Ax Rechtsanwälte

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VergMan ® Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate - Tiefbau

VK Lüneburg: Bestimmte kritische Aufgaben – nicht aber der komplette Auftrag – können vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen – der Begriff der „kritischen Aufgabe“ ist grundsätzlich eng auszulegen

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Die früher angewandte Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist nicht mehr zulässig.

2. Die Eignungskriterien müssen in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen. Ein Verweis genügt nicht. Der (potentielle) Bieter und Bewerber soll sich bereits aufgrund der Bekanntmachung überlegen können, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann.

3. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist vorschriftsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können (Abschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2012, 1336 – nur online).

4. Eine mangelnde Bekanntmachung hat zur Folge, dass der Auftraggeber die nicht ordnungsgemäß bekannt gemachten Eignungskriterien nicht im Rahmen der Eignungsprüfung berücksichtigen darf. Er ist vielmehr gehalten, die Eignungsprüfung allein anhand der bekannt gemachten Eignungskriterien und -nachweise durchzuführen.

5. Die Eignungsleihe ist vom „normalen“ Nachunternehmereinsatz zu unterscheiden. Im Rahmen der Eignungsleihe bedient sich ein Bieter der Kapazitäten dritter Unternehmen, um seine für die Ausschreibung geforderte Eignung nachzuweisen. Unterauftragsvergabe bedeutet, dass ein Unternehmen ein drittes Unternehmen mit der Ausführung des gesamten Auftrags oder von Teilen davon betraut.

6. Der Bieter hat im Angebot ausdrücklich oder zumindest konkludent, aber jedenfalls unmissverständlich geltend zu machen, dass er sich zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen will.

7. Der öffentliche Auftraggeber kann (ausnahmsweise) vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben – nicht aber der komplette Auftrag – direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. Der Begriff der „kritischen Aufgabe“ ist grundsätzlich eng auszulegen.

8. Der öffentliche Auftraggeber hast die Gründe, warum eine bestimmte Aufgabe über das übliche Maß bei entsprechenden Aufgaben hinaus besonders kritisch ist, herauszuarbeiten und entsprechend zu dokumentieren.

VK Lüneburg, Beschluss vom 14.10.2022 – VgK-17/2022

Begründung:

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Auftragsbekanntmachung vom ….2022 das Bauvorhaben … die Vergabeeinheit 1 (VE 1 – Behelfsbauwerk, Tunnel, Verkehrsanlagen) im offenen Verfahren ausgeschrieben. Im Rahmen dieses Auftrages soll die Hochstraße über die … durch einen … m langen Tunnel in offener Bauweise ersetzt werden. Dazu ist vorab ein Behelfsbauwerk parallel zur Bestandstraße in Stahl-/Stahlverbundbauweise zu errichten. Das Gesamtbauwerk weist eine Länge von rd. … m auf. Vor Herstellung des Tunnels ist der Rückbau des Bestandsbauwerks über die … (Stahlbeton mit Hohlkastenquerschnitt) mit einer Länge von … m und weiterer kleinerer Bauwerke notwendig. Zudem ist der ca. … m lange Bestandstrog auf einer Länge von ca. … m an den neuen Straßenquerschnitt anzupassen. Zusätzlich sind Sanierungsmaßnahmen am Trog auf einer Streckenlänge von … m vorgesehen. Die städtischen Verkehrsanlagen sind innerhalb des Baubereiches wiederherzustellen.

Nach dem Vorblatt der Leistungsbeschreibung umfasst die Vergabeeinheit 1 (VE1) folgende Leistungseinheiten (LE) 0-5:

„LE 1 – Behelfsbauwerk,

LE 2 – Rückbau Bauwerke,

LE 3 – Tunnel,

LE 4 – Trog unter … Anlage,

LE 5 – Erd- und Straßenbau.“


Nach den in der Bekanntmachung genannten CPV-Codes umfasst die Leistung Ingenieur- und Hochbauarbeiten, den Bau von Straßenbrücken, Straßentunneln, Bauarbeiten für Fernstraßen und Straßen, Hochstraßen, Abbrucharbeiten, Erdbewegungsarbeiten und den Bau von Fernstraßen.

Nach Abschnitt II.2.5) der Auftragsbekanntmachung ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium. Eine Losteilung ist nach Ziffer II.1.6) nicht vorgesehen. Varianten/Alternativangebote sind nach Ziffer II.2.10) nicht zulässig.

Für den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit gilt nach Ziffer III.1.2):

„- Nachweis der Eignung durch Angaben, die mit dem Angebot einzureichen sind: Angabe des Umsatzes des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit er Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind unter Einschluss des Anteils bei gemeinsam mit anderen Unternehmen ausgeführten Aufträgen

– […] Näheres ist den Vergabeunterlagen zu entnehmen.

Möglicherweise geforderte Mindeststandards:

– Mindestjahresumsatz des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahre gemäß der Vergabeunterlagen.“


Für den Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gilt nach Ziffer III.1.3):

„Nachweis der Eignung durch Angaben, die mit dem Angebot einzureichen sind:

– Angabe über die Ausführung von Leistungen, die im Wesentlichen in den letzten 10 Jahren erbracht worden und mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.

– […] Folgende Nachweise, Angaben und Unterlagen sind – zusätzlich zu den in den Teilnahmebedingungen genannten – auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen:

– […] Näheres ist den Vergabeunterlagen zu entnehmen.

Möglicherweise geforderte Mindeststandards:

– Schriftliche Bestätigung des jeweiligen Auftraggebers über die auftragsgemäße Erbringung der in der Eigenerklärung genannten Referenzleistungen.“


Als zusätzliche Angabe wird unter Ziffer VI.3) unter anderem ausgeführt:

„… Folgende Nachweise, Angaben und Unterlagen sind – zusätzlich zu den in den Teilnahmebedingungen genannten – auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen:



– Verpflichtungserklärungen für Leistungen anderer Unternehmer

Die Nachweise sind auch für nicht präqualifizierte Nachunternehmer vorzulegen. […]“


Nähere Anforderungen werden in den Vergabeunterlagen dargestellt. Nach diesen wird in der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt:

„C) Anlagen, die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen sind:



– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung

– HVA B-StB Unterauftrag-/Nachunternehmerleistungen

– HVA B-StB Erklärung Bieter-/Arbeitsgemeinschaft

– HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit

– HVA B-StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Eignungsleihe …

D) Anlagen, die ausgefüllt auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind:

– HVA B-StB Verpflichtungserklärung

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung für alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung

– Anlage 2 zur Eigenerklärung Eignung_Formblatt Referenzen“


Unter Ziffer 3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird zudem zu den Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind (3.1), auf den Vordruck HVA B-StB Vorzulegende Unterlagen (Abschnitt 1: „Mit dem Angebot vorzulegen“), und den Unterlagen, die auf gesondertes Verlangen vorzulegen sind (3.4), auf den Vordruck HVA B-StB Vorzulegende Unterlagen (Abschnitt 3: „Auf gesondertes Verlangen vorzulegen“) verwiesen.

Dort heißt es unter Abschnitt 1:

„Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben sind

Mit der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte Vordrucke / Formblätter …

– HVA B-StB Unterauftrag-/ Nachunternehmerleistungen […]

– HVA B-StB Erklärung Bieter-/ Arbeitsgemeinschaft […]

Unternehmensbezogene Unterlagen

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung

– HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit

– HVA B-StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“


Unter Abschnitt 3 Unterlagen, die auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen, sind heißt es:

„Mit der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte Vordrucke / Formblätter

– HVA B-StB Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen (nur bei EU-Verfahren)

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung für alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung Unternehmensbezogene Unterlagen für Bieter und alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (Bestätigungen der Eigenerklärungen)

– Referenznachweise mit den im Formblatt Eigenerklärung zur Eignung genannten Angaben (Angabe zu Referenzen zur technischen Eignung gemäß Anlage 2 zur Eigenerklärung_Formular Referenzen)

– Erklärung zur Zahl der in den letzten 3 Jahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen, mit extra ausgewiesenem Leitungspersonal

[…]

Die Verpflichtungserklärung ist sowohl von verpflichteten Unternehmen, die ihre Kapazitäten im Rahmen der Eignungsleihe zur Verfügung stellen, als auch von Nachunternehmern beizubringen.“


Im Formblatt Eigenerklärung zur Eignung wird unter Ziffer 3. Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der geforderte Mindestjahresumsatz mit … Euro beziffert. Der geforderte Mindestjahresumsatz in dem Tätigkeitsbereich des Auftrages beträgt demnach … Euro. Zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit wird in Ziffer 4. hinsichtlich der Leistungen, die als vergleichbar anerkannt werden, auf Anlage 1 zur Eigenerklärung verwiesen. Zu den Referenzen wird auf die Angaben in Anlage 2 zur Eigenerklärung (Formblatt Referenzen) verwiesen.

Nach Ziffer 1.1 der „Anlage 1 zur Eigenerklärung Eignung – Anforderungen zur Technischen Leistungsfähigkeit“ hat der Bieter bzw. die Bietergemeinschaft die technische Leistungsfähigkeit durch die unter Ziffer 1.2 und 1.3 genannten Referenzen zu belegen. Die zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit beigebrachten Referenzprojekte müssen technisch mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sein. Die Bauleistungen, auf die sich die Referenzprojekte beziehen, müssen im Wesentlichen in den letzten 10 Jahren erbracht worden sein. […] Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit sind die für die jeweilige Referenzkategorie unter den Ziffern 1.2 und 1.3 benannten Mindestangaben erforderlich. […] Im Rahmen der Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit werden die vorgelegten technischen Referenzen im Hinblick auf Vollständigkeit der Mindestangaben und Erfüllung der Mindestanforderungen geprüft. Eine Wertung der vorgelegten Referenzen erfolgt nicht.

Referenzen, die die Mindestangaben nicht enthalten oder die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sind ungültig und werden bei der Eignungsprüfung des Bieters bzw. der Bietergemeinschaft nicht berücksichtigt.

In der folgenden Tabelle ist die Mindestzahl der vom Bieter bzw. der Bietergemeinschaft vorzulegenden gültigen Referenzen benannt. Bei Vorlage von weniger gültigen Referenzen in einer Referenzkategorie kommt es zum Ausschluss des Bieters bzw. der Bietergemeinschaft. Eine Referenz kann mehrere Referenzkategorien abdecken.

Im Weiteren werden die Referenzkategorien benannt und die Mindestanzahl gültiger Referenzen zu den einzelnen Kategorien festgelegt. Zudem wird ausgeführt:

„Die Hauptleistungen aus den Losen 1 – Behelfsbauwerk (Stahlverbundbrücke inkl. Gründung) und 3 – Tunnel (Baugrubenverbau und Tunnelbau) sind zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen. Für alle weiteren Leistungen ist die Eignungsleihe gemäß Vorgaben aus der HVA-B zulässig (s.u.). Für Leistungen, die nicht durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft erbracht werden müssen, dürfen Referenzen von folgenden Beteiligten beigebracht werden […] Für Leistungen, die nicht durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft erbracht werden müssen, dürfen Referenzen von einem benannten Nachunternehmer oder einem verbundenen Unternehmen, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben, beigebracht werden.“

Unter den Ziffern „1.2 Referenzprojekte Planung“ und „1.3 Referenzprojekte Bau“ werden die Mindestanforderungen an die Referenzprojekte zu den einzelnen Kategorien festgelegt.

Mit Informationsschreiben vom 08.08.2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass deren Angebot ausgeschlossen worden sei, da es nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfülle und begründete Zweifel an deren Eignung hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gebe. Die Leistungsfähigkeit sei nicht im geforderten Umfang nachgewiesen worden. Ihre Eignung sei im Hinblick auf die gestellten Anforderungen nicht erfüllt. Zudem sei das Selbstausführungsgebot nicht berücksichtigt worden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.08.2022 den Angebotsausschluss als unzulässig. Sämtliche Eignungsanforderungen, die als nicht erfüllt angesehen würden, hätten sich nicht aus der Bekanntmachung, sondern nur aus den Vergabeunterlagen ergeben und seien somit nicht wirksam gefordert worden.

Nachdem der Antragsgegner daraufhin mit Schreiben vom 16.08.2022 mitgeteilt hatte, dass er der Rüge nicht abhelfe, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.08.2022 erneut ihre Nichtberücksichtigung und trägt ergänzend vor, dass die vorgelegten Referenzen der benannten Nachunternehmer bei der Überprüfung der Eignung zu berücksichtigen seien. Offensichtlich sei eine Eignungsleihe der von ihr benannten Nachunternehmer angestrebt. Aufgrund der intransparenten Gestaltung der Vergabeunterlagen wären nicht ausgefüllte Formulare nachzufordern gewesen. Zudem hätte der Antragsgegner der Antragstellerin die Gelegenheit geben müssen, fehlende Unterlagen nachzureichen.

Grundsätzlich sei auch die Vorgabe des Selbstausführungsgebotes unzulässig. Dies könne nur für „bestimmte kritische Aufgaben“ und nicht für wesentliche Teile der Leistung vorgeschrieben werden. Ferner seien die besonders hohen Anforderungen an die wirtschaftliche, technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung unangemessen.

Auch diese Rüge wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 30.08.2022 zurück. Eine Pflicht zur Nachforderung fehlender Unterlagen habe nicht bestanden, weil keine Unterlagen gefehlt hätten, diese unvollständig oder fehlerhaft gewesen seien. Aus den eingereichten Unterlagen habe sich eindeutig ergeben, dass weder eine Bietergemeinschaft gebildet worden sei, noch eine Eignungsleihe angestrebt wurde. Unklarheiten bzgl. des Umfangs der dem Selbstausführungsgebot unterliegenden Leistungen hätten während der Angebotsphase gerügt werden müssen. Gleiches gelte für die aus Sicht der Antragstellerin unangemessenen Eignungsanforderungen.

Daraufhin reichte die Antragstellerin am 31.08.2022 einen Nachprüfungsantrag ein. Der Antrag sei sowohl zulässig als auch begründet. Der Angebotsausschluss wegen Nichterfüllung der formellen Eignungsanforderungen sei unzulässig, weil diese Eignungsanforderungen nicht wirksam festgelegt worden seien. Die einzelnen Eignungskriterien und die Mittel zu deren Nachweis seien ausdrücklich zu bezeichnen und es genüge nicht, in der Bekanntmachung auf ein später in den Vergabeunterlagen zu findendes Formblatt hinzuweisen. Zudem fehle es an einer Verlinkung, über den das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen direkt erreichbar sei. Es sei nicht ausreichend, wenn in der Bekanntmachung nur pauschal auf die Vergabeunterlagen verwiesen werde, denn so könnten potentielle Bieter gerade nicht auf einen Blick erkennen, ob sie als geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommen würden. Damit habe der Antragsgegner im Ergebnis keine Eignungskriterien festgelegt.

Bei den in den Vergabeunterlagen befindlichen Angaben zu den Eignungskriterien handele es sich nicht um bloße Konkretisierungen, sondern vielmehr um unzulässige Abänderungen bzw. Verschärfungen der bekannt gemachten Vorgaben. Aufgrund des bloßen Verweises in der Bekanntmachung auf die „in der in der Eigenerklärung genannten Referenzleistungen“ hätten die Bieter gerade nicht erkennen können, welche konkreten Eignungsanforderungen sie tatsächlich zu erfüllen hätten und welche Referenzen inhaltlich nachzuweisen wären. Die tatsächlichen Anforderungen an die Referenzen hätten sich allein aus Kapitel 1.1 und 1.2 der Anlage 1 zur Eigenerklärung zur Eignung ergeben. Ein Ausschluss der Antragstellerin aufgrund mangelnder Eignung wegen des Nichteinhaltens der in Anlage 1 angegebenen Mindestvorgaben hätte in der Bekanntmachung der Formulierung einer konkreten Schwelle bedurft, die Bieter überwinden müssen, um als geeignet zu gelten.

So sei nicht erkennbar gewesen, welche konkreten Eignungsanforderungen tatsächlich zu erfüllen und welche Referenzen inhaltlich nachzuweisen seien. Insbesondere sei nicht ersichtlich gewesen, dass der Antragsgegner in dieser Eigenerklärung noch weitere Mindestbedingungen an die Anzahl und den Inhalt der einzureichenden Referenzen stellen würde. Unklarheiten und Widersprüche würden zu Lasten des Auftraggebers gehen, so dass ein Ausschluss nicht auf die nur in den Vergabeunterlagen bezeichneten Anforderungen gestützt werden könne. Gleiches gelte für den Nachweis des Mindestjahresumsatzes.

Zudem seien zahlreiche Anforderungen unverhältnismäßig hoch und wettbewerbsbeschränkend. Die gelte für die Mindestjahresumsätze in Höhe von … Euro und … Euro, die anscheinend für jedes der letzten drei Geschäftsjahre gefordert würden. Gemäß § 6a EU Nr. 2 b VOB/A dürfe es nur einen geforderten Mindestumsatz geben, der nur einmal in den letzten drei Jahren erreicht werden müsse und nicht jedes Jahr.

Nicht zu rechtfertigen und wettbewerbsbeschränkend sei auch die Forderung von jeweils zwei anstatt nur einer Referenz für die Ausführungsplanung Brückenbau, den Neubau einer Stahlverbundbrücke, den Rückbau einer Spannbetonbrücke, den innerstädtischen Tunnelbau, den Erd- und Straßenbau sowie das Projektmanagement in innerstädtischer Lage.

Dazu gäbe es in den letzten 10 Jahren zu wenig fertiggestellte Projekte. Die abstrakten Längenvorgaben bei der Ausführungsplanung Brückenbau seien, ebenso wie Begrenzung der Brückenneubaureferenz auf den gleichen Brückentyp, unsachlich und unzulässig, da vergleichbare Spannbetonbrücken überwiegend nach dem 2. Weltkrieg gebaut worden und innerstädtische Lagen sowie deren Abriss selten seien.

Zudem sei es unsachlich, eine Fahrbahnsanierung bei Erd- und Straßenbau nicht als Umbau einer Straße zu werten. Es sei auch unverhältnismäßig, für das Projektmanagement Baudurchführung nur Projekte mit mehr als vier Jahren Ausführungszeit zu werten. Dies würden nur ÖPP-Projekte aufweisen, um die es hier nicht gehe. Unverhältnismäßig seien Anforderungen, wenn keine oder nur wenige der im Bieterfeld befindlichen Bietergemeinschaften mit ihren Referenzprojekten alle Anforderungen erfüllen. Ferner sei zu prüfen, ob anderen Bietern die Gelegenheit zur Nachreichung/Aufklärung geboten worden sei. Anhaltspunkt dafür sei, dass ohne Bieterfrage mit der Nachsendung vom 30.03.2022 in der „Anlage 1 zur Eigenerklärung Eignung Anforderungen zur Technischen Leistungsfähigkeit“ die Mindestanforderung für die zwei Referenzen im Tunnelbau von „Straßentunnel“ in „Tunnel im Bereich Verkehrsanlagestraße oder Schiene“ abgesenkt worden seien.

Auch die Nichtberücksichtigung der benannten Nachunternehmer als Eignungsleiher und die unterlassene Aufklärung verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Ob der Angebotsausschluss auch auf einen Verstoß gegen das Selbstausführungsgebot gestützt werden solle, bleibe unklar. Unter Berücksichtigung des Transparenzgrundsatzes habe der Antragsgegner die Selbstausführung nicht wirksam gefordert. Die Vergabeunterlagen seien einfach zu halten und dürften nicht verwirren. Ein Selbstausführungsgebot sei nur in der „Anlage 1 zur Eigenerklärung Eignung“ dargestellt, insofern die Hauptleistungen aus den Losen 1 Behelfsbauwerk (Stahlverbundbrücke inkl. Gründung) und 3 Tunnel (Baugrubenverbau und Tunnelbau) zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen seien. Die Antragstellerin habe sich davon nicht angesprochen gefühlt, da sie kein Angebot als Bietergemeinschaft unterbreiten wollte. Ansonsten habe der Antragsgegner immer zwischen Bieter und Bietergemeinschaft unterschieden. Auch diese Unklarheit würden zu Lasten des Antragsgegners gehen.

Zudem sei die Vorgabe eines Selbstausführungsgebots unzulässig und könne nur ausnahmsweise für „bestimmte kritische Aufgaben“ bei einem durch den konkreten Einzelfall veranlassten berechtigten Interesse vorgeschrieben werden. Dies könne allerdings nicht pauschal für wesentliche Teile der Leistung, wie hier für die Hauptleistungen von Los 1 und Los 3, vorgeschrieben werden. Eine Beschränkung des Einsatzes von Nachunternehmen müsse tatsächlich erforderlich sein, um das damit verfolgte Ziel einer ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags zu erreichen. Dabei könne die Gesamtvergabe mehrerer Lose kein Argument sein, einzelne Lose nun als „bestimmte kritische Aufgaben“ eines Gesamtauftrages anzusehen. Es sei nicht ersichtlich, warum diese Leistungen, die Standardbauverfahren verlangen, die aus vielen einzelnen Teilleistungen bestehen würden, alle als kritisch anzusehen seien. Da der Antragsgegner im Schreiben vom 16.08.2022 einen Verstoß gegen das Selbstausführungsgebot ohne Rechtsfolge anführe, sei zunächst davon auszugehen, dass darauf der Angebotsausschluss nicht gestützt werde. Vorsorglich verweist die Antragstellerin darauf, dass bei anderen Bietern anhand der Nachunternehmerverzeichnisse überprüft werden könne, ob diese als Bietergemeinschaftsmitglieder beabsichtigen, Teilleistungen unterzuvergeben. Dann würden aber auch diese Bieter auszuschließen sein, zumal sie alle Bietergemeinschaften seien.

Der Antragsgegner behaupte zu Unrecht, dass selbst wenn die Eignungskriterien und Mindestanforderungen von ihm nicht wirksam gefordert worden seien, die Antragstellerin ihre generelle Eignung nicht nachweisen könne. Die hilfsweise vorgenommene Eignungsprüfung sei ermessensfehlerhaft, denn der Antragsgegner gehe von einem falschen Sachverhalt aus und stelle unzulässig überhöhte Anforderungen. Es sei von der Antragstellerin nicht nur auf ihre PQ und die dort hinterlegten Referenzen verwiesen worden, sondern sie habe darüber hinaus auch umfänglich Referenzprojekte ihrer benannten Nachunternehmer beigefügt. Diese Referenzen seien bei der Überprüfung ihrer Eignung zur Leistungserbringung auch zu berücksichtigen, denn die Antragstellerin habe mit ihrem Angebot offensichtlich eine Eignungsleihe der von ihr benannten Nachunternehmer angestrebt. Der Antragsgegner habe in „Anlage 1 zur Eigenerklärung Eignung“ die Begriffe „Eignungsleihe“ und „benannte Nachuntemehmer“ synonym verwendet, denn er lasse auf Seite 6 nur zu, dass Referenzen von einem „benannten Nachunternehmer, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat“, beigebracht werden. Nach ihrem jetzt an den Tag gelegten Verständnis hätte auch gesondert die Vorlage einer Referenz eines „Eignungsleihers, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat“ erwähnt werden müssen. Auch wenn die Antragstellerin versehentlich die entsprechenden Formulare zur Eignungsleihe nicht ausgefüllt und eingereicht habe, sei ihr Angebot gleichwohl auslegungsfähig und danach eindeutig gewesen. Dies habe sich so auch aus den Verpflichtungserklärungen in Zusammenschau mit den PQ-Unterlagen für die X GmbH und die Y AG ergeben. Zudem sei der Name des Eignungsleihers einschließlich ggf. vorhandener PQ-Nummer erst auf gesondertes Verlangen vorzulegen gewesen. In Ziffer 6 der Teilnahmebedingungen würden die unterschiedlichen Formulare nicht erwähnt.

In den Vergabeunterlagen seien in „Anlage 1 zur Eigenerklärung“ Mindestangaben zu finden gewesen, die eine Referenz haben und Mindestanforderungen, die eine vorgelegte Referenz erfüllen müsse. Auch Mindestzahlen an geforderten Referenzen seien dort zu finden. Sonst sei in den Vergabeunterlagen nichts zur Eignungsleihe zu finden. Das benannte Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-St) habe nicht beigelegen. Damit würden die Formulare zur Eignungsleihe quasi in der Luft hängen. Da die Vergabeunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sein müssten, trage der Antragsgegner nach der Rechtsprechung das Risiko von Unklarheiten. Verpflichtungserklärungen seien nicht mit Angebotsabgabe gefordert worden, sondern die Bieter hatten für von ihnen benannte Eignungsleiher und Unterauftragnehmer nur auf Anforderung des Auftraggebers Verpflichtungserklärungen nachzureichen. Zudem gebe es nur ein Formular „Verpflichtungserklärung“, welches auch die Haftungsübernahme mit abdecke. Dieses sei aber erst auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen.

Die Angaben der Antragstellerin seien zumindest derart widersprüchlich gewesen, dass dies vor einem Angebotsausschluss nach ständiger Rechtsprechung zu einer Aufklärung zur Eignung hätte führen müssen. Die Möglichkeit zur Nachforderung habe der Antragsgegner ausdrücklich und ohne Differenzierung in seinen Vergabeunterlagen vorgesehen (vgl. Ziff. 3.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe). Somit sei er auch daran gebunden. Dies sei auch nicht unzulässig, da sich aus der Bekanntmachung nicht ergeben würde, ob und wenn ja, welche auftragsspezifischen Einzelnachweise der Antragsgegner zusätzlich zur Eintragung ins PQ-Verzeichnis bezüglich der Referenzen fordere.

Zudem sei es für Bieter anhand der Bekanntmachung objektiv nicht erkennbar gewesen, dass „vergleichbare Leistungen“ Ausführungsplanung, Neubau einer Stahlverbundbrücke inkl. Fangedämme, Abbruch einer Brücke aus Stahlbeton (Hoch straße), Tunnelbau in offener Bauweise mit Tunnelverbau (Schlitzwand, verankerte Unterwasserbetonsohle, Bohrpfahlwand, DS-Sohle), Umbau des Bestandstroges (insbesondere Herstellung Bohrpfähle, DSSohle und DS-Wand) und Umbau der Verkehrsanlage meine.

Außerdem seien im PQ-Verzeichnis höchstens die Referenzen der letzten fünf Jahre hinterlegt. Hier sollten jedoch Referenzen aus den letzten 10 Jahren angegeben werden. Damit hätten vor einem Ausschluss Referenzen aus 2012 – 2017 sowie aus den Jahren 2018 – 2022 nachgefordert werden müssen, die über drei hinausgehende Referenzen fehlen. Es würden offensichtlich auch sämtliche Rückbaureferenzen sowie für die … die Referenzen … sowie … für den Umbau von Bestandsstraßen/Verkehrsanlagen innerorts fehlen. Dabei handele sich nicht um eine unzulässige Nachbesserung unzureichender Referenzen, sondern um die zulässige und gebotene Nachforderung fehlender Referenzen. Wären die fehlenden Unterlagen/Referenzen vergaberechtskonform nachgefordert worden, hätte die Antragstellerin ihre Eignung zur Leistungserbringung nachweisen können und ihr Angebot wäre wertbar gewesen.

Zudem habe der Antragsgegner auch nicht berücksichtigt, dass er gemäß § 6b EU Abs. 3 VOB/A auf die Vorlage von Nachweisen verzichtet, wenn er im Besitz dieser Nachweise sei. Dies gelte beispielsweise für das 2013 im Auftrag des Antragsgegners durch die Antragstellerin und mit ihr verbundene Unternehmen fertiggestellte Bauvorhaben „Neubau der Brücke …“. Hier seien neben dem Bau sowohl die Ausführungsplanung als auch umfangreiche Abbruchleistungen vom Auftrag erfasst gewesen.

Ferner würden überzogene Eignungsanforderungen hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Leistungen gestellt, denn die besonders hohen Anforderungen an die wirtschaftliche, technische und berufliche Leistungsfähigkeit würden wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen diese Anforderungen erfüllen könnten. Insbesondere würden sie keinen tragfähigen Rückschluss auf die tatsächlich erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung zulassen.

Auch die Anforderungen zum Mindestumsatz seien intransparent. So erscheine ein Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von … Euro, das zudem Teil eines europaweit agierenden Konzerns sei, nicht von vornherein als wirtschaftlich ungeeignet. Für die Antragstellerin hätte der Umsatz für das Jahr 2021 nachgefordert werden müssen, da Angaben für die die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre verlangt waren. Der geschätzte Auftragswert in Höhe von … Euro solle planmäßig in 8 Jahren verbaut werden.

Das entspräche einem durchschnittlichen Jahresumsatz bei diesem Projekt von ca. … Euro, welchen die Antragstellerin allein im letzten Geschäftsjahr weit überschritten habe. Soweit die Anforderungen des Antragsgegners nicht überhöht seien, erfülle die Antragstellerin diese mit ihren Referenzen. Es sei daher ermessensfehlerhaft, der Antragstellerin ohne Aufklärung und Nachforderung die technische Leistungsfähigkeit abzusprechen.

Da in der Bekanntmachung keine Planungsleistungen als CPV-Codes genannt worden seien, sei auch nicht davon auszugehen gewesen, dass aus den letzten 10 Jahren auch Planungsleistungen anhand von Referenzen nachzuweisen seien. Die Forderung nach einer Referenz für die Ausführungsplanung zum Umbau eines Bestandstroges sei überzogen, da der Antragstellerin kein Umbau eines Bestandstroges bekannt sei.

Auch die Forderung nach Referenzen für Neubauten von Stahlverbundbrücken mit Fangedämmen als Komplettleistung und für den Abbruch einer Hoch straße über 16 Felder aus Spannbeton mit externer Vorspannung im innerstädtischen Raum seien überzogen. Solche Leistungen sein in den letzten 10 Jahren in Deutschland nur in sehr geringer Anzahl erbracht worden. Tunnel in der ausgeschriebenen Länge seien in dieser Bauweise in dem Zeitraum selten gewesen. Die Randbedingungen (Schlitzwand, verankerte Unterwasserbetonsohle, Bohrpfahlwand, DS-Sohle) gebe es allerdings bei vielen Bauwerken. Der Umbau eines Bestandstroges sei ebenfalls selten. Das „oder“ im Schreiben vom 16.08.2022, Seite 6, würde dahin gehend verstanden, dass auch Referenzen für den Neubau einer DS-Sohle, DS-Wand und Bohrpfahlwand akzeptiert würden, was nicht beanstandet würde. Nur Ortsdurchfahrten und keine Ortsumgehungen als vergleichbare Leistungen zu akzeptieren, sei ebenfalls unsachlich. Diese seien in der Regel auch zu Beginn und am Ende einer Ortsumgehung zu errichten.

Die Antragstellerin sei unter Berücksichtigung ihrer als Eignungsleiher benannten Nachunternehmer und deren Umsätze und Referenzen bei ermessensfehlerfreier Prüfung zur Erbringung der hier ausgeschriebenen Leistungen geeignet. Die Verpflichtungserklärungen der Unternehmen Y AG und X GmbH seien mit dem Angebot vorgelegt worden und deshalb auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2022 vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag und führt ergänzend aus, dass die Vergabekammer ausnahmsweise auch nicht rechtzeitig gerügte Vergabeverstöße von Amts wegen aufgreifen dürfe, wenn diese schwerwiegend und offenkundig seien. Ferner liege kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vor, da dieser im offenen Verfahren im Moment der Angebotsöffnung ende. Die Kenntnis des Submissionsergebnisses könne daher die Angebotsabgabe der Bieter nicht mehr beeinflussen, denn dieses werde erst nach Ablauf der Angebotsfrist bereitgestellt. Zudem hätten weder die Antragstellerin noch …, der hier weder Bieter noch Antragstellerin sei, der Presse oder sonstigen Dritten Informationen über die Angebotssummen mitgeteilt. Der Versuch der Verhinderung eines „gerichtlichen“ Verfahrens im Wege der „außergerichtlichen“ Streitbeilegung könne keine Einflussnahme darstellen.


Die Antragstellerin beantragt,

1.Dem Antragsgegner wird untersagt, bei dem Vergabeverfahren …, VE1 Behelfsbauwerk, Tunnel, Trog, Verkehrsanlagen den Zuschlag zu erteilen.

2.Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren …, VE1-Behelfsbauwerk, Tunnel, Trog, Verkehrsanlagen zurückzunehmen und im Übrigen unter Nichtanwendung ihrer formellen Eignungsanforderungen, die sich nur aus den Vergabeunterlagen ergaben, die Prüfung und Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

3.Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei Aufrechterhaltung seiner sich nur aus den Vergabeunterlagen ergebenden formellen Eignungsanforderungen das Verfahren in den Stand vor Versendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen und im Übrigen die Aufstellung der Eignungs- und Ausführungskriterien unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten aufseiten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

5. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und Auslagen der Antragstellerin.


Der Antragsgegner beantragt,

1.die Anträge zurückzuweisen,

2.im schriftlichen Verfahren zu entscheiden,

3.die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.


Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Antragstellerin sei mit dem Vortrag präkludiert, die Vergabestelle habe mit ihren Eignungskriterien und Mindestanforderungen zu hohe Anforderungen an die Bieter gestellt. Gleiches gelte für das Argument, dass der Antragsgegner die Eignungsprüfung nicht anhand der in der Eigenerklärung zur Eignung genannten Mindestanforderungen hätte durchführen dürfen. Auch die angegriffene Selbstausführung hätte bereits bis zum Ende der Angebotsfrist gerügt werden müssen.

Bei der Antragstellerin könne davon ausgegangen werden, dass es sich um einen durchschnittlichen Bieter in der Baubranche handele, da er bereits seit Jahrzehnten am Markt tätig sei, über … Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige, über diverse Konzerngesellschaften verfüge und seit genauso langer Zeit an öffentlichen Auftragsvergaben beteiligt sei. Hier habe sich dem Bieter ein Vergabefehler aufgedrängt und sei damit erkennbar gewesen. Die Antragstellerin, welche allein die … sei, habe gewusst, dass sie die geforderten Mindestkriterien nicht erfülle. Eine Chance auf den Zuschlag hätte sie nur gehabt, wenn es keine Mindestkriterien gäbe. Da sie dies aber nicht bis zum Ende der Angebotsfrist gerügt habe, sei sie mit dem Argument präkludiert. Im Übrigen seien die Mindestanforderungen bereits Gegenstand mehrerer Bewerberanfragen während der Angebotsphase gewesen.

Gleiches gelte für das Argument, der Ausschluss könne nicht auf die fehlende Eignung gestützt werden, da die in der Anlage 1 zur Eigenerklärung zur Eignung genannten Mindestanforderungen nicht aus der Bekanntmachung ersichtlich gewesen seien.

Auch der behauptete Vergaberechtsfehler, das Gebot der Selbstausführung verstoße gegen den Transparenzgrundsatz, da es sich nicht in der Bekanntmachung befinde, sowie gegen § 6d EU VOB/A sei ebenfalls präkludiert, denn diese behaupteten Vergaberechtsfehler waren bereits aus den Vergabeunterlagen ersichtlich und für die Antragstellerin auch erkennbar.

Der Amtsermittlungsgrundsatz greife nicht bei präkludierten Verstößen und sei im Ergebnis nicht mehr von der Vergabekammer zu prüfen.

Der Antrag sei zudem auch unbegründet. In der Bekanntmachung und der Anlage 1 zur Eigenerklärung zur Eignung seien die genannten Mindestanforderungen wirksam gefordert worden. Die Antragstellerin sei nicht in ihren Rechten verletzt, wenn sie mangels Eignung ausgeschlossen worden sei, da sie die geforderten Mindestanforderungen nicht erfülle. In der Bekanntmachung seien bereits Angaben dahin gehend gemacht worden, dass es in den Vergabeunterlagen zur finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit Mindestkriterien und Eignungskriterien gebe. Diese Anforderungen seien dort unter Anlage 1 der Eigenerklärung zur Eignung lediglich konkretisiert worden.

Für die Antragstellerin sei einzig und allein auf die Referenzen abzustellen, die unter der von ihr angegebenen PQ-Nummer hinterlegt gewesen seien. Eine Bietergemeinschaft sei ausweislich des Angebotes nicht gegründet worden. Auch ein Rückgriff auf die eingereichten zusätzlichen Referenzen der beiden benannten Unternehmen scheide grundsätzlich aus, denn eine Eignungsleihe liege ausweislich des Angebotes nicht vor. Das Angebot sei auch nicht auslegungsfähig, denn ein leeres Formblatt „Eignungsleihe“ könne nur dahin gehend verstanden werden, dass eine solche gerade nicht vorgesehen sei. Daran ändere auch das Einreichen von Verpflichtungserklärungen vorgesehener Nachunternehmer nichts, wenn die Antragstellerin in dem Formblatt zur Eignungsleihe keinerlei Eintragungen vorgenommen habe. Die Antragstellerin wäre verpflichtet gewesen, ausdrücklich im Angebot geltend zu machen, dass sie sich zusätzlich zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen möchte. Ein Nachfordern des Formblattes Eignungsleihe komme nur in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber den Bieter auffordere den Eignungsleiher auszutauschen, sofern der ursprünglich genannte nicht geeignet sei. Es würde eine unzulässige Änderung des Angebotes darstellen, wenn sich die Antragstellerin wegen festgestellter fehlender eigener Eignung diese nunmehr leihen möchte. Ausweislich der Angaben im PQ-Verzeichnis würden die dort genannten Zahlen zu den Jahresumsätzen nicht die Mindestanforderungen erfüllen.

Die Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit seien nicht unverhältnismäßig, vielmehr würden sie mit dem Ausschreibungsgegenstand in Verbindung und in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die beim PQ-Verein hinterlegten Referenzen würden den Rückbau/Abbruch von Abstellflächen aus Stahlbeton auf einem Flugplatz sowie dem Abbruch einer Geh- und Radwegbrücke aus Holz beinhalten und insofern die Mindestanforderungen nicht erfüllen. Zu den geforderten 2 Referenzen bzgl. des Tunnelbaus in offener Bauweise mit einer Mindestlänge von 600 m in innerstädtischer Lage seien keinerlei Referenzen hinterlegt. Selbst wenn die Referenzen der benannten Firmen im Rahmen der Eignungsleihe gewertet würden, würden so nur die finanziellen Mindestkriterien erfüllt, nicht aber die technischen.

Zudem seien die die eingereichten Nachweise und Referenzen bzgl. der finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit mit der ausgeschriebenen Leistung nicht vergleichbar. Allein maßgebend seien auch hierfür die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Angaben und Referenzen. Der Jahresumsatz sei bei weitem mit dem Auftragswert von … Euro nicht vergleichbar, da er sich weit unter dem ausgeschriebenen Auftragswert bewege. Ebenso verhalte es sich mit der technischen Leistungsfähigkeit. Ausweislich der unter der einschlägigen PQ-Nummer hinterlegten Referenzen habe die Antragstellerin lediglich ähnliche Teilleistungen erbracht (Neubau von Schlitzwänden, verankerte Unterwasserbetonsäule), bei des es sich nicht um den Neubau eines Tunnels in offener Bauweise mit vergleichsweiser Länge und in innerstädtischer Lage handele. Auch hinsichtlich des ausgeschriebenen Rückbaus einer Spannbetonbrücke mit einer Länge von … m in innerstädtischer Lage befinden sich in den hinterlegten Referenzen keine vergleichbaren Leistungen. Ein Nachfordern geeigneter Referenzen sei nicht in Frage gekommen. Bediene sich ein Bieter zum Nachweis seiner Eignung einzig seiner PQ-Nummer und den dort hinterlegten Referenzen, müsse er sich hieran festhalten lassen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe der Antragsgegner bestimmte Teilleistungen wirksam zur Selbstausführung bestimmt. Bei diesem Gebot handele es sich um Ausführungsbestimmungen i. S. d. § 128 Abs. 2 GWB, die nicht in der Bekanntmachung benannt werden müssten, sondern auch in den Vergabeunterlagen benannt werden dürften. Die Eigenerklärung zur Eignung und die Anlage 1 würden dabei zu den Vergabeunterlagen gehören.

Es sei abwegig sich als Bieter nicht angesprochen zu fühlen, wenn zunächst von Hauptbauleistungen, die zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen seien, die Rede sei. Auch bei Bietergemeinschaften handele es sich um einen Bieter, so dass selbstverständlich auch „Einzelbieter“ angesprochen seien.

Der Antragsgegner habe zu Recht entschieden, welche kritischen Aufgaben vom Auftragnehmer selbst durchzuführen seien. Nicht die gesamte LE 1 und LE 3 habe dem Selbstausführungsgebot unterlegen, sondern eben nur die Hauptbauleistungen dieser Leistungseinheiten. Es handele sich somit nur um 2 von insgesamt 6 Leistungseinheiten, in welchen Teilleistungen dem Selbstausführungsgebot unterliegen würden. Was dabei mit Hauptbauleistungen gemeint sei, sei bereits durch die entsprechenden Antworten der Vergabestelle auf diverse Bieterfragen konkretisiert worden. Dabei seien mit Hauptbauleistung insbesondere Beton- und Stahlbetonarbeiten sowie Tiefgründungen und Baugrubensicherung gemeint worden.

Die Begründung für die Selbstausführung rühre aus der Komplexität des Gesamtsystems. Wenn die Antragstellerin meine, bei den genannten Leistungen handele es sich um Standardbauweisen, zeige dies, dass sie die tatsächlichen Dimensionen dieser Arbeiten und des Gesamtprojektes nicht hinreichend erkannt habe. Um Standardbauweisen würde es sich lediglich für solche Firmen handeln, die Erfahrung in der Ausführung von Projekten in vergleichbaren Dimensionen hätten. Die gegenseitige Beeinflussung der Behelfsbrücke und des Tunnelbauwerkes könne nur von erfahrenen Unternehmen erkannt werden, bei einer Teilung der Verantwortung berge dies die Gefahr, dass Zuständigkeiten und Haftungsthemen nicht eindeutig festgeschrieben werden könnten. Das Angebot der Antragstellerin sei auch daher auszuschließen, weil durch die Benennung von Nachunternehmern für die Hauptleistungen der LE 1 und LE 3 die Vergabeunterlagen unzulässig geändert worden seien.

Zudem sei zu prüfen, ob weitere Gründe einen Ausschluss rechtfertigen würden. Wesentliches und unverzichtbares Merkmal einer Vergabe im Wettbewerb sei die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Hier sei ein Verstoß sehr wahrscheinlich, da das Submissionsergebnis vergaberechtswidrig an außerhalb des Vergabeverfahrens stehende Dritte weitergegeben worden sei. In einem Zeitungsartikel in der … vom ….2022 sei unter Bezugnahme auf Herrn … über massive Kostensteigerungen des ausgeschriebenen Projektes berichtet worden und dabei seien innerhalb des Artikels sowohl die Angebotssumme der Antragstellerin als auch Angebotssummen der weiteren Bieter genannt worden.

Mit Schreiben vom 19.07.2022 habe sich der Vorstand der „…“, Herr …, an den Minister, Herrn …, offenbar mit der Bitte um ein klärendes Gespräch mit der Vergabestelle gewandt. Das Vergabeverfahren sei aufzuheben und mit der Antragstellerin in das Verhandlungsverfahren einzutreten. Dabei seien offenbar konkrete Vorschläge zu anderen Bauweisen und sich daraus ergebenen günstigeren Preisen gemacht worden. Nach Mitteilung der Vergabestelle vom 16.08.2022, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, wandte sich Herr … erneut mit Schreiben vom 18.08.2022 an den Minister mit der Bitte, den Ausschluss aufzuheben – wenngleich dieses Ansinnen vom … zurückgewiesen und die Antragstellerin auf den Rechtsweg zu den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen verwiesen wurde. Auch wenn Herr … im Verhältnis zur Antragstellerin als Außenstehender gelten würde, könne dies als Versuch der unredlichen Einflussnahme auf einen öffentlichen Auftraggeber in einem Vergabeverfahren gewertet werden, was zwangsweise zu einem Ausschluss führen müsse.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat auf die aktuelle Rechtsprechung des OLG Celle (Beschluss vom 07.07.2022 – 13 Verg 4/22) und die ständige Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zu den Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis bei der Beanstandung von Verstößen gegen die Bekanntmachungspflicht hingewiesen.

Die Vergabekammer hat mit Verfügung vom 04.10.2022 gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 18.10.2022 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2022 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Er ist unzulässig, soweit die Antragstellerin erst mit ihrem Rügeschreiben vom 26.08.2022 beanstandet hat, die vom Auftraggeber aufgestellten Anforderungen an die wirtschaftliche, technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung seien besonders hoch und unangemessen. Diesbezüglich ist die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da der vermeintliche Vergaberechtsverstoß für die Antragstellerin aus den Vergabeunterlagen erkennbar war (im Folgenden 1).

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht gemäß § 16 b Abs. 1 EU VOB/A i. V. m. § 6 EU Abs. 1 VOB/A mangels nachgewiesener Eignung von der weiteren Wertung ausgeschlossen. Zwar konnte der Antragsgegner den Angebotsausschluss nicht auf eine Nichterfüllung der in den Vergabeunterlagen für den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit festgelegten und geforderten Mindestumsätze im Hinblick auf den Gesamtumsatz in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren und Angaben zum vergleichbaren Umsatz in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren sowie der ebenfalls erst in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen hinsichtlich des Nachweises der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit stützen. Denn der Antragsgegner hat es versäumt, die Mindestanforderungen gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen (im Folgenden 2 a). Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auf die entsprechende Rüge der Antragstellerin vom 09.08.2022 erneut in die Eignungsprüfung eingetreten ist und geprüft hat, ob die Antragstellerin mit ihrem Angebot Angaben und Nachweise zu mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbaren Leistungen gemacht und vorgelegt hat (im Folgenden 2 b). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Antragstellerin es vorliegend versäumt, mit dem Angebot ihre Eignung im Wege der Berufung auf Referenzen von Nachunternehmern im Rahmen einer Eignungsleihe darzulegen (im Folgenden 2 c). Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner gemäß § 6d EU Abs. 4 VOB/A und § 47 Abs. 5 VgV für bestimmte Teilleistungen – Beton- und Stahlbetonarbeiten – die Selbstausführung gefordert hat. Der Antragsgegner hat diese Teilleistungen auch gemäß § 128 Abs. 2 GWB als besondere Ausführungsbedingungen in den Vergabeunterlagen wirksam zur Selbstausführung bestimmt. Diese Vorgabe beschränkt sich nicht auf Angebote von Bietergemeinschaften, sondern gilt ebenso für Einzelbieter und damit auch für die Antragstellerin (im Folgenden 2 d).

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.

Bei dem Antragsgegner handelt es sich um das … und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. des § 1 EU VOB/A, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der RL 2004/24/EU in der seit 01.01.2022 und damit zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens geltenden Fassung ein Schwellenwert von 5.382.000 Euro gilt. Die geschätzten Kosten für die streitgegenständliche Baumaßnahme überschreiten ausweislich Ziffer II.2.6 der EU-Auftragsbekanntmachung diesen Schwellenwert mit … Euro deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner entschieden hat, das Angebot der Antragstellerin wegen vermeintlich nicht nachgewiesener Eignung auszuschließen. Der Antragsgegner habe in vergaberechtswidriger Weise Eignungnachweise von Nachunternehmern, auf die sich die Antragstellerin für ihr Angebot im Wege der Eignungsleihe gestützt habe, nicht berücksichtigt.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/ Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Antragsgegners ist die Antragsbefugnis vorliegend auch gegeben, soweit die Antragstellerin beanstandet hat, dass sämtliche Eignungsanforderungen, die als nicht erfüllt angesehen würden, sich nicht aus der Bekanntmachung, sondern nur aus den Vergabeunterlagen ergeben und somit nicht wirksam gefordert worden seien.

Die Beigeladene und der Antragsgegner vertreten die Auffassung, dass sich die Antragstellerin auf eine vermeintlich mangelhafte Bekanntmachung der Eignungskriterien und -nachweise inklusive der in den Vergabeunterlagen diesbezüglich festgelegten Mindeststandards nicht berufen könne, weil sie nicht dargelegt habe, dass sie bei ordnungsgemäßer Bekanntmachung ein anderes, wertungsfähiges Angebot abgegeben hätte. Schließlich habe die Antragstellerin ihr Angebot in Kenntnis der in den Vergabeunterlagen festgelegten Eignungsanforderungen abgegeben. Sie berufen sich für diese Auffassung insbesondere auf eine Entscheidung des OLG Celle vom 07.07.2022 – 13 Verg 4/22 (zitiert nach ibr-online). Der Vergabesenat hat im dortigen Fall entschieden, dass für die Antragsbefugnis ein schlüssiger Vortrag erforderlich ist, aus dem sich ergibt, dass gerade durch den gerügten Verstoß gegen Vergaberecht die Aussichten des Antragstellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung oder seines Angebotes im Hinblick auf die Zuschlagserteilung beeinträchtigt worden sein könnten (Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 32, 33). Der Schaden muss daher grundsätzlich auf die Zuschlagschance bezogen sein. Die Antragsbefugnis kann also grundsätzlich nicht aus jenseits der Zuschlagschance liegenden Beeinträchtigungen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art hergeleitet werden (aaO). Dabei sind die in § 160 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen in einer Weise auszulegen, die dem betroffenen Unternehmen einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.07.2004- 2 BvR 2248/03 zu § 107 Abs. 2 GWB a.F.). Daher sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen.

Ein Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht kann demnach nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn der Bieter darlegen kann, dass das Angebot im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag hätte haben können als im beanstandeten Verfahren. So ist beispielsweise im Falle einer nicht bekannt gemachten Umrechnungsformel zu fragen, ob der Bieter bei deren Kenntnis ein chancenreicheres Angebot abgegeben hätte (Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 127 GWB (Stand: 27.05.2021), Rn. 88). Weil es sich um subjektive Umstände aus der Sphäre des Antragstellers handelt, muss er zumindest plausibel und schlüssig darstellen, dass die fehlende Bekanntgabe der Umrechnungsformel zu einer Fehlvorstellung geführt hat, die sein Angebot beeinflusst hat, und er bei Kenntnis der Formel Änderungen seines Angebotes vorgenommen hätte, die seine Zuschlagschancen erhöht hätten.

Dieser Entscheidung des OLG Celle lag jedoch ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Die dortige Antragstellerin hatte die fehlende Bekanntgabe der vom Antragsgegner festgelegten Preisbewertungsformel beanstandet. Im Ergebnis hat der Vergabesenat im dortigen Fall ausgeschlossen, dass die Antragstellerin bei der Erstellung ihres Angebots darauf vertraut hat, dass die Preisbewertung „ähnlich“ der Abstufungen der Konzeptbewertung erfolgen würde, und ihr Angebot danach ausgerichtet hat.

Diese Rechtsprechung ist aber nach Auffassung der Vergabekammer nicht auf Fälle übertragbar, in denen sich ein Bieter auf die mangelhafte Bekanntmachung von Eignungskriterien beruft (a. A. VK Bund, Beschluss vom 31.08.2022 – VK 2-72/22, zitiert nach ibr-online). Denn im Gegensatz zur Transparenz von Preisbewertungsformeln ist für Eignungskriterien ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass sie in der Auftragsbekanntmachung zwingend aufgeführt werden müssen (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB).

Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, bleibt daher eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 – X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat überwiegend ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags gegenüber dem Auftraggeber zu rügen.

Sie ist jedoch mit ihrem Vortrag gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, soweit sie erst mit Anwaltsschriftsatz vom 26.08.2022 die hohen Anforderungen an die wirtschaftliche, technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung als unangemessen beanstandet hat. Für eine derartige Einschätzung und Beanstandung bedurfte es keiner anwaltlichen Beratung der Antragstellerin als in öffentlichen Aufträgen erfahrenes Bieterunternehmen. Die Antragstellerin war sich bei Legung ihres Angebotes über den Inhalt und die Höhe der in den Vergabeunterlagen aufgeführten Eignungsanforderungen bewusst. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag im Nachprüfungsverfahren davon ausgegangen ist, dass sie die Anforderungen nur durch Unterstützung durch Kapazitäten anderer Unternehmen im Wege der Eignungsleihe erfüllen konnte, was sie ihrer Auffassung nach mit ihrem Angebot auch wirksam getan habe.

Einen mit dem Umfang oder der Höhe der Eignungsanforderungen verbundenen, vermeintlichen Vergaberechtsverstoß konnte die Antragstellerin daher aus den Vergabeunterlagen erkennen und musste diesen spätestens bis zum Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner rügen.

Soweit sie sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen den Angebotsausschluss und insbesondere die Nichtberücksichtigung der Referenzen der von ihr vermeintlich im Angebot als Eignungsleiher aufgeführten Nachunternehmer wendet, hat sie diese Verstöße rechtzeitig nach positiver Kenntniserlangung gerügt. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Der Antragsgegner informierte die Antragstellerin mit Informationsschreiben vom 08.08.2022 darüber, dass deren Angebot ausgeschlossen worden sei, da es nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfülle und begründete Zweifel an deren Eignung hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gebe. Die Leistungsfähigkeit sei nicht im geforderten Umfang nachgewiesen worden. Ihre Eignung sei im Hinblick auf die gestellten Anforderungen nicht erfüllt. Zudem sei das Selbstausführungsgebot nicht berücksichtigt worden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 09.08.2022 den Angebotsausschluss als unzulässig. Sämtliche Eignungsanforderungen, die als nicht erfüllt angesehen würden, hätten sich nicht aus der Bekanntmachung, sondern nur aus den Vergabeunterlagen ergeben und seien somit nicht wirksam gefordert worden.

Diese Rüge in Bezug auf das Unterbleiben einer Bekanntmachung von Eignungsvorgaben im Auftragsbekanntmachungsformular erfolgte rechtzeitig. Die Antragstellerin ist diesbezüglich nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB präkludiert.

Zwar betrifft sie ein Defizit in der Auftragsbekanntmachung selbst. Die Rügeobliegenheit nach dieser Vorschrift wird jedoch nur dann ausgelöst, wenn der geltend gemachte Vergabefehler aus verständiger Bietersicht erkennbar war. Von einer derartigen Erkennbarkeit ist indes nicht auszugehen. Für die Erkennbarkeit kommt es darauf an, dass ein Vergaberechtsverstoß in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung üblicher Sorgfalt hätte erkannt werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18). Zwar ist bei einem sorgfältig agierenden und durchschnittlich fachkundigen Bieter, der sich mit einem Angebot an einem Vergabeverfahren beteiligen will, davon auszugehen, dass er die wesentlichen vergaberechtlichen Grundsätze kennt. Dazu gehört grundsätzlich auch das Wissen darüber, dass ein öffentlicher Auftrag nicht voraussetzungslos vergeben werden, sondern nur an ein Unternehmen erteilt werden darf, das überhaupt in der Lage scheint, den Auftrag in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erfüllen zu können, und der Auftraggeber dementsprechend verpflichtet ist, eine Überprüfung der Eignung anhand von ihm vorab gegenüber allen Bietern bekannt zu machenden Eignungskriterien durchzuführen. Zwar kann sich die Verpflichtung eines Auftraggebers, die Eignungsanforderungen in der Auftragsbekanntmachung zu veröffentlichen, dem Bieter unmittelbar durch die Lektüre der gesetzlichen Bestimmung des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB erschließen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 07.11.2007 – 1 Verg 6/07). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass vorliegend in der Auftragsbekanntmachung Ausführungen zu den Eignungskriterien und nachweisen nicht etwa völlig fehlten. Für die Frage, ob die Ausführungen im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung ausreichend sind, ist die Erkennbarkeit eines damit zusammenhängenden Vergaberechtsverstoßes im vorliegenden Fall zu verneinen. Dazu bedurfte die Antragstellerin anwaltlicher Beratung.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin behielt sich weitere Rügen nach Prüfung sämtlicher Vergabeunterlagen ausdrücklich vor, da sie in der Kürze der Zeit ihrer Mandatierung den gesamten Vergabeprozess noch nicht habe nachvollziehen können.

Mit Schreiben vom 16.08.2022 erwiderte der Antragsgegner, dass er der Rüge nicht abhelfe, und begründete ausführlich den Angebotsausschluss. Dabei legte er erstmals dar, dass die Antragstellerin auch unter Außerachtlassung der Mindestanforderung ihre Eignung nicht nachgewiesen habe, weil sie nicht, wie in der Bekanntmachung ausdrücklich gefordert, Angaben zu vergleichbaren Leistungen gemacht habe. Die Antragstellerin habe zudem das Selbstausführungsgebot hinsichtlich von Leistung der LE1 (Stahlverbundbrücke inklusive Gründung“) und LE3 („Tunnelverbau und Tunnel“) in ihrem Angebot nicht beachtet. Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.08.2022 erneut ihre Nichtberücksichtigung und hat ergänzend beanstandet, dass die vorgelegten Referenzen der benannten Nachunternehmer bei der Überprüfung der Eignung nicht berücksichtigt würden. Offensichtlich sei eine Eignungsleihe der von ihr benannten Nachunternehmer angestrebt. Aufgrund der intransparenten Gestaltung der Vergabeunterlagen wären nicht ausgefüllte Formulare nachzufordern gewesen. Zudem hätte der Antragsgegner der Antragstellerin ihrer Auffassung nach die Gelegenheit geben müssen, fehlende Unterlagen nachzureichen. Grundsätzlich sei auch die Vorgabe des Selbstausführungsgebotes unzulässig. Dies könne nur für „bestimmte kritische Aufgaben“ und nicht für wesentliche Teile der Leistung vorgeschrieben werden.

Diese Rügen erfolgten jeweils innerhalb von zehn Kalendertagen nach Erhalt der Schreiben des Antragsgegners und damit rechtzeitig.

Bezüglich dieser geltend gemacht Vergaberechtsverletzungen ist der Nachprüfungsantrag somit zulässig.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet.

Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht gemäß § 16b EU Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 6 EU Abs. 1 VOB/A mangels nachgewiesener Eignung von der weiteren Wertung ausgeschlossen:

a. Zwar konnte der Antragsgegner den Angebotsausschluss nicht auf eine Nichterfüllung der in den Vergabeunterlagen für den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit festgelegten und geforderten Mindestumsätze im Hinblick auf den Gesamtumsatz in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren und Angaben zum vergleichbaren Umsatz in den letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahren sowie der ebenfalls erst in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen hinsichtlich des Nachweises der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit stützen. Denn der Antragsgegner hat es versäumt, die Mindestanforderungen gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Der fehlende Nachweis der nur in den Vergabeunterlagen konkret festgelegten Mindestumsätze vermag daher einen Ausschluss mangels nachgewiesener Eignung gemäß § 16 b EU VOB/A i. V. m. § 6 EU VOB/A nicht zu begründen.

Gemäß § 6 EU Abs. 1 VOB/A werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach § 6 e EU VOB/A ausgeschlossen worden sind.

Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Diese Regelung ist Ausfluss des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 GWB, Rn. 47). Die früher häufig angewandte Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist damit nicht mehr zulässig. Mit dieser Regelung geht einher, dass die Eignungskriterien in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen. Für die Bekanntgabe der Eignungskriterien genügt daher ein bloßer Verweis auf § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB ebenso wenig, wie für die Bekanntgabe der Eignungsnachweise ein bloßer Verweis auf die Nachweisvorschriften der Vergabeordnungen genügt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2015 – 11 Verg 11/14). Gleiches gilt für einen Verweis auf ergänzende Unterlagen oder Formblätter, die erst auf Anfrage zugesendet werden (OLG Celle, Beschluss vom 24.04.2014 – 13 Verg 2/14 = IBR 2014, 435; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014 – Verg 26/13 = NZBau 2014, Seite 371). Der (potentielle) Bieter und Bewerber soll sich bereits aufgrund der Bekanntmachung überlegen können, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann. Muss der potentielle Bewerber/Bieter erst die gesamten Vergabeunterlagen sichten, um sich die Eignungsanforderungen und die zu erbringenden Nachweise zu erschließen, wird dies weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der vorgenannten Vorschrift gerecht. Insbesondere ausländischen Bietern, deren Mitarbeiter unter Umständen nur eingeschränkt der deutschen Sprache mächtig sind, ist es nicht zumutbar, umfangreiche Unterlagen durcharbeiten zu müssen, um zu erfahren, ob die Ausschreibung für Sie infrage kommt.

Den Anforderungen genügt nur ein unmittelbarer Link auf das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung, aus denen sich die Eignungsanforderungen ergeben, so dass am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem Formblatt gelangen können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011 – Verg 60/11; Kadenbach in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 122 GWB, Rn. 66, m. w. N.; Opitz in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 122 GWB, Nr. 98, m. w. N.). Die bloße Verweisung in der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen oder auf „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ erfüllt diesen Zweck nicht und ist unzulässig. Ebenso wenig genügt ein Link auf die Vergabeunterlagen als Ganzes.

Vorliegend hatte der Antragsgegner für den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit in der Bekanntmachung unter Ziffer III.1.2) festgelegt:

„- Nachweis der Eignung durch Angaben, die mit dem Angebot einzureichen sind:

Angabe des Umsatzes des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit er Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind unter Einschluss des Anteils bei gemeinsam mit anderen Unternehmen ausgeführten Aufträgen o […] o Näheres ist den Vergabeunterlagen zu entnehmen.

– Möglicherweise geforderte Mindeststandards:

Mindestjahresumsatz des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahre gemäß der Vergabeunterlagen.“
(…)

Die konkret geforderten Mindestumsätze hat der Antragsgegner erst in den Vergabeunterlagen im Formblatt Eigenerklärung zur Eignung benannt. Dort wird unter Ziffer 3. Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der geforderte Mindestjahresumsatz des Unternehmens mit … Euro beziffert. Der geforderte Mindestjahresumsatz in dem Tätigkeitsbereich des Auftrages beträgt demnach … Euro.

Eine unmittelbare Verlinkung auf die Vergabeunterlagen geschweige denn auf das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung enthielt die Bekanntmachung nicht.

Der Antragsgegner hat diesen Mangel im Rahmen des Nachprüfungsverfahren damit begründet, dass eine Verlinkung, wie sie etwa im von der Antragstellerin beigefügten Beispiel der … vorgenommen wurde, ihm aus technischen Gründen mit der Plattform in der Version, wie sie ihm zur Verfügung steht, nicht möglich ist. Technische Probleme mit der für das Vergabeverfahren genutzten Plattform liegen jedoch allein in der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers als Verwender und befreien ihn daher in keiner Weise von der Pflicht zur Bekanntmachung der Eignungskriterien und -nachweise. Zu Recht hat die Antragstellerin zudem darauf hingewiesen, dass auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes der Antragsgegner die zur Verfügung stehenden Zeilen im Bekanntmachungsformular nicht ausgenutzt hat. Es hätten somit durchaus mehr Angaben aufgeführt werden können.

Die mangelnde Bekanntmachung der Mindestumsätze hat vorliegend zur Folge, dass der Antragsgegner diese nicht im Rahmen der Eignungsprüfung berücksichtigen durfte. Er war vielmehr gehalten, die Eignungsprüfung allein anhand der bekannt gemachten Eignungskriterien und -nachweise durchzuführen.

b. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auf die entsprechende Rüge der Antragstellerin vom 09.08.2022 erneut in die Eignungsprüfung eingetreten ist und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot keine Angaben und Nachweise zu mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbaren Leistungen gemacht und vorgelegt hat. Der Antragsgegner hatte für den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit in der Bekanntmachung unter Ziffer III.1.2) festgelegt:

„Angabe des Umsatzes des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit er Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind unter Einschluss des Anteils bei gemeinsam mit anderen Unternehmen ausgeführten Aufträgen“

Für den Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit hat der Antragsgegner unter Ziffer III.1.3) der Bekanntmachung gefordert:

„Angabe über die Ausführung von Leistungen, die im Wesentlichen in den letzten 10 Jahren erbracht worden und mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind“

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Prüfung der Eignung eines Bieters grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der der Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Das gilt namentlich für die Überprüfung von Referenzen und die Beurteilung von deren Vergleichbarkeit (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 – Verg 14/10; OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 – Verg 23/12; Müller-Wrede/Schwabe, VOL, 4. Aufl., § 15 EG, Rn. 62).

0Der Auftraggeber ist aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2014 – 11 Verg 1/14).

Die Überprüfung der Vergleichbarkeit durch die Nachprüfungsinstanzen ist darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist, allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben. Referenzen müssen aber nicht mit dem Ausschreibungsgegenstand identisch sein. Vielmehr wäre es im Hinblick auf den Wettbewerbsgrundsatz nicht mehr hinnehmbar, wenn der Auftraggeber die Angabe identischer Leistungen verlangen würde. Vergleichbarkeit erfordert nicht die Angabe einer identischen Leistung. Es genügt vielmehr, wenn die Referenzleistungen dem zu vergebenden Auftrag nahekommen (vgl. OLG Frankfurt a. Main, Beschluss vom 24.10.2006 – 11 Verg 8/06 = NZBau 2007, S. 468 ff., 469). Dafür müssen die Referenzen aber einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf den zu vergebenden Auftrag eröffnen (vgl. Müller-Wrede, VOL/A, 4. Auflage, § 7 EG, Rn. 58, m. w. N.). Es reicht – grundsätzlich – aus, wenn sie ihm nahekommen oder ähneln und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen (vgl. VK Bund, Beschluss vom 30.05.2017 – VK 2-46/17, zitiert nach ibr-online). Der Auftraggeber ist aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden und darf hiervon nicht nachträglich zugunsten einzelner Bieter abweichen, indem er bei der Eignungsprüfung oder der Wertung von Teilnahmeanträgen an die Eignung höhere oder geringere als die allgemein bekannt gemachten Anforderungen stellt. Fordert er ausdrücklich Referenzen über Aufträge „vergleichbarer Art und Größe“, so darf er wegen des Gebots der Gleichbehandlung und der Transparenz nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2014 – 11 Verg 1/14; OLG Koblenz, Beschluss vom 13.06.2012 – 1 Verg 2/12; KG, Beschluss vom 21.02.2009 – 2 Verg 11/09 – jeweils zitiert nach ibr-online). Die ausgeschriebene Leistung muss den Referenzaufträgen soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 – Verg 23/12).

Werden in der Bekanntmachung Referenzen über „vergleichbare“ Aufträge gefordert, darf der Auftraggeber bei der Bewertung der Referenzen aber keinen zu engen Maßstab anlegen (vgl. OLG Gelle, Beschluss vom 03.07.2018 – 13 Verg 8/17 – zitiert nach ibr-online).

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist die Prüfung und Bewertung der von der Antragstellerin beigebrachten Referenzen nicht zu beanstanden. Da die Antragstellerin mit ihrem Angebotsschreiben vom 01.06.2022 darauf hingewiesen hat, dass sie präqualifiziert ist und im Präqualifikationsverzeichnis des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen eingetragen ist, unter Angabe der entsprechenden PQ-Nummern, hat der Antragsgegner die Eignungsprüfung zu Recht anhand der von der Antragstellerin dort hinterlegten Angaben und Referenzen durchgeführt. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22 (zitiert nach ibr-online) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis dem Bieter lediglich die Führung der Eignungsnachweise erleichtert. Sie enthebt ihn aber nicht davon, seine technische und berufliche Leistungsfähigkeit durch die in der Bekanntmachung nach Art und Umfang mit den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbaren Referenzen nachzuweisen. Hat ein Bieter – wie im vorliegenden Fall – mit seinem Angebot auf seine Qualifikation hingewiesen, so hat der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung nicht nur die Möglichkeit, die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise auf Vergleichbarkeit mit den von ihm geforderten Eignungsnachweisen prüfen zu können, sondern er ist hierzu auch verpflichtet. Dabei gelten zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die inhaltlichen Anforderungen an die Eignungsnachweise für alle Bieter, gleichgültig, ob diese präqualifiziert sind oder nicht. Reichen wiederum die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen im konkreten Fall nicht aus, so darf der öffentliche Auftraggeber weitere als die über das Präqualifikationsverzeichnis vorgelegte, aber inhaltlich unzureichende Referenzen nicht nachfordern.

Zur Überprüfung der von der Antragstellerin im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben und Eignungsnachweise durch den Antragsgegner im Einzelnen:

– Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit:

Die geschätzte Auftragssumme der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung beträgt ausweislich der Bekanntmachung … Euro. Die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Jahresumsätze der Antragstellerin betrugen in 2018 … Euro, in 2019 … Euro und in 2020 … Euro. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die ausgeschriebene Baumaßnahme über mehrere Jahre erstreckt, sind die von der Antragstellerin im Qualifikationsverzeichnis hinterlegten Jahresumsätze nicht mit der geschätzten Auftragssumme vergleichbar. Damit konnte die Antragstellerin auch bei der gebotenen Außerachtlassung der geforderten Mindestumsätze die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen nicht nachweisen.

– Technische Leistungsfähigkeit:

Der Antragsgegner hat im Hinblick auf den Maßstab für die Vergleichbarkeit der hinterlegten Referenzleistungen mit der ausgeschriebenen Leistung zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bereits aus den Ausführungen unter II.2.4 ergibt, dass der Neu- und Rückbau einer Behelfsbrücke in Stahl-/Stahlverbundbauweise in einer Länge von … m (… m inklusive Fangedämme) zu erfolgen hat. Weiterhin ist der Rückbau des Bestandsbauwerks (Stahlbetonbauweise mit quer- und längsvorgespanntem Holzkastenquerschnitt) durchzuführen sowie der Neubau des Tunnels mit einer Länge von … m. Hinzu kommen der Umbau des Bestandstrogs, die Herstellung von Verkehrsanlagen (bauzeitlich und im Endzustand), Erdbauarbeiten (Dammverbreiterung) sowie der Hinweis, dass Arbeiten innerhalb eines Landschafts- und Hochwasserschutzgebietes stattfinden. Für die beim PQ-Verein hinterlegten Referenzen konnte der Antragsgegner danach die Vergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Maßnahme nicht positiv feststellen. Die Antragstellerin hatte im PQ-Verzeichnis insgesamt sieben Referenzen hinterlegt.

Der Auftraggeber hat festgestellt, dass von diesen Referenzen alle für Einzelleistungen im Leistungsbereich „311_01 Betonarbeiten“ gültig sind. Davon seien 4 Referenzen (laufende Nrn. 2, 3, 4 und 7) für komplett Leistungen im Leistungsbereich „613_01 umfassende Bauleistung für Brücken, Tunnel, Schächte und Unterführungen“ hinterlegt. Der Antragsgegner ist aus nachfolgenden Gründen zu dem Schluss gelangt, dass diese Referenzen mit den wesentlichen Leistungen des ausgeschriebenen Auftrags nicht vergleichbar sind:

– Ausgeschriebene Leistung Ausführungsplanung:

Die hinterlegten Referenzen enthalten nach den Feststellungen des Antragsgegners die technische Bearbeitung für den Ersatzneubau einer Geh- und Radwegbrücke mit einem Überbau aus Aluminium oder mit einem Überbau aus faserverstärktem Kunststoff (GFK) sowie für den Neubau zweier einfeldriger Brücken aus Spannbeton. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass diese Projekte weder vom Umfang noch von der technischen Komplexität mit dem Ausschreibungsgegenstand vergleichbar sind. Die technische Bearbeitung wurde daher nicht als vergleichbare Leistung für die Ausführungsplanung der geforderten Bereiche (Neu- und Rückbau einer mehrfeldrigen Stahlverbundbrücke, Abbruch einer Spannbetonbrücke (Hoch straße), Neubau eines Tunnels inklusive Verbau, Umbau eines Bestandstrogs) bewertet.

– Neubau einer Stahlverbundbrücke inklusive Fangedämme:

Bei den von der Antragstellerin hinterlegten Referenzen handelte sich nach Feststellung des Antragsgegners um den Neubau der Geh- und Radwegbrücke aus Aluminium bzw. faserverstärktem Kunststoff sowie um den Neubau einer Spannbeton Brücke mit maximal 3 Brückenfeldern. Beide aufgeführten Projekte enthalten keine Stahlverbundbauwerke und wurden daher vom Antragsgegner als eine nicht vergleichbare Leistung in Bezug zum Ausschreibungsgegenstand bewertet.

– Abbruch einer Brücke aus Spannbeton (Hochstraße):

Die Referenzen der Antragstellerin beinhalten zum einen den Abbruch von Abstellflächen aus Stahlbeton an einem Flugplatz und zum anderen den Abbruch einer Geh- und Radwegbrücke aus Holz. Beide genannten Abbruchmaßnahmen sind mit dem ausgeschriebenen Abbruch der bestehenden Hoch straße über 16 Felder aus Spannbeton mit externer Vorspannung als Verstärkungsmaßnahme im innerstädtischen Raum weder bezüglich der Komplexität noch technisch vergleichbar.

– Tunnelbau in offener Bauweise mit Tunnelverbau (Schlitzwand, verankerte Unterwasserbetonsohle, Bohrpfahlwand, DS-Sohle):

Die von der Antragstellerin hinterlegte Referenz zum Neubau „…“ umfasst unter anderem den Neubau von Schlitzwänden sowie die Herstellung einer verankerten Unterwasserbetonsohle und erfüllt nach den Feststellungen des Antragsgegners die Anforderungen daher in Teilbereichen. Es liegen jedoch keine Referenzen über den Neubau eines Tunnels insbesondere in der ausgeschriebenen Länge oder unter vergleichbaren Randbedingungen sowie über die Herstellung von Betonfall wenden oder einer DS-Sohle vor.

– Umbau des Bestandstroges der … (insbesondere Herstellung Bohrpfähle, DS-Sohle und DS-Wand):

Diesbezüglich umfasst die von der Antragstellerin hinterlegte Referenz zum Neubau „…“ zwar den Neubau von Schlitzwänden sowie die Herstellung einer verankerten Unterwasserbetonsohle. Die Antragstellerin hatte jedoch im PQ-Verzeichnis keine Referenzen über den Umbau eines Bestandstroges oder den Neubau einer DSSohle, DS-Wand und Bohrpfahlwand hinterlegt, die mit den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar wären.

– Umbau der Verkehrsanlage (insbesondere …):

Diesbezüglich hat die Antragstellerin keine Referenzen im PQ-Verzeichnis über den Umbau einer Bestands straße bzw. von Verkehrsanlagen (z. B. Umbau einer Ortsdurchfahrt o. ä.) vorgelegt.

Der Antragsgegner hat somit nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Antragstellerin im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen keine Leistungen betreffen, die vom Umfang und von den Anforderungen mit den verfahrensgegenständlichen, ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar wären.

c. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sie es vorliegend versäumt, mit dem Angebot ihre Eignung im Wege der Berufung auf Referenzen von Nachunternehmern im Rahmen einer Eignungsleihe darzulegen.

Gemäß § 6d EU Abs. 1 VOB/A kann sich ein Bewerber oder Bieter zum Nachweis seiner Eignung auf andere Unternehmen stützen – ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Verbindungen (Eignungsleihe). In diesem Fall weist er dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nach, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen werden, indem er die diesbezüglichen verpflichtenden Zusagen dieser Unternehmen vorlegt.

Der Antragsgegner hatte in den Vergabeunterlagen festgelegt, welche Angaben die Bieter für den Fall einer Eignungsleihe sowie für den normalen Nachunternehmereinsatz mit dem Angebot und ggf. auf gesondertes Anfordern machen mussten, und die entsprechen Formblätter beigefügt.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat er festgelegt:

„C) Anlagen, die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen sind:



– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung

– HVA B-StB Unterauftrag-/Nachunternehmerleistungen

– HVA B-StB Erklärung Bieter-/Arbeitsgemeinschaft

– HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit

– HVA B-StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Eignungsleihe …

D) Anlagen, die ausgefüllt auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind:

– HVA B-StB Verpflichtungserklärung

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung für alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung

– Anlage 2 zur Eigenerklärung Eignung_Formblatt Referenzen“


Unter Ziffer 3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat der Antragsgegner zudem zu den Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind (3.1) auf den Vordruck HVA B-StB Vorzulegende Unterlagen (Abschnitt 1: „Mit dem Angebot vorzulegen“), und den Unterlagen, die auf gesondertes Verlangen vorzulegen sind (3.4), auf den Vordruck HVA B-StB Vorzulegende Unterlagen (Abschnitt 3: „Auf gesondertes Verlangen vorzulegen“) verwiesen.

Dort heißt es unter Abschnitt 1:

„Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben sind

Mit der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte Vordrucke / Formblätter …

– HVA B-StB Unterauftrag-/ Nachunternehmerleistungen […]

– HVA B-StB Erklärung Bieter-/ Arbeitsgemeinschaft […] Unternehmensbezogene Unterlagen

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung

– HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit

– HVA B-StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“


Unter Abschnitt 3 Unterlagen, die auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind, heißt es:

„Mit der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte Vordrucke / Formblätter

– HVA B-StB Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen (nur bei EU-Verfahren)

– HVA B-StB Eigenerklärung zur Eignung für alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (falls keine PQ-Nummer vorhanden bzw. die PQ-Qualifizierung nicht einschlägig ist), alternativ Einheitliche Europäische Eigenerklärung Unternehmensbezogene Unterlagen für Bieter und alle Unterauftrag-/Nachunternehmer (Bestätigungen der Eigenerklärungen)

– Referenznachweise mit den im Formblatt Eigenerklärung zur Eignung genannten Angaben (Angabe zu Referenzen zur technischen Eignung gemäß Anlage 2 zur Eigenerklärung_Formular Referenzen)“


Die Antragstellerin hat vorliegend ausweislich ihres mit der Vergabeakte vorliegenden Angebotes im Formblatt Angebotsschreiben unter „Anlagen, die der Angebotswertung dienen, ohne Vertragsbestandteil zu werden“ die Hinweise auf die Formblätter „HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ und „HVA StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ nicht angekreuzt.

Sie hat in der Folge gleichwohl diese Vordrucke – mit ihrem Firmenstempel versehen – ihrem Angebot beigefügt, aber nicht ausgefüllt.

Diese Versäumnisse der Antragstellerin sind unstreitig.

Die Antragstellerin vertritt aber gleichwohl die Auffassung, dass der Antragsgegner erkennen musste, dass das Angebot der Antragstellerin unter Einschluss einer Eignungsleihe unterbreitet wurde. Sie verweist darauf, dass sie nicht einfach nur hinsichtlich der Eignungsnachweise auf ihre Präqualifikation verwiesen habe, sondern vor allen Dingen bereits mit Angebotsabgabe die Anlage 2 zur Eigenerklärung Technische Leistungsfähigkeit – Formblatt Referenzen, eine Excel-Tabelle, vollständig ausgefüllt habe – jeweils aufgeschlüsselt für jede Referenzkategorie und den jeweils benannten Referenzinhaber. Dabei habe es sich für die einzelnen Maßnahmen nicht allein um die Antragstellerin selbst, sondern ausdrücklich auch um dritte Unternehmen gehandelt, die eben als Referenzgeber benannt worden seien. Dies sieht sie als die eigentliche „Fleißarbeit“ bei der Erstellung des Angebotes an und als deutlichen Hinweis darauf, dass vorliegend eine Eignungsleihe gewollt war. Der Verweis auf die Präqualifikation, den die Antragstellerin handschriftlich auf Seite 1 unter I. vorgenommen hat, habe lediglich dazu gedient, dass dort weitere Angaben, die der Antragsgegner hinsichtlich der Eignung gefordert hatte, hinterlegt sind.

Dies hätte nach Auffassung der Antragstellerin vom Auftraggeber berücksichtigt werden müssen oder zumindest zum Gegenstand einer Aufklärung seitens des Auftraggebers gemacht werden müssen, wenn es für ihn nicht eindeutig gewesen sei.

Der Antragsgegner hat demgegenüber erklärt, dass das Angebot der Antragstellerin für ihn eindeutig, daher auch nicht auslegungsfähig gewesen sei, denn ein leeres Formblatt „Eignungsleihe“ und ein damit korrespondierendes Nichtankreuzen der entsprechenden Verweise im Formblatt Angebotsschreiben könne nur dahin gehend verstanden werden, dass eine solche gerade nicht vorgesehen sei. Daran ändere auch das Einreichen von Verpflichtungserklärungen vorgesehener Nachunternehmer nichts, wenn die Antragstellerin in dem Formblatt zur Eignungsleihe keinerlei Eintragungen vorgenommen habe. Die Antragstellerin sei verpflichtet gewesen, ausdrücklich im Angebot geltend zu machen, dass sie sich zusätzlich zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen möchte.

Die Antragstellerin hält dem entgegen, dass diese Tabelle, Anlage 2, nur Sinn mache, wenn man Referenzen angibt, die entweder den Bieter selbst oder die Eignungsleiher betreffen, andernfalls hätte man dies nicht für dritte Unternehmen auflisten müssen, da es keinen Anlass gebe, für normale Nachunternehmer Referenzen beizufügen.

Im Streit steht der Erklärungsgehalt der Anlage 1 zur Eigenerklärung Eignung, Anforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit. Dort heißt es auf Seite 6:

„Die Referenzen können von folgenden Beteiligten beigebracht werden: dem Bieter, einem Mitglied der Bietergemeinschaft. Für Leistungen, die nicht durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft erbracht werden müssen, dürfen Referenzen von folgenden Beteiligten beigebracht werden: einem benannten Nachunternehmer, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, einem verbundenen Unternehmen, das eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat.“

Die Antragstellerin liest diese Voraussetzungen so, dass die benannten Nachunternehmer, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben, und ein verbundenes Unternehmen, das eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, nur dann Sinn machen, wenn sie im Wege der Eignungsleihe vom Bieter hinzugezogen werden. Die Anlage differenziere nicht zwischen normalen Nachunternehmern und solchen, die im Wege der Eignungsleihe zu berücksichtigen sind. Im Zusammenhang damit, dass dann auf die Excel-Tabelle (Anlage 2) verwiesen werde, konnte das aus Sicht des Bieters nur so zu deuten sein, dass hier (nur) dann dritte Unternehmen aufzuführen seien und als entsprechende Referenzgeber zu benennen waren, wenn diese im Wege der Eignungsleihe zu berücksichtigen waren.

Der Antragsgegner vertritt demgegenüber die Auffassung, dass dann, wenn die entsprechenden Formblätter HVA B-StB Eignungsleihe Wirtschaftliche und Finanzielle Leistungsfähigkeit sowie Technische und Berufliche Leistungsfähigkeit nicht ausgefüllt waren, sich daraus eben nicht ergab, dass hier der Nachunternehmer zugleich als Eignungsleiher berücksichtigt werden sollte. Von daher geht der Antragsgegner davon aus, dass er keinen Anlass hatte zu bezweifeln, dass vorliegend das Angebot der Antragstellerin als Einzelbieter abgegeben wurde und dass Referenzen Dritter bei der Eignungsprüfung nicht zu berücksichtigen waren.

Für die Auffassung des Antragsgegners, dass er aufgrund der von der Antragstellerin bereits mit Angebotsabgabe beigefügten, ausgefüllten Referenzliste (Anlage 2 zur Eigenerklärung) und der ebenfalls beigefügten Verpflichtungserklärungen für die X GmbH und die Y AG nicht davon ausgehen musste, dass die Antragstellerin sich zum Nachweis ihrer Eignung auf eine Eignungsleihe stützt, spricht jedoch nach Auffassung der Vergabekammer, dass die Anlage 2 wie auch die Vordrucke zur Verpflichtungserklärung nach den Festlegungen in der Vergabeakte ausdrücklich nicht nur für Eignungsleiher, sondern auch für „normale“ Nachunternehmer vorzulegen waren, aber eben nicht mit Angebotsabgabe, sondern erst auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle. Dieses vom Antragsgegner festgelegte Procedere trägt auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung, der in einer Entscheidung vom 10.06.2008 – X ZR 78/07 (= VergabeR 5/2008, S. 782 ff.) – ausgeführt hat, dass es zwar ausdrücklich zumutbar ist, dass die Bieter bereits in ihrem Angebot Auskunft darüber geben müssen, ob für bestimmte Leistungsteile die Einschaltung eines Nachunternehmers vorgesehen ist. Demgegenüber hat der BGH aber die Zumutbarkeit bereits einer verbindlichen Benennung der Nachunternehmer diesem Stadium des Verfahrens infrage gestellt. Um dazu wahrheitsgemäße Erklärungen abgeben zu können, so der BGH, müssten sich die Bieter die Ausführung der fraglichen Leistungen von jeweils ins Auge gefassten Nachunternehmen bindend zusagen lassen. Angesichts des Umstandes, dass der Zuschlag nur auf ein Angebot ergehen könne, stehe die mit dieser Handhabung verbundene Belastung in der Regel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen für die Auftraggeber, da diese dadurch lediglich den zusätzlichen organisatorischen und zeitlichen Aufwand ersparten, die vorgesehenen Nachunternehmer zu gegebener Zeit nach Angebotsöffnung von einem engeren Kreis an Bietern zu erfragen (Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 7. Aufl. 2020, VOB/A § 16 A, Rn. 13). Der Auftraggeber ist nur dann regelmäßig nicht gehindert, die Vorlage der Verfügbarkeitsnachweise schon mit dem Angebot zu verlangen, wenn er dafür ein berechtigtes und anerkennenswertes Interesse hat, wie zum Beispiel bei der Notwendigkeit einer speziellen Qualifikation (OLG Celle, Beschluss vom 02.10.2008 – 13 Verg 4/08 = Vergaberecht 2009, S. 77 = NZBau 2009, S. 58).

Die Eignungsleihe nach § 6d EU VOB/A 2019 ist vom „normalen“ Nachunternehmereinsatz nach § 36 VgV zu unterscheiden. Im Rahmen der Eignungsleihe bedient sich ein Bieter der Kapazitäten dritter Unternehmen, um seine für die Ausschreibung geforderte Eignung nachzuweisen. Unterauftragsvergabe bedeutet, dass ein Unternehmen ein drittes Unternehmen mit der Ausführung des gesamten Auftrags oder von Teilen davon betraut.

Der Bieter hat im Angebot ausdrücklich oder zumindest konkludent, aber vom Empfängerhorizont her unmissverständlich geltend zu machen, dass er sich zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen will (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 24.11.2021 – 1/SVK/032-21, zitiert nach ibr-online).

Die Aufklärungsmöglichkeit des § 15 EU Abs. 1 VOB/A erfordert aber, dass (überhaupt) ein klärungsbedürftiger Sachverhalt mit dem Angebot vorgelegt wird, da die Aufklärung anderenfalls zu einer unzulässigen Angebotsänderung führen würde. § 15 EU Abs. 1 VOB/A muss daher als eng auszulegende Ausnahmevorschrift angesehen werden, deren inhaltliche Reichweite folglich nur in einer klarstellenden Auslegung bzw. ergänzenden Information zum bereits vorgelegten Angebot gesehen werden darf (VK Sachsen, a. a. O.).

Vorliegend hat die Antragstellerin ausweislich ihres mit der Vergabeakte vorliegenden Angebotes nicht nur versäumt, im Formblatt Angebotsschreiben unter „Anlagen, die der Angebotswertung dienen, ohne Vertragsbestandteil zu werden“ die Hinweise auf die Formblätter „HVA B-StB Eignungsleihe technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ und „HVA StB Eignungsleihe wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ anzukreuzen. Sie hat zudem – damit korrespondierend – diese Vordrucke zwar mit ihrem Firmenstempel versehen, aber ihrem Angebot nur unausgefüllt beigefügt. Ein Widerspruch zwischen den diesbezüglichen Erklärungen der Antragstellerin im Angebotsanschreiben und in den Vordrucken, der Anlass zu Zweifeln hätte geben können, liegt somit aus dem Empfängerhorizont des Antragsgegners nicht vor.

Der Antragsgegner hatte daher keinen Anlass, in eine Angebotsaufklärung gemäß § 15 EU Abs. 1 VOB/A einzutreten.

d. Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner gemäß § 6d EU Abs. 4 VOB/A und § 47 Abs. 5 VgV für bestimmte Teilleistungen – Beton- und Stahlbetonarbeiten – die Selbstausführung gefordert hat. Der Antragsgegner hat diese Teilleistungen auch gemäß § 128 Abs. 2 GWB als besondere Ausführungsbedingungen in den Vergabeunterlagen wirksam zur Selbstausführung bestimmt. Diese Vorgabe beschränkt sich nicht auf Angebote von Bietergemeinschaften, sondern gilt ebenso für Einzelbieter und damit auch für die Antragstellerin.

Der Antragsgegner hat die Selbstausführung für die Hauptleistungen aus zwei von sechs Leistungseinheiten gefordert. In der Anlage 1 zur Eigenerklärung zur Eignung auf Seite 5 hat er das Selbstausführungsgebot wie folgt festgelegt:

„Die Hauptleistungen aus den Losen 1 – Behelfsbauwerk (Stahlverbundbrücke inkl. Gründung) und 3 – Tunnel (Baugrubenverbau und Tunnelbau) sind zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen. Für alle weiteren Leistungen ist die Eignungsleihe gemäß Vorgaben aus der HVA-B zulässig (s.u.).“

Die Antragstellerin hat die Vorgabe des Selbstausführungsgebots als unzulässig beanstandet. Ein solches könne nur ausnahmsweise für „bestimmte kritische Aufgaben“ bei einem durch den konkreten Einzelfall veranlassten berechtigten Interesse vorgeschrieben werden. Dies könne allerdings nicht pauschal für wesentliche Teile der Leistung, wie hier für die Hauptleistungen von Los 1 und Los 3, vorgeschrieben werden. Eine Beschränkung des Einsatzes von Nachunternehmen müsse tatsächlich erforderlich sein, um das damit verfolgte Ziel einer ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags zu erreichen. Dabei könne die Gesamtvergabe mehrerer Lose kein Argument sein, einzelne Lose nun als „bestimmte kritische Aufgaben“ eines Gesamtauftrages anzusehen. Es sei nicht ersichtlich, warum diese Leistungen, die Standardbauverfahren verlangen, die aus vielen einzelnen Teilleistungen bestehen würden, alle als kritisch anzusehen seien.

Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass es den Bietern grundsätzlich frei steht zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Unterauftragnehmer im Auftragsfall einsetzen wollen. Das Vergaberecht kennt – im Grundsatz – kein Selbstausführungsgebot oder Fremdausführungsverbot des Bieters (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.2008 – Verg 51/08; Liebschwager in: Beck’scher Vergaberechts Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 36 VgV, Rn. 9). Solange der Bieter nachweisen kann, dass der Unterauftragnehmer die Leistungen im Zuschlagsfall übernimmt, darf er sich auf die Kapazitäten des Unterauftragnehmers stützen. Die Möglichkeit der Unterauftragnehmer soll für einen umfassenden Wettbewerb sorgen und auch kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen eröffnen (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – Rs. C-324/14 = NZBau 2016, Seite 373 ff., 374). Demgemäß darf der öffentliche Auftraggeber im Grundsatz auch keine Bedingungen vorgeben, die den Einsatz von Unterauftragnehmern einschränken (EuGH, ebenda).

Diese vorgenannten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nicht uneingeschränkt. Liegen im Einzelfall außergewöhnliche Umstände vor, so dass die Zusammenfassung von Kapazitäten nicht den Anforderungen des Auftrags genügt und sich damit nicht für eine Übertragung auf einen Unterauftragnehmer eignet, kann eine Unterauftragsvergabe unzulässig sein (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – Rs. C-324/14 = NZBau 2016, Seite 373 ff., 375).

Im Zuge der Vergaberechtsreformen im April 2016 hat der Bundesgesetzgeber daher mit der Regelung des § 47 Abs. 5 VgV und in der Folge auch der Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) in § 6d EU Abs. 4 VOB/A für bestimmte Ausnahmefälle ein Selbstausführungsgebot eingeführt. Bei diesem Gebot handelt es sich um Ausführungsbestimmungen i. S. d. § 128 Abs. 2 GWB, die nicht in der Bekanntmachung benannt werden müssen, sondern auch in den Vergabeunterlagen benannt werden dürfen. Danach kann der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungs- oder Bauaufträgen direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen. Diese für den Fall des Unterauftragnehmereinsatzes zum Zwecke der Eignungsleihe formulierte Ausnahme geht allerdings schon vom Wortlaut her davon aus, dass „nur bestimmte kritische Aufgaben“, nicht aber ein kompletter Auftrag dem Selbstausführungsgebot unterworfen werden dürfen. Unklar bleibt darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der RL 2014/24/EU bzw. der Gesetzesbegründung zu § 47 VgV, was eine „kritische Aufgabe“ ist. Mit Blick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis muss der Begriff der „kritischen Aufgabe“ zwar grundsätzlich eng ausgelegt werden. Bei der Qualifizierung einer Aufgabe als „kritisch“ steht dem Auftraggeber aber in Beachtung vor allem der Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Wettbewerbs ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der einer Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich ist (Schranner in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl., § 6e EU VOB/A, Rn. 11).

Vom öffentlichen Auftraggeber ist zudem zu verlangen, dass er die Gründe, warum eine bestimmte Aufgabe über das übliche Maß bei entsprechenden Aufgaben hinaus besonders kritisch ist, herausarbeitet und entsprechend in der Vergabeakte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise dokumentiert (Hausmann/Kern in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 47 VgV, Rn. 5; Mager in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 47 VgV, Rn. 48).

Die in der Vergabeakte dokumentierten Gründe des Antragsgegners für das Selbstausführungsgebot genügen diesen hohen Anforderungen. Der Antragsgegner hat in einem Vermerk „VE1 – Anforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit: Selbstausführungsgebot kritischer Leistungen (LE1/LE3)“ vom 03.01.2022 auf 4 Seiten ausführlich dargelegt, warum er die LE1 (Stahlverbundbrücke inklusive Gründung) und LE3 (Baugrubenverbau und Tunnelbau) im Sinne des § 6d Abs. 4 EU VOB/A als kritische Aufgaben bewertet. Er hat verkehrliche und volkswirtschaftliche Gründe, technische Gründe und Gründe der Qualitätssicherung durch Vermeidung der Beteiligung eines fachfremden Generalunternehmers angeführt.

Als verkehrliche und volkswirtschaftliche Gründe hat der Antragsgegner insbesondere angeführt, dass das Bauwerk über die … eine Restnutzungsdauer bis Ende 2023 habe. Infolge von Verzögerungen im Planfeststellungsverfahren könne der ursprüngliche Fertigstellungs- und Inbetriebnahmetermin des Behelfsbauwerks (Ende 2023) nicht mehr gehalten werden. Derzeit werde von einer Überschreitung der Restnutzungsdauer bis April 2024 ausgegangen. Sollte das Hilfsbauwerk bis zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt werden, komme es zu einer immer weiteren und starken Steigerung des Risikos von erforderlich werdenden Kompensationsmaßnahmen in Form von (Teil-) Sperrungen des Bauwerks, woraus sich unmittelbar verkehrlich unhaltbare Zustände im städtischen Straßennetz ergeben bzw. verlängern würden. In einer Untersuchung seien für den Fall der Sperrung des … ein volkswirtschaftlicher Mehraufwand durch vermeidbare Reisezeiterhöhungen und zusätzlichen Betriebskosten der Fahrzeuge von … Euro/Jahr (Stand 2017) ermittelt worden. Eine Verzögerung der Inbetriebnahme des Behelfsbauwerks um einen Monat führe damit zu einem volkswirtschaftlichen Schaden von ca. … Euro/Monat.

Als technische Gründe hat der Antragsgegner in dem Vermerk unter anderem angeführt, dass aufgrund der innerstädtischen Lage und den somit sehr beengten Platzverhältnissen ein Teil des Behelfsbauwerkes direkt neben dem derzeitigen Bestandsbauwerk auf der Verbauwand der späteren Tunnelbaugrube gegründet wird. Behelfsbauwerk und Baugrubenverbau könnten aus statischer Sicht sowie im Hinblick auf die Herstellung und Gewährleistung einer dichten Baugrube nicht voneinander getrennt werden. Insgesamt würden sich starke räumliche, statische sowie zeitliche Wechselwirkungen insbesondere zwischen den beiden Leistungseinheiten LE1 (Behelfsbauwerk) und LE3 (Tunnel, Verbau) und den weiteren Leistungseinheiten innerhalb der VE1, aber auch zu den weiteren (Bau-) Vergabeeinheiten ergeben. Infolge statischer Abhängigkeiten sowie komplexen Zusammenhängen, Abhängigkeiten und Auswirkungen der LE3 auf die LE1 und weil der Tunnel Kern der Maßnahme sei, stellten auch die Leistungen der LE3 (Baugrubenverbau und Tunnelbau) kritische Leistungen dar. Infolgedessen habe der Antragsgegner die Leistungseinheiten 1 und 3 als kritische Leistungen der Vergabeeinheit 1 bewertet.

Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass der vorliegende Auftragsgegenstand auch unter Berücksichtigung des strengen Ausnahmecharakters des § 6d EU Abs. 4 VOB/A ein Selbstausführungsgebot durchaus trägt. Die vertragsgegenständlichen Teilleistungen sind als besonders anspruchsvolle und durchaus kritische Aufgaben zu qualifizieren. Der Antragsgegner hat sich bei Festlegung im Rahmen des den öffentlichen Auftraggebern zukommenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums gehalten. Er hat daher zu Recht entschieden, welche kritischen Aufgaben vom Auftragnehmer selbst durchzuführen sind.

Die Antragstellerin musste entgegen ihrer Auffassung auch davon ausgehen, dass sie als Einzelbieter das Selbstausführungsgebot einhalten muss, auch wenn in der Anlage 1 zur Eigenerklärung zur Eignung auf Seite 5 von Hauptbauleistungen, die „zwingend durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu erbringen sind“, die Rede ist. Auch bei Bietergemeinschaften handelt es sich um einen Bieter, so dass selbstverständlich auch „Einzelbieter“ angesprochen sind. Dementsprechend richtet sich das Selbstausführungsgebot nach dem Wortlaut des § 6d EU Abs. 4 VOB/A ausdrücklich an den Bieter selbst und betrifft daher Einzelbieter und Bietergemeinschaften.

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 – 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der Gegenstandswert wird auf … Euro (brutto) festgelegt. Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Angebotssumme der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Gesamtsumme von … Euro ergibt sich eine Gebühr in Höhe von … Euro. Es greift daher zugunsten der Verfahrensbeteiligten die oben geschilderte Kappung auf … Euro als Höchstgebühr. Das OLG Celle hat in einem anderen Fall bei ähnlicher Komplexität diese Gebührenhöhe als angemessen angesehen (OLG Celle, Kostenbeschluss vom 19.11.2018, 13 Verg 6/18; vorhergehend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.08.2018; VgK-19/2018). Aufwand und wirtschaftliche Bedeutung des Falles sind außergewöhnlich hoch. Der Antragsgegner vergibt einen sehr komplexen und sehr umfangreichen Bauauftrag. Die gekappte Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag in der Hauptsache keinen Erfolg hatte.

Aufwendungen des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen. Der Antragsgegner war jedoch im Nachprüfungsverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, sondern durch eine eigene Justitiarin vertreten.

(…)