Ax Rechtsanwälte

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Schwerpunkthema: Vergabe von Programmierleistungen

von Thomas Ax

Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind nach § 50 UVgO grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.

§ 50 UVgO grenzt ab Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden, von anderen Leistungen.

Handelt es sich bei Programmierleistungen um Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden? Ja!

Freiberufliche Leistung

(1) Selbständige Ausübung der Tätigkeit
Die selbständige Ausübung der Tätigkeit ist zu bejahen, wenn die Leistung persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig erbracht wird. Auch wenn die freiberufliche Tätigkeit grundsätzlich erfordert, dass die Leistung persönlich erbracht wird, ist ein Freiberufler auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Diese Definition stellt die Abgrenzung der freiberuflichen Leistungen zu den gewerblichen Dienstleistungen dar.

(2) Katalogberufe
Dies sind:

– die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher (PartGG).

– selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe (EStG).

(3) Katalogberufe „ähnliche Berufe“

(a) Wissenschaftlichkeit
Wissenschaftlich tätig ist, wer schöpferische oder forschende Arbeit leistet und die aus der Forschung unter Beachtung wissenschaftlicher Methoden und objektiver und sachlicher Kriterien hervorgegangene Erkenntnisse auf konkrete Vorgänge anwendet.
Hierunter fallen z.B.
– Das Verfassen von Gutachten
– Durchführung von Studien
– Forschung an wissenschaftlichen Instituten (z.B. naturwissenschaftlicher Natur)

(b) Künstlerische Tätigkeit
Erfordert die Tätigkeit eine eigenschöpferische Leistung von gewisser Gestaltungshöhe, welche individuelle Anschauungsweisen und Gestaltungskraft zum Ausdruck bringt, handelt es sich um eine künstlerische Tätigkeit.

Hierunter fallen z.B.
– Modellieren von Skulpturen oder Bühnenlandschaften
– Malen von Bildern
– Schreiben von kreativen Texten (in Abgrenzung zu wissenschaftlichen Texten)
– Musiker, Schauspieler, künstlerisch tätige Grafiker

(c) Unterrichtende Tätigkeit
Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Werden entsprechende Tätigkeiten im Zusammenhang mit anderen Leistungen (nicht lehrende oder sonstige einer freiberuflichen Tätigkeit zuzurechnende Tätigkeiten) angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen jedoch insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen.

– Prüfungs- und Lehrtätigkeiten, abhängig von den dafür erforderlichen Qualifikationen und ggf. ergänzend angebotener Leistungen

Im Wettbewerb mit freien Berufen

Liegt zwischen freiberuflich Tätigen und Gewerbetreibenden ein Wettbewerbsverhältnis nicht vor, d.h., wird eine der Natur nach freiberufliche Leistung ausschließlich durch Gewerbebetriebe erbracht, finden die für die Vergabe von (gewerblichen) Dienstleistungen anwendbaren Regularien uneingeschränkt Anwendung.
Leistungen werden im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten, wenn es sich um Leistungen handelt, die von Personen- oder Kapitalgesellschaften angeboten werden, welche von freiberuflich Tätigen gebildet worden sind. Dies sind zum Beispiel Planungsleistungen, welche von Architekten- oder Ingenieur-GmbHs erbracht werden ebenso wie Leistungen einer großen Arztpraxis (in der nicht nur Ärzte tätig sind). Das solche Gesellschaften steuer- und gewerberechtlich Gewerbebetriebe sind, hindert nicht die vergaberechtliche Einordnung als freiberufliche Leistungen.
Die Frage, ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen freiberuflich Tätigen und Gewerbebetrieben besteht, ist vom jeweiligen Auftraggeber im Einzelfall und im Voraus aufgrund der vorhandenen Marktübersicht zu beurteilen.
Es kommt nicht auf die potenzielle Fähigkeit der freiberuflich Tätigen an, derartige Leistungen zu erbringen, sondern auf die Erfahrung des Auftraggebers, dass diese Leistungen in der Vergangenheit auch tatsächlich von freiberuflich Tätigen erbracht worden sind. Daher ist dieser Punkt im Zeitpunkt der Klärung der Verfahrensvorgaben für die zu beschaffende Dienstleistung vom Auftraggeber begründet zu dokumentieren.
Das Verfahren wird nicht dadurch fehlerhaft, dass sich im Vergabeverfahren dann tatsächlich doch Freiberufler beteiligen; entscheidend ist die Erfahrung des Auftraggebers, dass sich bisher Freiberufler an entsprechenden Verfahren nicht beteiligt haben.
Ebenso wird eine Ausschreibung für freiberufliche Leistungen nicht dadurch fehlerhaft, dass im konkreten Fall nur Gewerbetreibende am Verfahren teilnehmen, wenn aus nachvollziehbaren Gründen, insbesondere der Erfahrung des Auftraggebers aus vergangenen Vergabeverfahren, eine Beteiligung auch von Freiberuflern zu erwarten war.

Programmierer werden als Freiberufler bewertet: In der Gesetzgebung wurde nach dem BFH Urteil vom 04. Mai 2004 (XI R 9/03) befunden, dass ein Programmierer eine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit ausüben kann und als Freiberufler gilt. Dies ist dann der Fall, wenn er bei der Entwicklung der Software planen, konstruieren und/oder überwachen muss.

Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe.

Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf. Nicht erforderlich ist der Abschluss einer nach den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschriebenen Ausbildung. Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule oder Fachhochschule, muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis kann er durch Belege über erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen. Soll der Nachweis anhand praktischer Arbeiten geführt werden, müssen diese einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen. Außerdem ist nachzuweisen, dass die derart qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 4/01, BFHE 199, 176, BStBl II 2002, 475, m.w.N.). Diese Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit sind im Streitfall erfüllt.

Der BFH hat mit Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80 (BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677) entschieden, dass unter den genannten Voraussetzungen ein selbständiger Diplom-Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben kann.

Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die theoretischen Kenntnisse des Klägers in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprechen. Es hat sich dabei im Wesentlichen auf das Sachverständigen-Gutachten berufen.

Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung des FG, die Tätigkeit des Klägers, die offenbar sowohl die Entwicklung von System- als auch Anwendersoftware umfasste, habe im Streitjahr in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich gelegen. Weiterer Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit des Klägers im Systemsoftwarebereich bedarf es nicht.

a) Aufgabe des Ingenieurs ist es, auf der Grundlage natur- und technik-wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen. Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, übt seit Anfang der 90er-Jahre eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann aus, wenn er (vorwiegend) Anwendersoftware entwickelt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337) ist insoweit durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt.

Der BFH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das typische Berufsfeld für den an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatiker —jedenfalls im vorliegend ausschließlich interessierenden Softwarebereich— nur das der Systemsoftwareentwicklung ist. Demgegenüber hat das FG, das sich auf die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen bezieht, festgestellt, dass das typische Berufsbild eines Diplom-Informatikers, das ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, bereits im Streitjahr 1991 seinen Schwerpunkt von der Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung verlagert hat. Grundlegende Probleme der Informatik seien in den 70er und 80er Jahren gelöst worden und die Systemsoftware sei weitestgehend standardisiert gewesen. Der Schwerpunkt habe sich daher in Richtung der angewandten/praktischen Informatik verlagert. Dementsprechend nehme seither die Entwicklung der Anwendersoftware sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch der Tätigkeit von Diplom-Informatikern mit wissenschaftlichem Abschluss einen breiten Raum ein. Zugleich hätten Dissertationen mehr und mehr anwendungssoftwaretechnische Themen zum Gegenstand. Gegenstand der Forschungs- und Lehrtätigkeiten an den Hochschulen sei zunehmend die Entwicklung von großen und komplexen Anwendersoftwaresystemen geworden. Entsprechende Lehrstühle für Softwaretechnologie, Softwareengineering oder Softwaretechnik seien eingerichtet. Für die Anwendung dieser Methoden —zumindest bei komplexeren Projekten— sei eine entsprechende naturwissenschaftliche Qualifikation notwendig.

An diese Feststellungen des FG ist der Senat für das Streitjahr gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. auch z.B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1985 I R 22/81, BFH/NV 1985, 17). Sie verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Sie decken sich vielmehr mit den Feststellungen anderer FG (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2001 2 K 187/99, EFG 2001, 1449; FG Hamburg, Urteil vom 13. September 2002 VI 170/00, EFG 2003, 230; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2002 4 K 1375/01, EFG 2002, 1046; FG Nürnberg, Urteil vom 6. November 2002 V 215/2000, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2003, 281; ernstliche Zweifel auch FG München, Beschluss vom 2. Oktober 2001 11 V 4133/01 E, G, EFG 2002, 132; vgl. auch Kempermann, Finanz-Rundschau 1999, 1375; Graf/Bisle, Deutsches Steuerrecht 2003, 1823).

b) Nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware ist allerdings eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. z.B. zur Trivialsoftware FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002, 1046; ähnlich FG Baden-Württemberg in EFG 2001, 1449). Diese setzt vielmehr voraus, dass der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt. Das hat das FG im Streitfall festgestellt. Hiergegen hat das FA keine Einwendungen gemäß § 118 Abs. 2 FGO erhoben.

Der erkennende Senat weicht mit dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH ab. Der IV. Senat des BFH hat auf Anfrage der Abweichung zugestimmt (§ 11 Abs. 3 FGO).

Bei geschätzten Auftragswerten unterhalb des EU-Schwellenwerts sind freiberufliche Leistungen nach den allgemeinen Bestimmungen des Haushaltsrechts zu vergeben.

Für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen gelten keine weiteren Wertgrenzen.

Sie sind im Rahmen von § 50 UVgO grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.

Konkrete Vorgaben, wie die Rahmenbedingungen auszugestalten sind, bestehen jedoch nicht. Der Auftraggeber hat einen Ermessensspielraum bei der Anwendung des § 50. Er ist z.B. nicht daran gehindert, bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen die förmlichen Vergabeverfahren der UVgO zu wählen.

Unterhalb der EU-Schwellenwerte reicht es in der Regel aus, formlos drei Angebote einzuholen.

Hilfsweise:

Gemäß UVgO hat grundsätzlich eine Öffentliche Ausschreibung zu erfolgen, es sei denn, dass die so genannte “Natur des Geschäfts” eine Ausnahme rechtfertigt.
Freiberufliche Leistungen sind in der Regel geistig-schöpferische Leistungen, die vom Auftraggeber nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können, dass vergleichbare Angebote erwartet werden können Dies macht es erforderlich, über den Inhalt der Angebote zu verhandeln.

Für freiberufliche Leistungen existieren im Übrigen keine grundsätzlich zu vereinbarenden Allgemeinen Vertragsbedingungen. Es ist möglich, aber nicht zwingend, die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Leistungen (VOL/B) zu vereinbaren.