Ax Rechtsanwälte

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Preisanpassung nicht um jeden Preis - faire und ausgewogene Regelungen zur Handhabung der beide Seiten treffenden Unwägbarkeiten

Der Krieg in der Ukraine wirkt sich auch in Deutschland aus. Steigende Preise für beispielsweise Kraft- und Baustoffe führen zu geänderten Rahmenbedingungen. Vergebene Verträge geraten durch die Preissteigerungen in Schieflage. Aber können solche Verträge einfach angepasst werden? Die öffentliche Hand hat unter Anwendung des Vergaberechts Verträge geschlossen, die z.T. lange Laufzeiten haben. In Folge der verhängten Sanktionen gegen Russland sind etwa die Preise vieler Baustoffe oder für Kraftstoffe extrem gestiegen. So kommt etwa ein erheblicher Anteil des Baustahls aus Russland oder der Ukraine. Auch weitere Rohstoffe sind betroffen (z. B. Gas- oder Kraftstoffe). In bestehenden Vertragsverhältnissen kann das dazu führen, dass der Auftragnehmer die Leistung nicht mehr wirtschaftlich oder nur mit Verlusten erbringen kann. Gleichwohl führen die geänderten Rahmenbedingungen nicht dazu, dass Verträge wegfallen oder der Leistungspflichten entfallen. Wie kann also mit den neuen Bedingungen umgegangen werden?

Auf Preisanpassungsklauseln grundsätzlich verzichten

Für den Fall, dass Komponenten oder technisch in Frage kommende Alternativen nicht lieferbar sind, finden aber Auftraggeber und das beauftragte Unternehmen eine Regelung unter Berücksichtigung der folgenden Maßgaben:

Sind Materialien nachweislich nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar, ist von einem Fall der höheren Gewalt bzw. einem anderen nicht abwendbaren Ereignis auszugehen. Als Rechtsfolge wird die Ausführungsfrist angemessen verlängert um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Unternehmen entstehen dadurch nicht. Umgekehrt gerät auch der Auftraggeber ggü. Folgegewerken nicht in Annahmeverzug, wenn sich deren Leistung in der Folge verschieben muss (vgl. BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13).

Mit der Verlängerung der Ausführungsfrist kommt eine Verwirkung der Vertragsstrafe nicht mehr auf Grundlage der ursprünglichen Ausführungsfrist, sondern nur noch auf Grundlage der angemessen verlängerten Ausführungsfrist in Betracht.

Sind die Materialien zwar zu beschaffen, muss das Unternehmen jedoch höhere Einkaufspreise zahlen als kalkuliert, gilt Folgendes: Auftraggeber und Auftragnehmer schließen den Vertrag in der Annahme, dass sich die erforderlichen Materialien grundsätzlich beschaffen lassen und deren Preise nur den allgemeinen Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens unterliegen. Zwar weist der Vertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Unternehmens zu. Das gilt jedoch nicht in Fällen höherer Gewalt. Insoweit sind die aktuellen Ereignisse grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.

Die daran anschließende weitere Frage, ob dem Auftragnehmer dann gleichwohl das Festhalten an den unveränderten Vertragspreisen zumutbar ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Es gibt keine feste Grenze, ab deren Überschreiten von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist. Die Rechtsprechung hat zum ebenfalls auf eine gestörte Geschäftsgrundlage abstellenden und daher vergleichbaren § 2 Absatz 7 VOB/B (Änderungen im Pauschalvertrag) in einzelnen Entscheidungen Werte zwischen 10 und 29 Prozent Mengen- bzw. Preissteigerung angenommen, bei denen von einer Unzumutbarkeit auszugehen war. Ähnlich uneinheitlich ist das Meinungsbild in der Literatur, die Angaben bewegen sich zwischen 20 und 25 Prozent, teilweise aber auch bereits bei 15 Prozent Kostensteigerung (vgl. Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, Rn. 66 f.; BeckOK VOB/B, Rn. 34).

Dabei ist nicht auf die einzelne Position, sondern auf eine Gesamtbetrachtung des Vertrages abzustellen. Je geringer der Anteil einer betroffenen Position am Gesamtauftragsvolumen ist, desto höher wird die anzusetzende Schwelle sein. Eine ohne Vertragsanpassung drohende Insolvenz des Unternehmens ist einerseits zwar nicht Voraussetzung, andererseits genügt es nicht, wenn die höheren Materialpreise den kalkulierten Gewinn aufzehren (die insoweit stellenweise angeführte Entscheidung des BGH aus 2011 (Urteil vom 30.06.2011, AZ VII ZR 13/10) betraf einen Einzelfall, bei dem irreführende Angaben des Auftraggebers in der Leistungsbeschreibung zu einer Fehlkalkulation des Unternehmens beigetragen haben; sie ist nicht verallgemeinerungsfähig).

Wenn nach dieser Prüfung von einer gestörten Geschäftsgrundlage auszugehen ist, hat das Unternehmen einen Anspruch auf Anpassung der Preise für die betroffenen Positionen.

Das bedeutet nicht, dass der Auftraggeber sämtliche die Kalkulation übersteigenden Kosten trägt. Die Höhe der Vertragsanpassung ist im Einzelfall festzusetzen, wobei die o.g. Gesichtspunkte der Zumutbarkeit erneut zu berücksichtigen sind.

Eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten wird jedenfalls regelmäßig unangemessen sein. Grundlage der Anpassung sind die reinen Materialpreise. Die Zuschläge für BGK, AGK, Wagnis und Gewinn bleiben unberücksichtigt.

Eine etwaige Preisanpassung im bestehenden Vertrag berührt den Anwendungsbereich des § 132 GWB.

Hier gilt Folgendes. Nach § 132 Absatz 1 Nummer 2 GWB liegt eine wesentliche Auftragsänderung u.a. insbesondere dann vor, wenn mit der Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrags zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehen war. Nach dem Vorgesagten dient § 313 BGB gerade dazu, das ursprüngliche wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages wiederherzustellen. Es wird nicht zugunsten des Auftragsnehmers verschoben. Insoweit ist im Umkehrschluss regelmäßig bereits nicht von einer wesentlichen Auftragsänderung auszugehen. Sollte – hilfsweise – gleichwohl eine wesentliche Vertragsänderung anzunehmen sein, so ist eine solche ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, soweit die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert (§ 132 Absatz 2 Nummer 3 GWB). Davon ist auszugehen, da die Kriegsereignisse in der Ukraine und ihre Folgen für den Auftraggeber in gleicher Weise unvorhersehbar waren wie für den Auftragnehmer.

Wenn Leistungen nicht rechtzeitig beigestellt werden und Nachfolgeleistungen deshalb nicht erbracht werden können, kann wie folgt ein Ausschluss der Vertragsstrafe bewirkt werden:

Der Auftragnehmer kann dann Behinderung anmelden mit den folgenden Rechtswirkungen auch und insbesondere auf die vereinbarte Ausführungsfrist und sich anschließende Vertragsstrafen: Glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er es dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Unterlässt er die Anzeige, so hat er nur dann Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren. Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht worden ist durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers. Der Auftragnehmer hat alles zu tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Sobald die hindernden Umstände wegfallen, hat er ohne weiteres und unverzüglich die Arbeiten wieder aufzunehmen und den Auftraggeber davon zu benachrichtigen. Die Fristverlängerung wird berechnet nach der Dauer der Behinderung mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Wird die Ausführung für voraussichtlich längere Dauer unterbrochen, ohne dass die Leistung dauernd unmöglich wird, so sind die ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen und außerdem die Kosten zu vergüten, die dem Auftragnehmer bereits entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind.

Wir gehen davon aus bereits, so einen fairen und ausgewogenen Modus zur Handhabung der beide Seiten treffenden Unwägbarkeiten ausgearbeitet und erläutert zu haben.