Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

VergMan ® für Bewerber und Bieter: Bieter müssen sich mit Bewertungsmethode auseinandersetzen und rügen

von Thomas Ax

Achtung: Während der Angebotserstellung muss sich ein Bieter zwangsläufig mit der Bewertungsmethode und den einzelnen Zuschlagskriterien auseinandersetzen, wenn er ein wirtschaftliches Angebot abgeben möchte.

Von einem Bieter, der sich um einen Auftrag in relevanter Größenordnung bemüht und vergaberechtlich nicht unerfahren ist, kann und muss erwartet werden, dass er sich mit einer Bewertungsmethode auseinandersetzen und sie durchdringen kann. Von Bietern solcher Adressatenkreise, die sich regelmäßig um wirtschaftliche Großaufträge bewerben, kann auch die intellektuelle Fähigkeit erwartet werden, aus der Lektüre des einschlägigen Gesetzestextes zu erkennen, ob Regelungen in den Vergabeunterlagen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Eine noch nicht entstandene Rechtsverletzung kann nicht vorbeugend zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden. VK Berlin, Beschluss vom 30.07.2019 – VK B 1-09/19.

Ein im Markt langjährig tätiger Bieter weiß auch ohne anwaltlichen Rat bereits zu dem Zeitpunkt von der Fehlerhaftigkeit des Bewertungssystems, wenn er auf dieser Basis kein ordentliches Angebot erstellen kann und muss deshalb schon zu dem Zeitpunkt seine vergaberechtliche Rüge ausbringen. OLG Naumburg, Beschluss vom 16.12.2016 – 7 Verg 6/16.

Im Einzelfall und ganz ausnahmsweise lässt sich die Bewertungsmatrix versteckt auch dann noch angreifen, wenn die Bewertung selbst vergaberechtswidrig erfolgt ist.

Bewertungskriterien müssen bekannt gemacht werden, damit der Bieter sich mit diesen vor Angebotsabgabe auseinandersetzen kann. Das Vorgehen ist vergaberechtswidrig, selbst wenn die nicht bekannt gegebene Auswahlmatrix neutral angewendet wurde. Wenn keine Kriterien angegeben sind, muss der Bieter davon ausgehen, dass eine reine Preiswertung erfolgt. VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.09.2016 – 3 VK LSA 28/16.

Disproportionale Wertungssysteme sind unzulässig. Sieht die Preisbewertung vor, dass das günstigste Angebot 100 Punkte und das teuerste Angebot 0 Punkte bekommt und die dazwischen liegenden Angebote entsprechend eingepunktet werden, ist das unzulässig, da das teuerste Angebot selbst dann, wenn es nur geringfügig vom günstigsten Angebot abweicht, 0 Punkte erhält und damit über andere Wertungskriterien wie Qualität etc. diesen erheblichen Rückstand selbst bei deutlich besserer Qualität nicht mehr aufholen kann. Der AG bekommt mit dieser Methode dann nicht das wirtschaftlichste Angebot. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014 – Verg 26/13.

Räumt der Auftraggeber den Qualitätskriterien insgesamt mit 70% und damit im Vergleich zum Preis (30%) ein großes Gewicht ein, ist das zulässig. Der AG hat auch hier einen Beurteilungsspielraum. Die Grenze zur Vergaberechtswidrigkeit ist aber überschritten, wenn Qualitätskriterien einzeln oder in ihrer Gesamtheit ein Gewicht zugemessen wird, das sachlich nicht zu rechtfertigen ist und deshalb die Annahme nahelegt, dass die Kriterien so ausgestaltet wurden, dass nur ein oder wenige Unternehmen überhaupt eine Chance auf den Zuschlag haben. OLG Celle, Beschluss vom 11.09.2018 – 13 Verg 4/18.

Ein Kriterium „Umgang mit dem Bestand“ ist unzulässig, weil nicht so klar und eindeutig formuliert, dass alle seine Bedeutung gleichermaßen verstehen. Die Anforderungen, Eigenschaften oder Funktionalitäten, die in diesem Unterkriterium positiv oder negativ gewertet werden, bleiben offen. Damit kann keine vergleichende Beurteilung der Bieter erfolgen. Bei der Angabe von Wertungskriterien dürfen nicht nur „schön klingende Begriffe“ in den Raum gestellt werden; deren Bedeutung muss klar sein (Transparenz). VK Südbayern, Beschluss vom 21.01.2019 – Z 3-3194-1-38-11/18.

Abpunktungen sind unzulässig. Sehen die Vergabeunterlagen vor, dass bei der Bewertung des Preises immer 7,5 Punkte (unabhängig vom Preisunterschied) abgezogen werden sollen: das günstigste Angebot bekommt die volle Punktzahl, das zweitgünstigste 7,5 Punkte weniger, das Drittplatzierte 15 Punkte weniger u.s.w., ist die Methode unzulässig. Abgepunktet werden darf nur relativ im Verhältnis zu den Angebotspreisen. Denn geringe Preisunterschiede fallen dann zu sehr ins Gewicht, während hohe Preisunterschiede sich nicht übermäßig auswirken. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.10.2016 – 1 VK 41/16.

Die Mittelwertmethode ist unzulässig
. Bekommt den Zuschlag der Bieter, der mit seinem Preis am wenigsten vom Durchschnittspreis aller Bieter abweicht, ist dies dann nicht der günstigste
Bieter. „Argument“ für dieses Verfahren ist, dass auf diese Weise besonders hohe und zu tiefe, nicht auskömmliche Angebote keine Chance haben. Aber: Die Auskömmlichkeit eines Angebots muss ohnehin geprüft werden. Das darf nicht versteckt bei der Bewertung erfolgen. VK Bund, Beschluss vom 21.11.2013 – VK 2-102/13.

Schulnoten sind zulässig
. Benotet der Auftraggeber (AG) die Darstellungen anhand einer Skala von „ungenügend“ bis „sehr gut“ mit null bis fünf Punkten ist das zulässig. Beim Schulnotensystem ist es zulässig, dass die vorgelegten Konzepte im Rahmen der Wertung benotet werden und einen der jeweiligen Note zugeordneten Punktwert erhalten, ohne dass die Vergabeunterlagen weiter im Detail konkretisieren, wovon die zu erreichende Punktzahl abhängen soll. BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17.