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VertragsMan ® - Rechtsprechungsreport: OLG DD zur Entziehung des VOB/B-Vertrags, wenn der Auftragnehmer einer Weisung des Auftraggebers nicht folgt, die seine geltend gemachten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigt.

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftraggeber eines VOB-Vertrags kann dem Auftragnehmer den Auftrag entziehen, wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert oder mit der Vollendung in Verzug gerät und eine gesetzte angemessene Nachfrist zur Vertragserfüllung fruchtlos abgelaufen ist. Der Auftragnehmer gerät nicht in Verzug, wenn er einer Weisung des Auftraggebers nicht folgt, die seine geltend gemachten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigt. Treuwidrig ist eine Anweisung des Auftraggebers, wenn danach die Werkleistungen auf eine gegen den Bauvertrag und gegen die Regeln der Technik verstoßende Weise erbracht werden soll, ohne dass eine Freistellung von der Gewährleistung erfolgt. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, sich einen seiner begründeten Meinung nach ernstlich drohenden Gewährleistungsfall nicht absehbaren Ausmaßes aufzwingen zu lassen. Dem Auftragnehmer steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn er dem Auftraggeber nicht nur ordnungsgemäß seine Bedenken mitgeteilt hat, sondern wenn die Prüfung dieser Bedenken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ergebnis hat, dass die vom Auftraggeber vorgesehene Art der Ausführung zum Eintritt eines erheblichen Leistungsmangels oder eines sonstigen nicht nur geringfügigen Schadens führen wird. Die Beweislast für die Treuwidrigkeit der Anweisung des Auftraggebers liegt beim Auftragnehmer. Kündigt der Auftraggeber den Bauvertrag wegen Verzugs, obwohl dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, ist die Kündigung unwirksam und – mangels Vorbehalt bzw. Klarstellung – regelmäßig als freie Kündigung des Auftraggebers auszulegen bzw. dahin umzudeuten (Anschluss an BGH, IBR 2003, 595). Im Fall der freien Kündigung eines Pauschalpreisvertrags ist für die Abrechnung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen zu unterscheiden. Der Auftragnehmer muss das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Soweit zur Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss der Auftragnehmer im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind. Kündigt der Auftraggeber den Bauvertrag „frei“, muss sich der Auftragnehmer auf seine Vergütung den Erwerb anrechnen lassen, der zweifelsfrei durch die Kündigung verursacht ist, d. h. ohne die Kündigung müsste der anderweitige Erwerb ausgeblieben sein. Als anderweitiger Verwendung der Arbeitskraft können insbesondere sog. Füllaufträge angesehen werden. Dabei handelt es sich um Aufträge, die der Auftragnehmer aufgrund der durch die Kündigung freigewordenen Kapazitäten ersatzweise angenommen hat oder die bereits vorlagen, nunmehr aber vorgezogen werden konnten, ohne dass der Auftragnehmer hierdurch einen Verlust erleidet. Das Vorziehen bereits vorliegender Aufträge führt nicht zur Anrechnung, wenn die dadurch entstehenden späteren Auftragslücken nicht ihrerseits wieder durch Folgeaufträge gefüllt werden können. Kommt der Auftragnehmer seiner (sekundären) Beweislast zum anderweitigen Erwerb nicht hinreichend nach, kann er 5 % der Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen verlangen. Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber nach Vertragsschluss auf Lücken und Unklarheiten im Leistungsverzeichnis hinzuweisen. Verletzt der Auftragnehmer seine Aufklärungspflicht schuldhaft, steht dem Auftraggeber ein Anspruch auf Ersatz des hieraus entstandenen Schadens zu. Zudem scheidet ein Annahmeverzug des Auftraggebers aus.
OLG Dresden, Urteil vom 29.06.2022 – 22 U 1689/20
vorhergehend:
LG Dresden, 16.07.2020 – 10 O 424/15


Gründe

I.

Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche aus einem von der Beklagten als Bestellerin gekündigten Vertrag über eine Fassadenreinigung. Die Klägerin macht vor allem Werklohn für nicht erbrachte Leistungen geltend, die Beklagte widerklagend als Schadensersatz die Kosten der Beauftragung eines Dritten.

Die Klägerin ist ein im Bereich von Anstreich- und Fassadenreinigungsarbeiten tätiges Unternehmen mit ca. 40 Mitarbeitern und einem durchschnittlichen Jahresumsatz von ca. 4 Mio. Euro. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs bewirbt sie sich kontinuierlich um nahezu alle ausgeschriebenen Aufträge und nimmt auch Aufträge entgegen, die ihre jeweiligen eigenen Leistungskapazitäten übersteigen würden. Eine kontinuierliche und mittelfristig vorausschauende Kapazitäts- und Leistungsplanung ist in ihrem Geschäftsbereich nicht möglich. Die Verhältnisse in der Bauwirtschaft bringen es mit sich, dass die Klägerin erst kurzfristig erkennen kann, welchen von mehreren Aufträgen sie als nächstes (teilweise) erfüllen kann und muss. Hierzu verschiebt sie ihr Personal regelmäßig zwischen den einzelnen Baustellen und Aufträgen.

Die Beklagte ist die öffentlich-rechtliche Körperschaft des Handwerks. Bei dem betroffenen Gebäude handelt es sich um das Ausbildungszentrum der Beklagten.

Die Beklagte erteilte den Auftrag zum Gesamtbrutto-Preis von 39.735,89 Euro aufgrund eines Angebots der Klägerin, dem das Leistungsverzeichnis der Beklagten zugrunde lag. Die Parteien vereinbarten eine Leistung aufgrund von Einheitspreisen. Nach Vertragsabschluss kam es zu mehreren Vertragsänderungen.

Die beauftragte Fassadenreinigung sollte die Grundlage für eine anschließende Fassadensanierung schaffen. Das betroffene Gebäude verfügte über ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) mit nicht näher bekannter Mineralwolle. Der über dem WDVS vorhandene Putz wies Schäden auf, wobei das Ausmaß dieser Schäden unter den Parteien streitig ist.

Unter Position 2.02.001 „Fassade reinigen“ war vorgesehen:

„Untergrundvorbehandlung: Verunreinigungen, Algen, Trennmittelrückstände oder Mehlkornschichten durch Druckwasserstrahlen entfernen“.

Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Art der Reinigung. Die Klägerin war der Auffassung, die ausgeschriebene und vereinbarte Reinigung mit Druckwasser (60 bar) genüge aufgrund des Verschmutzungsgrades der Wand nicht und werde wegen der im Putz vorhandenen Löcher und Risse das WDVS schädigen. Eine Reinigung müsse mit Bürsten erfolgen. Die Beklagte hielt die ausgeschriebene Leistung für geeignet, um den angestrebten Erfolg herbeizuführen. Sie wies die Klägerin an, mit höherem Wasserdruck zu arbeiten; sollten Schäden an der Fassade nachweislich dadurch entstehen, dass der vorhandene Untergrund nicht den derzeit anerkannten Regeln der Bautechnik entspreche, würden keine Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Als sich die Klägerin hierauf nicht einließ, kündigte die Beklagte den Vertrag – nach ihrer Auffassung außerordentlich, nach Auffassung der Klägerin ordentlich. Anschließend beauftragte die Beklagte einen weiteren Unternehmer mit der Fassadenreinigung. Dieser erzielte unter Anwendung der sog. „Storch-Krake“, einem auf rotierenden Hochdruck-Wasserstrahlen beruhenden Reinigungssystem, ein zufriedenstellendes Reinigungsergebnis. Anschließend führt die Beklagte plangemäß die Sanierung der Fassade durch.

Nach Vertragskündigung setzte die Klägerin ihr Personal auf anderen Baustellen ein. Weder entließ sie Personal oder versetzte sie dieses in Kurzarbeit. Leerläufe in ihrem Unternehmen entstanden ihr nicht.

Die Klägerin legte Rechnung auf der Basis des Vertrages einschließlich der bis dahin erfolgten Vertragsänderungen. Für nicht erbrachte Werkleistungen rechnete sie dabei einen Betrag von 22.054,36 Euro (Position Zusatzleistungen 03) ab, der sich als Summe aus dem Netto-Arbeitslohn von 19.467,95 Euro und dem Netto-Materialpreis von 8.501,55 Euro abzüglich des Einstandspreises der Klägerin für das Material in Höhe von 5.914,94 Euro ergibt. Als Netto-Preis für die nicht erbrachten Werkleistungen waren 27.969,30 Euro vereinbart.

Das Landgericht hat Beweis durch ein Sachverständigengutachten erhoben. Da die Reinigung bereits abgeschlossen, die Fassaden saniert und neue Anstriche angebracht waren, hat die Gerichtssachverständige als Anknüpfungstatsachen lediglich Fotos der betreffenden Wände genutzt, welche die von den Parteien jeweils beauftragten Privatgutachter angefertigt hatten. Sie war danach der Auffassung, dass die Fassade so stark vorgeschädigt gewesen sei, dass eine Reinigung mit Druckwasser nicht mehr fachgerecht gewesen wäre, weil dieses durch die bestehenden und während der Reinigung neu entstehenden Risse im Putz in das WDVS hätte eindringen und dessen Funktion beeinträchtigen können. Es wäre auch nicht fachgerecht gewesen, zunächst die schadhaften Stellen im Putz zu reparieren. Angesichts der Verschmutzung sei es fachlich richtig, die Fassade „abrasiv“ zu reinigen, d.h. durch mechanischen Druck einer Bürste, wobei das System „Storch Krake“ ebenfalls ein abrasives System in diesem Sinne sei, weil der Wasserstrahl dort vergleichbar einer Bürste auf die zu reinigende Oberfläche auftreffe.

Mit dem nunmehr angefochtenem Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines Werklohns in Höhe von ca. 3.500 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen sowie die Widerklage abgewiesen.

Da das Vertragsverhältnis durch die Kündigung in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt worden sei, bedürfe es für die Fälligkeit des Anspruchs keiner Abnahme. Restlicher Werklohn stünde der Klägerin zumindest teilweise für die Leistungen Baustelleneinrichtung, Fassadenarbeiten und Nachträge zu, nicht jedoch für Zusatzleistungen. Hinsichtlich der Baustelleneinrichtung seien von dem geltend gemachten Anspruch 300 Euro abzuziehen, weil sie nicht die vereinbarte Leistung für den Schutz der Vordächer erbracht habe. Zudem habe sie zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung nicht erbrachter Leistungen, habe dahingehend aber den Darlegungsanforderungen nicht genügt, sodass der geltend gemachte Anspruch insoweit nicht begründet sei. Die Klägerin habe zu den ersparten Aufwendungen und dem anderweitigen Erwerb nicht ausreichend vorgetragen.

Die Beklagte hingegen habe keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten durch die Beauftragung eines weiteren Unternehmers, weil der Bauvertrag nicht aus wichtigem Grund habe gekündigt werden können. Insbesondere könne sie sich nicht auf eine mangelhafte Leistung der Klägerin berufen. Dass die Fassade nicht vollständig gereinigt worden sei, beruhe nicht auf einer Schlechtleistung der Klägerin, sondern darauf, dass im Hinblick auf die vorhandene Vorschädigung der Fassade die laut Leistungsverzeichnisses vereinbarte Reinigungsmethode zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs ungeeignet gewesen sei; vielmehr habe es hierzu eines abrasiven Verfahrens bedurft. Nach Anhörung der Sachverständigen sei davon auszugehen, dass eine Reinigung mit dem vereinbarten Druck von maximal 60 bar nur auf einer intakten Fassade hätte erfolgen können. Aus den von den Parteigutachtern angefertigten Bildern sei zu schließen, dass nicht nur die West- und Nord-Fassade, sondern auch die Nord-Ost-Fassade erhebliche Schädigungen aufgewiesen habe, die nicht nur den Oberputz, sondern auch die darunterliegenden Schichten betroffen hätten. Die Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass es aus fachlicher Sicht mit Blick auf die vor Schädigungen der Fassade zur Beseitigung der festgestellten Verschmutzungen eines abrasiven Verfahrens in Form der Reinigung mittels einer Wurzelbürste oder einer Hochdruckkrake bedurft habe. Aus dem Umstand, dass auf einer kleinen Testfläche auch eine Reinigung mit einem Druck von 80 bar erfolgreich möglich gewesen sei, könne nicht geschlossen werden, dass dies auf der gesamten Fassade möglich gewesen wäre, zumal auch streitig sei, ob die Musterfläche nicht ebenso mechanisch behandelt worden war. Die Klägerin habe sich auch nicht mit Blick auf die Anweisung der Beklagten und deren Ausführung zu möglichen Gewährleistungsansprüchen auf eine Reinigung mit 60 bar einlassen müssen, da ein Auftragnehmer nicht verpflichtet sei, sich bei einem seiner Meinung nach ernstlich drohenden Gewährleistungsfall nicht absehbaren Ausmaßes der Weisung des Bestellers zu fügen und der Klägerin insoweit auch nach der Erklärung der Bestellerin ein erhebliches Prozessrisiko gedroht hätte. Da die Beklagte keinen Gewährleistungsanspruch gegen die Klägerin habe, habe sie auch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten des außergerichtlich beauftragten Gutachters und der außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.

Die Klägerin hält den Abzug wegen des Schutzes der Vordächer für unberechtigt. Sie sei berechtigt gewesen, die Alternative und für sie kostengünstigere Variante zu wählen. Zu Unrecht habe das Landgericht die Zusatzleistung Stillstandskosten in Höhe von ca. 3.900 Euro nicht berücksichtigt, obwohl auch für einen Laien erkennbar sei, dass das Abwaschwasser habe aufgefangen und entsorgt werden müssen. Fehlerhaft habe das Landgericht auch die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von ca. 22.000 Euro abgelehnt. Das Gericht habe erstmals im Urteil konkret dargelegt, welche Anforderungen an den Sachvortrag der Klägerin zu stellen gewesen wären, und damit gegen § 139 ZPO verstoßen. Die Klägerin verfüge über etwa 40 gewerbliche Mitarbeiter und wickle permanent mindestens ein Dutzend Aufträge gleichzeitig ab. Aufgrund der Verhältnisse der Unternehmensbranche müsse sie in ihrem Geschäftsbetrieb grundsätzlich jeden erreichbaren Auftrag annehmen, auch wenn dies im Einzelfall ihre eigenen Kapazitäten übersteigen sollte. Die Abläufe auf Baustellen machten Arbeitsplanungen mit einem Horizont von mehr als ein paar wenigen Tagen unmöglich. Immer wieder komme es einerseits zu Verzögerungen und andererseits zu Lücken im ursprünglichen Ablaufplan, in denen die Klägerin ihre Leistungen erbringen könne. Sie könne daher den eigenen Ressourceneinsatz nicht langfristig vorhersehen, sondern müsse Personal und Sachmittel immer kurzfristig gerade dort einsetzen, wo es tatsächlich eingesetzt werden könne und wo sein Einsatz am dringlichsten sei. Auf diese Weise gelinge es, Leerläufe weitestgehend zu vermeiden. Wegen dieser Umstände habe sie keinen Vertrag nur wegen der Kündigung des streitgegenständlichen Vertrages angenommen. Zudem habe sie zwar ihre Mitarbeiter zur Abarbeitung anderer Verträge eingesetzt; diese seien dadurch aber nicht schneller fertiggestellt worden. Durch die Kündigung sei ihr Umsatz verloren gegangen. Sie habe ihr Personal nicht in derselben Weise produktiv einsetzen können. Ihr Unternehmen habe zwar trotz der Kündigung des streitgegenständlichen Vertrages weitergearbeitet, dies sei aber mit geringerer wirtschaftlicher Effizienz erfolgt, als es ihr ohne die Kündigung möglich gewesen wäre. Ihr Personal arbeite nicht – nach Art eines Fließbandes – kontinuierlich mit derselben Geschwindigkeit und derselben Effizienz. Vielmehr komme es zu Schwankungen und müsse mitunter bei mehreren offenen Aufträgen schneller gearbeitet werden, während zu anderen Zeiten der Leistungsdruck und damit auch die Arbeitsgeschwindigkeit geringer seien. In ihrer Bilanz wirke die Kündigung daher nach.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dresden vom 16. Juli 2020 – 10 O 424/15 – abzuändern, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.666,02 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten seit dem 24. August 2014 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, das Urteil des Landgerichts Dresden vom 16. Juli 2020 – 10 O 424/15 – abzuändern, die Klage in Höhe eines weiteren Betrags von 2.327,28 Euro abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 20.629,71 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem Tag nach Zustellung des Schriftsatzes vom 15. April 2016 zu zahlen.


Sie hält nach Abzug ihrer Zahlung einen Anspruch der Klägerin lediglich in Höhe von 1.100,81 Euro für gegeben. Sie schulde der Klägerin keine 600,00 Euro für das Aufstellen von Schutzzäunen; die Position sei um 184,25 Euro zu kürzen, da die Schutzzäune nicht auf der vollen vereinbarten Länge von 55 m aufgestellt worden seien. Die Position Abkleben von Fenstern sei um 249,40 Euro zu kürzen, weil sich die Fenster nicht hätten öffnen lassen. Der Klägerin stehe auch kein Werklohn in Höhe von 1.522,45 Euro für die Reinigung der Fassade zu, weil diese mangelhaft ausgeführt worden sei und komplett habe wiederholt werden müssen. Der Klägerin stehe bereits nach ihrem eigenen Vortrag kein Werklohn für nicht erbrachte Leistungen zu, weil sie ihre Mitarbeiter anderweitig eingesetzt habe und sich den dortigen Erwerb, den sie nicht näher dargelegt habe, anrechnen lassen müsse.

Die Abweisung der Widerklage sei fehlerhaft gewesen. Das Gericht habe sich auf fehlerhafte, zumindest aber unvollständige Gutachten der Sachverständigen K. gestützt, weshalb das Gericht fehlerhaft zu der Auffassung gelangt sei, dass die streitgegenständliche Fassade umfassende Vorschädigungen aufgewiesen habe, die eine Reinigung mit dem Druck von 60 bar nicht ermöglicht hätten. Die Sachverständige habe sich auf Vermutungen gestützt und nicht geprüft, inwieweit die Fassadenflächen tatsächlich stark geschädigt gewesen seien. Dies entspreche nicht dem gutachterlichen Sorgfaltsmaßstab. Erforderlich sei eine nochmalige Prüfung der vorgelegten Fotodokumentation und ggfs. ein Ortstermin zur Abklärung der örtlichen Gegebenheiten. Überdies sei die Storch-Krake nichts anderes als ein Hochdruckreiniger. Sie sei vom nachfolgend beauftragten Unternehmer allein deswegen verwandt worden, weil keine Abfangeinrichtung zur Verfügung gestanden habe und die Wasserentsorgung durch den Schlauch den kostenaufwändigen Aufbau einer Abfangeinrichtung vermieden habe, was der Schadensminderungspflicht entspreche. Die Beklagte habe aus wichtigem Grund gekündigt. Sie habe mit dem Schreiben vom 4. April 2014 klargemacht, dass „bei Nachweis von Ursachen eventuell auftretender Schäden, die auf den vorhandenen Untergrund, wenn dieser nicht nach den momentan anerkannten Regeln der Bautechnik ausgeführt ist, zurückzuführen sind, keinen Gewährleistungsanspruch geltend gemacht werden kann“. Daher habe die Klägerin auf die Weisung der Beklagten, die Fassade nunmehr mit einem Druck von 60 bar zu reinigen, leisten müssen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin nicht nachgekommen und habe die spätere Mängelrüge zurückgewiesen. Die Klägerin habe vielmehr behauptet, dass der verlangte Reinigungserfolg mit dem ausgeschriebenen Verfahren nicht habe erreicht werden können; folglich sei die Beklagte zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen.


Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.


In der Berufungsinstanz haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die Klägerin in ihrer Kalkulation alle nicht produktbezogenen Kosten und ihren Gewinn gleichmäßig auf alle Einzelposten eingestellt habe, indem sie ihren jeweiligen Einstandspreis um einen immer gleichen Prozentsatz beaufschlagte. Die Werte aus den Kalkulationen und Abrechnungen sind zwischen den Parteien nur hinsichtlich des Ob, nicht aber hinsichtlich ihrer jeweiligen Höhe streitig.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung, der ausgetauschten Schriftsätze sowie der Akte im Übrigen Bezug genommen.


II.

Von den zulässigen Berufungen hat nur diejenige der Klägerin Erfolg, und dies nur in geringem Umfang.

A.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Rest-Werklohnanspruch aus dem gekündigten Werkvertrag in Höhe von 5.987,99 Euro.

Nach dem hier anwendbaren § 649 Satz 2 BGB a.F. – nunmehr § 648 Satz 2 BGB – ist der Unternehmer, wenn der Besteller den Werkvertrag kündigt, berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart.

1. Zwischen den Parteien bestand unstrittig ein VOB/B-Vertrag, der durch Kündigung der Beklagten aufgehoben und in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt wurde.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch der Klägerin auch nicht entgegen, dass der Werkvertrag von der Beklagten außerordentlich gekündigt wurde. Vielmehr handelte es sich hier um eine ordentliche Kündigung, die dem Auftraggeber nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB-B jederzeit möglich ist, aber nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/B den Anspruch auf die Vergütung unberührt lässt.

a) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 4 VOB/B kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag entziehen, wenn dieser den Beginn der Ausführung verzögert oder mit der Vollendung in Verzug gerät und eine gesetzte angemessene Nachfrist zur Vertragserfüllung fruchtlos abgelaufen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Auftragnehmer nicht in Verzug gerät, wenn er einer Weisung des Auftraggebers nicht folgt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B), die seine geltend gemachten Bedenken (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B) treuwidrig nicht berücksichtigt. Gegen Treu und Glauben verstößt eine Anweisung des Auftraggebers vor allem, wenn danach die Werkleistungen auf eine gegen den Bauvertrag und gegen die Regeln der Technik verstoßende Weise erbracht werden soll, ohne dass eine Freistellung von der Gewährleistung erfolgt, denn der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, sich einen ihrer begründeten Meinung nach ernstlich drohenden Gewährleistungsfall nicht absehbaren Ausmaßes geradezu aufzwingen zu lassen (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 – VII ZR 65/83 -, NJW 1985, 631; Fuchs, in: BeckOK VOB/B, 40. Edition Stand: 30.04.2020, § 4 Rn. 24; Junghenn, in: Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Auflage 2013, § 4 Abs. 1 Rn. 250, 256; Merkens, in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 7. Auflage 2020, § 4 Rn. 41; Oppler, in: Ingenstau/Korbion/Oppler VOB/B, § 4 Abs. 1 Rn. 92). Daher steht dem Auftragnehmer nach Treu und Glauben ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn er dem Auftraggeber nicht nur ordnungsgemäß seine Bedenken mitgeteilt hat, sondern wenn die Prüfung dieser Bedenken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ergebnis hat, dass die vom Auftraggeber gemäß Ursprungsvertrag oder gemäß nachträglicher Anordnung vorgesehene Art der Ausführung zum Eintritt eines erheblichen Leistungsmangels oder eines sonstigen nicht nur geringfügigen Schadens führen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2018 – 22 U 71/17 -, NZBau 2018, 607 ). Die Beweislast für die Treuwidrigkeit der Anweisung liegt beim Auftragnehmer (Junghenn, a.a.O., Rn. 260).

b) Das insoweit sachverständig beratene Landgericht ging im Ergebnis davon aus, dass die im Vertrag vorgesehene Art und Weise der Leistungserbringung nicht den fachlichen Standards entsprochen hätte, weil sie mit Sicherheit zu erheblichen Schäden an der Fassade geführt hätte. Die Sachverständige hatte ausgeführt, dass nach der anwendbaren fachlichen Richtlinie eine Reinigung mit Hochdruck-Heißwasserstrahlen nur bei einer geschlossenen und intakten Putzfläche zulässig sei. Aus den von beiden Privatgutachtern angefertigten Bildern ergebe sich jedoch, dass das WDVS in Teilbereichen nicht mehr intakt gewesen sei und insbesondere Putzabplatzungen und Risse aufgewiesen habe. Daher ist gegen die Bewertung des Landgerichts nichts Grundsätzliches zu erinnern.

Insbesondere greifen die Angriffe der Beklagten gegen das entsprechende Sachverständigengutachten nicht durch. Bei einer Begutachtung sind grundsätzlich alle relevanten Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Dies schließt im Regelfall auch eine Inaugenscheinnahme des zu begutachtenden Objektes ein. Diese kann jedoch unterbleiben, wenn dieses Objekt bereits in einer Weise verändert wurde, dass die an ihm festzustellenden Anknüpfungstatsachen nicht mehr festgestellt werden können. Unter diesen Umständen muss sich die Begutachtung auf andere Quellen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen stützen. Das ist hier der Fall, weil nach dem Vortrag auch der Beklagten die Fassadensanierung bereits seit Jahren abgeschlossen ist, sodass ein unmittelbarer Eindruck von den einzelnen Vorschäden nicht mehr gewonnen werden kann. Dass die Sachverständige im Hinblick auf die von den Parteigutachtern gefertigten Fotos von einer Schädigung der gesamten Fassade ausgeht, erscheint nicht fehlsam. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit durch eine Inaugenscheinnahme oder eine neue Begutachtung andere, den tatsächlichen Verhältnissen eher entsprechende Feststellungen getroffen werden könnten.

Überdies hat das Landgericht überzeugend ausgeführt, dass die tatsächlich durchgeführte Fassadenreinigung nicht den Schluss rechtfertige, dass die vereinbarte Form ihrer Durchführung ohne Schädigung der Fassade möglich gewesen wäre, denn die Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der nachfolgend beauftragte Unternehmer die Fassade mit einem anderen System gereinigt habe, als es mit der Klägerin vereinbart gewesen sei, nämlich mit einem abrasiven Verfahren.

c) Die Klägerin war auch nicht deshalb zur Fortsetzung ihrer Leistungserbringung verpflichtet, weil die Beklagte insoweit auf die Gewährleistung verzichtet hätte, denn ein solcher Verzicht ist nicht erfolgt.

Wie die Gutachterin in der ersten Instanz bestätigt hat, bestand das Risiko bei der Durchführung der vereinbarten Methode der Fassadenreinigung darin, dass aufgrund der Vorschäden des vorhandenen Putzes mit Hochdruck aufgebrachtes Wasser durch die Risse im Putz in das WDVS hätte eindringen und dieses beschädigen können. Auf die Haftung für solche Schäden hatte die Beklagte nicht verzichtet, denn ihre Erklärung bezog sich nur auf Schäden, die bei der Reinigung der Fassade nachweislich dadurch entstehen, dass der vorhandene Untergrund nicht den derzeit anerkannten Regeln der Bautechnik entspricht. Dieser Inhalt des Haftungsverzichts ist jedoch in doppelter Hinsicht nicht behelflich. Erstens bezieht er sich allein auf die Konstruktion der vorhandenen Fassadendämmung und darauf, dass diese offenbar ihrerseits nicht mehr dem Stand der Technik entsprach. Die vereinbarte Hochdruckreinigung war nach der Anzeige der Klägerin aber nicht wegen der Konstruktion der Fassadendämmung als WDVS untunlich, sondern weil die Fassade nicht mehr intakt war. Dies ist ein anderer Gesichtspunkt, der von der Erklärung der Beklagten nicht erfasst wird. Zudem lässt der Haftungsverzicht das Nachweis- und Prozessrisiko für die Schadensursache bei der Klägerin. Auch das genügt nicht, um die Klägerin als Unternehmerin zur Fortsetzung der Arbeit zu verpflichten.

3. Die Klägerin kann als Werklohn insgesamt einen Betrag von 5.987,99 Euro verlangen, davon für erbrachte Leistungen 4.513,40 Euro brutto (entspricht 3.792,77 Euro netto) sowie als Vergütung für nicht erbrachte Leistungen 1.474,59 Euro.

a) Im Fall einer Kündigung nach § 649 Satz 2 BGB a.F. ist für die Abrechnung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen zu unterscheiden. Der Auftragnehmer muss das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Soweit zur Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss der Auftragnehmer im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind. Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muss den Auftraggeber in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2002 – VII ZR 263/01 -, NJW-RR 2002, 1532 m.w.N.). Die Höhe der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Vergütung ergibt sich aus dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen; der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darlegen (BGH, Urteil vom 7. November 1996 – VII ZR 82/95 -, NJW 1997, 733 ).

Diesen Anforderungen wird die gelegte Rechnung gerecht. Aus ihr ergibt sich, und ist auch unter den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die abgerechneten Leistungen mit Ausnahme der Position „Zusatzleistung 03“, bei der es sich um den geltend gemachten Werklohn für die nicht erbrachten Leistungen handelt, erbracht hat. Es ist unter den Parteien lediglich hinsichtlich einzelner, nachfolgend erwähnter Positionen streitig, inwieweit der Klägerin der von ihr hierfür begehrte Lohn gebührt.

Im vorliegenden Fall erübrigt sich die nach der Rechtsprechung grundsätzlich erforderliche Bildung des Preisverhältnisses zwischen erbrachter und nicht erbrachter Leistung. Diese Verhältnisrechnung soll sicherstellen, dass die nicht produktbezogenen Gemeinkosten und der Gewinn auf die einzelnen Rechnungsposten jeweils mit denselben Anteilen umgelegt werden und Verschiebungen innerhalb der jeweiligen Kalkulation nicht zu sachwidrigen Ergebnissen führen. Diese Verhältnisrechnung kann hier entfallen, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die nicht produktbezogenen Gemeinkosten und der Gewinn in alle Einzelpositionen der Kalkulation mit demselben prozentualen Anteil eingeflossen sind. Auf diese Weise nimmt die Klägerin das von der Rechtsprechung über die Verhältnisrechnung angestrebte Ergebnis bereits auf Ebene ihrer Kalkulation vorweg, was die Verhältnisrechnung entbehrlich macht.

b) Die Klägerin kann als Werklohn für erbrachte Leistungen 4.513,40 Euro brutto (entspricht 3.792,77 Euro netto verlangen.

aa) Als zwischen den Parteien unstreitige Positionen bei den erbrachten Leistungen sind 1.416,41 Euro zu berücksichtigen.

Unstreitig sind die Positionen 1.01.002 (400 Euro), 2.05.010 (46,80 Euro), 2.09.001 (603,02 Euro), 2.09.002 (36,80 Euro), 6.01 = NT 6 (206,97 Euro) und 11.01 = NT 11 (14,19 Euro). Die Beklagte hat dabei nicht berücksichtigt, dass die Klägerin die Position 2.03.004 in Höhe von 0,42 Euro nicht geltend macht, so dass in Position tatsächlich nur 108,64 Euro beantragt sind.

bb) Hinsichtlich der Baustelleneinrichtung (Position 1.01.001) ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Schutzzäune auf Anweisung der Beklagten nicht errichtet wurden, dennoch steht der Klägerin der geltend gemachte Werklohn in Höhe von 600,00 Euro dem Grunde nach zu.

Die Beklagte kann hier, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, keinen Abzug wegen nicht angefallenen Aufwandes geltend machen, denn nach dem Leistungsverzeichnis war die Leistung in dieser Position entgegen der Auffassung des Landgerichts pauschaliert, was sich aus der Angabe „psch – nur Ges.-Preis“ dort ergibt. Entsprechend kommt es auf die Anzahl der errichteten Schutzzäune nicht an, sondern allein auf die Herstellung der Baustelleneinrichtung, die unstreitig erfolgt ist.

cc) Hinsichtlich der Vordächer (Position 1.02.003) hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass der Klägerin nicht die vertraglich vereinbarten Kosten von 300 Euro zustehen, sondern nur 4,50 Euro, da die Leistung unstreitig nicht in der vereinbarten Weise erbracht wurde.

Dabei folgt der Senat nicht der vom Landgericht zugrunde gelegten Bedeutung des Wortes „kostenneutral“. Dieses besagt nach allgemeinem Verständnis lediglich, dass die Veränderung nicht zu höheren Kosten für die Auftraggeberin führen dürfe. Wenn die Auftraggeberin der Auftragnehmerin eine „kostenneutrale“ Alternativlösung erlaubt, bedeutet dies aber nicht zugleich, dass sie der Auftragnehmerin insoweit eine Gewinnmöglichkeit schaffen will, die für sich betrachtet zu einem offensichtlich sittenwidrigen Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung führen würde. Die vereinbarte Vergütung von 300 Euro übersteigt den Wert der tatsächlich erbrachten Leistung in Form der Aufbringung einer Folie, die sonst – unstreitig – 4,50 Euro ausgemacht hätte, um mehr als das 65-fache. Es ist ausgeschlossen, einen solchen Anspruch zuzuerkennen.

dd) Wegen der Schutzabdeckung der Fenster (Position 2.01) hat das Landgericht der Klägerin die geltend gemachten 249,40 Euro zu Recht zugestanden.

Soweit die Beklagte einwendet, dass sie darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass die Fenster während des Vorhandenseins der Schutzabdeckung nicht mehr zu öffnen sein würden, kann sie daraus keine Rechte herleiten, denn aus dem fehlenden Hinweis ergibt sich kein Beratungsmangel. Zunächst ist die Beklagte als Handwerkskammer selbst hinreichend sachkundig, um eine zutreffende Vorstellung davon zu entwickeln, worin eine „Schutzabdeckung der Fenster“ besteht. Jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Auftragnehmerin, sich Gedanken um die Nutzbarkeit von Räumen zu machen, die sich die Auftraggeberin nicht gemacht hat, obwohl sie allen Anlass hatte, sich um die entsprechende Nutzbarkeit ihrer Einrichtung während der Bauarbeiten zu sorgen. Überdies hätte die Aufklärung der Beklagten jedenfalls auf deren Seite nicht zu niedrigeren Kosten geführt als sie die Klägerin begehrt. Dass durch die Art der angebrachten Schutzabdeckung weitergehende Schäden entstanden wären, ist nicht vorgetragen.

ee) Zur eigentlichen Reinigung (Position 2.02) hat das Landgericht auf Basis der Kalkulation der Klägerin auf einen Anspruch in Höhe von 1.522,45 Euro erkannt, weil aufgrund des ausgeschriebenen Reinigungsverfahrens nur einer von zwei vorgesehenen Reinigungsgängen ausgeführt worden sei. Dieser von den Parteien im Berufungsverfahren nicht weiter angegriffenen Auffassung folgt der Senat.

In der Folge ist aber die zweite Hälfte des geltend gemachten Betrages als nicht erbrachte Leistung anzusehen und zu vergüten.

ff) Den Nachtrag vom 7. April 2014 (Position NT 1) in Höhe von 1.074,45 Euro hat das Landgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen.

Bei dieser Position handelt es sich um Zulagen zu Position 2.02.001 wegen dort nicht berücksichtigter Erschwerungen hinsichtlich einzelner Bauteile. Das Landgericht konnte nicht nachvollziehen, ob für diese Bauteile dieselben kalkulatorischen Maßstäbe anzulegen seien wie für die glatten Flächen der Position 2.02.001. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass bei diesen Flächen der zweite, nicht erfolgte Reinigungsvorgang aufwendiger gewesen wäre als der erste, weshalb das Verhältnis der Kosten zwischen diesen anders als für die sonstigen Flächen aufzuteilen sei. Die Klägerin greift dies in ihrer Berufungsbegründung nicht ausdrücklich an.

gg) Die Nachtragskosten für Stillstand (Position ZL 01) in Höhe von 3.896 Euro hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, weil die Klägerin den behaupteten Annahmeverzug der Beklagten von 10 Tagen nicht nachgewiesen habe. Soweit zwischen den Parteien strittig sei, wer für das Auffangen des Wassers zuständig sei, hätte die Klägerin frühzeitig darauf hinweisen müssen, dass diese Leistung im Leistungsverzeichnis nicht enthalten sei.

Zu Recht hat das Landgericht insoweit einen Anspruch der Klägerin verneint. Die Beklagte befand sich nicht im Annahmeverzug, weil die Klägerin ihrerseits eine Aufklärungs- und Beratungspflicht verletzte.

Grundsätzlich hat der Unternehmer den Besteller auf alle Umstände hinzuweisen, die dieser nicht kennt, deren Kenntnis aber für dessen Willensbildung und Entschlüsse bezüglich des Werks bedeutsam sind (Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 631 Rn. 14). Bei dem Unternehmer sind die für die Herstellung des Werkes nötigen Kenntnisse vorauszusetzen. Das verschafft ihm regelmäßig einen Wissensvorsprung vor dem Besteller, der ihn zur umfassenden Aufklärung und Beratung verpflichtet, die sich auf das Werk selbst zu beziehen hat, insbesondere auch seine Planung, und zwar auch dann, wenn diese von dem Besteller selbst stammt (Merkle, in: BeckOGK BGB, 1.10.2020, § 631 Rn. 506; Peters, in: Staudinger, BGB, 2019, § 631 Rn. 49; Voit, in: BeckOK BGB, 1.5.2020, § 631 Rn. 65). Die Aufklärungs- und Beratungspflicht besteht daher auch gegenüber dem sachkundigen Besteller (BGH, Urteile vom 20. Juni 2013 – VII ZR 4/12 -, NJW 2013, 3442 ; und vom 18. Januar 2001 – VII ZR 457/98 -, NJW-RR 2001, 520; Busche, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl. 2020, § 631 Rn. 77; Genius, in: jurisPK-BGB, 5.10.2020, § 633 Rn. 37; Lederer/Raab, in: Langen, Werk- und Bauvertragsrecht, 2020, § 631 BGB Rn. 38; Schwenker/Rodemann, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 631 Rn. 34; Voit, a.a.O., Rn. 67), denn auch der sachkundige Besteller kann in einem konkreten Irrtum befangen sein (Peters, a.a.O., Rn. 50). Der Unternehmer muss den Besteller stets auf Risiken und Gefahren hinweisen, die dem Besteller erkennbar nicht bekannt sind. Inhalt und Umfang dieser Pflichten orientieren sich am Beratungsbedarf und Schutzbedürfnis des Bestellers (Merkle, a.a.O., Rn. 509; Sprau, a.a.O., Rn. 14). Selbst wenn der Besteller einen Sonderfachmann eingeschalten hat, der über die nötigen fachspezifischen Kenntnisse verfügt (Voit, a.a.O., Rn. 67), ist der Unternehmer weiter verpflichtet, die Planungsunterlagen des Bestellers auf offenkundige Fehler zu überprüfen (Schwenker/Rodemann, a.a.O., Rn. 36; Voit, a.a.O., Rn. 65). Um die Aufklärungs- und Beratungspflicht auszulösen, müssen sich für den Unternehmer zunächst Verdachtsmomente ergeben, beispielsweise auf Fehlvorstellungen des Bestellers über die Verwendbarkeit des Werkes oder dessen Kosten oder die Zweckmäßigkeit oder Mangelfreiheit einer von dem Besteller vorgelegten Planung; nur solche Verdachtsmomente können Hinweispflichten des Unternehmers auslösen (Busche, a.a.O., Rn. 78; Peters, a.a.O., Rn. 52; Voit, a.a.O., Rn. 68). Darf der Unternehmer dagegen davon ausgehen, dass dem Besteller bestimmte Risiken aufgrund eigener Sachkunde geläufig sind, ist von ihm nicht zu erwarten, dass er dem Besteller ohne besonderen Anlass eine aus seiner Sicht überflüssige Information zukommen lässt (OLG Köln, Urteil vom 16. Januar 2007 – 3 U 214/05 -, NJW-RR 2007, 821 ).

Der Unternehmer hat den Besteller über Lücken und Unklarheiten im Leistungsverzeichnis hinzuweisen (BGH, Urteile vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 -, NJW 2008, 2106 ; vom 25. Juni 1987 – VII ZR 107/86 -, NJW-RR 1987, 1306 ; und vom 8. Juli 1982 – VII ZR 314/81 -, MDR 1983, 392; Lederer/Raab, a.a.O., Rn. 39; Sprau, a.a.O., Rn. 14).

Verletzt der Unternehmer eine der Nebenpflichten, so steht dem Besteller ein Anspruch auf Ersatz des hieraus entstandenen Schadens nach § 280 BGB zu, wenn der Unternehmer diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (Lederer/Raab, a.a.O., Rn. 44; Peters, a.a.O., Rn. 54). Entsprechend scheidet ein Annahmeverzug aus. Stammt die Fehlplanung vom Besteller, ist § 254 BGB zu beachten (Peters, a.a.O., Rn. 54).

Nach diesen Maßstäben hatte die Klägerin die Beklagte darüber aufzuklären, dass das Leistungsverzeichnis die erforderliche Entsorgung des Spülwassers nicht enthielt. Nach ihrem eigenen Vorbringen war es offensichtlich, dass diese Entsorgung erforderlich und im Leistungsverzeichnis dennoch nicht enthalten war. Entsprechend hätte sie auf diesen Umstand hinweisen müssen, denn wenn es offensichtlich war, war es für sie auch offensichtlich, dass die Beklagte als Bestellerin diesen Umstand übersehen hatte. Die Klägerin entlastet auch der Umstand nicht, dass die Beklagte sachkundig war. Die Planung war unstrittig von einem Architekturbüro angefertigt worden, nicht aber von einem Sonderfachmann für Fassadenreinigung. Architekten verfügen nicht standardmäßig über Sachkunde in der Fassadenreinigung.

Da die Klägerin diese Pflicht verletzte, befand sich die Beklagte auch nicht im Annahmeverzug und kann die Klägerin nicht die Kosten für die Bereitstellung ihrer Leistung verlangen.

hh) Daraus ergeben sich erbrachte Leistungen im Umfang von 3.792,77 Euro netto, was 4.513,40 Euro brutto entspricht.

c) Der Klägerin steht ein Lohn für nicht erbrachte Leistungen nur in Höhe von 1.474,59 Euro zu.

Kündigt der Besteller ordentlich kann der Unternehmer nach § 649 Satz 2 BGB a. F. (ebenso § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 VOB/B) die vereinbarte Vergütung verlangen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass dem Unternehmer 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden Vergütung zustehen (649 Satz 3 BGB a. F.). Die VOB/B enthält keine entsprechende Formulierung, dennoch gilt hier dieselbe Vermutung (Kleineke, in: BeckOK VOB/B, 31.10.2020, § 8 Abs. 1 Rn. 55).

aa) Die vereinbarte Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen beträgt 27.969,30 Euro, zuzüglich 1.522,45 Euro als Preis des nicht erbrachten Teils von Position 2.02.001.

Der Wert von 27.969,30 Euro ist zwischen den Parteien unstreitig. Er ergibt sich aus der Anlage K25. Dort sind die nicht erbrachten Einzelleistungen aufgeschlüsselt und ihr Einstandspreis sowie der Aufschlag für nicht produktbezogene Gemeinkosten und Gewinn in Höhe von jeweils 43,47 % angegeben.

bb) Diese Vergütung kann die Klägerin jedoch von der Beklagten nicht verlangen, denn sie muss sich ihre ersparten Aufwendungen anrechnen lassen und das, was sie durch den anderweitigen Einsatz ihrer Arbeitskraft erwarb oder zu erwerben böswillig unterließ.

(1) Sinn und Zweck des Anspruchs nach § 649 Satz 2 BGB a. F. ist es, den Unternehmer schadlos zu stellen, die Kündigung für ihn wirtschaftlich zu neutralisieren, dafür zu sorgen, dass ihm aus ihr weder Vorteile noch Nachteile erwachsen (RGZ 74, 197 ; Peters, a.a.O., § 648 Rn. 32).

Nach 649 Satz 2 BGB a. F. ist daher nicht jeder Erwerb anzurechnen, der durch die frei gewordenen Kapazitäten erzielt wird. Vielmehr muss der Erwerb zweifelsfrei durch die Kündigung des Bestellers verursacht sein. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Ersatzauftrag bestehen, d.h. ohne die Kündigung müsste die anderweitige Vergütung ausgeblieben sein (Reiter, in: BeckOGK BGB, Stand 1.4.2021, § 648 Rn. 152). Dies ist nicht der Fall, wenn der Unternehmer seine Leistungskapazität auf andere bereits vorhandene Werkverträge konzentriert. Ist der Betrieb des Unternehmers in der Lage gewesen, zur gleichen Zeit neben dem gekündigten Werkvertrag auch noch andere Aufträge auszuführen, die ihm unabhängig von der Kündigung von Dritten erteilt wurden, wovon in der Regel auszugehen ist, sind die Erträge aus diesen Aufträgen nicht anzurechnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 2019 – 22 U 62/18 -; OLG Hamm, Urteil vom 20. November 2003 – 24 U 195/01 -; Busche, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl. 2020, § 648 Rn. 27; Peters, a.a.O., § 648 BGB Rn. 40).

Als anderweitige Verwendung der Arbeitskraft können aber insbesondere sogenannte „Füllaufträge“ angesehen werden. Dabei handelt es sich um Aufträge, die der Unternehmer aufgrund der durch die Kündigung freigewordenen Kapazitäten ersatzweise angenommen hat oder die bereits vorlagen, nunmehr aber vorgezogen werden konnten, ohne dass der Unternehmer hierdurch einen Verlust erlitt (BGHZ 131, 362 ; BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 326/98 -, NJW 2000, 653 ; Lührmann/Raab, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 648 Rn. 24; Reiter, a.a.O. § 648 BGB Rn. 152; Retzlaff, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 648 Rn. 8; Schwenker/Rodemann, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 648 Rn. 6c). Das Vorziehen bereits vorliegender Aufträge führt allerdings dann nicht zur Anrechnung, wenn die dadurch entstehenden späteren Auftragslücken nicht ihrerseits wieder durch Folgeaufträge gefüllt werden können (Reiter, a.a.O., § 648 BGB Rn. 152).

Grundsätzlich trifft den Besteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Unternehmer Aufwendungen erspart oder Vorteile durch anderweitigen Erwerb erlangt hat. Da jedoch der Besteller kaum in der Lage ist, die notwendigen Tatsachen aus eigener Kenntnis vorzubringen, obliegt dem Unternehmer eine – sekundäre – Darlegungslast dergestalt, dass er zunächst vorzutragen und zu beziffern hat, was er sich insoweit anrechnen lassen will. Hierzu muss der Unternehmer grundsätzlich seine interne Kalkulation offenlegen. Erst danach ist es Sache des Bestellers, darzulegen und zu beweisen, dass dem Unternehmer weitere Vorteile entstanden oder die angegebenen Ersparnisse höher ausgefallen sind (BGHZ 131, 362; BGH, Urteile vom 24. März 2011 – VII ZR 146/10 -, MDR 2011, 648 ; und vom 10. Oktober 1996 – VII ZR 250/94 -, NJW 1997, 259 ; Lührmann/Raab, in: Langen, Werk- und Bauvertragsrecht, 2020, § 648 BGB Rn. 26; Retzlaff, a.a.O., § 648 Rn. 6). Diese Darlegungen müssen so hinreichend substantiiert vorgetragen werden, dass der beweispflichtige Besteller das Gegenteil der behaupteten Tatsachen beweisen kann (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 239/06 -, NJW 2008, 982 ; Fritzsche, in: MünchKomm ZPO, 6. Aufl. 2020, § 138 Rn. 25).

Bei der Anwendung dieser Bestimmungen im Einzelfall ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Anrechnung des anderweitigen Erwerbs oder der anderweitigen Erwerbsmöglichkeit die Ausnahme von der Regel darstellt, dass die vereinbarte Vergütung vom Besteller zu zahlen ist. Diese Regel ergibt sich unmittelbar aus dem Grundsatz des Vertragsrechts überhaupt, dass Verträge einzuhalten sind und sich keine Partei durch bloße einseitige Erklärung aus ihrer vertraglichen Bindung lösen kann. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die vom Gesetzgeber in Abweichung von dieser Regel vorgesehene Anrechnung des anderweitigen Erwerbs oder der anderweitigen Erwerbsmöglichkeit nicht leerlaufen darf. Denn auch sie ist auf einen elementaren Grundsatz des Vertragsrechts zurückzuführen, nämlich dass ein Vertragspartner im Ergebnis nicht besser stehen soll, wenn der andere Teil den Vertrag bricht, als wenn er ihn erfüllt hätte. Daher dürfen die Anforderungen an die Darlegung des anderweitigen Erwerbs oder der anderweitigen Erwerbsmöglichkeit im Ergebnis weder dazu führen, dass das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis für eine bestimmte Gruppe von Fällen umgekehrt, noch dass der Nachweis des anderweitigen Erwerbs oder der anderweitigen Erwerbsmöglichkeit unmöglich wird. Vielmehr sind die Darlegungs- und Beweisanforderungen der gesetzlichen Wertung entsprechend auszugestalten.

Ein böswilliges Unterlassen des Erwerbs liegt vor, wenn der Unternehmer einen zumutbaren Ersatzauftrag ausgeschlagen hat, ohne dass eine Schädigungsabsicht erforderlich ist (Reiter, a.a.O., § 648 Rn. 153).

(2) Nach diesem Maßstab muss sich die Klägerin die anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskräfte anrechnen lassen.

Aus ihrem Vortrag ergibt sich, dass sie zum vereinbarten Leistungszeitraum betrieblich unterschiedlich stark ausgelastet war. Sie hat zuletzt vorgetragen, dass ihr Unternehmen mit einem wöchentlichen Umsatz von 67.200 Euro kalkuliere, die tatsächlichen Umsätze – ohne Einfluss des streitgegenständlichen Auftrags – aber zwischen 46.000 Euro und 92.000 Euro schwankten. Sie hat weiter vorgetragen, dass sie ihre Arbeitskräfte und ihre Ausrüstung zwar zur Bearbeitung bestimmter anderer Aufträge eingesetzt habe, diese dadurch aber nicht schneller fertiggestellt worden seien. Sie hat außerdem vorgetragen, dass sie darüber hinaus parallel an der Erledigung von mehr als 10 weiteren Aufträgen gearbeitet habe, aber keine Angaben dazu gemacht, ob der Einsatz von Arbeitskräften und Ausrüstung auch bei einem der weiteren, von ihr bearbeiteten Aufträgen wirtschaftlich ebenso folgenlos geblieben wäre. Auftragslücken und Stillstände seien ihr gleichwohl weder im Zeitpunkt der Kündigung, noch während der vorgesehenen Dauer der Vertragserfüllung oder innerhalb eines überschaubaren Zeitraums danach entstanden. Weil sie grundsätzlich alle erreichbaren Aufträge annehme, verfüge sie jederzeit über ein gewisses Maß an Reserveaufträgen, die über ihre eigentlichen Betriebskapazitäten hinausgingen, vergleichbar der Überbuchung von Flugzeugen. So könne sie regelmäßig Hindernisse ihrer eigenen Leistungserbringung wie Stockungen oder Verzögerungen im Ablauf von Baustellen oder in der Verfügbarkeit von Personal oder Material aber auch vorzeitige Vertragsbeendigungen durch sie oder ihren Vertragspartner regelmäßig abfedern. Sollten alle Aufträge doch „plangemäß“ zu erfüllen sein, beauftrage sie im Umfang der ihr fehlenden Kapazitäten Subunternehmer oder ersetze gegebenenfalls Verzugsschäden.

Damit hat sie einen Sachverhalt vorgetragen, nach dem die Kündigung des Vertrages ihr in der Gesamtbetrachtung keine Schäden verursacht hat, denn frei gewordene Kapazitäten hat sie gewinnbringend nutzen können; zumindest muss sie sich so behandeln lassen.

Bereits ihr Geschäftsmodell beruht auf der vorsorglichen Entgegennahme von Füllaufträgen, indem grundsätzlich mehr Aufträge angenommen werden als erledigt werden können und so ein Puffer für Ausfälle wie hier vorhanden ist. Zudem beruht das Geschäftsmodell auf größtmöglicher Flexibilität und schließt nach ihrem eigenen Vortrag die genaue planende Zuordnung von Kapazitäten zu Aufträgen aus; Schwankungen in der Produktivität sind Teil dieses Unternehmenskonzepts, bei dem die Arbeitnehmer immer an der Stelle eingesetzt werden, wo ihr Einsatz gerade möglich und wirtschaftlich am sinnvollsten ist. Daher unterscheidet sich der vorliegende Fall mit Blick auf den Personaleinsatz auch nicht grundlegend von der Situation, dass an einer Baustelle aus welchen Gründen auch immer Mitarbeiter und Werkzeuge zeitweise nicht wertschöpfend eingesetzt werden können. Auch dann werden die Mitarbeiter zur Erledigung anderer Aufträge eingesetzt, ohne dass dies für die Klägerin zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führt.

Auch tatsächlich konnte die Klägerin ihre Mitarbeiter wertschöpfend einsetzen. Ausgehend von dem Grundsatz, das mit einer Steigerung des Ressourceneinsatzes eine höhere Leistung erreicht wird, mit einem gleichbleibenden Ressourceneinsatz aber nicht eine erheblich größere Leistung erbracht werden kann, sind die von der Klägerin bearbeiteten Reserveaufträge als Füllaufträge im Sinne von 649 Satz 2 BGB a. F. anzusehen. Die Klägerin hat die weiteren Aufträge, zu deren Erledigung sie ihre personellen und sächlichen Mittel tatsächlich einsetzte, entweder ohne die Kündigung des streitgegenständlichen Vertrages nicht, zumindest nicht zur selben Zeit hätte abwickeln können, oder aber ihre Mitarbeiter nicht pflichtgemäß gewinnbringend eingesetzt. Dass ihr Vortrag unplausibel ist, der Einsatz des Personals zur Erledigung eines anderen Auftrags sei dort für die Leistungserbringung folgenlos geblieben, hat die Klägerin selbst eingeräumt. Welche von beiden Varianten – des tatsächlichen oder des unterlassenen Erwerbs – hier eingreift, kann daher letztlich offenbleiben. Diese Betrachtung schützt die Klägerin als Unternehmerin vor Einbußen durch die Vertragskündigung, schließt aber auch aus, dass die Kündigung dazu führt, dass sie in derselben Zeit mehr Umsatz und Gewinn macht, als wenn der Vertrag erfüllt worden wäre.

Soweit die Klägerin behauptet, dass in der Folge der Kündigung ihr Umsatz gesunken sei, übersieht sie, dass der Umsatz als solcher rechtlich nicht geschützt ist. Geschützt ist die Gewinnerwartung.

Unabhängig hiervon und das Ergebnis auch selbständig tragend genügen die Darlegungen der Klägerin nicht den Anforderungen der sekundären Darlegungslast. Auch nach mehreren Hinweisen des Gerichts fehlt es an hinreichend substantiiertem Vortrag zum Ersatzerwerb. Anknüpfungstatsachen, die es dem Senat ermöglichten, den angebotenen Sachverständigenbeweis einzuholen, lagen nicht vor. Hierfür wäre konkreter Vortrag dazu erforderlich gewesen, warum der Personaleinsatz bei keinem der Aufträge wirtschaftlich gewesen wäre. Dagegen genügen weder der Verweis auf die Besonderheiten des betroffenen Marktes noch die vorgelegten Zahlen zu den wöchentlichen Umsätzen der Klägerin. Letztere zeigen überdies, dass die Umsätze auch ohne Einwirkung der Beklagten erheblich schwanken, nämlich zwischen 70 % und 140 % des durchschnittlichen Umsatzes, ohne dass ein Zusammenhang mit dem Aufwand erkennbar ist. Ist aber die Klägerin selbst nicht in der Lage, den Aufwand und Gewinn den einzelnen Verträgen zuzuordnen und Soll- und Ist-Zustand zu vergleichen, ist es auch ein vom Gericht zu beauftragender Sachverständiger nicht. Sie hat damit nicht so vorgetragen, dass die Beklagte die behaupteten Tatsachen widerlegen könnte.

Ist die Klägerin der Auffassung, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Gewinnerwartung von 5 %, die er selbst dann gewährt, wenn der Vertrag an sich nicht kostendeckend gewesen wäre, nicht genügt, steht es ihr frei, mit den Bestellern einen anderen Wert zu vereinbaren.

cc) Da die Klägerin ihrer sekundären Beweislast zum anderweitigen Erwerb nicht hinreichend nachgekommen ist, kann sie nach 649 Satz 3 BGB a. F. 5 % der Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen verlangen. Dies sind 1.474,59 Euro netto.

Zwar steht Satz 3 von § 649 BGB a. F. in direkter Verbindung mit Satz 2 dieser Vorschrift, so dass der Unternehmer die 5 % nicht verlangen kann, wenn er infolge der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft die vereinbarte Vergütung nach Satz 2 nicht verlangen kann. Hier entfiel der Vergütungsanspruch aber nur aufgrund des unzureichenden Sachvortrags, nicht jedoch, weil der anderweitige Erwerb auch seiner Höhe nach festgestellt worden wäre. Daher ist die Vermutung hier weiter anzuwenden.

Die Höhe der insoweit geschuldeten Vergütung folgt aus der unstreitigen Berechnung der geschuldeten Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen in Höhe von 27.969,30 Euro, denn in dieser Berechnung sind die Kosten der ersparten Aufwendungen für Material nicht gesondert abzuziehen. Hinzu kommen 1.522,45 Euro als nicht erbrachter Teil von Position 2.02.001. 5 % aus der sich ergebenden Summe von 29.491,75 Euro sind 1.474,59 Euro.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick darauf, dass die Klägerin die verwendeten Materialien zu einem günstigeren Preis angeschafft haben will, als sie der Beklagten in Rechnung stellt, denn auch insoweit richtet sich ihr Anspruch allein nach § 649 BGB a. F.

B.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Widerklage zu Recht abgewiesen. Da die Kündigung des Vertrages durch die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht als eine außerordentliche Kündigung anzusehen ist, steht ihr kein Schadensersatzanspruch wegen Nicht- oder Schlechtleistung nach § 280 BGB zu.


III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Ergebnis haben beide Parteien in etwa hälftig obsiegt.


IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.


V.

Die Revision wurde – in beschränktem Umfang – zugelassen, weil die Frage des Umfangs der sekundären Darlegungslast für den anderweitigen Erwerb in Fällen wie diesem höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).