Ax Rechtsanwälte

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Schwerpunkt Vertragsverlängerung

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Können Vertragsverlängerungen unwirksam sein?

Antwort: Nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2, Absatz 2 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist.

Frage: Betrifft die Unwirksamkeit auch wesentliche Vertragsänderungen?

Antwort: Die Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB betrifft auch wesentliche Vertragsänderungen bei einem entsprechenden öffentlichen Auftrag.

Frage: Was ergibt sich aus § 132 GWB?

Antwort: Wie sich aus § 132 GWB ergibt, darf eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags nicht freihändig von dem öffentlichen Auftraggeber und dem Auftragnehmer vorgenommen werden, sondern muss zu einem neuen Vergabeverfahren über den geänderten Auftrag führen.

Frage: D.h. wann ist eine Verlängerung eine wesentliche Vertragsänderung?

Antwort: Es kommt auf den Einzelfall an. Die Verlängerung von Verträgen mit  befristeter Laufzeit ist bei Verträgen, bei denen das Zeitmoment ein wesentliches Element der geschuldeten Leistung ist, bei einer erheblichen Ausweitung des Leistungsvolumens als eine wesentliche Vertragsänderung nach § 132 Abs. 1 GWB und damit als neuer Beschaffungsvorgang zu werten. Die Verlängerung der Leistungszeit eines Vertrages um zwei Jahre, mithin um 20 % der vertragsgemäß zulässigen Laufzeit von zehn Jahren, stellt eine erhebliche Ausweitung dar, wie einem Blick auf den insoweit einschlägigen § 132 Abs. 3 GWB entnommen werden kann. Hiernach ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens lediglich zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung die jeweiligen Schwellenwerte nach § 106 nicht übersteigt und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 Prozent und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.

Frage: Braucht es eine ausdrückliche Vereinbarung zur nachträglichen Verlängerung des Vertrages?

Antwort: Nein. Nach § 135 Abs. 1 GWB kann ein „öffentlicher Auftrag“ von Anfang an unwirksam werden, wobei nach § 103 Abs. 1 GWB ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen ist. Für diesen bedarf es nicht zwangsläufig des Abschlusses eines neuen Vertrages oder eines ausdrücklichen Änderungsvertrages, ausreichend ist ein selbständiger vergaberechtsrelevanter Beschaffungsvorgang, wobei eine mündliche, konkludente oder nach einer überwiegenden Lebenswahrscheinlichkeit vorliegende Beauftragung ausreicht.

Frage: Der Vertrag ist also auszulegen. Welche Maßstäbe gelten?

Antwort: Nehmen wir ein Beispiel: Unter II.3 der Auftragsbekanntmachung zu „Vertragslaufzeit bzw. Beginn und Ende der Auftragsausführung“ heißt es: Beginn 2.5.2011. Ende: 31.07.2019. Im Vertragsentwurf, der Bestandteil der Vergabeunterlagen ist, heißt es: Der Vertrag verlängert sich automatisch um 2 Jahre, wenn er nicht 12 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt wird. Die Vertragsbestimmungen eines im Wege des Vergabeverfahrens zustande gekommenen Vertrages sind nach den §§ 133, 157 BGB (erläuternd) auszulegen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach § 133 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände
herangezogen werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt waren oder für ihn erkennbar waren. Abzustellen ist auf den Horizont und die Verständnismöglichkeiten des Empfängers. Entscheidend ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden. Die auf den Willen verweisende gesetzliche Auslegungsregel in § 133 BGB verbietet es im Ausgangspunkt, eine rechtsgeschäftliche Regelung gegen den tatsächlichen oder den erklärten Willen einer Partei nach rein objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Im Einzelfall kann es sogar allein auf das tatsächliche Wollen der Erklärenden und nicht auf den objektiven Erklärungssinn ankommen, wenn Erklärender und Erklärungsempfänger dasselbe meinen oder der Erklärungsempfänger wenigstens erkannt hat, was der Erklärende in Wirklichkeit wollte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1997 – V ZR 246/96 -). Im Hinblick auf § 157 BGB ist die Auslegung von Vertragserklärungen dann jedoch noch am Maßstab von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu prüfen. Bei einer öffentlichen Ausschreibung im Rahmen eines Vergabeverfahrens tritt unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 157 BGB für die Auslegung von Vergabeunterlagen ein von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abweichender übereinstimmender Wille der Vertragsparteien hinter den objektiven Empfängerhorizont zurück. Maßgeblich für das Verständnis von öffentlich bekannt gemachten Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter. Der Wortlaut Der Vertrag verlängert sich automatisch um 2 Jahre, wenn er nicht 12 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt wird. schließt aus der maßgeblichen Sicht der Bieter eine revolvierende Vertragsverlängerung nicht aus. Sowohl eine einmalige als auch eine mehrfache Verlängerung ist nach dem Wortsinn möglich. Ein die Vereinbarung in Richtung einer nur einmaligen Verlängerung einschränkendes Verständnis kann jedoch aus der im Rahmen der grammatikalischen und systematischen Auslegung heranzuziehenden Angabe unter II.3 der Auftragsbekanntmachung zu „Vertragslaufzeit bzw. Beginn und Ende der Auftragsausführung“ resultieren: Beginn 2.5.2011. Ende: 31.07.2019. Hier kommt es auf jedes Detail an.

Frage: Gibt es Fristen für die Geltendmachung der Unwirksamkeit?

Antwort: Ja. Nach § 135 Abs. 2 GWB kann die Unwirksamkeit eines öffentlichen Auftrages nach § 135 Absatz 1 GWB nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.

Herr Dr. Ax wir danken für das Gespräch.

Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur T. Schmitt.