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VK Berlin: Auftraggeber ist verpflichtet, bei der Wertung der Angebote diskriminierungsfrei nach den Regeln des Gesetzes und der von ihm selbst aufgestellten Vorgaben zu handeln

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftraggeber ist verpflichtet, bei der Wertung der Angebote diskriminierungsfrei nach den Regeln des Gesetzes und der von ihm selbst aufgestellten Vorgaben zu handeln und dies entsprechend nachvollziehbar zu dokumentieren. Selbstverständlich gilt deshalb insbesondere im Rahmen einer Qualitätswertung von Konzepten, dass der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren muss, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch darauf hin überprüfbar, ob diese im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben sind. Die Angebotswertung ist von den Nachprüfungsinstanzen nämlich nach den allgemeinen Maßstäben zur Überprüfung von Beurteilungsspielräumen dahingehend zu kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.
VK Berlin, Beschluss vom 14.03.2022 – VK B 2-40/21

Nach § 127 Abs. 1 S. 1 GWB wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 S. 1 GWB auf ein wirtschaftlich vorteilhaftes Angebot erteilt. Grundlage dafür ist nach § 127 Abs. 1 S. 2 GWB und § 152 Abs. 3 S. 4 GWB eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers beziehungsweise Konzessionsgebers (im Folgenden nur: Auftraggeber), ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Der Auftraggeber ist verpflichtet, bei der Wertung der Angebote diskriminierungsfrei nach den Regeln des Gesetzes und der von ihm selbst aufgestellten Vorgaben zu handeln und dies entsprechend nachvollziehbar zu dokumentieren (vgl. etwa Knauff, in: Säcker/Ganske/Knauff, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, Bd. 3, VergabeR I, 4. Auflage 2022, § 97 GWB, Rn. 28). Selbstverständlich gilt deshalb insbesondere im Rahmen einer Qualitätswertung von Konzepten, dass der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren muss, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind (vgl. schon VK Berlin, Beschlüsse vom 13. März 2020 – VK B 1-36/19; vom 22. Februar 2019 – VK B 1-33/18). Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch darauf hin überprüfbar, ob diese im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – X ZB 3/17, ZfBR 2017, 607, 612). Die Angebotswertung ist von den Nachprüfungsinstanzen nämlich nach den allgemeinen Maßstäben zur Überprüfung von Beurteilungsspielräumen dahingehend zu kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich waren und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (vgl. etwa Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil, 3. Auflage 2017, § 127 GWB, Rn. 88 m.w.N.).

Diesen Maßstäben wird die Wertung des Antragsgegners nicht gerecht. Denn zum anderen fehlt es auch bei der (nach-)dokumentierten Entscheidung des Auswahlgremiums an einer transparenten und willkürfreien Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen. Die Kammer legt insoweit die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorliegende Dokumentation, d.h. einschließlich der vom Antragsgegner im Lauf des Verfahrens nachgereichten Dokumente, insbesondere des Vergabevermerks vom 28. Januar 2022 zugrunde.

Neben dem mit 45% gewichteten Kriterium „Städtebau, Architektur, Freiraum“ hat der Antragsgegner im „Exposé“ die ebenfalls mit 45% gewichteten „Nutzungen“ und zu 10% die „Ökologie“ der zu erbringenden Leistung als Zuschlagskriterium festgelegt. Der Bewertung der Angebote zu diesen Zuschlagskriterien („Themen“) sollten im „Exposé“ weiter genannte Unterkriterien („Kriterien“) zugrunde gelegt werden. Aus dem „Exposé“ ergaben sich zudem in einer Aufzählung jeweils konkretisierende Stichpunkte zu den jeweiligen Unterkriterien. Aus der entsprechenden Tabelle ergab, dass die jeweilige Konzeptqualität mit einer Schulnote beziehungsweise einer der Wichtung entsprechenden Punktzahl beurteilt werden sollten. Im Anschluss an die Tabelle erläuterte das Exposé, was unter den benannten Konzeptqualitäten zu verstehen ist. Danach sollte beispielsweise eine „gute“ Konzeptqualität vorliegen, wenn die „Qualität der Konzepte bzw. der Umsetzung der Anforderungen […] bezogen auf das Konzeptkriterium insgesamt mit gut bewertet [wird]. Insbesondere im Vergleich zu den übrigen Angeboten lässt das Angebot bezogen auf das Konzeptkriterium eine überdurchschnittlich hohe Konzeptqualität zur Zielerreichung erwarten.“ Diese Vorgaben sind aus Sicht der Kammer vor dem Hintergrund der sog. Schulnotenrechtsprechung zur Qualitätswertung (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – X ZB 3/17, NZBau 2017, 366; Stein/Wolters, NZBau 2020, 339) weder grundsätzlich zu kritisieren, noch von der Antragstellerin rechtzeitig gerügt worden.

Die Kammer kann jedoch weder aus den vom Antragsgegner zum Verfahren gereichten und der Vergabeakte zu entnehmenden Vermerken noch aus den übrigen Teilen der Vergabeakte oder den Einlassungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren ersehen, dass eine diskriminierungsfreie Wertung anhand dieser Vorgaben durchgeführt worden ist. Dem für die Beurteilung insbesondere maßgeblichen Vermerk vom 28. Januar 2021 kann zwar entnommen werden, dass das Auswahlgremium den Angeboten der Verfahrensbeteiligten sowohl zu den jeweiligen Stichpunkten als auch sodann zu den Unterkriterien Schulnoten und damit einhergehende Punkte zugeschrieben und im Ergebnis die Angebote anhand der Zusammenrechnung der Unterkriterien verglichen und das Angebot der Beigeladenen auf dieser Grundlage für den Zuschlag ausgewählt hat. Es fehlt jedoch an einer hinreichend dokumentierten Rückkoppelung zwischen den für die Stichpunkte und Unterkriterien im Ergebnis vergebenen Werten mit den vom Antragsgegner aufgestellten Bewertungsvorgaben.
Dies lässt sich an zwei beispielhaften Punkten veranschaulichen:
Erstens ist nach dem Vermerk vom 28. Januar 2022 das Konzept der Antragstellerin zum Stichpunkt „Aufwertung des Eingangs zur Halbinsel ###“ mit gut = 11,25 Punkten und zum Unterkriterium „Städtebauliche Qualität“ insgesamt mit 9,375 Punkten bewertet worden. Zur Begründung führt der Vermerk lediglich an, die Eingangssituation zur Halbinsel ### werde durch eine … aufgewertet. Das Konzept der Beigeladenen erhält in diesem Punkt die gleiche Benotung versehen mit der Begründung, das … .

Damit ist keine an den Wertungsvorgaben des Antragsgegners oder §§ 127 Abs. 1, 152 Abs. 3 GWB orientierte Begründung erfolgt. So kann daraus schon nicht ersehen werden, wie das Auswahlgremium zu der konkreten Benotung der Konzepte in diesem Punkt gekommen ist. Denn weder werden Erwartungen formuliert, die die als „gut“ („überdurchschnittlich hohe Konzeptqualität“) bewerteten Konzepte hätten erfüllen müssen, um eine sehr gute Bewertung („herausragende Konzeptqualität“) zu erreichen, noch wird dargestellt, inwieweit sich die Konzepte an dieser Stelle beispielsweise von einem als „befriedigend“ („durchschnittliche Konzeptqualität“) zu bewertenden Konzept unterschieden. Aus den Begründungen ist auch nicht ersichtlich, dass der nach den Bewertungsvorgaben des Antragsgegners vorgesehene „Vergleich zu den übrigen Angeboten“ bezogen auf dieses Kriterium erfolgt wäre. Beide Begründungen enthalten zwar mit der Feststellung, der Eingangsbereich / die Eingangssituation würde aufgewertet, vergleichbare Formulierungen. Dem kann aber nicht entnommen werden, dass die Angebote tatsächlich einander gegenübergestellt worden wären und ein direkter Vergleich der erwarteten Zielerreichung erfolgt wäre. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung des Antragsgegners kann es insofern auch nicht genügen, dass das Auswahlgremium sich beide Konzepte angesehen hat, weil daraus quasi zwangsläufig eine vergleichende Bewertung folge. Der Antragsgegner hat vielmehr den Vergleich zu dokumentieren und zwar nicht nur als generelle Feststellung, sondern konkret bezogen auf die einzelnen Kriterien, Unterkriterien und Stichpunkte.

Zweitens hat die Antragstellerin unstreitig eine Abstimmung mit lokalen Akteuren vor Angebotsabgabe durchgeführt, was auch in der Bewertung zum Stichpunkt „Konzeptentwicklung mit lokalen Akteuren“ im Vermerk vom 28. Januar 2022 Erwähnung findet. Die Begründung für die Bewertung des Angebots der Antragstellerin, die in diesem Punkt mit gut = 15 Punkten vermerkt ist, erschöpft sich allerdings in der genannten Feststellung. Bei der Beigeladenen, deren Entwurf in diesem Stichpunkt mit sehr gut = 20 Punkten bewertet wird, heißt es hingegen, der Entwurf biete strukturell hervorragende Voraussetzungen, um bedarfsgerecht auf differenzierte Anforderungen reagieren zu können. Es sei ablesbar, dass konkret dargelegte umfangreiche Erfahrungen mit der Vermietung an soziokulturelle Nutzungen (Kunst, Kultur, Soziales) vorlägen, die als plausibel und sehr gut umsetzbar eingeschätzt würden.
Abgesehen davon, dass auch in diesem Stichpunkt wiederum nicht ersichtlich ist, warum die Konzepte mit „sehr gut“ und „gut“ und nicht beispielsweise „befriedigend“ bewertet werden, und es zudem an dem gebotenen Vergleich der Angebote fehlt, dürfte die Bewertung in diesem Punkt auch deshalb beurteilungsfehlerhaft sein, weil sie eine willkürfreie Berücksichtigung des Umstands, dass die Beigeladene keine vorherige Abstimmung durchgeführt hat, nicht erkennen lassen.