Ax Rechtsanwälte

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Dringende Notvergabe: schnelle und einfache Lösung wenn nichts mehr geht

Der Auftraggeber hat in dringenden Vergabefällen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, entweder er verlängert den Vertrag mit seinem bisherigen Vertragspartner um den zulässigen Interimszeitraum oder aber er entscheidet sich kurzfristig für einen neuen Vertragspartner. Eine Entscheidung zugunsten des bisherigen Vertragspartners kann organisatorisch und wirtschaftlich sinnvoll sein, um einen mehrmaligen Wechsel in der Leistungserbringung sowie unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand zu vermeiden. Der Auftraggeber kann sich in dieser Phase auch darauf beschränken, nur mit einem Unternehmen Interimsverhandlungen zu führen. Die Reduzierung auf Verhandlungen mit nur einem Vertragspartner begegnet keinen rechtlichen Bedenken, denn eine Mindestzahl von drei Verhandlungspartnern gibt es nur beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und nicht beim hier einschlägigen Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. Die Dringlichkeit der Vergabe in Anbetracht der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Betriebs rechtfertigt den vorübergehenden Verzicht auf eine Vergabe im Wettbewerb. Gleichwohl ist dieser Zeitraum, in dem der Auftraggeber frei ist, sich einen beliebigen Vertragspartner seiner Wahl – ohne Beteiligung anderer Unternehmen zu suchen, aus Wettbewerbsgründen auf den absolut notwendigen Überbrückungszeitraum zu beschränken. Er sollte grundsätzlich einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschritten werden. Nur für diesen kurzen Zeitraum kann vergaberechtskonform auf die Einbeziehung des bekannten Bieterkreises verzichtet werden und der Wettbewerb ausgesetzt werden.

Auch darüber hinaus gehende Interimsvergaben werden bis zum Zeitraum von maximal einem Jahr allgemein als vergaberechtlich zulässig angesehen (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 11.11.2008, Verg 006-08; VK Lüneburg, Beschl. v. 03.07.2009, VgK-30/2009; VK Arnsberg, Beschl. v. 25.08.2008, VK 14/08). Sie unterliegen aber zur Wahrung des Wettbewerbsprinzips, auf das bei längeren Vergaben nicht vollends verzichtet werden kann, weitreichenderen Beschränkungen. In diesen Fällen ist eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung nur möglich, wenn nicht nur ein einziger Bieter, sondern auch die anderen interessierten Bieter zu Verhandlungen aufgefordert werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.08.2008, VII-Verg 57/08). Das OLG Dresden (Beschl. v. 24.01.2008, Verg 10/07) und das Hanseatische OLG (Beschl. v. 08.07.2008, 1 Verg 1/08) haben entschieden, dass ein Bieter, der sich am vorangegangenen Vergabe- und Nachprüfungsverfahren beteiligt hat, auch am Verfahren der freihändigen Vergabe von Interimsleistungen zu beteiligen ist und zur Angebotsabgabe aufzufordern ist. In Anlehnung an die Vorgaben zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§ 3 Abs. 5 Satz 3 VOL/A-EG) sollten — wenn vorhanden – mindestens drei Bieter zu Verhandlungen aufgefordert werden.

Die Interimsvergabe ist zeitlich auf den absolut notwendigen Zeitraum zu beschränken (VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.12.2013, 2 VK LSA 15/13). Soweit absehbar ist, dass eine Zwischenbeschaffung über einen längeren Zeitraum als ein Jahr erforderlich wird, besteht für den Auftraggeber keine Berechtigung mehr, sich auf den Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 4 lit. d) VOL/A-EG zu berufen. Hier gilt es den Anforderungen des Wettbewerbs zu genügen. Die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens ist unverzichtbar. Der Auftraggeber hat gemäß § 101 Abs. 7 GWB regelmäßig der offenen Vergabe den Vorzug zu geben.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein Auftraggeber in Dringlichkeitsfällen berechtigt ist, interimsweise Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Der Auftraggeber ist auch in dieser Situation verpflichtet, so viel Wettbewerb wie möglich zu gewährleisten. Dies gebietet der Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB. Der Beschaffer hat dem Wettbewerbsprinzip stufenweise Geltung zu verschaffen. Bei Vergaben bis zu drei Monaten kann der Bieterkreis auf ein Unternehmen beschränkt werden, bei Zeiträumen bis zu einem Jahr sind grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern und bei Zwischenvergaben von mehr als einem Jahr ist die Durchführung eines förmliches Vergabeverfahrens erforderlich. Durch die stufenweise Erhöhung des Wettbewerbsprinzips soll den Belangen des Auftraggebers einerseits und den Belangen des Wettbewerbs andererseits adäquat Rechnung getragen werden. Der Auftraggeber hat sich bei der Wahl seiner Interimsbeauftragung am notwendigerweise zu überbrückenden Zeitraum zum Zeitpunkt des Eintritts der Dringlichkeit zu orientieren. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung, die hinreichend zu dokumentieren ist.