Ax Rechtsanwälte

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Neuorganisation der Abfallentsorgung – wider einen leichtfertigen Abschied von der Leistungsfähigkeit der privaten Entsorgungswirtschaft

von Thomas Ax

Die Abfallentsorgung ist eine hoheitliche Aufgabe, zu deren Erfüllung die Stadt verpflichtet ist. Die Entsorgung von Abfällen umfasst das Einsammeln von Abfällen und die Beförderung zu den Abfallentsorgungsanlagen. Mit dieser Aufgabe ist ein Serviceangebot für die Bürgerinnen und Bürger verbunden, das sie in unterschiedlicher Ausprägung in Anspruch nehmen können. Dabei geht es z.B. um Erreichbarkeit des Entsorgungsdienstleisters, die Zuverlässigkeit beim Änderungsdienst (Austausch von Tonnen), die Organisation der Abfuhrtage, den Umgang mit nicht geleerten Abfallbehältern, die Sperrmüllsammlung oder die Erreichbarkeit des Wertstoffhofes. Das Ende eines langjährigen Entsorgungsvertrages zwischen Stadt und Entsorgungsdienstleister eröffnet die Möglichkeit, aber keinen Zwang, zur Neustrukturierung der Abfallentsorgung. Zur Wahrnehmung des Aufgabenfeldes der Abfallbeseitigung gemäß §§ 17 und 20 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (KrWG) kommen verschiedene Organisationsformen in Betracht. Hier sollte nicht vorschnell auf das privatwirtschaftliche Engagement und die dort vorhandene langjährige Erfahrung verzichtet werden und vorschnell auf die Rekommunalisierung, bspw. per AöR, umgeschwenkt werden.

I.

Handlungsalternativen
Für die Neuregelung der Abfallentsorgung stehen verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung.

1. Neuausschreibung und Vergabe an einen privaten Entsorger
2. Rekommunalisierung

1.
Neuausschreibung und Vergabe an einen privaten Entsorger
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eröffnet in § 22 die Möglichkeit, einen Dritten mit der Erfüllung der Pflichten im Rahmen der kommunalen Abfallentsorgung zu beauftragen. Mit Ablauf des Entsorgungsvertrages kann die Entsorgungsleistung erneut ausgeschrieben und vergeben werden. Die Ausschreibung hat auf Grund der zu erwartenden Auftragssumme europaweit zu erfolgen.  Der beauftragte Dritte wird in diesem Fall technischer Erfüllungsgehilfe der Stadt. Im Übrigen verbleibt bei der Drittbeauftragung die Abfallentsorgungspflicht bei der Stadt.  Aus dem bisherigen Entsorgungsvertrag ergeben sich jährliche Zahlungen an den Unternehmer. Die Zahlung an den Auftragnehmer stellt einen wesentlichen Kostenblock in der Gebührenkalkulation dar. Ziel muss es immer sein, die Kosten für die Entsorgungsleistung zu senken und nachhaltig zu stabilisieren. Jede Veränderung der Kosten fließt direkt in die Abfallbeseitigungsgebühren ein, so dass der Gebührenzahler unmittelbar an diesem Effekt teilhat. Die Abfallentsorgung ist eine sog. kostenrechnende Einrichtung nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes. Dabei gilt der Grundsatz, dass die zu entrichtenden Gebühren die Kosten der Einrichtung nicht übersteigen sollen. Ansatzfähige Kosten sind die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Kosten. Diese ansatzfähigen Kosten sind die bei einer Fremdvergabe der Entsorgungsleistungen an einen privaten Unternehmer vertraglich festgelegten Zahlungen an den Unternehmer. Die in Rechnung gestellten Beträge fließen in die Gebührenkalkulation ein und werden damit an den Gebührenzahler weiterberechnet und von ihm refinanziert. Die aktuellen Ausschreibungserfahrungswerte gehen dahin, dass eine Neuvergabe an einen Dritten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Senkung der Kosten führt und es damit auch zu einer Gebührensenkung kommt. Bereits vor der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens können hierzu verbindliche und verlässliche Aussagen getroffen werden. In einem Dienstleistungsvertrag mit einem Entsorgungsunternehmen sind die zu erbringenden Leistungen definiert. Hier ist genau zu klären, ob Änderungen des Leistungsangebotes tatsächlich zu einer Vertragsänderung und zu einer Änderung der Entgelte führen. Hier ist genau zu klären, ob eine flexible Anpassung nicht möglich ist und/oder ob logistische Gründe innerhalb des Unternehmens entgegenstehen. Die Einflussnahme der Stadt ist bei einem städtischen Unternehmen nicht unbedingt höher. Geänderte Anforderungen können nicht per se zeitnaher umgesetzt werden. Der Standard des Serviceangebotes kann selbst definiert werden, aber die Umsetzung dieses definierten Standards ist ebenfalls aufwändig. Für die Bürgerinnen und Bürger kann so oder so ein zentraler Ansprechpartner zur Verfügung stehen (und steht zur Verfügung), der sich rund um die Belange zum Thema der Abfallentsorgung kümmert.

2.
Rekommunalisierung
In den letzten Jahren ist ein Trend zur Rückkehr zur Eigenerfüllung zu verzeichnen. Und diese Entwicklung ist unabhängig von der Größe der Stadt und Gemeinde. Die Eigenerfüllung kann in verschiedenen öffentlich-rechtlichen Organisationsformen durchgeführt werden. Denkbar ist z.B. eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Diese beiden Formen unterscheiden sich im Wesentlichen darin, dass die eigenbetriebsähnliche Einrichtung zwar wirtschaftlich, aber nicht rechtlich selbstständig ist. Sie ist integrierter Bestandteil der Stadt. Die Anstalt des öffentlichen Rechts hingegen ist ein eigenständiges Rechtssubjekt neben der Stadt (Tochterunternehmen). Die Gewährsträgerschaft liegt bei der Stadt. Unabhängig von der Organisationsform im öffentlich-rechtlichen Bereich besteht bei der Eigenerfüllung für die Stadt keine Ausschreibungspflicht, es handelt sich um eine Inhouse-Vergabe. Auch die Aufgabenübertragung auf eine rechtlich selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts ist nicht ausschreibungspflichtig, da die AöR ein 100%iges Tochterunternehmen der Stadt ist. Die Stadt kann sich zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben für die Errichtung einer AöR entscheiden. Wesentliches Merkmal dieser Organisationsform ist, dass die AöR wirtschaftlich und rechtlich selbstständig ist. Sie ist eine selbstständige juristische Person des öffentlichen Rechts, die Träger von Rechten und Pflichten ist. Die Stadt kann der AöR einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende Aufgaben ganz oder teilweise übertragen. Die Stadt hat die sog. Gewährsträgerschaft inne, das bedeutet, dass die Stadt für die Verbindlichkeiten der Anstalt unbeschränkt haftet, soweit nicht die Befriedigung aus deren Vermögen zu erlangen ist. Die Rechtsverhältnisse der AöR werden durch eine Satzung geregelt. Die Organisationsstruktur der AöR gleicht der einer GmbH. Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung. Der Verwaltungsrat, vergleichbar dem Aufsichtsrat einer GmbH, hat vor allem die Überwachungsfunktion. Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden vom Rat gewählt. Den Vorsitz im Verwaltungsrat führt der Bürgermeister. Ratsmitglieder scheiden mit Ablauf der Wahlzeit des Rates kraft Gesetzes aus dem Verwaltungsrat aus. Mitglieder des Verwaltungsrates, die zwar vom Rat gewählt wurden, ihm aber nicht angehören, behalten ihr Mandat über den Ablauf der Wahlzeit des Rates hinaus. Im Rahmen der Rekommunalisierung ist eine weitere Alternative die interkommunale Zusammenarbeit. Das bedeutet, mehrere Städte und/oder Gemeinden schließen sich zusammen und erfüllen die Aufgabe der Abfallentsorgung gemeinsam. Der Zusammenschluss ist ggf. mit verschiedenen Synergieeffekten verbunden, z.B. Bündelung von Know-How im Bereich der Abfallwirtschaft, gemeinsame Logistik, Personalstamm und Fahrzeugbestand.

II.
Knackpunkte

1.
Eine AöR muss das bisherige Leistungsangebot des jetzigen Entsorgers berücksichtigen. Es darf für die Bürgerinnen und Bürger zu keiner Verschlechterung der Dienstleistungen rund um die Abfallentsorgung kommen.

2.
Dazu ist eine vergleichbare Infrastruktur zu dem, was der derzeitige Dienstleister bisher vorhält, aufzubauen. Im Einzelnen ist dies neben einem Betriebs- und Wertstoffhof ein adäquater Fahrzeugpark einschließlich des für die Durchführung der Entsorgungsleistungen erforderlichen Personals. Für den Betriebs- und Wertstoffhof liegt der Fokus auf verfügbaren (städtischen) Grundstücken. Diese stehen dann nicht mehr zur Verfügung. Gewinnbringende Veräußerung oder andere Aktivitäten sind dann nicht mehr möglich. Es sind an sich Ankaufsverhandlungen und Vorplanungen durchzuführen. Darüber hinaus muss die Fläche die gewerbliche Nutzung und die von ihr ausgehenden Immissionen zulassen. Auch das direkte Umfeld des Betriebs- und Wertstoffhofes ist dabei zu beachten. Weiterhin ist die Anbindung an bereits vorhandene Infrastruktur und Dienstleistungsbereiche sinnvoll, um Aufwand und Personalkosten zu reduzieren. Eine Umstrukturierung von bereits vorhandenen Funktionsflächen ist erforderlich. Bei einem bereits vorhandenen ggf bereits anderweitig genutzten Gelände fallen durch die Adaption der Entsorgungssparte (Fremd-) Verkehre durch Wertstoffanlieferer und Entsorgungsfahrzeuge auf dem Gelände an. Die ggf. Umnutzung der Flächen erfordert Umbauten und die Umstrukturierung der Flächen. Nötig sind z.B. Hallen für die Entsorgungsfahrzeuge, die Standflächen für die Wertstoffcontainer sowie ein Gebäude oder Container für die Unterbringung des Entsorgungsdisponenten sowie den Mitarbeiter des Wertstoffhofes, der die Annahme der Wertstoffe sowie die Waage überwacht. Die Mitarbeiter müssen adäquat untergebracht werden. Die Nutzung der Umkleiden und sonstigen Sozialräume durch Mitarbeiter müssen insbesondere aus arbeitsmedizinischer Sicht besonderen Anforderungen genügen. Hohe Bedeutung kommt dem sog. Schwarz-Weiß-Prinzip zu. Wesentlicher Aspekt dieses Prinzips ist die strikte Trennung von schmutziger Arbeitskleidung (=schwarz) zur sauberen Privatkleidung (=weiß). Diese Forderung ist zu erfüllen.

Fahrzeuge und Maschinen sind zu beschaffen:
– Entsorgungsfahrzeuge mit Kastenaufbau und Wechselschüttung
– Radlader zum Beladen und Verdichten der Wertstoffcontainer
– Abrollkipper für den Transport der Wertstoffcontainer
– Klein-LKW mit Hubbühne und seitlichen Ladebordwänden für den Tonnentransport
– Einsatzleiter / Disponenten
– Abrollcontainer mit bodentiefer Öffnung am Heck zu besseren Beladung
– Papierpresse
– Sperrmüllpresse

Neben der sächlichen Ausstattung wird zur Sicherstellung des Betriebs der Abfallentsorgung Personal benötigt. Erreichbarkeit der Servicemitarbeiter sowie schnelle Reaktionszeiten im Fall von Reklamationen und Abfuhrproblemen sind für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Darüber hinaus sind die Führung des Personal- und Rechnungswesens, das Controlling und die Wirtschaftsplanung wahrnehmen. Die Aufgabe der Abfallentsorgung kann nicht ausschließlich mit vorhandenem Personal erfüllt werden. Hierzu bedarf es der Einplanung von Stellen, die extern zu besetzen sind:

– Stadtreinigungsmeister
– Fahrer Müllsammelfahrzeug
– Mitarbeiter Betriebshof

Die neu einzustellenden Mitarbeiter für den Entsorgungsbereich sollten möglichst alle über die Qualifikation zum Fahren der Entsorgungsfahrzeuge verfügen, um die Einsatzzeiten zu verbessern und zusätzlich die Beanspruchung der Mitarbeiter zu verringern. Diese Mitarbeiter sollen am freien Arbeitsmarkt akquiriert werden. Trotz der Ausweisung der Stellen als Stellen im öffentlichen Dienst und der Bezahlung der Mitarbeiter nach dem TVöD ist nicht automatisch davon auszugehen, dass es eine Vielzahl von Bewerbern mit ausreichender Qualifikation geben wird. Ebenso wenig ist unbedingt zwingend, dass es auch Bewerbungen aus den Reihen der am Markt tätigen Entsorgungsunternehmen geben wird, Mitarbeiter werden auch dort nicht durchgehend über Zeitarbeitsfirmen rekrutiert, so dass hier nicht automatisch anzunehmen ist, dass diese nach einem Festanstellungsverhältnis suchen. Zur Absicherung von personellen Engpässen, z.B. durch Erkrankungen, müssen „Springer“ angeworben werden.

3.
Zur wirtschaftlichen Beurteilung einer möglichen Lösung in Form einer AöR ist die Kostenseite der „Vorbetriebsjahre / Einrichtungszeiträume“ sowie das erste Vollbetriebsjahr“ zu betrachten. Die möglichen Auswirkungen auf die Abfallgebühren in der Stadt sind darzustellen. Die getroffenen Annahmen sind dabei so zu wählen, dass eine Aufgabenerfüllung in diesem Rahmen realistisch erscheint. Hierzu müssen alle Ansätze mit marktgängigen Angeboten hinterlegt werden. Wird die Entsorgungsleistung durch die Stadt oder eine städtische Einrichtung oder Unternehmen erbracht, gehören zu den ansatzfähigen Kosten auch sog. kalkulatorische Kosten. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die kalkulatorische Verzinsung und Abschreibung, die sich von der handelsrechtlichen Bewertung in ihrer Höhe unterscheiden kann (aber nicht muss). Aus dieser Besonderheit, dem Unterschied zwischen der Gebührenkalkulation und der kaufmännischen Rechnungslegung, können unter Umständen – was aber genau zu klären ist – finanzielle Auswirkungen für den städtischen Haushalt generiert werden.

4.
Zu klären ist, ob es zu einer Reduzierung der Abfallbeseitigungsgebühren kommt, welche Konsolidierungsbeiträge erwirtschaftet werden können und was eine vielleicht verbesserte Einflussnahme und Selbstbestimmung bei der Erbringung des Leistungsspektrums in der Abfallbeseitigung der Stadt wert ist.

III.
Ein guter Kompromiss ist ggf die Gründung einer städtischen Gesellschaft unter Beteiligung eines privaten Entsorgers. Denkbar ist die Gründung einer neuen städtischen Gesellschaft – als Tochter einer Holdinggesellschaft oder als Enkelin -, die wiederum mit einem privaten Entsorgungsunternehmen eine Kooperation eingeht. Über die Verteilung der Anteilsverhältnisse in dieser GmbH kann der städtische Einfluss gesteuert werden.  Gut vorstellbar ist ein Modell, bei dem das beteiligte private Entsorgungsunternehmen Personal, Fuhrpark, Abfallbehältnisse und entsprechendes Know-how einbringt.  Je nach Ausgestaltung können von Seiten der Stadt Personaldienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Dann können mögliche Synergien im Konzern ausgeschöpft werden.