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VergMan ® - Bieterstrategien - Bieterfragen und Rügen sind in Grenzen zulässige Bieterinstrumente

§ 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB, der EU-Richtlinienrecht umsetzt, ermöglicht ein Unternehmen bei unzulässigen Beeinflussungen eines Vergabeverfahrens auszuschließen. § 124 Abs. 1 Nr. 9 Buchstabe a) GWB erfasst dabei Fälle, in denen ein Unternehmen versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Die Regelung ist äußerst weit und bildet gegenüber den übrigen Buchstaben b) und c) eigentlich einen Auffangtatbestand.

Die Beeinflussung muss nicht in einem förmlichen Vergabeverfahren erfolgt sein. Sie kann auch darauf gerichtet sein, eine Auftrag im Wege einer Direktvergabe zu erhalten, wobei vier Konstellation unterschieden werden können:

(1.) die vom Unternehmen völlig unbeeinflusste Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag einem bestimmten Unternehmen direkt zu vergeben (Konviktion);

(2.) die Überzeugung des (gutgläubigen) Auftraggebers, dass der Auftrag direkt vergeben werden darf (Persuasion);

(3.) die gemeinsame gezielte Ausarbeitung einer Gestaltung zur ausschreibungsfreien Direktvergabe durch Auftraggeber und Unternehmen (Kollusion) und

(4.) das Anbieten von Zuwendungen mit dem Ziel, dass der Auftrag direkt an das Unternehmen vergeben wird (Korruption).

Als unlautere und damit unzulässige Einflussnahme hat die Rechtsprechung z.B. auch den Fall bewertet, in dem sich ein Bieter an politische Stellen seines Heimatstaats mit dem Ziel wendet, diese dazu zu bewegen, sich in einem laufenden Vergabeverfahren für eine Zuschlagserteilung an ein nationales Unternehmen zu verwenden. Unlauter ist es überdies, wenn ein Bieter sich etwa an politische Stellen seiner Heimatgemeinde wendet mit dem Ziel, diese dazu zu veranlassen, sich für einen „Deal“ zwischen den Bietern einzusetzen.

Es stellt keine unzulässige Beeinflussung des Auftraggebers durch einen Bieter dar, wenn er durch Bieteranfragen und Rügen versucht, den Auftraggeber zur Aufhebung oder Zurückversetzung des Vergabeverfahrens zu bewegen. Der stringente und manchmal möglicherweise auch hartnäckige Versuch, einen öffentlichen Auftraggeber im Wege von Rügen und gegebenenfalls einem sich anschließenden Nachprüfungsverfahren zu bewegen, vermeintlich vergaberechtswidrige Anforderungen zu verändern, damit die Chancen des betreffenden Bieters auf den Zuschlag steigen, ist weder unlauter noch unzulässig.

Es ist damit nicht unzulässig nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB, wenn ein Bieter durch Fragen, Rügen und einem Nachprüfungsverfahren eine Änderung der angeblich vergaberechtswidrigen Vergabeunterlagen oder Zuschlagskriterien erwirken will, um seine Zuschlagschancen zu verbessern. Damit verfolgt ein Bieter keine vergaberechtswidrigen Ziele, sondern es obliegt den gegebenenfalls angerufenen Nachprüfungsinstanzen zu entscheiden, ob der Bieter in seinen Rechten verletzt ist und welche geeigneten Maßnahmen zu treffen sind, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Dies allein ist Inhalt und Zweck des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes.

Auch die etwaige zeitliche Verzögerung des Abschlusses des Vergabeverfahrens und gegebenenfalls die Belastung und Bindung personeller Ressourcen in den Vergabestellen der öffentlichen Auftraggeber haben der europäische Richtliniengeber und deutsche Gesetzgeber mit der Schaffung des Rechtsschutzes bewusst als zumutbar und notwendig akzeptiert.