Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

Pflichten des Tiefbauunternehmers... und ihre Grenzen - eine Rechtsprechungsübersicht

von Thomas Ax

A

Beschädigung Versorgungsleitungen

Tiefbauunternehmer muss sich selbst über Spartenverlauf informieren!

Ein Tiefbauunternehmer, der an öffentlichen Straßenbauarbeiten mit Baggern durchführt, muss sich über Lage und Verlauf unterirdisch verlegter, Versorgungsleitungen vergewissern. Wer Erdarbeiten an öffentlichen Straßen durchführt, muss sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnisse verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzen. In der Regel trifft den Unternehmer die Verpflichtung, sich selbst über den Verlauf von Sparten Kenntnis zu verschaffen.

OLG München, Urteil vom 30.01.2001 – 18 U 2172/00

 

Tiefbauarbeiten: Erkundigungspflicht über Versorgungsleitungen

Ein Unternehmer, der nach örtlichen Gegebenheiten mit unterirdisch verlegten Versorgungsleitungen zu rechnen hat, muss eine schriftliche Anfrage unter Übersendung entsprechender Pläne mit beabsichtigten Bohrpunkten an die Versorgungsträger richten.

OLG Bamberg, Urteil vom 13.03.2002 – 8 U 67/01

 

Sorgfaltsanforderungen bei Versorgungsleitungen

Auch wenn ein Energieversorgungsunternehmen einem Tiefbauunternehmen eine Schachtgenehmigung erteilt hat, ist dieses bei Unklarheiten zwischen dem angezeigten Schachtverlauf und der Schachtgenehmigung wegen seiner gesteigerten Sorgfaltspflichten gehalten, vor Beginn der Grabungsarbeiten ergänzende Überprüfungen anzustellen.

OLG Naumburg, Urteil vom 05.02.2004 – 4 U 155/03

 

Hohe Erkundigungs- und Sicherungspflichten für Tiefbauunternehmen

Ein Tiefbauunternehmer muss bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen einer Stadt in gleichem Maße mit der Existenz von Telekommunikationsleitungen privater Anbieter rechnen, wie mit dem Vorhandensein von Strom-, Gas- oder Wasserleitungen der Versorgungsunternehmen oder mit Telefonleitungen. Er muss sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnisse verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2004 – 15 U 29/04

 

Erdarbeiten auf Privatgrundstück: Tiefbauer muss sich über Leitungsverlauf erkundigen

Die Betreiberin eines im Erdreich verlegten Telekommunikations-Kabel ist grundsätzlich auch als Eigentümerin dieses Kabels anzusehen, da derartige Leitungen nur Scheinbestandteile des Grundstücks sind (§§ 95, 1006 BGB i.V.m. § 76 TKG). Zu den Pflichten eines Tiefbauunternehmers – der an oder auf öffentlichen Straßen Bauarbeiten durchführt – gehört es, sich über Lage und Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen von sich aus zu vergewissern, bevor er mit seinen Arbeiten beginnt. Die gleichen Erkundigungs- und Sicherungspflichten besteht aber auch bei Tiefbauarbeiten auf einem Privatgrundstück, wenn Anhaltspunkte für die Möglichkeit vorliegen, dass dort auch unterirdisch verlegte Versorgungsleitungen vorhanden sind (§§ 249, 254, 823, 831 BGB in Verbindung mit § 287 ZPO). Zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten und deren Höhe (§§ 249, 250, 254, 280, 286, 288 BGB i.V.m. § 10 RDG und § 4 RDGEG sowie Art. 3 Abs. 1 lit. e Satz 2 der Zahlungsverzugsrichtlinie und § 19 RVG).

AG Brandenburg, Urteil vom 20.12.2019 – 31 C 193/18

 

Haftung für Tiefbauarbeiten auf Privatgrundstücken

Ein Tiefbauunternehmen hat bei Arbeiten auf einem Privatgrundstück nur dann erhöhte Erkundigungs- und Informationspflichten, wenn aufgrund der örtlichen Gegebenheiten besondere Anhaltspunkte für ein Vorhandensein von Versorgungsleitungen bestehen.

OLG Hamm, Urteil vom 14.11.2006 – 21 U 43/06

 

Tiefbauunternehmer muss aktuellen Lageplan anfordern

Der Tiefbauunternehmer hat zur Meidung der Beschädigung unterirdischer Leitungen verlässliche Auskünfte, im Zweifel einen aktuellen und vollständigen Lageplan anzufordern.

LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 14.04.2015 – 4 O 20/14

 

Pflicht zur Leitungserkundigung übernommen: Auftragnehmer muss bei Versorgungsträgern nachfragen

Verpflichtet sich der Auftragnehmer dazu, „zur Vermeidung von Schäden an Versorgungsleitungen das Vorhandensein und die Lage dieser Leitungen vor Aufnahme seiner Arbeiten eigenverantwortlich durch geeignete Maßnahmen festzustellen“ und beschädigt er während der Ausführung eine Gashochdruckleitung, kann er sich zu seiner Entlastung nicht darauf berufen, dass ihm der Auftraggeber unvollständige Pläne übergeben hat.

OLG Rostock, Urteil vom 28.08.2018 – 4 U 105/15

 

Tiefbauunternehmer darf sich nicht auf Angaben des Auftraggebers verlassen

Ein Tiefbauunternehmen, das im Bereich von öffentlichen Straßen und Wegen Bohrungen und Grabungen vornimmt, muss sich vor Beginn seiner Arbeiten zuverlässig erkundigen, ob bzw. wo dort Versorgungsleitungen verlegt sind. Das gilt auch dann, wenn das Tiefbauunternehmen lediglich als Nachunternehmer einer größeren Firma tätig wird. Wird ein Lichtwellenleiterkabel bei Tiefbauarbeiten beschädigt, hat der Schädiger dem Eigentümer die Kosten für den Austausch der gesamten Kabellänge zwischen den beiden der Schadenstelle benachbarten, konstruktiv bedingten Bestandsmuffen (sog. „Regellängenaustausch“) zu ersetzen.

OLG Köln, Urteil vom 27.12.2017 – 16 U 56/17

 

Tiefbauarbeiten: Unternehmer darf Angaben des AG nicht vertrauen

Ein Tiefbauunternehmen muss bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen in einer Stadt – insbesondere im Bereich von Kreuzungen innerstädtischer Straßen – mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen rechnen, äußerste Sorgfalt bei Schachtungen walten lassen und sich den erforderlichen Grad von Gewissheit über den Verlauf der Leitungen dort verschaffen, wo die entsprechenden zuverlässigen Unterlagen vorhanden sind. Das Unternehmen darf sich nicht auf die – mehr oder weniger zuverlässigen – Angaben des Auftraggebers verlassen, sondern ist verpflichtet, sich die erforderlichen Informationen bei dem ihm bekannten Versorgungsunternehmen (hier: für Telekommunikationsleitungen) zu verschaffen. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der ohne vorherige Suchschachtung vorgenommenen Bohrung nach einer zeichnerischen Darstellung des Leitungsverlaufs ist unbegründet, wenn diese Darstellung keinen genauen Rückschluss auf die Lage der einzelnen Kabelschutzrohre zulässt oder wenn aus den Plänen ersichtlich ist, dass sich in unmittelbarer Nähe der Bohrstelle ein Kabelschacht befindet, von dem mehrere Kabelschutzrohre in geringem Abstand voneinander ausgehen.

OLG Naumburg, Urteil vom 31.01.2013 – 2 U 40/12

 

Ausführung von Erdarbeiten: Welche Prüfungspflichten hat der Tiefbauunternehmer?

Ein Tiefbauunternehmer muss sich vor Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen erkundigen. Diese Sorgfaltspflichten treffen sowohl den Unternehmer, der die Tiefbauarbeiten ausführt, als auch denjenigen, der die Arbeiten durch Beauftragung eines (Nach-)Unternehmers veranlasst. Überträgt der ausführende Unternehmer die Prüfungspflichten im Bauvertrag an seinen Auftraggeber, verbleiben ihm dennoch Auswahl-, Kontroll- und Überwachungspflichten, aufgrund derer er seinerseits kontrollieren muss, ob sein Auftraggeber sich hinreichende Gewissheit von der Lage eventueller Leitungen verschafft hat. Auch der nicht unmittelbar auf der Baustelle tätigen Planer kann der deliktischen Haftung gegenüber dem Versorgungsunternehmen unterworfen sein, wenn er mit dem Aufsuchen problematischer, unterirdischer Leitungsverläufe beauftragt ist und dem Unternehmer, der ihn hiermit beauftragt hat, unzureichende und irreführende Angaben über im Boden verlegte Leitungen macht.

OLG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 16 U 135/13

 

Tiefbauer darf auf Leitungsplan vertrauen

Ein Tiefbauunternehmen hat sich Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden zu verschaffen. Gegenüber den zuständigen Versorgungsunternehmen besteht insofern eine Erkundigungspflicht. Übergibt das zuständigen Versorgungsunternehmen dem Tiefbauer einen Bestandsplan, darf dieser darauf vertrauen, dass über die in dem Bestandsplan eingezeichneten Leitungen hinaus keine weiteren Leitungen vorhanden sind. Ein Tiefbauunternehmern ist nicht dazu verpflichtet, weitere Erkundigungen daraufhin einzuholen, ob in dem Bestandsplan (überhaupt) nicht eingetragene Leitungen vorhanden sind.

OLG Brandenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 4 U 24/16

 

Tiefbauer haftet auch für schadensbedingte Verschlechterung des Qualitätselements

Ein Tiefbauunternehmer hat vor Beginn der Arbeiten ausreichende Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um eine Beschädigung der Kabel zu vermeiden. Anderenfalls verletzt er seine Verkehrssicherungspflichten und haftet bei der Beschädigung eines Kabels auf Schadensersatz. Zu dem ersatzfähigen entgangenen Gewinn fällt auch die Einbuße aus der schadensbedingten Verschlechterung des Qualitätselements (BGH, VersR 1985, 1147).

LG Essen, Urteil vom 11.03.2020 – 44 O 22/19

 

Bei Baggerarbeiten ist auf Abwasserleitungen zu achten

Bei Arbeiten mit schwerem Gerät muss sichergestellt werden, dass es nicht zu Beschädigungen am Eigentum Dritter kommt. Bestehen besondere Anhaltspunkte dafür, dass von durchzuführenden Erdarbeiten Kabeln und Leitungen betroffen sein können, muss der Unternehmer Vorkehrungen treffen, um eventuelle Schäden an diesen zu vermeiden. Kann ein Schaden infolge mehrerer Handlungen desselben Schädigers entstanden sein, ist für die Pflicht zum Schadensersatz irrelevant, aus welcher Handlung genau der Schaden resultiert.

OLG Celle, Urteil vom 05.12.2012 – 7 U 59/12

 

Fehlerhafte Kabelerkundung von Dritten: Haftet der Bauunternehmer?

Ein Unternehmen, das mit der Kabelerkundung vor Tiefbauarbeiten beauftragt wurde, haftet dafür, dass die Ortung fehlerfrei ist. Besteht die Gefahr, dass diese durch Störungen im Boden verfälscht ist, muss das Unternehmen darauf hinweisen. Beschädigt ein Bauunternehmen bei Bohrarbeiten in Folge einer solchen fehlerhaften Ortung eine unerkannte Kabeltrasse, muss allein die Erkundungsfirma für die daraus entstehenden Schäden aufkommen.

OLG Bremen, Urteil vom 01.06.2006 – 2 U 104/05

 

Kabel beim Tiefbau zerrissen: Umfang der Ersatzpflicht

Ein Tiefbauunternehmen hat sich vor Erdarbeiten im Bereich öffentlicher Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Eine Suchschachtung bis zu einer Tiefe von 2 m ist unzureichend, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Leitungen in größerer Tiefe verlegt sind, was etwa bei im sog. HDD-Verfahren verlegten Glasfaserkabeln technisch ohne weiteres möglich ist. Wird ein im Erdreich verlegtes Lichtwellenleiterkabel bei Bauarbeiten zerrissen, kann der geschädigte Eigentümer den Austausch im Umfang einer sog. Regellänge (Kabellänge zwischen den beiden konstruktiv bedingten Muffen, die der beschädigten Stelle benachbart sind) trotz einer mit der Reparatur einhergehenden zusätzlichen Signaldämpfung des Kabels gem. § 249 Abs. 2 BGB dann nicht verlangen, wenn ein wirtschaftlicher Nachteil bei der Nutzung des Kabels nicht eintritt. In dem Fall rechtfertigt auch die Tatsache, dass mit jeder künftigen Kabeldurchtrennung und Reparatur im betroffenen Bereich eine weitere Signaldämpfung einhergeht, nicht die Annahme einer ersatzpflichtigen Wertminderung bereits durch den ersten Schadensfall. Vielmehr kann dem Risiko des geschädigten Eigentümers prozessual durch einen Feststellungsantrag Rechnung getragen werden.

OLG Hamm, Urteil vom 20.06.2013 – 6 U 64/12

 

Kabelschaden bei Tiefbauarbeiten: Technischer Minderwert?

Die Kabelschutzanweisung ist Ausdruck dessen, was dem Tiefbauunternehmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht obliegt. Ein Tiefbauunternehmen muss durch geeignete Maßnahmen ermitteln, ob die Auskünfte eines Dritten auf hinreichend sicheren Informationen beruhen, sofern es sich bezüglich der Lage von Versorgungsleitungen auf diese Auskünfte verlassen will. Für die Feststellung des Minderwertes eines beschädigten kv-Kabels kann das Rahmenregulierungsabkommen der VDEW mit dem HUK-Verband als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO herangezogen werden.

OLG Bremen, Urteil vom 18.09.2003 – 2 U 78/02

 

B

Behinderung, Bedenken

 

Auftragnehmer muss Probleme aufzeigen

Ein Auftragnehmer kann gehalten sein, Bedenken gegen Arbeiten eines Nachfolgeunternehmers anzumelden, wenn er erkennt, dass diese seine vorangegangenen Leistungen beeinträchtigen können. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, in seine Bedenkenanmeldung einen Lösungsvorschlag aufzunehmen. Der bauüberwachende Architekt muss bei einfachen, gängigen Arbeiten nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein. Er muss aber zu Beginn der Arbeiten eine Einweisung, im Verlauf der Arbeiten gegebenenfalls Stichproben und eine Endkontrolle durchführen. Eine Bedenkenanmeldung an den bauleitenden Architekten kann ausreichend sein, wenn ein Mangel der Vorunternehmerleistung vorliegt und der Architekt sich den Bedenken nicht verschließt. Der Architekt verschließt sich den Bedenken u. a. dann nicht, wenn er eine plausible Erklärung dafür abgibt, warum die Bauleistung trotz entgegenstehender Bedenken fortgesetzt werden soll. Eine Garantie kann dahingehend ausgelegt werden, dass der Auftragnehmer nicht für Umstände einstehen soll, die aus dem Risikobereich des Auftraggebers stammen.

OLG Koblenz, Urteil vom 08.10.2020 – 6 U 1945/19

 

Wie zeigt man „richtig“ Behinderung an?

Anforderungen an die schlüssige Darlegung und Substantiierung von Tatsachen für einen Anspruch des Werkunternehmers auf Mehrkosten wegen Bauzeitverzögerung. Anforderungen an und Entbehrlichkeit von Behinderungsanzeigen gem. § 6 Abs. 1 VOB/B.

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 – 2 U 81/19

 

C

Hinweispflichten

 

Tiefbauunternehmer muss auf zu geringes Gefälle hinweisen

OLG Schleswig, Beschluss vom 09.11.2017 – 7 W 40/17

Ein mit der Herstellung eines Abwasseranschlusses beauftragter Tiefbauunternehmer muss prüfen, ob die zur Verfügung stehenden Höhendifferenzen nach den einschlägigen DIN-Normen für die fachgerechte Verlegung der Schmutzwasserleitungen und Schächte ausreichen, um die vorgeschriebene Mindestfließgeschwindigkeit einzuhalten. Der Auftraggeber kann erwarten, dass die Leistung üblichen Standards entspricht. Der Unternehmer, der hiervon abweichen will, muss deutlich hierauf hinweisen und den Besteller über die damit verbundenen Folgen unmissverständlich aufklären.

 

Erdbauunternehmer muss auf widersprüchliche Höhenangaben hinweisen

Soll die Kelleroberkante nach einer Bauzeichnung ebenerdig abschließen und führt die Vorgabe des sog. Nullpunkts dazu, dass der Keller deutlich (hier: rund 80 cm) über die Geländeoberfläche hinausragen würde, muss der Erdbauunternehmer den Auftraggeber hierauf vor Beginn der Tiefbauarbeiten hinweisen. Unterlässt er diesen Hinweis, haftet er dem Auftraggeber auf Schadensersatz. Den Auftraggeber trifft an der Entstehung des Schadens ein erhebliches Mitverschulden, wenn offensichtlich ist, dass das Bauwerk in der vorhandenen Form gegen die Baugenehmigung verstößt und er gleichwohl weiterbauen lässt.

OLG Schleswig, Urteil vom 10.08.2017 – 7 U 120/15


Auftraggeber fachkundig: Prüf- und Hinweispflichten begrenzt?

Nach dem Baubeginn trifft in erster Linie den Auftragnehmer die Verkehrssicherungspflicht, auf der Baustelle für Sicherheit zu sorgen und auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Dazu gehört der Schutz seiner Arbeiten gegen Niederschlagwasser, mit denen normalerweise gerechnet werden muss. Die Verkehrssicherungspflicht des Auftragnehmers endet auch bei Fortbestehen der von ihm geschaffenen Gefahrenquelle jedoch dann, wenn die Verpflichtung von einem anderen tatsächlich und ausdrücklich übernommen wird. Es existiert kein genereller Grundsatz dahingehend, dass die Prüfpflichten des Auftragnehmers bei fachkundigen Auftraggebern herabgesetzt sind. Hinweise sind aber dort nicht geboten, wo der Auftragnehmer darauf vertrauen kann, dass der Auftraggeber „selbst mitdenkt“ und ihn deshalb von der sonst üblichen Sorgfalt befreit.

LG Bonn, Urteil vom 11.01.2017 – 1 O 116/15

 

D

Baugrunduntersuchung

 

Werklohnanspruch für Stützwanderrichtung

Der Unternehmer hat ein vom Auftraggeber zur Verfügung gestelltes Baugrundgutachten dahin zu prüfen, ob es vollständig und für die Verwirklichung des geschuldeten Leistungserfolgs geeignet ist. Er muss dabei nicht alle Details prüfen. Handelt es sich beim Auftragnehmer um eine „Spezialfirma“, bestehen gesteigerte Anforderungen an die Prüfpflicht etwa dahingehend, ob die Grundlagen des Gutachtens fachlich richtig angenommen wurden. Die Erbringung einer Bauleistung ist nicht unmöglich im Sinne des § 306 BGB a.F., wenn das geschuldete Werk zwar nicht mit dem vereinbarten Verfahren, aber mit einem anderen Bauverfahren hergestellt werden kann. Bei der Beurteilung, ob die Mängelbeseitigung unmöglich ist, ist auf das konkret vereinbarte Bauverfahren im Zeitpunkt der Kündigung abzustellen.

Müsste der Auftragnehmer im Rahmen von § 4 Nr. 7 VOB/B das Werk komplett neu herstellen und ist diese Mängelbeseitigung unmöglich, hat er nach einer Kündigung des Bauvertrags durch den Bauherrn keinen Anspruch auf Vergütung. Lässt der Bauherr das vereinbarte Werk ersatzweise von einem Drittunternehmer nach einem anderen Bauverfahren herstellen, sind die Kosten hierfür Sowieso-Kosten.

OLG Jena, Urteil vom 30.04.2002 – 3 U 1144/01

 

Auftragnehmer trägt im Rahmen der Mängelhaftung die höhere Verantwortung

Der öffentliche Auftraggeber ist dazu verpflichtet, den Untergrund hinreichend zu untersuchen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, liegt zugleich ein Planungsfehler vor. Führt der Auftragnehmer die Leistung fehlerhaft aus, können Mängel der Planung ein Mitverschulden des Auftraggebers begründen. Dabei muss er sich die Fehler seiner Architekten und Sonderfachleute zurechnen lassen. In der Regel trägt der Auftragnehmer im Rahmen der Mängelhaftung die höhere Verantwortung, weil er mit der gebotenen Prüfung die Mängel hätte verhindern können und damit die eigentliche Ursache für die weiteren Schäden setzt. Eine höhere Verantwortlichkeit des Auftraggebers kann jedoch dann geboten sein, wenn die Ausschreibung von einem Fachingenieurbüro erstellt wurde und der Auftragnehmer nicht über entsprechende weitgehende Fachkenntnisse für das in Betracht kommende Werk verfügt.

OLG Köln, Urteil vom 28.11.2019 – 7 U 166/18


Keine Angaben zu Kontaminationen: Boden schadstofffrei

Der öffentliche Auftraggeber hat in der Leistungsbeschreibung eine Schadstoffbelastung auszuhebenden und zu entfernenden Bodens nach den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben. Sind erforderliche Angaben zu Bodenkontaminationen nicht vorhanden, kann der Bieter daraus den Schluss ziehen, dass ein schadstofffreier Boden auszuheben und zu entfernen ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, IBR 2012, 65 = BGHZ 192, 172).

BGH, Urteil vom 21.03.2013 – VII ZR 122/11

 

Bodenkontamination klar erkennbar: Kein ausdrücklicher Hinweis erforderlich

Die ausdrückliche Angabe einer Bodenkontamination in den Vergabeunterlagen ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich aus den gesamten Vertragsumständen klar ergibt, dass eine derartige Belastung vorliegt. Ein 58 Seiten umfassender geotechnischer Bericht kann nicht dadurch wirksam in die Vergabeunterlagen einbezogen werden, dass in der allgemeinen Baubeschreibung ein Hinweis auf ihn und darauf erfolgt, dass Bieter die Möglichkeit einer Einsichtnahme erhalten. Ein Bieter darf bei einem erkennbar lückenhaften Leistungsverzeichnis nicht einfach von einer ihm günstigen Preisermittlungsgrundlage ausgehen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebots zu klären versuchen.

OLG Naumburg, Urteil vom 27.06.2019 – 2 U 11/18

 

E

Baugrund und Nachträge

 

Kein ausdrücklicher Hinweis auf Kontamination: Zusatzvergütung?

Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, ihm mögliche und zumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Ein Unterlassen solcher Angaben kann die Auslegung des Vertrages dahin rechtfertigen, eine Bodenkontamination liege nicht vor. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens ist nicht notwendig, wenn diese sich aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist (hier: Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht).

BGH, Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 67/11

 

Kein Nachtrag, wenn Baugrunderschwernisse vorhersehbar waren

Treten bei der Bauausführung infolge der Beschaffenheit des Baugrundes und der Wasserhaltungsverhältnisse Erschwernisse auf, kann eine gesonderte Vergütung für zusätzliche Leistungen ausnahmsweise nur dann gefordert werden, wenn die Erschwernisse für den Auftragnehmer unvorhersehbar gewesen waren.

OLG Jena, Urteil vom 19.12.2001 – 7 U 614/98

 

F

Haftung

 

Gefährdungshaftung bei Tiefbauarbeiten

Die Gefahrträchtigkeit von Tiefbauarbeiten erfordert es, dass in einem Abstand von weniger als 5 m zu verlegten Kabeln ständig ein Mitarbeiter des bauausführenden Unternehmens zur Einweisung des Maschinenbedieners anwesend ist. Ab einem Abstand von 40 cm zur Kabellage sind weitere Sicherheitsmaßnahmen, z. B. eine Suchschachtung, angezeigt. Vorstehende Grundsätze gelten auch dann, wenn das Tiefbauunternehmen laut vorliegendem Schachtschein von einer völlig anderen Kabellage ausgegangen ist.

OLG Dresden, Urteil vom 25.11.2015 – 1 U 880/15

 

Nachbarschäden durch Kanalbauarbeiten: Wer haftet

Kommt es aufgrund fehlerhaft ausgeführter Kanalbauarbeiten zu Gebäudeschäden, so steht dem betreffenden Hauseigentümer ein Anspruch auf Entschädigung gegen die auftragsvergebende Verbandsgemeinde und auf Schadensersatz gegen die ausführende Baufirma zu.

OLG Koblenz, Urteil vom 01.04.2011 – 1 U 379/06

 

Haftung für Beschädigung von Trinkwasserleitungen

Der Unternehmer von Tiefbauarbeiten hat sich an öffentlichen Straßenflächen gegebenenfalls unter Nutzung von Schutzanweisungen des Versorgungsunternehmens von der Existenz und dem Verlauf von Versorgungsleitungen sorgfältig zu vergewissern, in der Regel durch Rückfrage bei einer informierten Stelle, insbesondere dem zuständigen Versorgungsunternehmen, unter Umständen auch bei dem zuständigen Straßenbaulastträger. Bei verbleibenden Unklarheiten hat er sich auf andere Weise Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, in dem er ausheben will. Das gilt auch bei Beauftragung eines Subunternehmers. Nach Baubeginn trifft den Unternehmer die Verkehrssicherungspflicht. Dieser Pflicht kann sich der Generalunternehmer durch Beauftragung eines Subunternehmers selbst dann, wenn er die Verkehrssicherungspflicht auf den Subunternehmer überträgt, nicht gänzlich entziehen. Selbst bei Übertragung der im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht notwendigen Maßnahmen auf einen Dritten, trifft den an sich Pflichtigen eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Aufsichtspflicht. Alle für einen Schaden Verantwortliche haften grundsätzlich gleichstufig und sind Gesamtschuldner. Die originär verpflichtete Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftet im Verhältnis zu ihrem Gesellschafter wie ein Gesamtschuldner. Stellt der Auftraggeber fehlerhafte Bestandspläne einschließlich der Hinweise zur Aufgrabegenehmigung zur Verfügung, ohne zugleich unmissverständlich auf deren Ungenauigkeit hinzuweisen und die genaue Lage seiner Trinkwasserleitung durch eine rechtzeitige Ortung vor Baubeginn zu ermitteln, so trifft ihn ein Mitverschulden.

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.07.2010 – 13 U 21/08

 

Straßenbauarbeiten: Gemeinde haftet für Gebäudeschäden

Kommt es bei durch eine Gemeinde beauftragten Straßenbauarbeiten infolge des Einsatzes von Baumaschinen zu Rissen in einem Wohngebäude, so kann der Grundstückseigentümer einen angemessenen Ausgleich in Geld nach der Vorschrift über die Zuführung unwägbarer Stoffe verlangen.

OLG Brandenburg, Urteil vom 19.02.2010 – 5 U 200/08

 

Tiefbauarbeiten: Haftung für Schäden

  • 830 BGB dient der Überwindung von Beweisschwierigkeiten des Geschädigten bezüglich der haftungsbegründenden Kausalität. Allein aus dem Vorhandensein von Schäden kann eine Sorgfaltspflichtverletzung ausführender Unternehmen bei der Durchführung von Leistungen nicht gefolgert werden. Der Rechtsgedanke der §§ 904, 906 BGB ist nicht nur auf den Eigentümer des Nachbargrundstückes, sondern auch auf denjenigen, der die Nutzungsart des beeinträchtigten Grundstückes bestimmt, übertragbar. Rissbildungen an Gebäuden in unmittelbarem Zusammenhang zur Durchführung von Tiefbauarbeiten können für einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch ausreichen. Bei der Bemessung eines derartigen Schadenersatzanspruches sind die Grundsätze der Vorteilsausgleichung zu beachten.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2010 – 19 U 13/09

 

In die Kanalisation gelangter Beton

Die Sorgfaltspflicht, bei Bauarbeiten die städtische Kanalisation vor dem Einlauf von Beton zu schützen, trifft auch den ausführenden Bauunternehmer.

OLG Hamm, Urteil vom 30.07.2002 – 24 U 200/01

 

Haftung beim Einsatz einer Erdrakete

Bei der Vorführung einer so genannten Erdrakete auf der Baustelle eines Tiefbauunternehmers haben sich sowohl das die Erdrakete vorführende Unternehmen als auch der Tiefbauunternehmer darüber zu vergewissern, dass sich im Einsatzbereich der Erdrakete keine Versorgungsleitungen befinden, die bei der Vorführung beschädigt werden können.

OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2002 – 21 U 100/01

 

Haftung des Bauunternehmers für Vertiefungsschäden beim Nachbarn

Grundsätzlich trifft jeden der an einer Grundstücksvertiefung mitwirkenden Beteiligten eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht mit der Folge, dass er bei einer Verletzung dieser Pflicht auf Schadensersatz haftet. Zur Frage der Anforderungen an eine solche Sorgfaltspflicht bei Arbeiten an einem Hanggrundstück und zum Ausschluss der Haftung, wenn sich ein Bauunternehmer auf den Gründungsvorschlag des vom Bauherrn bestellten Sachverständigen verlässt.

OLG München, Urteil vom 13.08.2003 – 21 U 5348/02

 

Haftungsausschluss für Beschädigungen von Fremdleitungen

Der vom Auftraggeber mit dem von ihm beauftragten Tiefbauunternehmer vereinbarte Haftungsausschluss für Beschädigungen von Fremdleitungen kann sich auf den mit der Einweisung des Tiefbauunternehmers beauftragten Bauleiter erstrecken.

BGH, Urteil vom 17.12.2009 – VII ZR 172/08

 

Beseitigung von Grundankern als Erfüllungsschaden?

Bei den Kosten für die Beseitigung von Grundankern einer Baugrubenwand, die im Nachbargrundstück im Bereich einer geplanten unterirdischen S-Bahn-Trasse gesetzt wurden, handelt es sich um einen von der Betriebshaftpflichtversicherung des Tiefbauunternehmers nicht umfassten Erfüllungsschaden und nicht um einen Mangelfolgeschaden, wenn nach dem Inhalt des Tiefbauvertrages das Einbringen der Anker gestattet war und lediglich keine Anker im Trassenbereich verbleiben durften, tatsächlich dort jedoch Anker verblieben, zum Teil weil sie in einem falschen Winkel eingebracht wurden, zum Teil wegen Nichtfunktionierens der Sprengvorrichtungen der planmäßig im Bereich der Trasse eingebrachten Anker. Die Beseitigung der Anker stellt dann die Beseitigung des Sachschadens an den Teilen des Nachbargrundstücks dar, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung durch das Tiefbauunternehmen gewesen sind, so dass auch der Risikoausschluss der Bearbeitungsschäden greift.

KG, Urteil vom 19.08.2008 – 6 U 67/07

 

Muss der Schädiger auch für ein nutzloses Gutachten zahlen?

Beschädigt eine Baufirma bei Tiefbauarbeiten ein Kabel, kann der Kabelbetreiber im Einzelfall statt einer aufwändigen Suche nach der Schadensursache und Reparatur auch ein neues Kabel verlegen und von der Baufirma die Kosten hierfür ersetzt verlangen. Selbst wenn ein vom Geschädigten in Auftrag gegebenes Gutachten zur Erforschung der Schadensursache kein unmittelbares Ergebnis bringt, muss der Schädiger unter Umständen hierfür die Kosten tragen. Ein Bauunternehmen muss dem Auftraggeber auch dann den Schaden aus der Beschädigung eines Fernmeldekabels ersetzen, wenn der Kabelbetreiber selbst den Schaden behoben hat, ohne der Baufirma vorher eine Nachfrist für eine Mängelbeseitigung gesetzt zu haben.

OLG Bamberg, Urteil vom 25.04.2008 – 6 U 66/07


Schäden am Nachbargrundstück: Wie wird Ersatzleistung berechnet?

Übersteigen die Wiederherstellungskosten eines durch Tiefbauarbeiten im benachbarten Straßengrundstück beschädigten Gebäudes den Verkehrswert des Hausgrundstücks um mehr als 50 %, sind nicht die Wiederherstellungskosten für die Bemessung der Ersatzleistung maßgebend, sondern der Verkehrswert des Hausgrundstücks unmittelbar vor den Schadensereignis. Die mangelhafte Standfestigkeit des beschädigten Gebäudes kann die Anrechnung eines Mitverursachungsanteils von 50 % rechtfertigen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2005 – 1 U 257/04

 

Verloren gegangenes Bohrwerkzeug: Wer muss es ersetzen?

Aus der DIN 18301 ergibt sich nicht, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber ein abgebrochenes und im Bohrloch verbliebenes Bohrwerkzeug ersetzt verlangen kann. Ein Bohrwerkzeug ist begrifflich von einem Bohrrohr, das zu ersetzen wäre, zu unterscheiden. Der Auftraggeber schuldet grundsätzlich keinen Ersatz für verloren gegangenes Arbeitsgerät.

LG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2003 – 2 O 247/03

 

G

Abrechnung

 

Tiefbauarbeiten: Schwierige Abrechnung ohne gemeinsames Aufmaß

Auch wenn im Bauvertrag ein gemeinsames Aufmaß vorgesehen ist, kann der Unternehmer auf der Grundlage eines bloß einseitigen Aufmaßes eine prüfbare Schlussrechnung erstellen. Mangels „Beweissicherung“ durch ein gemeinsames Aufmaß trägt der Unternehmer jedoch das Risiko, dass er die tatsächlich erbrachten Leistungen nicht mehr in vollem Umfange darlegen und beweisen kann. Denn es ist zulässig, dass der Auftraggeber alle nicht anerkannten Aufmaße einfach bestreitet.

OLG Naumburg, Urteil vom 30.11.2007 – 1 U 18/07

 

H

Beweiswürdigung

 

Zur Problematik der Ursächlichkeit von Tiefbauarbeiten für später festgestellte Risse an einem Nachbarhaus.

OLG München, Urteil vom 08.11.2006 – 20 U 3168/06

 

I

Verjährung

 

Verfüllarbeiten für Gebäudeerrichtung: Verjährung – Mängelansprüche

Die Verfüllung eines Baugrundstücks durch Lieferung und Einbau von Schlacke, um darauf die Bodenplatte des zu errichtenden Gebäudes zu gründen, ist eine Bauwerksarbeit, weshalb Mängelansprüche nach § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in fünf Jahren verjähren. Aus §§ 477, 651 BGB a.F. ergibt sich nichts anderes; denn der Auftrag zur Verfüllung mit zu liefernder Schlacke ist kein Werklieferungsvertrag, sondern ein reiner Werkvertrag. Wenn der mit der Errichtung eines Gebäudes beauftragte Unternehmer die Verfüllung des Baugrundstücks an einen Subunternehmer vergibt, der hierzu vereinbarungsgemäß Thyssen-RCL-Schlacke verwendet, die sich als nicht raumbeständig erweist und deshalb zu Rissen in der Bodenplatte des Gebäudes führt, dann ist dem Unternehmer als schadensursächliches Mitverschulden anzulasten, dass er sich wegen der Eignung des Verfüllmaterials vor dessen Einbau nicht beim SubU erkundigt und/oder eine zumindest stichprobenweise Prüfung durch diesen angestoßen hat. Wenn der Auftragnehmer auf Anregung des Auftraggebers für die Auffüllung des Baugrundstücks unter der Bodenplatte eines zu errichtenden Gebäudes alternativ ein anderes Material anbietet und der Auftraggeber sich für dieses – billigere – Verfüllmaterial entscheidet, handelt es sich nicht um einen von ihm vorgeschriebenen Stoff, so dass eine Haftungsbefreiung des Auftragnehmers nach § 13 Nr. 3 VOB/B für durch das Verfüllmaterial verursachte Schäden an der Bodenplatte ausscheidet.

OLG Köln, Urteil vom 07.02.2008 – 15 U 106/07

 

J

Arbeit & Soziales

 

Grubenaushub für Abdichtungsarbeiten unterfällt VTV Bau

Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschnitts V genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV Bau, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Durch die in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 10 VTV Bau in der Klammer aufgezählten Arbeiten werden die Erdbewegungsarbeiten im tarifvertraglichen Sinne näher und erschöpfend erläutert, da sie nicht – anders als die in anderen Nummern des Beispielskatalogs aufgeführten Arbeiten – als bloße Beispielsfälle angeführt sind. Um Tiefbauarbeiten im Sinne der Nr. 36 des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV Bau handelt es sich auch beim Ausschachten einer Baugrube, dem Abschieben und dem Wiederverfüllen des Aushubs. Um solche Baugruben handelt es sich auch bei Gräben, die den in den Nummern 1 und 4 des Beispielskatalogs von § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV erwähnten Schutzmaßnahmen gegen Feuchtigkeit am Bau dienen. Der Charakter als Baugrube geht nicht dadurch verloren, dass die eigentlichen Bautrocknungsarbeiten bzw. Isolierarbeiten nicht vom Betrieb selbst durchführt werden. Dass die Grube nach Abschluss der Isolierarbeiten am Bauwerk wieder verfüllt wird, ändert an ihrem Charakter nichts. Entscheidend ist der bauliche Charakter der Tätigkeiten, die durch die Grube ermöglicht werden sollen. Es ist typisch für Baugruben, dass sie im Anschluss an die Bauarbeiten wieder verfüllt werden und sodann von ihnen als „Bauwerk“ nichts übrig bleibt. Ob aber ein Bauwerk in einer Baugrube erst neu erstellt wird oder ein vorhandenes Bauwerk unter Nutzung einer Baugrube saniert wird, ist für deren Zuordnung unerheblich. Ein Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend das Bauwerke umgebende Erdreich mittels eines Vakuumabsaugschlauchs entfernt und sodann – nach Durchführung von Mauerabdichtungsarbeiten durch Subunternehmer – das auf dem Grundstück zwischengelagerte Erdreich wieder mittels eines Einblasschlauchs aufgefüllt wird, unterfällt demnach dem VTV Bau.

BAG, Urteil vom 13.05.2004 – 10 AZR 488/03