Ax Rechtsanwälte

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Der praktische Fall zum Baugrundrisiko (2) - BGH, Urteil vom 28.01.2016 Az. I ZR 60/14:

Der Fall:

Auf Grundlage einer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kranunternehmers, wie in Ziffer 20 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der AGB-BSK Kran und Transport 2008 soll dem Auftraggeber einschränkungslos und ohne Festlegung von Mitwirkungspflichten des Kranunternehmers die Verantwortlichkeit für die Eignung der Bodenverhältnisse für den vereinbarten Kraneinsatz und die Verpflichtung, auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Hohlräumen am Einsatzort unaufgefordert hinzuweisen, auferlegt werden:

„Darüber hinaus ist der Auftraggeber dafür verantwortlich, dass die Boden-, Platz- und sonstigen Verhältnisse an der Einsatzstelle sowie den Zufahrtswegen – ausgenommen öffentliche Straßen, Wege und Plätze – eine ordnungsgemäße und gefahrlose Durchführung des Auftrags gestatten. Insbesondere ist der Auftraggeber dafür verantwortlich, dass die Bodenverhältnisse am Be- und Entladeort bzw. Kranstandplatz sowie den Zufahrtswegen den auftretenden Bodendrücken und sonstigen Beanspruchungen gewachsen sind. Schließlich ist der Auftraggeber verantwortlich für alle Angaben über unterirdische Kabelschächte, Versorgungsleitungen, sonstige Erdleitungen und Hohlräume, die die Tragfähigkeit des Bodens an der Einsatzstelle oder den Zufahrtswegen beeinträchtigen könnten. Auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Leitungen, Schächten und sonstigen Hohlräumen hat der Auftraggeber unaufgefordert hinzuweisen. Versäumt der Auftraggeber schuldhaft diese Hinweispflicht, haftet er für alle daraus entstehenden Schäden, auch für Sach- und Sachfolgeschäden an Fahrzeugen, Geräten und Arbeitsvorrichtungen des Unternehmers sowie Vermögensschäden. Angaben und Erklärungen Dritter, deren sich der Auftraggeber zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen bedient, gelten als Eigenerklärungen des Auftraggebers.“

Die Lösung:

Eine derartige Regelung benachteiligt den Auftraggeber unangemessen und ist deshalb unwirksam.

Ein Vertrag über die entgeltliche Überlassung eines Krans bei gleichzeitiger Gestellung von Bedienungspersonal kann je nach Ausgestaltung der Vertragsbeziehung im Einzelfall als Mietvertrag verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, als Mietvertrag verbunden mit einem Dienst- oder Werkvertrag oder in vollem Umfang als Mietvertrag, Dienstvertrag oder Werkvertrag anzusehen sein. Maßgeblich ist, welche der Leistungen dem Vertrag das Gepräge geben (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1984 – VIII ZR 240/83, juris Rn. 8, insoweit nicht in BGHZ 93, 64 und NJW 1985, 798 abgedruckt; Urteil vom 26. März 1996 – X ZR 100/94, NJW-RR 1996, 1203, 1204). Ein mit einem Mietvertrag verbundener Dienstverschaffungsvertrag liegt vor, wenn die Durchführung der Arbeiten ausschließlich bei dem Besteller liegt und das vom Vermieter gestellte Bedienungspersonal den Weisungen des Bestellers unterworfen ist (BGH, NJW-RR 1996, 1203, 1204). Dieser Vertragstyp wird in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1, ebenso wie in den AGB-BSK Kran und Transport 2008, als Krangestellung bezeichnet (Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Ziffer 2.1 AGB-BSK Kran und Transport 2008 Rn. 1). Wird nicht lediglich das Arbeitsgerät nebst dem Bedienungspersonal mit der Möglichkeit überlassen, dieses für sich zu nutzen, sondern ein Werk oder ein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet, so liegt ein Werkvertrag vor (BGH, NJW-RR 1996, 1203, 1204; vgl. auch OLG Stuttgart, TranspR 1998, 488, 490; KG, BauR 2010, 470 f.). Verträge über Kranarbeiten, die auf den Erfolg einer Ortsveränderung von Gütern gerichtet sind, sind Frachtverträge (Koller aaO § 407 HGB Rn. 10 Fn. 25). Sie werden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1, ebenso wie in den AGB-BSK Kran und Transport 2008, als Kranarbeit bezeichnet (Koller aaO Ziffer 2.2 AGB-BSK Kran und Transport 2008 Rn. 1).

Im Streitfall stellt der Vertrag der Klägerin zu 1 und der Beklagten daher einen Frachtvertrag dar. Zwar lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen, dass die Klägerin zu 1 den abzubrechenden Ofen in ihre Obhut nehmen und vor Schäden bewahren sollte, wie dies im Regelfall für einen Frachtvertrag typisch ist. Geht es jedoch wie im Streitfall darum, durch Kranarbeit eine Last von einem Ort zum anderen zu bringen, handelt es sich um ein Frachtgeschäft als Unterart des Werkvertrages (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 – I ZR 196/92, NJW-RR 1995, 415; Koller aaO § 407 HGB Rn. 10, 35; vgl. auch Ziffer I. 4. AGB-BSK Kran und Transport 2008).

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass sich Schadensersatzansprüche der Klägerinnen gegen die Beklagte wegen der Beschädigung des Krans und der durch den Unfall verursachten Lohnersatzleistungen für den bei der Klägerin zu 1 beschäftigten Kranführer grundsätzlich aus § 280 BGB ergeben können.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden. Eine Schadensersatzpflicht resultiert nicht aus der in Ziffer 20 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 statuierten Verantwortlichkeit für die Eignung der Bodenverhältnisse für den vereinbarten Kraneinsatz und aus der dort festgelegten Verpflichtung der Beklagten, auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Hohlräumen am Einsatzort unaufgefordert hinzuweisen. Diese Regelungen, auf die das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten gestützt hat und die zu einer einschränkungslosen Verpflichtung der Beklagten führen, den Grund und Boden am Kraneinsatzort auf für Schwerfahrzeuge gefährliche Hohlräume zu überprüfen, benachteiligen die Beklagte unangemessen und sind deshalb unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).

Die Sätze 1, 2 und 4 des ersten Absatzes von Ziffer 20 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 halten der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, der gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auch bei Verwendung gegenüber einem Unternehmer Anwendung findet, nicht stand. Ziffer 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 weisen dem Auftraggeber das Risiko der Tragfähigkeit des Bodens beim Kraneinsatz zu. Sie sehen eine Verantwortlichkeit des Auftraggebers dafür vor, dass die Bodenverhältnisse am Be- und Entladeort und am Kranstandplatz sowie den Zufahrtswegen den auftretenden Bodendrücken und sonstigen Beanspruchungen gewachsen sind. Satz 4 der Regelung bestimmt, dass der Auftraggeber insoweit auf Gefahren unaufgefordert hinzuweisen hat. Diese Regelungen benachteiligen die Beklagte unangemessen, soweit sie ihr uneingeschränkt und ohne Festlegung von Mitwirkungspflichten der Klägerin zu 1 Risiken im Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Grund und Bodens und einschränkungs- und anlasslos Hinweispflichten auferlegen.

Allerdings ist es grundsätzlich nicht unangemessen, dem Auftraggeber die Verantwortlichkeit für die Bodenbeschaffenheit im Verhältnis zu einem von ihm beauftragten, auf einer Baustelle tätigen Unternehmer aufzuerlegen.

Die Zuordnung des Risikos der Bodenverhältnisse auf den Besteller stellt allerdings eine Ausnahme dar. Nach § 644 Abs. 1 BGB trägt grundsätzlich der Unternehmer die (Vergütungs-)Gefahr bis zur Abnahme des Werks. Der Werkunternehmer erhält keine Vergütung, wenn die Ausführung des Werks vor der Abnahme unmöglich wird oder das Werk sich verschlechtert oder untergeht. Hieraus folgt, dass der Werkunternehmer selbst dafür verantwortlich ist, wenn seine für die Herstellung oder die Ausführung des Werks eingesetzten Gerätschaften zu Schaden kommen. Dies entspricht der Billigkeit, weil der Einsatz der Geräte in der Sphäre des Werkunternehmers erfolgt. Dies gilt auch bei der Beauftragung von Kranarbeiten. Dem Auftragnehmer sind die spezifischen Merkmale der Fahrzeuge, wie etwa die Achslasten, die Gesamtgewichte und die Stützdrücke bekannt, die in seinen Risikobereich fallen. Er kennt die auftretenden und vom Fahrzeug ausgehenden Bodenbelastungen und ist deshalb in der Lage, die Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit für einen sicheren Kranbetrieb einzuschätzen. Aus diesem Grund hat der Kranunternehmer als Auftragnehmer eines Werkvertrags die Frage der Tragfähigkeit des Grund und Bodens des Standplatzes in eigener Verantwortung zu prüfen (OLG München, TranspR 1996, 312, 315). Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil der Kranunternehmer durch den Kraneinsatz – ebenso wie ein Abbruchunternehmer, der mit schwerem Gerät ein Gebäude abbricht – neue, vom Auftraggeber nicht beherrschbare Gefahren schafft (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1978 – VI ZR 150/77, NJW 1979, 309, 310).

Ziffer 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 weichen von der gesetzlichen Risikoverteilung in den §§ 644, 645 BGB insoweit ab, als sie das Risiko des Kranunternehmers infolge typischerweise durch den Kraneinsatz verursachter Mehrbelastungen des Bodens auf den Auftraggeber verlagern. Damit wird die auf einer Ausnahmeregelung beruhende Zuordnung der Eignung des Grund und Bodens für die Ausführung des Auftrags auf den Auftraggeber ausgeweitet. In der hier zur Überprüfung stehenden Form benachteiligt eine solche Risikoverlagerung den Besteller unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.

Nach den Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 ist es Sache des Auftragnehmers, das für die Durchführung des konkreten Auftrags geeignete Gerät auszuwählen (Ziffer 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1, entspricht Ziffer 14 AGB-BSK Kran und Transport 2008). Eine Verpflichtung des Kranunternehmers, den Auftraggeber in die Auswahl des Krans einzubeziehen und ihn vor dem Arbeitseinsatz des Geräts über die dabei auftretenden Bodenbelastungen und die hieraus resultierenden Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit aufzuklären, sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 nicht vor. Insbesondere wird die Risikoverlagerung für die Stabilität des Baugrunds durch die Beanspruchung durch den Kran nicht von einer vorherigen Abstimmung mit dem Auftraggeber abhängig gemacht. Wird dem Auftraggeber mit einer vertraglichen Vereinbarung die Verantwortlichkeit für eine zur Ausführung des Auftrages ausreichende Bodenstabilität auch insoweit aufgebürdet, als es um die beim Betrieb eines Krans typischerweise auftretenden erhöhten und im Einzelfall extremen Bodenbelastungen geht, wird ihm damit ein durch ihn weder beherrschbares noch beeinflussbares Risiko auferlegt. Dies wird im Streitfall besonders deutlich. Ausweislich des von der Beklagten erteilten Auftrags waren die abzubrechenden beiden Stahlkonstruktionen jeweils 45 Tonnen schwer, der auszuhebende Ofen hatte ein Gewicht von 80 Tonnen. Der von der Klägerin zu 1 eingesetzte Kran hatte ein Eigengewicht von 350 Tonnen, er trug außerdem ein Kontergewicht von 105 Tonnen. Das Gesamtgewicht des Krans einschließlich Traglast betrug zum Unfallzeitpunkt mithin rund 500 Tonnen. Wird dem Besteller bei solchen außergewöhnlichen Bodenbelastungen eine einseitige, durch keine Mitwirkungspflichten des Kranbetreibers gemilderte Verantwortlichkeit für die Bodenstabilität auferlegt, widerspricht dies einerseits dem Haftungsgefüge des Werkvertragsrechts, andererseits der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise angenommenen Haftung des Bestellers für in seiner Sphäre liegende Umstände.

Ziffer 20 Abs. 1 Satz 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu 1 erlegt dem Auftraggeber die Verantwortlichkeit für das Vorhandensein von Hohlräumen im Boden an der Einsatzstelle des Krans und die Pflicht auf, auf deren Vorhandensein unaufgefordert hinzuweisen. Auch diese Regelung benachteiligt die Beklagte als Auftraggeberin unangemessen.