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VertragsMan ® Bauleistungen – Bauprozesse taktisch führen – Anforderungen an den Bauzeitenclaim

von Thomas Ax

In der VOB/B taucht nur der Begriff der Behinderung (synonym Baubehinderung) auf. Gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B ist der Auftragnehmer einer Bauleistung verpflichtet, dem Auftraggeber schriftlich eine Behinderungsanzeige einzureichen, wenn er sich in der ordnungsgemäßen Ausführung der Bauleistungen behindert glaubt. Baubehinderungen sind damit alle Bauablaufstörungen mit negativen Folgen für die Leistungserbringung des Auftragnehmers, für die die Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 VOB/B erfüllt sind. Der Begriff der Bauablaufstörung ist hingegen weiter gefasst, aber ebenfalls nicht einheitlich definiert. Bauablaufstörungen sind demnach allgemein alle im Rahmen des Controllingprozesses festgestellten Differenzen zwischen vertragsgerechten Referenz- und äquivalenten Beobachtungszuständen in der Wertschöpfung eines Bauprojektes, die auf konkrete Ursachen zurückgeführt werden. In Abgrenzung dazu lassen sich für Bauablaufschwankungen gerade keine konkreten Ursachen feststellen. Ein gestörter Bauablauf ist damit ein Oberbegriff, der alle Abweichungen vom geplanten Bausoll umfasst. Mit Urteil vom 24.02.2005 (VII ZR 141/03) hat der BGH die hohen Anforderungen an den baubetrieblichen Nachweis von Schadensersatzansprüchen nach § 6 Abs. 6 VOB/B erneut bestätigt und insbesondere auf die unterschiedlichen Beweisanforderungen an die so genannte haftungsbegründende Kausalität und die haftungsausfüllende Kausalität hingewiesen. Soweit demnach die Behinderung darin besteht, dass bestimmte Arbeiten nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden können, ist sie nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen. Der Auftragnehmer hat deshalb für die sogenannte haftungsbegründende Kausalität nach § 286 ZPO Beweis dafür zu erbringen, wie lange die konkrete Behinderung andauerte. Wir unterstützen Sie bei der Aufarbeitung in baubetrieblichen und baurechtlichen Belangen. Sprechen Sie uns gerne an.

Gestörter Bauablauf: Hohe juristische Anforderungen an die Abrechnung der Mehrkosten von Baubehinderungen

Nach § 6 Abs. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, wenn der Auftraggeber eine Behinderung der Bauausführung zu vertreten hat. Entgangener Gewinn kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit verlangt werden.

Der Auftragnehmer hat in einem Prozeß unter anderem schlüssig darzulegen, daß er durch eine Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden ist. Der Senat hat bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache darauf hingewiesen, daß es grundsätzlich nicht ausreicht, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muß vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers (Urteil vom 21. März 2002 -VII ZR 224/00, BauR 2002, 1249 = NZBau 2002, 381 = ZfBR 2002, 562).

Es besteht auch kein Anlaß, insoweit die Anforderungen an die Darlegungslast in ausdehnender Anwendung des § 287 ZPO herabzusetzen. Die Behinderung ist die Grundlage der Haftung aus § 6 Abs. 6 VOB/B. Erst ihre Beschreibung nach Art und Umfang ermöglicht eine sachgerechte Auseinandersetzung. In der Regel erlaubt nur die genaue Darstellung einer Behinderung die Beurteilung, inwieweit eine Anzeige nach § 6 Abs. 1 VOB/B erforderlich oder wegen Offenkundigkeit entbehrlich war. Denn regelmäßig läßt sich nur daraus ableiten, inwieweit der Auftraggeber informationsbedürftig war. Die Behinderungsanzeige muß die Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit die Gründe der Behinderung ergeben. Der Auftragnehmer hat die Angaben zu machen, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müßten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 -VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, 35). Die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Anzeige einer Behinderung würden sinnentleert, wenn letztlich in einem Prozeß geringere Anforderungen an die Darlegung der einzelnen Behinderungen gestellt würden. Schließlich kann in aller Regel nur aufgrund einer genauen Beschreibung der Behinderung beurteilt werden, inwieweit auf sie zurückzuführende Schäden für den Auftragnehmer entstanden sind.

Diese Anforderungen an die Darlegungslast führen nicht dazu, daß der Auftragnehmer Einzelheiten darlegen muß, die zur Ausfüllung des Anspruchs aus § 6 Abs. 6 VOB/B nicht notwendig sind. Ein Sachvortrag ist dann erheblich, wenn diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 20. September 2002 -V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69; Urteil vom 21. Januar 1999 -VII ZR 398/97, BauR 1999, 648, 649 = ZfBR 1999, 194 m.w.N.). Maßgeblich ist nicht die Fülle der Details. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich aus der Darstellung des Auftragnehmers nachvollziehbar ergibt, daß und in welchem Umfang eine Pflichtverletzung eine Behinderung verursacht hat.

Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach § 287 ZPO kann der Auftragnehmer in Anspruch nehmen, soweit es um die nicht mehr dem Haftungsgrund zuzuordnenden Folgen einer Behinderung, z. B. für den weiteren Bauablauf, geht. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 2005 in der Sache VII ZR 225/03 (zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt. Darauf wird Bezug genommen.

Dagegen können die weiteren Folgen der konkreten Behinderung (haftungsausfüllende Kausalität), soweit sie nicht mehr zum Haftungsgrund gehören, sondern dem durch die Behinderung erlittenen Schaden zuzuordnen sind, nach § 287 ZPO geschätzt werden. Es kann deshalb zum Beispiel qualifiziert geschätzt werden, inwieweit eine konkrete Baubehinderung von bestimmter Dauer zu einer Verlängerung der gesamten Bauzeit geführt hat, weil sich Anschlussgewerke verzögert haben.

Ein zur Untermauerung des Anspruchs aus Baubehinderungen gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B vorgelegtes Privatgutachten ist qualifizierter Parteivortrag und deshalb vom Tatrichter vollständig zu berücksichtigen und zu würdigen.

Notwendigkeit bauablaufbezogener Darstellungen

Bereits mit Urteil vom 21.03.2002 (VII ZR 224/00) hatte der BGH die Anforderungen an die Nachweisführung von Baubehinderungen und insbesondere die notwendige Betrachtung der tatsächlichen Bauausführung wie folgt definiert: Der Auftragnehmer muss eine Baubehinderung, aus der er Schadensersatzansprüche ableitet, möglichst konkret darlegen. Dazu ist zusätzlich zur Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B in der Regel auch dann eine bauablaufbezogene Darstellung notwendig, wenn feststeht, dass die freigegebenen Ausführungspläne nicht rechtzeitig vorgelegt worden sind. Allgemeine Hinweise darauf, dass die verzögerte Lieferung freigegebener Pläne zu Bauablaufstörungen und zu dadurch bedingten Produktivitätsverlusten geführt habe, die durch Beschleunigungsmaßnahmen ausgeglichen worden seien, genügen den Anforderungen an die Darlegungslast einer Baubehinderung nicht. Sie sind auch keine geeignete Grundlage für eine Schadensschätzung.

Ein gestörter Bauablauf führt unweigerlich zu Produktivitätsverlusten, Mehrkosten und Terminverzögerungen, deren konkrete Verantwortung oft unscharf bleibt. Das Problem von Bauablaufstörungen ist daher Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten.

Gestörter Bauablauf: Auswirkungen auf die Arbeitsstunden des AN

Bauablaufstörungen zählen zu den gravierendsten Ursachen für die Nichterreichung von Projektzielen. Den betroffenen Bauunternehmen drohen nicht nur höhere Kosten durch unproduktiven zusätzlichen oder verlängerten Ressourceneinsatz, sondern unter Umständen auch geringere Erlöse durch den Abzug von Vertragsstrafe oder Schadensersatz.

Die Folge sind Mehrkosten und Terminverzögerungen, für deren Geltendmachung und Durchsetzung aber ein kausaler Nachweis von Anspruchsgrundlage und Anspruchshöhe jeder einzelnen Bauablaufstörung erforderlich ist, an dem viele Unternehmen scheitern. Nur selten entspricht daher die Kostenverteilung daher den tatsächlichen Verursachungsbeiträgen. Auswirkung des gestörten Bauablaufs auf die kalkulierten Lohnstunden.

Ein gestörter Bauablauf und dennoch Probleme mit dem Bauzeitnachtrag

Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Auswirkungen von Bauablaufstörungen. Selbst wenn die Ursache einer Bauablaufstörung von allen Projektbeteiligten gleichermaßen anerkannt wird, kommt es hinsichtlich der terminlichen und erst recht der monetären Ansprüche oft zu unterschiedlichen Beurteilungen. Oft können Fragen zur Störungsdauer, zum Einfluss auf Bauzeit und Fertigstellungstermine oder zur Schadensminderungspflicht des Auftragnehmers nicht einvernehmlich geklärt werden. Der vom BGH geforderte, einzelfallspezifische Nachweis des adäquat-kausalen Zusammenhangs zwischen Ursache und Auswirkung einzelner Behinderungen kann im Bestreitensfall von den betroffenen Bauunternehmern oft nicht in der erforderlichen Detailschärfe beigebracht werden.

Die Probleme des Bauunternehmers beruhen meist auf folgenden Ursachen:

  • Der Zusammenhang zwischen Kosten- und Ablaufplanung wird bereits bei Vertragsschluss nicht oder nicht eindeutig dokumentiert.
  • Änderungen des geplanten Bauablaufs werden inhaltlich und ursächlich nicht dargestellt.
  • Die Erfassung des tatsächlichen Bauablaufs erfolgt unvollständig oder ohne konkreten Bezug zum Ablaufplan.
  • Behinderungen werden nicht oder nicht rechtzeitig erkannt und angezeigt.
  • Es werden nur Behinderungsursachen, aber keine Behinderungsauswirkungen erfasst.
  • Auswirkungen innerbetrieblicher Bauablaufstörungen und Beschleunigungen bleiben unberücksichtigt.
  • Zur Anspruchsbegründung können im Nachhinein zwar die hindernden Umstände, nicht aber deren konkrete Auswirkungen justiziabel vorgetragen werden.