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VK Bund: Hat der Auftraggeber nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet, darf er den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern

vorgestellt von Thomas Ax

Ein Bieter darf nur dann von sich aus z. B. fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen. In diesem Fall kommt der Bieter der zulässigen Aufforderung des Auftraggebers durch sein Verhalten lediglich zuvor. Hat der Auftraggeber nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet, darf er den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern. Eine Nachforderung ist nur bei fehlenden, also in formaler Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechenden Unterlagen möglich, jedoch nicht, wenn diese Unterlagen in inhaltlicher Hinsicht nicht passen.
VK Bund, Beschluss vom 11.03.2022 – VK 1-23/22

Gründe:

I.

1. Im Rahmen des Neubaus einer […] führt die Antragsgegnerin derzeit europaweit ein offenes Verfahren zur Vergabe des Loses […] (Putz- und Stuckarbeiten) durch. In der EU-Bekanntmachung und einigen Vergabeunterlagen wird auf Regelungen der VOB/A-EU, in anderen Unterlagen wird auf die VgV verwiesen.

Zum Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit war in Ziffer III.1.3 der EU-Bekanntmachung u.a. Folgendes vorgesehen:

„(…)

Referenzen K.O.-Kriterium: Bitte fügen Sie dem Angebot eine detaillierte Referenzliste mit Referenzen aus dem vergleichbaren Tätigkeitsbereich mit folgenden Angaben bei: – Auftraggeber – Leistungszeitraum (…) – Auftragswert – Auftragsgegenstand und Kurzbeschreibung des Leistungsumfangs. ACHTUNG: Aus den Angaben muss die Erfüllung der untenstehenden Mindestanforderungen eindeutig hervorgehen, anderenfalls wird die Referenz nicht berücksichtigt. Mindestanforderungen: – Es müssen mindestens 3 geeignete Referenzen über Putz- und Stuckarbeiten eingereicht werden. – (…) – Das Leistungsende jeder Referenz darf nicht mehr als 5 Jahre zurückliegen (12/2016). – Jede Referenz muss abgeschlossen sein. Die Referenz gilt als abgeschlossen, wenn die belegte Abnahme (z.B. durch ein Abnahmeprotokoll) erfolgt ist.

Möglicherweise geforderte Mindeststandards:

Mindestanforderungen an die Referenzen: – Es müssen mindestens 3 geeignete Referenzen über Putz- und Stuckarbeiten eingereicht werden. – (…) – Das Leistungsende jeder Referenz darf nicht mehr als 5 Jahre zurückliegen (12/2016). – Jede Referenz muss abgeschlossen sein. Die Referenz gilt als abgeschlossen, wenn die belegte Abnahme (z.B. durch ein Abnahmeprotokoll) erfolgt ist.“


In ihrer „Dokumentation“ begründete die Antragsgegnerin diese Anforderungen u.a. wie folgt:

„Der Auftrag kann nur an ein Unternehmen vergeben werden, das bereits Erfahrung im Gewerk Putz- und Stuckarbeiten hat. (…) Die zu bewertenden Referenzen sollen ausreichend aktuell sein und daher nicht älter als 5 Jahre zurückliegen. Das späteste zulässige Leistungsende ist für Dezember 2016 vorgesehen.“

Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.

Neben weiteren Bietern gaben die Antragstellerin und die Beigeladene Angebote ab. Der Angebotspreis der Antragstellerin ist laut Submissionsprotokoll der niedrigste. Die Beigeladene hat mit ihrem Angebot mehr als drei Referenzen vorgelegt, die den Mindestanforderungen i.S.d. Ziffer III.1.3 der EU-Bekanntmachung entsprechen. Da dem Angebot der Antragstellerin keine Referenzen beigefügt waren, forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 26. Januar 2022 auf, bis „spätestens“ zum 1. Februar 2022

„3 Referenzen entsprechend der Mindestanforderungen der Ausschreibung“

vorzulegen.

Am 28. Januar 2022 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin

„anbei (…) die geforderten Unterlagen“

und legte neun Referenzen vor, von denen eine die bekannt gemachte Mindestanforderung erfüllte, dass das Leistungsende nicht vor Dezember 2016 liegen durfte.

Am 31. Januar 2022 um 13.01 Uhr wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass

„die genannten Referenzen bis auf eine zu alt“

seien. Die Antragstellerin übersandte der Antragstellerin daraufhin am selben Tag um 15.40 Uhr sechs weitere Bescheinigungen über Referenzaufträge, die erst nach dem Dezember 2016 endeten.

Am 8. Februar 2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass

„nachgereichte Referenzen nicht ein zweites Mal erneut nachgereicht werden“ könnten und sie „habe den Vorgang juristisch geprüft“ und dürfe „die aktuelleren Referenzen nicht mehr berücksichtigen“.

Mit ihrem Schreiben gemäß § 134 GWB vom 9. Februar 2022 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass deren Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es begründete Zweifel an ihrer Eignung hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gebe; der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.

Am 11. Februar 2022 rügte die Antragstellerin, dass sie nicht ausgeschlossen werden dürfe.

Bezüglich der Referenzliste habe sie „versehentlich“ eine ältere Datei versandt und innerhalb des von der Antragsgegnerin geforderten Zeitraums neue Referenzen übersandt, nachdem die Antragsgegnerin sie hierauf aufmerksam gemacht habe.

Die Antragsgegnerin antwortete der Antragstellerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten am 17. Februar 2022, dass sie der Rüge nicht abhelfe. Die Antragstellerin habe zunächst inhaltlich unzureichende Unterlagen eingereicht, die sie auch innerhalb der laufenden Nachforderungsfrist nicht nachbessern dürfe.

2. Am 18. Februar 2022 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Antrag wurde am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.

a) Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin habe ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen, weil sie innerhalb der gesetzten Frist unstreitig Referenzen vorgelegt habe, die den bekannt gemachten Mindestanforderungen entsprochen hätten.

Die Antragsgegnerin müsse auch die erst später vorgelegten Referenzen berücksichtigen, weil die Antragstellerin durch die zweite Nachreichung nicht fehlerhafte oder unzureichende Referenzen ersetzt, sondern eine bereits den Mindestanforderungen entsprechende Referenz innerhalb der Nachforderungsfrist ergänzt und die fehlenden Unterlagen damit vervollständigt habe. Dieser Sachverhalt sei mit der Situation vergleichbar, dass eine Nachforderungsfrist für mehrere unvollständige Unterlagen gesetzt werde und der Betroffene dann innerhalb der laufenden Nachforderungsfrist zunächst eine und zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Unterlage nachreiche.

Auf das Nachverhandlungsverbot des § 15 VgV könne die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragstellerin nicht stützen, denn dieses Verbot gelte nur für Angebote, jedoch nicht für die Beibringung unternehmensbezogener Unterlagen. Anders als die Antragsgegnerin meine, sei § 130 BGB ebenfalls nicht anwendbar, weil es sich bei der Nachreichung unternehmensbezogener Unterlagen um einen Realakt und nicht um eine Willenserklärung handele.

Des Weiteren trägt die Antragstellerin vor, dass die Antragsgegnerin die einmal eingereichte Nachreichungsfrist durch ihre bereits vor Ablauf dieser Frist erfolgte Information, dass acht der bisher vorgelegten Referenzen nicht die Mindestanforderungen erfüllten, nicht verkürzen könne. Dies benachteilige die Antragstellerin, weil ihr hierdurch die Möglichkeit genommen werde, weitere Referenzen bis zum Ablauf der

Nachreichungsfrist eigenständig zu übermitteln. Insoweit möge es zwar sein, dass sich die Antragstellerin durch die Mitteilung der Antragsgegnerin veranlasst gesehen habe, sechs weitere Referenzen einzureichen, es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin auch ohne diese Mitteilung weitere, den Mindestanforderungen entsprechende Referenzen innerhalb der Nachreichungsfrist vorgelegt hätte.


Die Antragstellerin beantragt über ihren während des Nachprüfungsverfahrens hinzugezogenen Verfahrensbevollmächtigten,

1. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen und

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.


b) Die Antragsgegnerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin notwendig war.


Die Antragsgegnerin meint, sie habe die zweite Nachreichung von Referenzen durch die Antragstellerin nicht berücksichtigen dürfen. Eine solche Nachbesserung widerspräche den vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz sowie dem Nachverhandlungsverbot. Denn einem Bieter dürfe durch die Nachforderung kein Vorteil gegenüber einem solchen Bieter entstehen, der bereits mit seinem Angebot inhaltlich unzureichende Unterlagen eingereicht habe. Hätte die Antragstellerin die mit der ersten Nachreichung vorgelegten Referenzen bereits mit ihrem Angebot eingereicht, wäre eine Nachforderung durch die Antragsgegnerin unzulässig gewesen, weil die zunächst vorgelegten Referenzen formal nicht zu beanstanden waren, aber mit Ausnahme einer einzigen Referenz nicht den inhaltlichen Mindestanforderungen bezüglich des Leistungszeitraums entsprachen.

Dies gelte im Fall der Antragstellerin auch dann, wenn die Nachbesserung vor Ablauf der Nachforderungsfrist erfolge, denn in Vergabeverfahren sei ein Bieter gemäß § 130 Abs. 1 BGB bereits mit der Abgabe von Erklärungen und deren Zugang beim Auftraggeber an seine Erklärungen gebunden. Die Antragstellerin müsse sich daher an der ersten Nachreichung vom 28. Januar 2022 festhalten lassen, eine nachträgliche Erweiterung dieser Erklärung am 31. Januar 2022 sei nicht möglich. Damit unterscheide sich die Nachforderungsfrist wesentlich von der Angebotsfrist. Bei der Angebotsfrist trete der Zugang des Angebots erst nach Ablauf der Frist ein, so dass die Bieter ihre Angebot bis zum Ablauf der Frist noch ändern oder ergänzen könnten. Eine unzulässige Verkürzung der Nachreichungsfrist sei hiermit nicht verbunden, denn es habe allein an der Antragstellerin gelegen, ob sie diese Frist ausschöpfe oder ihr Angebot bereits vorzeitig vervollständige.

Die erst am 31. Januar 2022 vorgelegten weiteren Referenzen habe die Antragsgegnerin außerdem deshalb nicht berücksichtigen dürfen, weil die Antragstellerin durch ihre erste Nachreichung am 28. Januar 2022 den formalen Anforderungen, mindestens drei Referenzen einzureichen, genügt habe. Damit habe am 28. Januar 2022 ein vollständiges Angebot vorgelegen. Für eine Nachforderung oder Nachreichung bestand daher kein Raum, die Unterlagen vom 31. Januar 2022 könnten nur zu einer unzulässigen inhaltlichen Verbesserung des Angebots führen.

Die von der Antragstellerin erwähnte Konstellation, dass ein Bieter bei der Nachforderung von mehreren Unterlagen erst eine und zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere vorlege, sei mit dem hiesigen Sachverhalt nicht vergleichbar. Eine solche sukzessive Vervollständigung sei allenfalls denkbar, wenn die bereits eingereichte Erklärung zur Nachreichung objektiv erkennen lasse, dass sie nicht abschließend sein solle. So sei es hier nicht, die Antragstellerin habe vielmehr am 28. Januar 2022 mitgeteilt, dass sie „die geforderten Unterlagen“ vorlege und sogar neun Referenzen übersandt. Nach objektivem Erklärungsinhalt habe die Antragsgegnerin daher davon ausgehen können, dass die Antragstellerin hiermit ihr Angebot abschließend komplettiere.

Zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten trägt die Antragsgegnerin vor, dass die hier zu beurteilende Rechtsfrage, ob ein Bieter innerhalb der gesetzten Nachreichungsfrist mehrfach Unterlagen vervollständigen dürfe, nicht einfach und obergerichtlich noch ungeklärt sei. Zudem verfüge die Antragsgegnerin nicht über Mitarbeiter mit den für ein Nachprüfungsverfahren erforderlichen vergaberechtlichen oder prozessualen Kenntnissen.

c) Durch Beschluss vom 1. März 2022 hat die Vergabekammer die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Diese gibt keine Stellungnahme ab und hat auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, ergeht die Entscheidung nach Lage der Akten (§ 166 Abs. 1, S. 3, 1. Alt. GWB).

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.


II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, insbesondere die Antragsbefugnis der Antragstellerin sowie die Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit ihrer Rüge wurde nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich.

2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Denn die Antragstellerin wurde von der Antragsgegnerin zu Recht mangels Eignung ausgeschlossen, weil sie die von der Antragsgegnerin zulässigerweise aufgestellten Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit der Bieter (dazu unter a)) nicht erfüllt hat (dazu unter b)). Da das Angebot der Beigeladenen wertungsfähig ist, ist der Nachprüfungsantrag auch nicht deshalb erfolgreich, weil alle Angebote auszuschließen wären (dazu unter c)). Anwendbar sind hier die Regelungen der VOB/A-EU, da es sich um Bauleistungen handelt (s. § 103 Abs. 3 Nr. 1 GWB i.V.m. Anhang II, Abschnitt F, Abteilung 45, Gruppe 45.4, Klassen 45.41 und 45.44 der Richtlinie 2014/24/EU).

a) Die Anforderungen der Antragsgegnerin an die technische Leistungsfähigkeit sind nicht zu beanstanden; die Vorlage von mindestens drei Referenzen für einen bestimmten Leistungszeitraum wurde zulässig und wirksam gefordert.

Die Antragsgegnerin hat Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit der Bieter aufgestellt, indem sie u.a. gefordert hat, dass mindestens drei Referenzen über Putz- und Stuckarbeiten vorgelegt werden müssen, deren Leistungsende nicht mehr als fünf Jahre zurückliegen darf. Wie in § 122 Abs. 4 S. 1 GWB vorgeschrieben, steht das Eignungskriterium „Referenzen in Putz- und Stuckarbeiten“ mit dem Auftragsgegenstand (hier: „Putz- und Stuckarbeiten“) in Verbindung und zu diesem Auftragsgegenstand sowohl von Zeitraum und Anzahl her in einem angemessenen Verhältnis. So hat die Antragsgegnerin die Anforderungen an den Leistungszeitraum in ihrer Vergabeakte vertretbarerweise mit der gebotenen Aktualität der technischen Fähigkeiten eines Bieters begründet. Dass der konkret gewählte Leistungszeitraum nicht länger als fünf Jahre zurückliegen darf, entspricht § 6a EU Nr. 3a) VOB/A und ist daher vergaberechtskonform. Die Vorgabe, dass eine bestimmte Mindestanzahl von Referenzen vorzulegen ist, ist üblich und um die Fähigkeiten eines Bieters nachvollziehbar und valide zu belegen, ebenfalls zu Recht so aufgestellt worden. Zudem handelt es sich hier nur um eine geringe Anzahl von vergleichbaren Referenzaufträgen, die ein Bieter in den letzten Jahren bereits erbracht haben muss (drei), so dass auch dies nicht gegen die Zumutbarkeit dieser Anforderung spricht. Dies ist jedenfalls bei der Antragstellerin so. Sieben der von ihr vorgelegten Referenzen entsprechen den ausgeschriebenen Vorgaben und zeigen, dass diese Anforderung für die Antragstellerin nicht unerfüllbar oder sonst unverhältnismäßig gewesen ist.

Die Mindestanforderungen an die vorzulegenden Referenzen wurden von der Antragsgegnerin auch wirksam aufgestellt, indem sie sie wie in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB vorgesehen in der EU-Auftragsbekanntmachung veröffentlicht hat.

b) Diese wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen hat die Antragstellerin nicht erfüllt, weil sie die Referenzen nicht mit ihrem Angebot und auch nicht auf die Nachforderung der Antragsgegnerin hin vorgelegt hat (dazu unter aa)). Die weiteren, am 31. Januar 2022 vorgelegten Referenzen der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu Recht nicht berücksichtigt (dazu unter bb)).

aa) Mit ihrem Angebot hat die Antragstellerin unstreitig überhaupt keine Referenzen vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin daraufhin am 26. Januar 2022 gemäß § 16a EU VOB/A aufgefordert, bis zum 1. Februar 2022 Referenzen vorzulegen. Durch die am 28. Januar 2022 erfolgte Nachreichung von neun Referenzen hat die Antragstellerin ihr Angebot vervollständigt.

In rein formaler Hinsicht hat die Antragstellerin damit die Eignungsanforderungen der Antragsgegnerin zwar erfüllt. Ob die vorgelegten Referenzen inhaltlich den bekannt gemachten Anforderungen entsprechen, ist jedoch im Rahmen der sog. materiellen Eignungsprüfung festzustellen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019 – Verg 36/18). Hier ist die Antragsgegnerin zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass von den neun Referenzen der Antragstellerin nur eine einzige der wirksam festgelegten Mindestanforderung an den Leistungszeitraum entspricht (Leistungsende nicht früher als 12/2016) und nicht wie gefordert mindestens drei Referenzen.

Damit erfüllt die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin aufgestellten Eignungskriterien nicht und ist gemäß §§ 6, 16b VOB/A-EU auszuschließen.

bb) Die weiteren von der Antragstellerin am 31. Januar 2022 um 15.40 Uhr vorgelegten Referenzen durfte die Antragsgegnerin nicht berücksichtigen, auch wenn diese den Mindestanforderungen an den Leistungszeitraum und die Mindestanzahl geeigneter Referenzen entsprachen.

Denn wie bereits oben unter b)aa) festgestellt, hatte die Antragstellerin durch die Vorlage von neun Referenzen am 28. Januar 2022 ihr Angebot bereits in formaler Hinsicht ausreichend vervollständigt. Der durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2022 ausgelöste Nachforderungsvorgang war damit am 28. Januar 2022 durch die Nachreichung der Referenzen durch die Antragstellerin bzw. spätestens durch die Prüfung dieser Referenzen auf deren inhaltliche Richtigkeit hin durch die Antragsgegnerin am 31. Januar 2022, 13.01 Uhr, abgeschlossen. Damit lief auch die von der Antragsgegnerin bis zum 1. Februar 2022 gesetzte Nachforderungsfrist nicht mehr, die Antragstellerin hat diese nicht bis zum Ende ausgeschöpft (wozu sie selbstverständlich ohne Weiteres berechtigt war: „spätestens“ zum 1. Februar 2022), sondern ist ihr bereits einige Tage vorher nachgekommen. Diese Fristverkürzung ist allein auf das Handeln der Antragstellerin selbst zurückzuführen, indem sie die Aufforderung der Antragsgegnerin bereits am 28. Januar 2022 erfüllt hat – die Antragsgegnerin hat hierzu nichts beigetragen. Dementsprechend ist es der Antragsgegnerin ebensowenig anzulasten, dass sie die nachgereichten Referenzen bereits innerhalb weniger Tage geprüft hat. In dieser Vorgehensweise der Antragsgegnerin liegt also keine unzulässige Benachteiligung der Antragstellerin. Im Gegenteil würden andere Bieter benachteiligt, die – so wie die Beigeladene bereits mit ihrem Angebot – die Vorgaben an die Vorlage ausschreibungskonformer Referenzen fristgerecht erfüllt haben, wenn man der Antragstellerin gestatten würde, auch nach der Prüfung der vorgelegten Referenzen durch die Antragsgegnerin mehrfach weitere Referenzen vorlegen zu können.

Anders als die Antragstellerin meint, ist die hier vorliegende Konstellation nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem ein Auftraggeber mehrere unvollständige Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist nachfordert. Soweit es sich um unterschiedliche Unterlagen handelt (z.B. Umsatzangaben, ein Auszug aus dem Handelsregister), liegt tatsächlich nämlich nicht ein einzelnes, sondern mehrere Nachforderungsverlangen vor, für die lediglich dieselbe Vorlagefrist läuft. Wenn ein Bieter zunächst eines dieser Vorlageverlangen erfüllt (z.B. bzgl. der Umsatzangaben), ist nur dieses erledigt und die weiteren Aufforderungen (z.B. für den Handelsregisterauszug) dauern an. Im vorliegenden Fall jedoch geht es um dieselben Unterlagen, die von der Antragstellerin vorzulegen waren, nämlich mehrere fehlende Referenzen.

Abgesehen davon, dass die Nachreichungsfrist zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr lief, war die Antragstellerin auch sonst nicht berechtigt, nach der ersten Vorlage am 28. Januar 2022 der Antragsgegnerin am 31. Januar 2022 um 15.40 Uhr weitere Referenzen vorzulegen. Aus Gründen der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung der Bieter sind in offenen Verfahren wie hier Kontakte zwischen Auftraggeber und Bieter nach Angebotsöffnung grundsätzlich verboten und nur in geringem Umfang ausnahmsweise zulässig. Die Ausnahmen von diesem Kontaktaufnahmeverbot sind gesetzlich geregelt und alle so ausgestaltet, dass der Auftraggeber aus bestimmtem Anlass auf einen Bieter zugeht (s. nur: § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A (zur Aufklärung von Angeboten), § 16a EU Abs. 1, 2 VOB/A (zur Nachforderung fehlender Unterlagen)). Ein unaufgeforderter Kontakt des Bieters mit dem Auftraggeber ist demgegenüber vergaberechtlich nicht vorgesehen (abgesehen allenfalls von einfachen Nachfragen nach dem Sachstand des Vergabeverfahrens). Dementsprechend darf ein Bieter auch nur dann von sich aus z.B. fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen – in diesem Fall kommt der Bieter der zulässigen Aufforderung des Auftraggebers durch sein Verhalten lediglich zuvor. So verhält es sich vorliegend aber gerade nicht. Denn nachdem sie die ersten von der Antragstellerin am 28. Januar 2022 vorgelegten Referenzen inhaltlich geprüft und (zu Recht) für unzureichend erachtet hatte, durfte die Antragsgegnerin die Antragstellerin kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern. Eine Nachforderung wäre nur bei fehlenden, also in formaler Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechenden Unterlagen möglich, jedoch nicht, wenn diese Unterlagen – wie hier (s.o. unter 2b)aa) – in inhaltlicher Hinsicht nicht passen (s. nur OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 28. März 2018 – Verg 42/17, und vom 17. Dezember 2012 – Verg 47/12; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019 – Verg 10/19 jeweils m.w.N.). Jede weitere Vorlage „passenderer“ Referenzen wäre eine Nachbesserung des Angebots gewesen. Solche Nachbesserungen des Angebotsinhalts sind vergaberechtlich unzulässig, weil sie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz widersprechen (EuGH, Urteil vom 14. September 2017, Rs. C-223/16 m.w.N.; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 21. April 2017, Verg 2/17). Unabhängig also davon, ob die Antragstellerin aus Anlass der Mitteilung der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2022 sechs weitere Referenzen vorgelegt hat oder weil ihr selbst aufgefallen wäre, dass die bisher vorgelegten Referenzen unzureichend waren, durfte sie der Antragsgegnerin solche weiteren Referenzen nicht vorlegen.

Diese Rechtsfolge, dass ein Bieter sein Angebot nicht inhaltlich ändern („nachbessern“) darf, beruht wie oben dargelegt nicht auf dem Nachverhandlungsverbot, das nach Auffassung der Antragstellerin nur für Angebote, jedoch nicht für die Beibringung unternehmensbezogener Unterlagen gelten soll. Rechtsgrund sind vielmehr die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter, die allgemein für das gesamte Vergabeverfahren gelten (s. nur § 97 Abs. 1, 2 GWB).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Analogie zur Angebotsfrist. Zwar darf ein Bieter sein Angebot ohne Weiteres bis zum Ablauf der Angebotsfrist zurückziehen oder ergänzen (vgl. nur § 10a EU Abs. 7 VOB/A). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber die Angebote ohnehin erst nach Ablauf der Angebotsfrist öffnen darf (§ 14 EU Abs. 1 S. 1 VOB/A). Zugegangen i.S.d. § 130 Abs. 1 BGB ist ein Angebot im Rahmen eines Vergabeverfahrens mithin erst mit Öffnung des Angebots, jedoch nicht bereits mit dem eventuell früheren Eingang beim Auftraggeber, weil das Angebot zwar in den Machtbereich des Auftraggebers gelangt ist, er aber von dessen Inhalt erst mit Ablauf der Angebotsfrist Kenntnis nehmen durfte (vgl. zu den Voraussetzungen des Zugangs von Willenserklärungen unter Abwesenden nur Palandt-Ellenberger, 80. Aufl., zu § 130 BGB, Rn. 5). Vergleichbare Vorgaben für nachgeforderte bzw. nachgereichte fehlende Angebotsunterlagen und der Kenntnisnahme des Auftraggebers hiervon gibt es nicht. Gibt ein Bieter also innerhalb der von einem Auftraggeber gesetzten Nachfrist Unterlagen ab und erklärt damit, der Nachreichungsaufforderung nachzukommen, geht diese Erklärung dem Auftraggeber gemäß § 130 Abs. 1 BGB unmittelbar zu und darf von diesem zu Kenntnis genommen und inhaltlich gewürdigt werden. So ist es im Falle der Antragstellerin am 28. Januar 2022 geschehen. Anders als die Antragstellerin meint, sind die Vorschriften über den Zugang von Willenserklärungen hier anwendbar, denn bei der Vorlage der von der Antragsgegnerin nachgeforderten Unterlagen, die für die Angebotswertung relevant sind, handelt es sich nicht um einen Realakt (so die Antragstellerin), sondern um eine Willenserklärung. Diese Vorlage ist nämlich auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg gerichtet, indem die Antragstellerin auf diese Weise ihr Angebot vervollständigen und damit ihre Eignung belegen wollte („anbei (…) die geforderten Unterlagen“), um mit der Antragsgegnerin – im Zuschlagsfall – den ausgeschriebenen Vertrag abschließen zu können (s. zur Abgrenzung von Willenserklärung und Realakt, Palandt-Ellenberger, Einf v § 116 BGB, Rn. 1 ff., Überbl v § 104 BGB, Rn. 9).

Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob etwas anderes gilt, wenn sich ein Bieter im Rahmen einer Nachreichung von angeforderten Unterlagen vorbehält, weitere Unterlagen noch nachzureichen oder sonst zu erkennen gibt, dass seine Antwort noch nicht abschließend sein soll. Denn dies war bei der Antragstellerin nicht der Fall. In dem Begleitschreiben, mit dem sie am 28. Januar 2022 erstmals Referenzen vorgelegt hat, hat die Antragstellerin gesagt, dass sie „anbei“ „die geforderten Unterlagen“ übersende. Ein objektiver Empfänger konnte dies nur so verstehen, dass die Antragstellerin hiermit dem Nachforderungsverlangen vollständig nachkommen will (§§ 133, 157 BGB). So hat es auch die Antragsgegnerin getan und die Referenzen dementsprechend geöffnet und geprüft.

c) Da die Beigeladene Referenzen vorgelegt hat, die den in Ziffer III.1.3 der EUBekanntmachung genannten Mindestanforderungen entsprechen, ist jedenfalls deren Angebot wertbar. Der Nachprüfungsantrag ist daher auch nicht deshalb begründet, weil alle Angebote auszuschließen wären und die Antragstellerin in einem neuen Vergabeverfahren eine „zweite Chance“ bekommen müsste, ein neues Angebot mit ausschreibungskonformen Referenzen einzureichen.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war in diesem Verfahren notwendig, weil eine schwierige, noch nicht obergerichtlich entschiedene Frage im Zusammenhang mit der Nachreichung fehlender Unterlagen zu klären war (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06). Angesichts des Unternehmenszwecks der Antragsgegnerin ([…]), angesichts dessen i.d.R. keine so komplexen vergaberechtlichen Fragen zu erwarten sind, sowie mangels entsprechend ausgebildeter Mitarbeiter war die Antragsgegnerin nicht in der Lage, zu so einer Frage ohne anwaltliche Hilfe gegenüber der Vergabekammer hinreichend vorzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, a.a.O.)

Da sich die Beigeladene nicht am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat, entspricht es nicht der Billigkeit i.S.d. § 182 Abs. 4 S. 2 GWB, der unterliegenden Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014 – Verg 41/13).


IV.

(…)