Schreiben vom 02.08.2018 (Bl. 80 d.A.) aufgefordert, 14 diverse Mängel (z.B. an Fußpfetten, am Ringanker, an den Wänden) bis zum 18.08.2016 zu beseitigen.

Bereits am 07.08.2018 (Bl. 85 d.A.) haben die Kläger mit anwaltlichem Schreiben von Rechtsanwalt … den Bauvertrag aus wichtigem Grund gekündigt und die Beklagte zur Abnahme am 08.08.2018 um 17.00 Uhr aufgefordert. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Arbeiten nicht nach den anerkannten Regeln der Technik durchgeführt worden seien und die Wände wackeln würden, so dass die Standsicherheit des Gebäudes gefährdet sei.

Ein gemeinsamer Abnahmetermin wurde in der Folgezeit nicht durchgeführt; eine Schlussabrechnung der Beklagten liegt nicht vor.

Am 09.08.2018 haben die Kläger die Beklagte durch Rechtsanwalt … nochmals zur Mängelbeseitigung bis zum 23.08.2018 aufgefordert.

Zugleich haben die Kläger persönlich der Beklagten schriftlich am 09.08.2018 Baustellenverbot erteilt und dies am 13.08.2016 (Bl. 150 d.A.) und am 20.08.2018 (Bl. 162 d.A.) wegen des von der Beklagten mit anwaltlichen Schreiben vom 08.08.2016 vorgeschlagenen Abnahmetermins am 22.08.2018 oder 24.08.2018 nochmals schriftlich wiederholt.

Am 18.08.2018 hat Rechtsanwalt … das Mandat für die Kläger niedergelegt.

Am 10.08.2018 hat das … bereits mit Mängelbeseitigungsarbeiten, u.a. für Abreißen von Wänden, der Brüstung, des Ringankers OG), begonnen, die bis zum 21.08.2018 dauerten und diese mit pauschal brutto 5.950.-€ am 21.08.2018 in Rechnung gestellt.

Für weitere Arbeiten, u.a. für Styrodur Fußpfette, Säubern der Stahlträger und Liefern und Mauern der Steine für die Garage, im September 2018 hat das Drittunternehmen am 25.09.2018 weitere 4.760.-€ in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 02.10.2018 haben die Kläger durch ihren neuen Rechtsanwalt … von der Kanzlei … von der Beklagten pauschal die Rückzahlung der Hälfte der von ihnen geleisteten Abschlagszahlungen und der Hälfte der von ihn gezahlten Zusatzleistungen gefordert und ausgeführt, dass wegen der Mängel an der Bodenplatte, des Mauerwerks und des Dachstuhls die Abnahme zu Recht verweigert worden sei und zudem die statische Berechnung nicht an sie herausgegeben werde.

In der Klageschrift vom 25.02.2019 wird ausgeführt, dass der Werkvertrag aus wichtigem Grund am 07.08.2018 gekündigt worden sei und die Beklagte am 02.10.2018 zur Zahlung von 77.500.-€ aufgefordert worden sei. Die bis zur Kündigung erbrachten Teilleistungen seien mangelhaft, so dass „die Kläger die Rückzahlung der Hälfte der bereits geleisteten 154.459,49 € für angemessen halten“. Die Beklagte habe auch den Schaden durch Beauftragung des Privatsachverständigen und die Kosten für die „Sofortmaßnahmen nach der Kündigung“ zu tragen. Aus „Verzug“ habe die Beklagte auch die Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme zu tragen (1,6 Geschäftsgebühr aus Gegenstandswert 77.500.-€).

Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass die Kläger noch während der Rohbauphase wegen angeblichen Mängeln einer noch überhaupt nicht fertiggestellten Teilleistung vor der Abnahme kopflos den Bauvertrag frei gekündigt, ihr Baustellenverbot erteilt und bereits am 10.08.2018 ein Drittunternehmen mit Eingriffsarbeiten am konstruktiven Bauwerk beauftragt hätten, so dass eine Mängelbeseitigung überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei.

Hilfsweise hat die Beklagte eingewandt, dass der Bauzustand zum Zeitpunkt der Kündigung nach ihrer Kalkulation des Pauschalwerkvertrages 141.251,96 € betragen habe, zzgl. Mehrkosten Schotter von 8.510,99 €, Bodenplatte Garage von 450.-€ und Rohre 750.-€

Mit Schriftsatz vom 29.10.2019 haben die Kläger vorgetragen, dass sie Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB verlangen würden, die Erklärung vom 07.08.2018 als Rücktritt auszulegen sei und die Zahlung von 77.500.-€ als Minderungsbetrag, hilfsweise als Mängelbeseitigungskostenvorschuss geltend gemacht werde.

Die Lösung:

Die Klage ist abzuweisen:

Ein pauschal auf die Hälfte der Abschlagszahlungen gestützter Anspruch auf Auszahlung des Saldoüberschusses ist nicht schlüssig von den Klägern dargelegt, ein wichtiger Grund zur Kündigung am 07.08.2018 hat nicht vorgelegen und diese ist auch nicht als freie Kündigung nach § 649 BGB a.F. oder als Rücktrittserklärung auszulegen.

Zur Begründung:

Die Mängel der Teilleistungen führen nur unter den Voraussetzungen von § 634 BGB zu einer Kürzung des Vergütungsanspruchs. Die Klägerseite könne als Besteller des Bauwerks vor einer Abnahme nicht die Rechte gemäß § 634 BGB geltend machen. Durch die Kündigungserklärung der Kläger vom 07.08.2018 sei der Vertrag vom 11.12.2017 nicht beendet worden. Die im Schreiben der Klägerin vom 07.08.2018 ausgesprochene Kündigung stelle keine Kündigung nach § 649 BGB in der für den Streitfall (Artikel 229 § 39 EGBGB) geltenden Fassung der Vorschrift dar, da die Kläger erkennbar und ausdrücklich aus wichtigem Grund kündige wollten. Die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB seien nicht gegeben. Bestehe der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, sei die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist zulässig. Die Kläger hätten den streitgegenständlichen Werkvertrag indes konkludent gekündigt, indem sie ein anderes Bauunternehmen ab dem 10.08.2018 anstelle des Beklagten beauftragten und der Beklagten am 20.08.2018 ein Baustellenverbot erteilt hätten.

Der Anspruch auf Rückzahlung von 77.500.- Euro sei aber nicht schlüssig dargelegt. Der Besteller könne nicht pauschal – in Höhe von 50% – die von ihm geleisteten Abschlagszahlungen zurückverlangen. Die Frage, ob Mauer und Betonarbeiten mangelhaft waren, sei für die Darlegung zu viel gezahlten Werklohns zunächst nicht von Belang.

Die Kläger hätten gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 12.249.- Euro für die Vornahme von Leistungen nach Ausspruch der Kündigung des streitgegenständlichen Bauvertrags, weil die Voraussetzungen der § 634 Nr.3 und 4 BGB nicht vorliegen würden. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§ 634 Nr. 4, § 280, § 281 BGB) lägen nicht vor. Einem solchen stehe entgegen, dass eine Abnahme der von der Beklagten erbrachten Teilleistungen nicht erfolgt sei. Es fehle das erfolglose Setzen einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung und den fruchtlosen Ablauf dieser Frist.

Die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens seien auch nicht aus anderen Gründen erstattungsfähig. Mangels Anspruch in der Hauptsache stehe den Klägern auch kein Anspruch auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie kein Zinsanspruch zu.