Ax Rechtsanwälte

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OLG Hamburg: Rügt der Auftraggeber nach der vorbehaltlosen Abnahme der Leistungen einen offensichtlichen Mangel (hier: Putzbeschädigungen durch Abfräsen), kann seine Kenntnis von diesem Mangel bei der Erklärung der vorbehaltlosen Abnahme vorausgesetzt werden

vorgestellt von Thomas Ax

Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn für Brandsanierungsarbeiten im Kellerbereich der Immobilie des Beklagten, der Beklagte macht widerklagend Schadensersatz und Kostenvorschussansprüche geltend. Im Zuge des Verfahrens hat der Beklagte mehrfach seine Anträge umgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 8. Januar 2021 den Beklagten zu einer Zahlung von 2.414,39 Euro nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat den Werklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 4.914,39 Euro für begründet erachtet. Eine Abnahme habe zwar unstreitig nicht stattgefunden, es könne dahinstehen, ob eine konkludente Abnahme durch rügelose Ingebrauchnahme des Beklagten zu bejahen sei, jedenfalls sei eine Abnahme entbehrlich, weil zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis bestehe. Die Klageforderung sei durch Aufrechnung des Beklagten mit einem Vorschussanspruch für Mangelbeseitigungsarbeiten in Höhe von 2.500,- Euro erloschen. Der Widerklageantrag des Beklagten sei dahin auszulegen, dass die Beklagte hinsichtlich der Klageforderung die Hilfsaufrechnung mit dem ihm seiner Ansicht nach zustehenden Vorschussanspruch erklärt habe und nur hinsichtlich des überschießenden Betrages eine Widerklage erhoben habe. Der Beklagte habe nur einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2.500 Euro für die Nachbearbeitung der Wandflächen, weil nur diese Kosten aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen festgestellt werden konnte. Die Werkleistung der Klägerin sei mängelbehaftet gewesen.

Weiteren aufrechenbaren Schadensersatz, insbesondere für die Ausbesserungen des Wandputzes und die Einschaltung eines Chemiesachverständigen stünden dem Beklagten nicht zu, weil bereits der ursprüngliche Auftrag solche Arbeit nicht umfasst habe. Es stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dergestalt getroffen hätten, dass die Klägerin eine totale, d. h. rückstandsfreie Reinigung der Flächen geschuldet habe. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, zu beweisen, dass die Klägerin zugesagt habe, dass alle Flächen vollständig gereinigt werden könnten. Schadensersatz für die Reparatur der Hohldeckensteine sei nicht geschuldet gewesen. Es könne nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass die Klägerin die Beschädigung an der Decke verursacht habe. Überdies sei das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens zu verneinen, weil die Ausbrüche an der Hohlwanddecke ein rein optisches Problem darstellten. Da der Beklagte vorgetragen habe, den gesamten Bereich zu Wohnraum umzubauen, stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass derartige Umbaumaßnahmen auch die Verkleidung der Decke umfasse. Der rein optische Schaden sei dann nicht mehr sichtbar.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 600 Euro monatlichen Mietausfallschaden für die Verzögerung des Umbaus der streitgegenständlichen Räume ab 1.7.2016 bis „vorerst“ 31.12.2017 nebst Zinsen zu zahlen und einen Kostenvorschuss für die Sanierung der streitbefangenen Räumlichkeiten in Höhe von 2.000 Euro zu zahlen sowie für die Sanierung der beschädigten Hohlsteindecke weitere 3.500 Euro.

Die Berufung hat er teilweise fristgerecht begründet und sich hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs berufen. Insbesondere habe das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen nicht hinreichend gewürdigt. Das Landgericht maße sich auch eine Beurteilung über bauliche Fragen an, indem es davon ausgehe, dass der Schaden an der Hohlwanddecke ein rein optischer sei. Dies sei falsch, durch die beschädigte Decke sei die Trittschallübertragung durch die Benutzung der darüber liegenden Wohnung erheblich größer als vorher. Außerdem sei es für die Aufbringung eines Deckenputzes erforderlich, die Hohlsteindecke fachgerecht zu sanieren. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass es nicht auszuschließen sei, dass die Decke schon Vorschäden gehabt habe, die von den Paneelen nur kaschiert worden sei. Auch hier fehle dem Landgericht der nötige Sachverstand. Daher sei die Forderung der Klägerin vollumfänglich zurückzuweisen und dem Kläger für die Sanierung der streitbefangenen Räumlichkeiten 2.000 Euro zu zahlen, sowie für die Sanierung der beschädigten Hohlsteindecke 3.500 Euro. Der Beklagte änderte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 seinen Antrag und beantragte sodann die Feststellung, dass ihm der jeweilige Mietausfallschaden zu ersetzen sei. Der Senat wies darauf hin, dass dieser geänderte Antrag hinsichtlich des Mietausfallschadens nicht hinreichend bestimmt sei.

Vor der ersten mündlichen Verhandlung änderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 11.11.2021 wiederum seine Anträge und beantragte nunmehr seine Verurteilung in Höhe von 4.914,39 Euro Zug um Zug gegen die fachgerechte Sanierung des Schwimmbads – und Saunabereiches des Hauses und im Übrigen die vorab angekündigten Hilfsanträge sowie die Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet sei, vom 1.7.2016 bis 31.10.2021 und zukünftig darüber hinaus ihm den entstandenen und entstehenden Mietausfallschaden von mindestens monatlich 600 Euro zuzüglich Zinsen zu ersetzen. Im Zuge der ersten mündlichen Verhandlung stellte der Beklagte nach Hinweis seine Anträge erneut um und beantragte die Abweisung der Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Kostenvorschusses von 2.000 Euro, sowie die übrigen Anträge.

Im Zuge dieser Verhandlung einigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin zur Beseitigung der Schäden eine Nachreinigung durchführt. Diese Nachreinigung erfolgte am 14. November und 25.11.2021. Der Beklagte nahm das Bauvorhaben mit Abnahmeprotokoll vom 25.11.2021 als mangelfrei ab.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 3. Januar 2022 behauptete der Beklagte demgegenüber weitere Schäden durch die Nachreinigung und begehrt dessen Beseitigung. Der Beklagte änderte in der letzten mündlichen Verhandlung seine Anträge wiederum und beantragte in der letzten mündlichen Verhandlung, das am 8.1.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hamburg zum Aktenzeichen 313 O 23/16 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen; hilfsweise, die Klage abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen die von ihr bei den Nachbesserungsarbeiten am 24. und 25.11.2021 verursachten Schäden am Wandputz der streitbefangenen Räumlichkeiten fachgerecht zu beseitigen,
die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten Schadensersatz hilfsweise einen Vorschuss in Höhe von 3.500 Euro zu zahlen für die notwendige Sanierung der von der Klägerin beschädigten Hohlsteindecke über dem Schwimmbad- und Saunabereich im Tiefparterre des Hauses … und festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der von der Klägerin unterlassene Nachbesserung der Brandschadenbeseitigung im JOS- Verfahren und damit verursachten jedweden Nichtbenutzbarkeit des Schwimmbad- und Saunabereich im Tiefparterre des Hauses … Hamburg auch für die Umbauarbeiten zu Wohnraum ab dem 1.7.2016 entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Die Klägerin beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil unter Vertiefung ihres Vortrags erster Instanz. Sie beruft sich auf die Verjährung eventueller Schadensersatzansprüche. Diese Verjährung werde insbesondere für Schäden an der Hohlwanddecke geltend gemacht. Im Laufe des Prozesses habe der Beklagte immer wieder die Anträge umgestellt und zum Schluss Ansprüche aus einer Beschädigung der Decke fallen gelassen. Ob die Annahme des Landgerichts, der Beklagte habe einen Kostenvorschuss geltend machen können, weil ein Abrechnungsverhältnis vorgelegen habe, falsch sei, könne dahinstehen. Das Werk der Klägerin sei zwischenzeitlich abgenommen worden. Eine erneute Forderung eines Kostenvorschusses sei nicht begründet. In der ersten Instanz sei dem Beklagten bereits ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro zugesprochen worden. Die Mangelbeseitigung sei nunmehr erfolgt. In Bezug auf die Hohlsteindecke sei der Beklagte nicht zu einem weiteren Kostenvorschuss berechtigt. Nach der Begründung des Beklagten handele es sich um eine Beschädigung des Eigentums des Beklagten, für die kein Kostenvorschuss gefordert werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits beider Instanzen wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf die Protokolle vom 16. 11. 2021 und 1.2.2022 verwiesen

Die Berufung ist teilweise unzulässig (siehe 1) und im Übrigen unbegründet (2),

1) Bezüglich des in der Berufungsverhandlung von dem Beklagten gestellten Hauptantrags auf Zurückweisung an die Zivilkammer ist die Berufung unzulässig. Eine zulässige Berufung setzt nach § 520 Abs. 3 ZPO voraus, dass der Berufungskläger die Berufung fristgerecht hinreichend begründet. Die Berufungsbegründung muss die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzungen und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung enthalten. Hieran fehlt es bei der Berufungsbegründung des Berufungsklägers. Bereits mit der Berufungsbegründung hätte der Beklagte den Antrag stellen und insoweit einen Verfahrensmangel aufzeigen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Erst in der letzten mündlichen Verhandlung am 1.2.2022 hat der Beklagte unter erneuter Umstellung seiner Anträge vorgetragen, das Landgericht habe rechtswidrig ein Abrechnungsverhältnis angenommen.
Voraussetzung einer Zurückverweisung gemäß § 538 ZPO wäre neben einem Antrag, dass das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel gelitten hat und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig geworden ist. Diese Voraussetzungen hat der Beklagte in seiner Berufungsbegründung nicht vorgetragen, sie können vorliegend auch nicht festgestellt werden. Soweit er sich nunmehr darauf beruft, das Landgericht sei unzutreffend und rechtswidrig davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis vorgelegen habe, kann dahinstehen, ob dies überhaupt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens darstellen könnte, da hierdurch jedenfalls keine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig geworden wäre, die eine Zurückverweisung hätte begründen können. Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme ist allein zu der Frage eines Mangels an der Hohlsteindecke durchgeführt worden, die mit der gerügten Verfahrensverletzung nicht im Zusammenhang steht.
Auch hinsichtlich des Feststellungsantrags, die Klägerin zu einer Zahlung für den Nutzungsausfallschaden des Beklagten, der ihm aus der unterlassenen bzw. schlechten Nachbesserung der Brandschadensbeseitigung entstanden sein soll, ist die Berufung unzulässig. Die Berufungsbegründung enthält auch zu dem Nutzungsausfallschaden keine Darlegung von Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzungen und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die unter dem 12.4.2021 eingereichte Berufungsbegründung erhält zu der Frage der geltend gemachten Nutzungsentschädigung oder eines Schadensersatzes für die Nichtnutzbarkeit keinen Vortrag. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, warum das Urteil hinsichtlich der versagten Nutzungsentschädigung fehlerhaft sein soll. Die insoweit unzulässige Berufung hätte aber auch keinen Erfolg, da der Beklagte bereits einen Schaden nicht dargetan hat. Jeder Schaden oder dessen Feststellung setzt einen ersatzfähigen Schaden voraus. An dessen Darlegung fehlt es, wie das Landgericht mit zutreffenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt hat. Ein Mietausfallschaden setzt zudem einen potentiellen Mieter voraus, den der Beklagte nicht einmal benannt hat.

2) Die im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Weder kann sich der Beklagte darauf berufen, die Reinigung sei mangelhaft und nachzubessern (dazu b), noch kann er Schadensersatz oder Vorschuss für die Sanierung der Hohlsteindecke über dem Schwimmbad- und Saunabereich im Tiefparterre verlangen (dazu c).
a. Die von der Klägerseite geltend gemachte Rechnung ist durch Nachbesserung und Abnahme vom 25.11.2021 in der von dem Landgericht zuerkannten Höhe von 4.914,39 Euro fällig geworden, § 641 BGB. Der Vorschussanspruch des Beklagten ist durch die Nachbesserung erloschen. Durch die Abnahme ist dokumentiert, dass der Beklagte die Nachbesserung als ordnungsgemäß und mangelfrei hingenommen hat. Die mangelfreie Abnahme ist unstreitig. Die trotz der Abnahme beantragte Abweisung der Klage greift daher nicht.

OLG Hamburg, Urteil vom 03.05.2022 – 4 U 13/21