Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

Kurz belichtet

Nachweis der Leistungsfähigkeit bei Eignungsleihe nicht erst nach Auftragsvergabe

EuGH, Beschluss vom 10.01.2023 – Rs. C-469/22

Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 59 und dem 84. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss.

Verzug und/ oder Mängel bei früherem Auftrag sind ein Ausschlussgrund

VK Bund, Beschluss vom 17.08.2023 – VK 2-56/23

Der öffentliche Auftraggeber kann ein Bieterunternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen kann, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies u. a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat. Eine wesentliche Anforderung wird u. a. bei Nichtleistung sowie bei erheblichen Mängeln der ausgeführten Bauleistung, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, nicht erfüllt.

Preis ungewöhnlich niedrig: Bieter muss „Seriosität“ des Angebots nachweisen

OLG Schleswig, Beschluss vom 19.07.2023 – 54 Verg 3/23

Kann der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Preisprüfung die geringe Höhe eines angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Die Verwendung des Verbs „dürfen“ ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers steht, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Auf die Aufforderung des Auftraggebers hin hat der Bieter Gelegenheit, den Nachweis der „Seriosität“ seines Angebots zu erbringen. Der Bieter muss konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegen, dass sein Angebot nicht seriös ist. Dazu muss er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern. Die Erläuterungen des Bieters müssen umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie gegebenenfalls durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Formelhafte, inhaltsleere bzw. abstrakte Erklärungen ohne Bezug zu den einzelnen Positionen, wie etwa allgemeine Hinweise auf innerbetriebliche Strukturen oder wirtschaftliche Parameter, reichen nicht aus, um die Seriosität des Angebots nachzuweisen. Ohne Ausübung eines Ermessens hat der Auftraggeber ein Angebot abzulehnen, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind.

Mündliche Kommunikation mit Bietern muss hinreichend dokumentiert werden

VK Sachsen, Beschluss vom 28.07.2023 – 1/SVK/011-23

Ein öffentlicher Auftraggeber ist verpflichtet, die mündliche Kommunikation mit Bietern, die Einfluss auf Inhalt und Bewertung der Angebote haben könnte, in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise zu dokumentieren. In sich widersprüchliche Angebote dürfen ohne vorherige Aufklärung des Angebotsinhalts weder bezuschlagt noch ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber hat vielmehr den betreffenden Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen. Lässt der Bieter die ihm gesetzte angemessene Frist zur Aufklärung ohne Antwort verstreichen oder legt er lediglich untaugliche Unterlagen vor, oder gibt er untaugliche Antworten, kann dieses Verhalten als Verweigerung der Mitwirkung an der Aufklärung gewertet werden, was für sich genommen bereits einen Ausschlussgrund darstellen kann.

Rüge „ins Blaue“ hinein: Nachprüfungsantrag unzulässig

VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 – 96 e 01.02/23-2023

Die Anforderungen an die Darlegung einer Vergaberechtsverletzung bzw. an die Rüge gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber dürfen nicht zu hoch angesetzt werden. Ein Mindestmaß an Substanziierung ist jedoch einzuhalten. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen (sog. Rüge ins Blaue hinein) reichen nicht aus. Die bloße Behauptung eines Mitbewerbers, der Bestbieter erfülle die Anforderungen der Ausschreibung nicht und sei daher auszuschließen, ohne Anhaltspunkte oder Indizien darzulegen, aus denen er diese Erkenntnis nimmt, erfüllt nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge.

Ausschreibungsfreie „Schwester-Schwester-Vergabe“ nur bei alleiniger Kontrolle

OLG Naumburg, Beschluss vom 03.06.2022 – 7 Verg 1/22

Die Ausschreibungsfreiheit eines Vertrags nach § 108 Abs. 3 Alt. 2 GWB (sog. Schwester-Schwester-Vergabe) ist davon abhängig, dass die beiden vertragsschließenden juristischen Personen von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrolliert werden. An einer solchen Identität des kontrollierenden öffentlichen Auftraggebers fehlt es, wenn zwar die zu betrauende Einrichtung von dem öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB kontrolliert wird, aber die beauftragende juristische Person von diesem öffentlichen Auftraggeber nur gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern i.S.v. § 108 Abs. 4 GWB kontrolliert wird.