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Das selbstständige Beweisverfahren zur Beweissicherung bei Baustreitigkeiten

Das im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eingeholte Gutachten bringt Klarheit über die einzelnen Baumängel und deren Ursachen; gleichzeitig kann mithilfe dieses Gutachtens das Verfahren gegen den richtigen Beklagten relativ leicht geführt werden, außerdem lässt sich sogar ein baurechtliches Verfahren vermeiden, da ein unabhängiges Gutachten von der Gegenseite in den meisten Fällen akzeptiert wird. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens: Der Antrag im selbständigen Beweisverfahren hemmt die Verjährung. Dies kann für den Bauherrn sehr wichtig sein. Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB tritt nämlich die Hemmung dann ein, wenn der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zugestellt wird. Die Verjährungshemmung endet sechs Monate nach der Beendigung des Verfahrens, vgl. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB.

Mit dem selbstständigen Beweisverfahren gem. § 485 Zivilprozessordnung (ZPO) ist ein gerichtliches Verfahren gemeint, das vor dem Beginn eines eigentlichen zivilen Gerichtsprozesses in Gang gesetzt werden kann, aber auch im Laufe eines Gerichtsverfahrens Verwendung findet.

Wozu das selbstständige Beweisverfahren dient:

Das selbstständige Beweisverfahren gibt allen am Bauvorhaben Beteiligten die Möglichkeit, auf schnelle und wirksame Weise

sowohl Baumängel als auch deren Ursachen,

den Umfang der zu erwartenden Mängelbehebung und deren Kosten

durch einen Sachverständigen festzustellen.

Das Verfahren ist für Fälle gedacht, bei denen hinsichtlich der Beweissicherung Eilbedürftigkeit besteht, und kann auf Antrag einer der am Konflikt beteiligten Parteien durchgeführt werden. Dabei werden die Beweise nicht nur durch eine Begutachtung der Baustelle erbracht, sondern es können auch Zeugen angehört und Dokumente eingesehen werden. Die Entscheidung über die Durchführung trifft das zuständige Gericht; soll das selbstständige Beweisverfahren vor Beginn eines Streitverfahrens durchgeführt werden, ist das Gericht zuständig, dass im Falle einer Klage angerufen werden müsste.

Ist (noch) kein Rechtsstreit anhängig, muss die antragstellende Partei ein sog. rechtliches Interesse daran haben, das bei einem Bauvorhaben mindestens eines dieser Kriterien festgestellt wird (§ 485 Abs. 2 ZPO):

Der Zustand oder Wert des bislang erstellten Bauwerks.

  1. Die Ursache des Baumangels oder Bauschadens.
  2. Der Aufwand, der für die Beseitigung des Schadens nötig ist.

Wenn das zuständige Gericht zu der Ansicht kommt, dass mit einem selbstständigen Beweisverfahren ein Rechtsstreit vermieden werden kann, ist die Voraussetzung des rechtlichen Interesses erfüllt. Davon ist auszugehen, wenn sich die Konfliktparteien über den Zustand des Bauwerks und die Feststellungen nicht einig sind und der Antragsteller ggf. Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüche geltend machen könnte.

Das selbstständige Beweisverfahren kann jedoch auch zulässig sein, wenn es berechtigte Befürchtungen gibt, dass die Beweismittel verloren gehen oder nur noch unter erschwerten Bedingungen genutzt werden könnten. Mit dieser Situation ist zu rechnen, wenn Baumängel durch die Fortsetzung der Bautätigkeit nicht mehr oder nur unter großem Aufwand ermittelt werden könnten.

Sowohl für den Auftraggeber als auch den Auftragnehmer kann ein entsprechender Antrag auch sinnvoll sein, wenn der Werkvertrag gekündigt wurde:
Mithilfe des selbstständigen Beweisverfahrens können sowohl der derzeitige Ausführungsstand des Bauwerks oder Gewerks als auch die Mangelfreiheit gerichtsbeständig festgestellt werden, bevor durch die Arbeiten eines anderen Handwerksbetriebs nicht mehr nachvollzogen werden kann, welches Unternehmen sich bestimmte Baumängel zurechnen lassen muss. Es geht also entweder darum, dass ein Auftraggeber Gewährleistungsansprüche gegenüber einem Bauunternehmen geltend machen oder umgekehrt, dass ein Bauunternehmen (unberechtigte) Ansprüche des Auftraggebers frühzeitig abwehren will. Entscheidungen mit einer rechtlichen Wirkung werden zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen.

Grundsätzlich haben die im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens vor einem Gerichtsverfahren aufgenommenen Beweise denselben Status wie diejenigen, die im Laufe eines ordentlichen Zivilprozesses erhoben wurden. Sollte das Gericht aber im Verlauf eines Prozesses zu der Ansicht kommen, dass bei der Beweiserhebung formelle Fehler begangen wurden oder die Begutachtung nicht ausgereicht hat, wird hiervon abgewichen. In solchen Fällen kann durch das Gericht ein neues Beweisverfahren in Gang gesetzt werden, um die strittigen Sachverhalte zu klären.

Ein wichtiges Merkmal des selbstständigen Beweisverfahrens ist die Hemmung der Verjährung von Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüchen der Baumängel, um die es in diesem Verfahren geht. Diese Hemmung ist sechs Monate nach dem Ende des Beweisverfahrens beendet.

Das selbstständige Beweisverfahren ist vorbei, wenn den Konfliktparteien das schriftliche Gutachten zugestellt wurde oder nachdem der Gutachter bei einem Gerichtsprozess seine Erkenntnisse im Rahmen einer mündlichen Anhörung vorgetragen hat.

Die offenen Fragen, die Gegenstand eines Bauprozesses sein könnten, kann nur ein Sachverständiger klären. Ein Bauprozess ist allerdings sehr teuer; wenn dann nicht nur der Architekt, sondern auch noch mehrere bauausführende Firmen als mögliche Verursacher des Baumangels in Betracht kommen, ist der Fall noch komplizierter.

Die schlechteste Lösung ist, alle am Bauprojekt Beteiligten zu verklagen: Dann besteht die Gefahr, dass die Klage zu einem großen Teil unbegründet ist, und der Bauherr muss mit hohen Prozesskosten rechnen. Angesichts der hohen Streitwerte in einem Bauprozess ist dies nicht zu vertreten. Deshalb hat vorab ein Sachverständiger die offenen Fragen zu klären.

Der Bauherr könnte nun ein Privatgutachten in Auftrag geben und hoffen, dass sich die anderen Prozessbeteiligten dem Inhalt dieses Gutachtens anschließen. Damit ist aber erfahrungsgemäß nicht zu rechnen. Deshalb bleibt hier in der Regel nur die Klage: Der Bauherr kann als Kläger das Privatgutachten mit in den Prozess einbeziehen, aber die Gegenseite kann die Ausführungen dieses Gutachtens bestreiten. Ein in den Bauprozess eingeführtes Privatgutachten hat nur die Stellung eines sog. klägerischen und bestreitbaren Sachvortrags.

Vor dem Hintergrund wird nun klar, dass ein unabhängiges Sachverständigengutachten nötig ist. Im Gegensatz zu einem Privatgutachten ist dieses gewichtiger als ein streitiger Sachvortrag, da es im Bauprozess auf der Grundlage eines richterlichen Beweisbeschlusses eingeholt wird. In einer komplexen Fallkonstellation, wie oben geschildert, aber schon bereits vor einem etwaigen Verfahren vor Gericht, nämlich durch ein selbstständiges Beweisverfahren gem. §§ 485 ff ZPO.

Einer der wesentlichen Vorteile dieses Verfahrens ist, dass die gutachterlichen Ausführungen in einen Bauprozess eingeführt werden können und die dort genannten Fakten grundsätzlich nicht mehr bestritten werden können. In der Praxis sieht das so aus: Der Bauherr beruft sich in seiner Eigenschaft als Kläger in einem eventuell folgenden Bauprozess auf Tatsachen, über die Beweise erhoben worden sind, und das Gericht verwertet das Ergebnis des Gutachtens von Amts wegen, sodass kein weiteres Gutachten mehr nötig ist.

Wie alle förmlichen Verfahren unterliegt das selbständige Beweisverfahren auch Zulässigkeitsvoraussetzungen. Eine schriftliche Begutachtung ist danach stets zulässig, wenn u. a. die Ursache eines Sachmangels und die Kosten für dessen Beseitigung durch ein Gutachten festgestellt werden sollen. Hinzukommen muss noch ein entsprechendes rechtliches Interesse: Dieses wird grundsätzlich angenommen, wenn die Feststellung einen Rechtsstreit vermeiden kann, vgl. § 485 Abs. 1 u. 2 ZPO.

Übertragen auf die baurechtliche Praxis bedeutet dies, dass die Zulässigkeit keine besonders hohe Hürde darstellt.

Das Gericht entscheidet durch Beschluss und beauftragt dann einen Gutachter. Den Parteien werden Ausfertigungen des Gutachtens überreicht; jede Partei kann dann innerhalb einer gesetzten Frist Einwendungen gegen die Ausführungen des Sachverständigen vortragen. Möglich ist auch eine mündliche Erörterung des Sachverhalts bei Gericht, zu der alle Parteien geladen werden müssen. Sobald die Beweiserhebung erfolgt ist, endet sechs Monate nach diesem Zeitpunkt die Hemmung der Verjährung. Wenn zwar der Gutachter alle Fragen geklärt hat, aber eine Einigung mit dem Bauunternehmen nicht zustande kommt, müsste der Bauherr Klage einreichen. Zur Klagerhebung kann gem. 494a ZPO eine Frist gesetzt werden.

Fazit: Das selbstständige Beweisverfahren steuert so zu einem effektiven Rechtsschutz bei und kann dazu beitragen, einen aufwendigen Bauprozess zu vermeiden.