Ax Rechtsanwälte

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VK Thüringen: Bestimmte kritische Aufgaben können direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen vorgeben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen. „Kritisch“ in diesem Sinne sind Leistungen, die entweder besonders fehleranfällig oder für den Leistungserfolg von besonderer Bedeutung sind. Mit bestimmten kritischen Aufgaben können nur Teilleistungen eines Vertrags gemeint sein, nicht jedoch der gesamte Vertrag. VK Thüringen, Beschluss vom 10.07.2019 – 250-4003-15326/2019-E-010-G

Gründe

I.

Die AG hat im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 27.09.2019 Postdienstleistungen in zwei Losen für die Stadtverwaltung ### im Zustellbereich ….. (Los 1) und darüber hinaus (Los 2) im offenen Verfahren als Dienstleistung ausgeschrieben. Die Leistung wird unter II.2.4) der europaweiten Auftragsbekanntmachung wie folgt beschrieben: 1) Abholservice für die Ausgangspost, 2) Frankieren, Konsolidieren und Einliefern der Ausgangspost; 3) Zustellen der Ausgangspost; 4) Lieferservice für die Eingangspost (nur für Los 1). Zuschlagskriterien sind nach II.2.5) als Qualitätskriterium die Leistungsqualität mit einer Gewichtung von 60 und als Kostenkriterium der Gesamtpreis mit einer Gewichtung von 40. Der geschätzte Gesamtwert der Leistung wird nach II.2.6) auf ###x Euro brutto geschätzt. Unter III.1.2) folgen für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit eine Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien, u.a. abweichend von der Eigenerklärung 124LD sind nicht 3 Referenzen aus den letzten 3 Jahren, sondern bereits mit dem Angebot mindestens 5 Referenzschreiben öffentlicher und/oder privater Auftraggeber, welche sich auf eine Leistungserbringung von gleichartigen Postdienstleistungen bezieht, einzureichen. Diese Referenzen müssen die qualitativ einwandfreie Tätigkeit des Bieters bestätigen und nicht älter als 18 Monate sein. Weiterhin wird gefordert, gültige Zertifikate vorzulegen, die durch externe Laufzeitmessungen nachvollziehbar belegen, dass die von der AG geforderte Laufzeitanforderung in den jeweiligen Zustellbereichen der Lose (Los 1: Zustellung am nächsten Werktag, der auf den Abholtag folgt; Los 2: Zustellung am übernächsten Werktag, der auf den Abholtag folgt) erreicht wird. Unter VI.3) folgen zusätzliche Angaben: Das Vergabeverfahren wird elektronisch […] durchgeführt. […] die Angebotsabgabe ist seit 18.10.2018 nur noch in elektronischer Form zulässig. […] Eine Abgabe des Angebots per Fax oder E-Mail ist nicht zulässig, da dies keine elektronische verschlüsselte Angebotsabgabe ist und zum Ausschluss des Angebots führt.

Im Vorblatt zum Leistungsverzeichnis wird folgender Passus aufgeführt:

„Zur Angebotsabgabe werden sach- und fachkundige Firmen aufgefordert, die ausschließlich im Bereich der Postdienstleistungen tätig sind und den ausgeschriebenen Leistungsumfang mit eigenen Mitarbeitern erfüllen. Der Auftragnehmer ist nicht berechtigt, die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen, auch in Teilen, Dritten zu übertragen. Die ### AG ist kein „Dritter“ im Sinne dieser Regelung. Der Auftragnehmer hat lediglich anzugeben, ob und falls ja, welcher Leistungsumfang von der ### ausgeführt werden soll. Auf eine konzeptionelle Beschreibung durch den Auftragnehmer kann in diesem Fall verzichtet werden.“

Unter B4 des Leistungsverzeichnisses, Zustellen der Ausgangspost, wird über die stattzufindende Zustellung für Los 1 (E+1) und Los 2 (E+2) bestimmt, dass die Bedingungen des § 2 Nr. 3 PUDLV nicht zur Anwendung kommen. Unter B7, Leistungsqualität, ist folgendes aufgeführt:

„Falls Konsolidierungsunternehmen beabsichtigen, Teile der Leistungen ausschließlich zur Ausführung an die ### AG zu übertragen, müssen die in der Leistungsbeschreibung unter Punkt D ausgeführten Kategorien Nr. 6 (Qualität der Ausgabe- und Benachrichtigungsstellen), Nr. 8 (Qualität der Adress- und Briefkastendatei) und Nr. 12 (Qualität des Zustellpersonals) nicht beschrieben werden. Es reicht ein schriftlicher Hinweis darauf, dass diese Leistungen ausschließlich der ### AG übertragen werden. Diese Leistungsteile wird der Auftraggeber mit der jeweils vorgegebenen maximalen Punktzahl bewerten.“

Nach B1-1, Postprodukte, sind das Postprodukt „Postzustellungsauftrag“ und „Postdienstleistungen, welche mit der Durchführung von Wahlen in Zusammenhang stehen, nicht Bestandteil und Gegenstand dieser Ausschreibung.“

Am 17.10.2019 hat die AG eine Berichtigung, Bekanntmachung über Änderungen oder zusätzliche Angaben, im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, veröffentlicht. Unter III.1.2) muss es heißen: zu 1) Die Referenzen müssen die qualitativ einwandfreie Tätigkeit des Bieters bestätigen und dürfen nicht älter als 36 Monate sein. Zu 2) Los 1 und Los 2: Zustellung gemäß § 2 Nr. 3 PUDLV. Mit Schreiben vom 21.10.2019 an die AG, per Telefax am 22.10.2019 eingegangen, nimmt die AST Bezug auf ein Schreiben an die AG vom 03.09.2019. Dort sei sie bereits auf die Nutzung von Nachunternehmen eingegangen:

„… Der Ausschluss von Nachunternehmerschaften ist ebenso eklatant rechtswidrig. §§ 36, 47 VgV sehen die NU-Beteiligung ausdrücklich vor und geben keinerlei Handhabe für deren Ausschluss. Wenn ein AG der Auffassung ist, ein benannter NU sei nicht geeignet, so muss er gar Gelegenheit zum Austausch des NU geben; § 36 Abs. 5 VgV. Selbst in einem solchen Fall darf der Hauptbieter nicht benachteiligt oder ausgeschlossen werden…“

Dieser Punkt werde erneut gerügt. Es werde gefordert, der Rüge abzuhelfen und die Ausschreibung rechtskonform und wettbewerbsoffen zu gestalten. Mit Schreiben vom 23.10.2019 hat die AG auf das Rügeschreiben der AST vom 21.10.2019 ausgeführt:

Sie habe bestimmt, dass die Kommunikation nur elektronisch über die Vergabeplattform erfolge, vgl. hierzu Nr. 2 im Formular 631 EU der Vergabeunterlagen. Die AST habe ihr Rügeschreiben per Telefax übermittelt. Die AST werde darauf hingewiesen, dass für die Wirksamkeit der Rüge die Einhaltung des vorgegebenen Formerfordernisses Voraussetzung sei. Zur Sache äußere sich die AG dennoch und teile folgende Auffassung mit: Die AG definiere die Dienstleistung als sogenannte kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV. Danach könne der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass bei Dienstleistungsaufträgen bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter ausgeführt werden müssten. Das sei hier der Fall. Die ordnungsgemäße Ausführung der zu beauftragenden Postdienstleistungen, hier im Besonderen die fristgemäße Zustellung der Postsendungen bei den Empfängern, habe strategische Bedeutung für den geregelten Betriebsablauf der Verwaltung. Von daher werde ein ausschließlich direkter Zugriff auf den künftigen Auftragnehmer verlangt. Es sei anzumerken, dass wegen Mängeln in der Auftragsausführung und deren nicht beherrschbarer Behebung – gerade auch wegen beauftragter und in der Auftragsdurchführung einbezogener Nachunternehmer – im vergangenen Jahr die vorzeitige Kündigung des Dienstleistungsvertrages über Postdienstleistungen mit dem Unternehmen der AST erfolgt sei. Eine Stadtratssitzung habe wegen verspäteter Zustellung der Ladungs- und Sitzungsunterlagen nicht durchgeführt werden können. Vor diesem Hintergrund und den eigenen negativen Erfahrungen stufe die AG Postdienstleistungen als sogenannte kritische Aufgabe ein und verlange die direkte Ausführung durch den Bieter. Der Rüge könne die AG, selbst wenn diese unter Beachtung der Grundsätze der Kommunikation im Sinne des § 9 VgV formgemäß über die Vergabeplattform zugegangen wäre, auch in Auswertung einschlägiger Kommentierung zur Vergabeverordnung nicht abhelfen. In Beantwortung von Bieterfragen antwortet die AG auf die Frage „Gehen wir recht in der Annahme, dass der Einsatz von Nachunternehmen ausgeschlossen ist?“: „Ja, der Einsatz von Nachunternehmern ist nicht gestattet.“

Mit Schriftsatz vom 28.10.2019 hat die AST per E-Mail, nunmehr anwaltlich vertreten, weitere Rügen vorgetragen:

1. Soweit unter Ziffer III.1.2 der EU-Bekanntmachung die Referenzanforderungen in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bieter gegenüber §§ 122 Abs. 4 Satz 1 GWB, 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV dahingehend verschärft werden, dass bereits mit dem Angebot fünf Referenzschreiben vorzulegen seien, sei dies vergaberechtswidrig. Zum einen stehe diese erhöhte Anforderung nicht in einem vertretbaren Verhältnis zum Auftragsgegenstand. Inmitten stehe ein vom Umfang her und auch von der zeitlichen Erstreckung her unterdurchschnittlich komplexer Auftrag mit einem auch übersichtlichen finanziellen Umfang. Die Anforderung nach mindestens fünf Referenzschreiben über vergleichbare Aufträge stehe daher nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand und beschränke den Wettbewerb.

2. Die Anforderung, bereits mit dem Angebot Referenzschreiben anderer Auftraggeber vorzulegen, verstoße gegen den Grundsatz der Eigenerklärung nach § 48 Abs. 2 VgV. Gründe dafür, dass vorliegend bei gleichzeitig äußerst knapp bemessener, gerade so die Mindestfrist überschreitender Angebotsfrist gleich mehrere Drittbescheinigungen einzuholen und vorzulegen seien, seien nicht ersichtlich. Sie würden die Wettbewerbsteilnahme in unzulässiger Weise erschweren. Die Überprüfung von zunächst durch Bietereigenerklärung benannter Referenzen sei im Übrigen die ureigene Aufgabe jedes öffentlichen Auftraggebers.

3. Die Vergabeunterlagen seien so ausgestaltet, dass die ### AG (###) bevorzugt werde. So würden etwa nach Ziff. B 7, S. 10 der LB bestimmte qualitative Wertungskriterien, wenn ein Bieter sich für diese auf die Leistungen der ### AG berufe, von vornherein – bereits in den Vergabeunterlagen – mit der maximalen Punktzahl bewertet. Das verletze die Bietergleichbehandlung. Das gelte auch für S. 1, drittletzter Absatz LB. Wenn danach die ### AG als Nachunternehmer eingeschaltet werde, müsse der Bieter nicht einmal mehr ein vollständiges Angebot einreichen. Die AST hat mit Schreiben/Telefax vom 29.10.2019 bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag gestellt. Sie beantragt im Einzelnen,

1. der AG aufzugeben, das Vergabeverfahren zur Beschaffung von Postdienstleistungen mit der Referenznummer 19 VgV 007, EU-Bekanntmachung 2019/S 187-454868, im Falle fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor europaweiter Bekanntmachung des Verfahrens zurückzuversetzen und sowohl den Inhalt der Bekanntmachung als auch die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtskonform auszugestalten, insbesondere die Übertragung von Teilleistungen auf Unterauftragnehmer nicht zu untersagen und die Übertragung von Teilleistungen auf einen bestimmten Dritten (### AG) nicht zu privilegieren;

2. hilfsweise sonstige geeignete Maßnahmen anzuordnen, um eine Rechtsverletzung auf Seiten der Antragstellerin zu verhindern;

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der, der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienenden Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen und auszusprechen, dass für diese die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren erforderlich ist. Aus dem Leistungsverzeichnis sei ersichtlich, dass die Ausschreibung auf die ### AG zugeschnitten sei. Die ### AG sei, was kammerbekannt sei, der einzige Anbieter auf dem Markt der Postdienstleistungen, der als ehemaliges Staatsunternehmen über ein komplettes Netz der bundesweiten Zustellung ,,in Eigenleistung“ verfüge. Demgegenüber seien die Wettbewerbsunternehmen der ### AG regional tätig, verfügten also über mehr oder weniger räumlich umfangreiche eigene Zustellnetze in bestimmten Regionen und bewirkten Zustellaufträge außerhalb der eigenen Netzabdeckung mit Nachunternehmen, darunter auch über das Zustellnetz der ### AG. Darüber hinaus, also außerhalb der eigentlichen Zustelltätigkeit, bedienten sich die regionalen Anbieter auch für andere Teilleistungen wie etwa die Konsolidierung, der Unterstützung durch Nachunternehmen, die aber nicht die ### AG seien oder sein müssten. Da sich dies nicht aus der Bekanntgabe ergeben habe, habe die AST festgestellt, dass ihr bei beabsichtigtem Nachunternehmereinsatz eine Verfahrensteilnahme unmöglich sei. Daher habe sie mit Rügeschreiben vom 21.10.2019 das Verbot des Einsatzes von Nachunternehmen als vergaberechtswidrig beanstandet. Die verfahrensgegenständlichen Postdienstleistungen habe die AST in einem Rügeschreiben vom 03.09.2019 schon einmal in einer Vorgängerausschreibung nach EU-Auftragsbekanntmachung 2019/……… vom 09.08.2019 gerügt. Die Vorgängerausschreibung habe es nur der ### AG ermöglicht, sich am Verfahren zu beteiligen. Auf die damalige Rüge der AST hin habe die Antragsgegnerin die Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens verfügt und dessen Korrektur angekündigt.

Das Ergebnis dieser Korrektur sei nun das vorliegende Vergabeverfahren. Die Antragsgegnerin habe die Rüge vom 21.10.2019 zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin habe eine nicht ordnungsgemäße Form der Rüge bemängelt und im Übrigen erklärt, dass die gesamte Auftragserledigung der Ausschreibung eine einzige kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV sei, so dass der gesamte Auftrag direkt vom Bieter persönlich ausgeführt werden müsse. Zur Begründung werde auf stattgehabte, angeblich mangelhafte Leistungserbringungen verwiesen. Mit ergänzendem Rügeschreiben vom 29.10.2019 seien weitere Vergaberechtsverstöße gerügt worden. Diese betreffen die unverhältnismäßigen Referenzanforderungen einerseits und die „gesetzten“ Wertungsvorteile zugunsten der ### AG andererseits. Infolge des Nachunternehmerverbotes sei der AST eine Wettbewerbsteilnahme nicht möglich. Aufgrund ihrer unternehmerischen Struktur hätte sie für die Teilleistungen der Zustellungen im Postleitzahlbereich … des Loses 1 einen Unterauftragnehmer, jedoch nicht die ### AG, nach § 36 VgV einsetzen wollen und müssen; entsprechendes wäre für Teile der Leistungen des Loses 2 vorgesehen gewesen. Die AST beabsichtige außerdem, als Einzelbieterin, aber eben mit Unterauftragnehmern, am Vergabeverfahren teilzunehmen, und nicht eine „Zwangsehe“ in Form einer im Vergleich zur Vorgängerausschreibung jetzt möglichen Bietergemeinschaftskonstellation eingehen zu müssen. Da die Antragsgegnerin aber etwaige Bieterunternehmen dazu zwinge, einzig und alleine mit der ### AG, die kein Dritter im Sinne des Nachunternehmerverbots sein solle, zusammenzuarbeiten, sei es der AST verwehrt, sich mit einem eigenen Angebot an diesem Vergabeverfahren zu beteiligen. Deshalb verbleibe nur die förmliche Vergabenachprüfung, um ihr die Teilnahmemöglichkeit zu eröffnen.

Nach Auffassung der AST ist der Nachprüfungsantrag nach § 160 GWB statthaft und auch sonst zulässig. Der für Liefer- und Dienstleistungsaufträge maßgebliche EU-Auftragsschwellenwert werde nach den Angaben der Antragsgegnerin deutlich überschritten. Die Zuständigkeit der Vergabekammer Thüringen liege auf der Hand. Die Antragsbefugnis der AST aus § 160 Abs. 2 GWB sei gegeben. Als entsprechend spezialisiertem Fachunternehmen und als die bisherige Auftragnehmerin der jetzt ausgeschriebenen Postdienstleistungen habe sie ein erhebliches Interesse an einer ordnungsgemäßen, rechtlich einwandfreien Wettbewerbsteilnahme, an der sie aber gerade deshalb gehindert werde, weil die Antragsgegnerin entweder nur Angebote der ### AG oder aber solche Angebote von anderen Unternehmen als der ### AG ermögliche, die dann, wenn sie die Leistungen nicht sämtlich im eigenen Betrieb erbringe, zwingend mit der ### AG zusammenarbeiten müsste, während die Beteiligung anderer Unterauftragnehmer verboten sei. Dass in einem solchen Fall die Darlegung der Antragsbefugnis nicht von der Abgabe eines eigenen, aber bedingungsgemäß nicht möglichen Angebots abhänge, stehe außer Frage. Der AST drohe durch die faktische Wettbewerbssperre ein erheblicher Schaden, denn sie sei für ihr Unternehmen auf die Teilnahme an derartigen Ausschreibungen namentlich in ihrem regionalen Wirkungskreis angewiesen. Die Antragsbefugnis der AST liege auch hinsichtlich der weiteren Rügen vom 28.10.2019 vor. Denn durch die dort gerügten Aspekte würden die Wettbewerbsaussichten der AST im Vergleich zur ### AG erheblich beeinträchtigt, ohne dass Gründe für die Bevorzugung gegeben seien.

Schließlich habe die AST ihren Rügeobliegenheiten entsprochen. Sie habe die Vergabeunterlagen im Laufe des 10.10.2019 heruntergeladen. Da sich die Bekanntmachung selbst nicht zu dem Nachunternehmerverbot verhalte, habe die AST davon erst im Zuge der Bearbeitung der Vergabeunterlagen in der KW 42 Kenntnis erlangt. Die entsprechende Rüge habe sie rechtzeitig am 21.10.2019 ausgebracht. Die mit den ergänzenden Rügen geltend gemachten Rechtsverstöße waren für die AST, die über keinen Hausjuristen oder gar über eine Rechtsabteilung verfüge, in ihrer rechtlichen Bedeutung nicht erkennbar. Selbst wenn, sei deren Rüge jedenfalls rechtzeitig im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB erfolgt. Nach Auffassung der AST ist der Nachprüfungsantrag auch begründet, denn die gerügte Ausgestaltung der Vergabeunterlagen verletzte sie erheblich in ihren Bieterrechten aus § 97 Abs. 1 und Abs. 2 mit Abs. 6 GWB. Für das Verbot des Einsatzes von Nachunternehmen bzw. Unterauftragnehmern existiere keine vergaberechtliche Rechtsgrundlage. Derartige Beschränkungen der unternehmerischen Handlungsformen und die damit verbundene Bevorzugung der ### AG würden eine erhebliche Ungleichbehandlung für alle Bieter darstellen, die nicht die ### AG seien. Sie würden sämtliche Wettbewerber der ### AG gezielt benachteiligen, was insbesondere ein Abgleich der jetzigen Konditionen mit den bereits monierten Bedingungen der Vorgängerausschreibung offenbare. Insoweit sei nur das seinerzeit ebenfalls verfügte Verbot von Bietergemeinschaften aufgehoben worden, während an der Bevorzugung der ### AG und dem Nachunternehmerverbot festgehalten werde. Die außerdem geltend gemachten Formmängel des Rügeschreibens vom 21.10.2019 verfangen ebenfalls nicht.

a) Zum einen gelte der elektronische Kommunikationszwang nach § 9 Abs. 2 VgV nur für das eigentliche Angebot, nicht aber für sonstigen Schriftwechsel. Zum anderen habe die Antragsgegnerin selbst in der Bekanntmachung unter den ,,Kontaktdaten“ eine Telefaxnummer veröffentlicht ohne den Zusatz, dass diese aber nicht benutzt werden dürfe. Im Übrigen seien Rügen anerkanntermaßen formlos möglich.

b) Ein allgemeines Nachunternehmerverbot sei rechtswidrig. Während sich das nationale Umsetzungsrecht der EU-Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge bis zur Neufassung der VgV 2016 expliziter Regelungen zu einem vergaberechtlichen Selbstausführungsgebot enthalten habe, sei in der Rechtsprechung gleichermaßen anerkannt gewesen, dass dem europäischen Vergaberecht ein Selbstausführungsgebot fremd sei. Aus Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG sei übereinstimmend hergeleitet worden, dass die Vorgabe eines bestimmten Eigenleistungsanteils für den eigenen Betrieb eines Wettbewerbsteilnehmers unionsrechtswidrig sei. Mit Art. 71 der Richtlinie 2014/24/EU, der durch § 36 VgV in nationales Recht umgesetzt worden sei, werde erstmals eine eng verstandene Ausnahme zum Verbot von Selbstausführungsgeboten statuiert, die als solche allerdings nicht neu sei, sondern wiederum auf einer bekannten Rechtsprechung namentlich des Europäischen Gerichtshofs, U. v. 18.3.2004 – Rs. ·314/01, beruhe. Seither habe der EuGH und ihm folgend die nationalen Gerichte nur in besonderen Ausnahmefällen die Verpflichtung zur Selbstausführung gestattet.

c) Sowohl nach altem wie nach neuem EU-Vergaberecht würde es den Bietern im Sinne eines umfassenden Wettbewerbs freistehen, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie im Auftragsfall Unterauftragnehmer einsetzen wollten. Dieses Recht könne durch einen öffentlichen Auftraggeber, von einer engen Ausnahme abgesehen, nicht eingeschränkt werden. Das Vergaberecht kenne kein Selbstausführungsgebot bzw. kein Fremdausführungsverbot. Solange ein Bieter nachweisen könne, dass der Unterauftragnehmer die Leistungen im Zuschlagsfall übernehme, dürfe er sich auf dessen Kapazitäten stützen, und zwar in einem Umfang und Ausmaß, das er selbst festlege (EuGH, U. v. 7.4.2016 – Rs. C-324/14). Die Möglichkeit der Unterauftragsvergabe solle gerade für einen umfassenden Wettbewerb sorgen und es kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, sich unter zumutbaren Bedingungen einen Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erschließen (EuGH, a. a. O.). Demgemäß dürfe der öffentliche Auftraggeber auch keine Bedingungen vorgeben, die den Einsatz von Unterauftragnehmern einschränke.

d) Davon kodifiziere nunmehr § 47 Abs. 5 VgV eine Ausnahme, wenn es dort heiße, dass öffentliche Auftraggeber vorschreiben können, dass bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen. Sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Norm als auch aus bisher dazu ergangenen Entscheidungen, einmal – zumindest vergleichbar – diejenige des EuGH vom 05.04.2017 zu Rs. C-298/15 zum anderen aus der Entscheidung des OLG Rostock vom 13.04.2018 – 17 Verg 1/18 folge, dass es sich bei der Möglichkelt zur zwingenden Vorgabe einer Selbstausführung nach § 47 Abs. 5 VgV um eine Ausnahmeregelung handele, die den freien Wettbewerb und die unternehmerischen Handlungsformen nach § 36 VgV beschränke. Jene Ausnahmeregel könne nicht dazu führen, dass die Wettbewerbsfunktion des § 36 VgV erheblich entwertet oder gar, wie im vorliegenden Fall, vollständig unterlaufen werde. Soweit sich nämlich § 36 VgV einerseits und § 47 Abs. 5 VgV andererseits in Regelungsziel und Regelungszweck vermeintlich entgegenstehen, seien die jeweiligen Zwecksetzungen teleologisch im Wege einer praktischen Konkordanz zu vereinigen. Das wiederum lasse sich ohne weiteres anhand des Wortlautes des § 47 Abs. 5 VgV bewerkstelligen. Dort heiße es nämlich, dass ,,bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen“ vom Bieter selbst zu erbringen seien, wenn ein Auftraggeber dies vorgebe. Daraus ergebe sich, dass es immer nur um bestimmte kritische Teilleistungen eines Dienstleistungsauftrags gehen könne, nicht aber um den Dienstleistungsauftrag in Gänze, wie es vorliegend der Fall sei. ,,Kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen“, so der Gesetzeswortlaut, seien nach Sinn und Zweck der Vorschrift und auch nach dem Wortlaut der Regelung Teilleistungen innerhalb eines Dienstleistungsauftrags, nicht aber der gesamte Dienstleistungsauftrag. Denn, wenn das der Fall wäre, würde nicht nur § 36 VgV leerlaufen, sondern es müsste auftraggeberseitig geprüft werden, ob ein solcher insgesamt „kritischer“ Dienstleistungsauftrag nicht von vornherein in einem weniger wettbewerbsintensiven Verfahren, etwa nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV, zu beschaffen wäre.

Dazu müssten wiederum die dort genannten, engen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen. Diese Voraussetzungen, die im einzelnen Fall eine besonders spürbare Begrenzung des Wettbewerbs eröffneten, würden ebenfalls vollständig unterlaufen, wenn zwar der öffentliche Auftraggeber ein offenes Verfahren zum Schein durchführe, gleichwohl aber den Wettbewerb über den Umweg des § 47 Abs. 5 VgV ausschalten könnte. Dies sei nicht statthaft.

e) Auch inhaltlich, nach der Art der hier nachgefragten Dienstleistungen, spreche nichts für eine sogenannte kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV. Ausgeschrieben seien Standardpostdienstleistungen ohne jegliche Besonderheiten. Alleine der Umstand, dass jene Dienstleistungen für die Verwaltung wichtig seien und daher ordnungsgemäß erbracht werden müssten, mache sie nicht zu einer kritischen Aufgabe im Sinne der genannten Vorschrift. Insoweit habe es der öffentliche Auftraggeber in der Hand, durch zulässige Instrumente der Verfahrensgestaltung eine hochwertige Dienstleistung zu initiieren und eine entsprechende Bieterauswahl vorzunehmen. Auch Erfahrungen aus stattgehabten, behauptet mangelhaften Dienstleistungen rechtfertigen es nicht, für die Neuausschreibung der betroffenen Dienstleistungen den Wettbewerb von vornherein auszuschalten. Das folge bereits aus § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB.

f) Neben dem vergaberechtswidrigen Verbot der Übertragung von Teilleistungen auf Unterauftragnehmer seien auch die ergänzenden Rügen aus dem Rügeschreiben vom 28.10.2019 begründet. Die Art und Weise der offenen oder verdeckten Bevorzugung der ### AG verletze das Wettbewerbsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz und seien daher zu unterlassen. Die ohnehin strengen Referenzanforderungen seien der Antragstellerin nach § 48 Abs. 2 VgV innerhalb der knapp bemessenen Angebotsfrist durch Eigenerklärungen zu ermöglichen. Dadurch bleibe es der Antragsgegnerin eröffnet, sich Bestätigungen der referenzierten Auftragnehmer selbst im Zuge der Eignungsprüfung einzuholen oder später nachreichen zu lassen. Die Belastung der Bieter/der Antragstellerin mit diesem Vorgang während der Angebotsphase sei systemwidrig und unzulässig. Nach alledem erweise sich das hier verhängte Verbot eines Nachunternehmereinsatzes, die Privilegierungen der ### AG und die Vorgaben zur Referenznachweisführung als vergaberechtswidrig und die AST erheblich in ihren Bieterrechten verletzend. Die Vergabekammer hat am 29.10.2019 beschlossen, den Nachprüfungsantrag der AST an die AG zu übermitteln sowie die AG um die Übersendung der Vergabeakten bis zum 04.11.2019 und um eine Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der AST bis zum 06.11.2019 gebeten.

Die AST hat auf Anforderung der Vergabekammer vom 29.10.2019 einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von ###x Euro entrichtet. Die AG hat der Vergabekammer die Vergabeakte mit einem Begleitschreiben zum Nachprüfungsantrag mit Datum vom 01.11.2019, Posteingang am 05.11.2019, übersandt. Die AG hat am 05.11.2019 vorab per Telefax eine auf den 05.11.2019 datierte Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der AST an die Vergabekammer übersandt. Die AG hat in ihrer Stellungnahme beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Die AG führt in ihrer Stellungnahme über ihr Schreiben vom 23.10.2019 hinaus aus, dass die Vorgaben im Leistungsverzeichnis sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich seien, eine Verletzung der AST in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB nicht gegeben sei: 1. Postdienstleistungen definiere die AG als kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV und verlange deshalb die Selbstausführung durch den Bieter/künftigen Auftragnehmer. Im Falle einer etwaigen Weitergabe der Leistung durch den Bieter an ein oder mehrere Nachunternehmen sehe die AST ein höheres inakzeptables Risiko einer nicht fristgerechten und mangelhaften Ausführung. Behördenpost müsse den Empfänger sicher, zuverlässig und termingerecht erreichen. Der künftige Postdienstleister müsse in der Lage sein, diese Anforderungen zu erfüllen und in Problemsituationen unverzüglich und mit der gebotenen Konsequenz reagieren können. Mit Konsolidierungsunternehmen habe man, insbesondere bei Schlechtleistung durch verspätete oder unterbliebene Zustellung, die Erfahrung gemacht, dass ein Rückgriff auf die einbezogenen bzw. beauftragten Nachunternehmen nahezu unmöglich sei. Die Folgen der Schlechtleistung seien für die Behörde erheblich und vor allem im Nachhinein nicht mehr korrigierbar. Die Behörde habe letztlich die im Ergebnis der Schlechtleistung entstehenden Kosten und Mehraufwendungen zu tragen, darüber hinaus auch den entstandenen Imageverlust bei Bürgern, Unternehmen und anderen Einrichtungen zu vertreten. Das sei nicht hinnehmbar.

Die AST habe sich seinerzeit bei der Ausführung der Dienstleistung verschiedener Nachunternehmen bedient, auf die der Auftraggeber keinerlei Einfluss- und Rückgriffmöglichkeit gehabt habe. Ebenso wenig sei die AST in der Lage, in dem gebotenen Maße Einfluss auf ihre Nachunternehmen zu nehmen. So habe eine Stadtratssitzung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden müssen, wodurch wichtige kommunalpolitische Beschlüsse nicht wie geplant gefasst werden konnten. Zudem seien zusätzlich Mehrkosten entstanden. Weiterhin sei zweimal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht zugestellt worden, was zu einer verspäteten Stellenbesetzung und Mehrkosten durch einen weiteren Termin geführt habe. Die AST habe eine Interessenabwägung vorgenommen mit dem Ergebnis, dass Postdienstleistungen als kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV definiert würden. Deshalb bestehe die AST auf das Selbstausführungsgebot mit der Folge, dass in der Leistungsbeschreibung vorgegeben werde, dass der Bieter die Leistung direkt selbst oder im Falle einer Bietergemeinschaft von einem Mitglied der Bietergemeinschaft ausführen lassen müsse. Ziel sei es, einen ausschließlichen und direkten Zugriff auf den künftigen Auftragnehmer zu haben, ohne bei Konflikt- und Problemsituationen in eine Auseinandersetzung mit dessen Nachunternehmen eintreten zu müssen. Art und Umfang der ausgeschriebenen Leistung, nämlich das Abholen der Ausgangspost beim Auftraggeber und deren Transport zum Empfänger innerhalb der vorgegebenen Fristen sowie die Einlieferung der Eingangspost beim Auftraggeber, werde als eine gesamtheitliche Leistung betrachtet, da es letztlich nur um ein Ziel gehe: nämlich die Zustellung und damit Bekanntgabe eines Schriftstückes beim Empfänger. Daher scheide es entgegen der Auffassung der AST aus, nur Teile der Leistung als kritisch zu definieren und andere wiederum nicht.

2. Die ### AG werde mit den Vorgaben in der Leistungsbeschreibung nicht bevorzugt. Die Teilnahme am Wettbewerb sei jedem Unternehmen eröffnet, welches gewerbsmäßig Brief- und Paketdienstleistungen anbiete und über das für die Ausführung erforderliche Know-how verfüge. Daran ändere auch das vorgegebene Selbstausführungsgebot nichts. Dies gelte jedenfalls für Los 1. Die in den Vergabeunterlagen verwendete Formulierung „die ### AG sei kein Dritter (Nachunternehmer) im Sinne der Leistungsbeschreibung“ diene der Klarstellung und Vereinfachung. Es stehe jedem interessierten Bieter frei, sich der Leistungen der ### AG zu bedienen oder die Leistung in Selbstausführung zu erbringen. Bediene sich der Bieter der Leistungen der ### AG, so verzichte die AG lediglich auf die Vorlage von Nachweisen über Fakten und Tatsachen, welche ohnehin bekannt seien, beispielsweise die konzeptionelle Beschreibung der Leistungserbringung.

3. Die Forderung, mit dem Angebot 5 Referenzschreiben öffentlicher oder privater Auftraggeber vorzulegen, welche sich auf die Leistungserbringung gleichartiger Postdienstleistungen beziehen sollten und nicht älter als 36 Monate seien, sei nicht überzogen. § 48 Abs. 2 Satz 1 VgV fordere für den Beleg der Eignung zwar „grundsätzlich“ die Vorlage von Eigenerklärungen, jedoch bedeute dies nicht automatisch, dass der Auftraggeber ausschließlich nur Eigenerklärungen fordern dürfe, da das Wort „grundsätzlich“ gerade die Ausnahme in Sonderfällen zulasse. Möchte der öffentliche Auftraggeber andere Nachweisformen vorschreiben, so sei dies in besonderen Fällen zulässig und müsse entsprechend dokumentiert werden (vgl. Dieckert, Osseforth, Steck, Praxiskommentar Vergaberecht 2016, § 48, Rn 2). Dies sei hier gegeben. Die Forderung der Vorlage von Referenzschreiben bereits mit dem Angebot diene der Beschleunigung des Verfahrens, da der Leistungszeitraum am 01.01.2020 beginnen solle und durch die bereits schon einmal vorgenommene Aufhebung des Vergabeverfahrens zwar noch keine Dringlichkeit gegeben sei, jedoch die verbleibende Zeit für die Prüfung und Wertung der Angebote knapp bemessen sei. Die AG gehe davon aus, dass ein mittelständisches Unternehmen, welches gewerbsmäßig Brief-, Paket- und Kurierdienstleistungen erbringe und sich an Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber beteilige, durchaus über Referenzschreiben öffentlicher und privater Auftraggeber verfüge, welche die qualitative und einwandfreie Ausführung der ausgeschriebenen Leistung bescheinigen, ohne diese erst bei Auftraggebern vorangegangener Dienstleistungsaufträge anfordern zu müssen. Im Übrigen müsse ein Bieter, der eine Eigenerklärung zur Eignung abgegeben habe und dessen Angebot in die engere Wahl komme, stets damit rechnen, dass ihn die Vergabestelle auffordern werde, zu den Eigenerklärungen die entsprechenden Nachweise gemäß § 56 Abs. 4 VgV vorzulegen. Die hierfür vorgesehene angemessene Frist betrage in der Regel 6 Tage. Die Vergabeunterlagen würden zudem keine Ausführungen enthalten, dass Angebote von Bietern ausgeschlossen würden, bei denen die geforderten Referenzschreiben nicht beigefügt seien. Fehlende Erklärungen und Nachweise würden stets gemäß § 56 Abs. 2 VgV nachgefordert. Der AST entstünden folglich keinerlei Nachteile. Die AST hat mit Schriftsatz vom 13.11.2019 auf die Antragserwiderung der AG wie folgt Stellung genommen:

1. Dass es im Vorvertrag Abwicklungsschwierigkeiten mit einem Nachunternehmer der AST gegeben habe, stellt diese nicht in Abrede. Die AST habe nach Kräften versucht, das betroffene Nachunternehmen zur ordnungs- und fristgemäßen Erbringung der ihm zugeschriebenen Leistungen zu bringen, was aber nicht zufriedenstellend gelungen sei. Die AST habe die Verantwortung auch übernommen und habe die Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Antragsgegnerin akzeptiert. Sie habe aber auch die gebotenen Maßnahmen ergriffen, um eine Wiederholung derartiger Vorfälle sicher auszuschließen. So habe die AST mit dem betroffenen Nachunternehmen seit dem Jahr 2010 problemlos und beanstandungsfrei (von Kleinigkeiten abgesehen) zusammengearbeitet. Sie habe sogar ausdrücklich vertraglich geregelt, dass und wie vor allem die Zustellqualität sicherzustellen sei. Die Antragstellerin habe im Vorfeld nicht damit rechnen können, dass es zu den Schwierigkeiten kommen würde. Sie habe bis dahin keine derartigen Erfahrungen mit dem betroffenen Nachunternehmen gehabt.

2. Die Antragsgegnerin sei seinerzeit in der Ausschreibung darüber informiert gewesen, dass und welche Nachunternehmen die AST einzusetzen beabsichtigte. Die Antragsgegnerin habe insoweit die für einen Nachunternehmereinsatz üblicherweise geforderten Eignungsnachweise abverlangt, die ihr auch vorgelegt worden seien. Dass die Antragsgegnerin seinerzeit die Eignung dieses Nachunternehmens geprüft habe, werde unterstellt. Beanstandungen habe es nicht gegeben. Gleichwohl sei es zu Schlechtleistungen gekommen. Dies und der Umgang mit dieser Problematik stelle keine Problematik des ausschließlichen und direkten Zugriffs des öffentlichen Auftraggebers auf den Auftragnehmer dar, wie dies von der Antragsgegnerin dargestellt werde. Schon gar nicht sei es bei den stattgehabten Problemen der Vergangenheit für die Antragsgegnerin erforderlich gewesen, ,,bei Konflikt- und Problemsituationen in eine Auseinandersetzung mit (deren) Nachunternehmen eintreten zu müssen“. Die Auseinandersetzungen und die seinerzeitigen Bemühungen, die Mängel abzustellen, seien ausschließlich auf der dafür auch vorgesehenen Ebene  Auftraggeber/Auftragnehmer erfolgt, während die AST wiederum in ihrem Verhältnis zu ihrem Nachunternehmer die notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um mangelhafte Zustellergebnisse zu verhindern. Es sei deshalb tatsächlich falsch, wenn die Antragsgegnerin vortrage, sie hätte sich mit diesem Nachunternehmer direkt auseinandersetzen müssen.

3. Gemäß § 36 Abs. 5 VgV prüfe der öffentliche Auftraggeber vor der Erteilung des Zuschlags (zwingend), ob Gründe für den Ausschluss eines Unterauftragnehmers vorliegen. Sei dies der Fall, so verlange der öffentliche Auftraggeber (zwingend) die Ersetzung des Unterauftragnehmers. Würden fakultative Ausschlussgründe vorliegen, so könne der öffentliche Auftraggeber die Ersetzung des Unterauftragnehmers verlangen. Für beide Maßnahmen könne dem Bieter wiederum eine Ausschlussfrist gesetzt werden. Mit diesem Instrumentarium sei der öffentliche Auftraggeber ausdrücklich in die Lage versetzt, nicht geeignete Unterauftragnehmer, mit denen er schlechte Erfahrungen gemacht habe, austauschen zu lassen, ohne sich gezwungen zu sehen, den Hauptbieter als ungeeignet ausschließen zu müssen. Bestünden demgemäß Eignungszweifel am Unterauftragnehmer im Sinne zwingender Ausschlussgründe, bestünde für den Bieter eine Ersetzungspflicht. Beim Vorliegen fakultativer Ausschlussgründe, hier nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, könne der Auftraggeber den Austausch des betroffenen Unterauftragnehmers verlangen, wobei ihm insoweit ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Eignungsprognose des betroffenen Unterauftragnehmers zustehe (vgl. dazu etwa Ziekow / Völlink, Vergaberecht, 3. A. 2018, VgV, § 36, Rn 26 ff.). Den Bedenken, denen die Antragsgegnerin ihrer Antragserwiderung Ausdruck verleiht, kann sie ohne weiteres in vergaberechtskonformer Art und Weise über §°36 Abs. 5 VgV Rechnung tragen. Das habe sie offenbar übersehen. Unabhängig davon habe die AST erklärt, dass sie infolge der schlechten Erfahrungen aus dem Vorvertrag die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Unterauftragnehmer ohnehin beendet habe und diesen in eine Leistungserbringung, wie sie hier ausgeschrieben sei, von sich aus nicht mehr eingebunden hätte. Es habe noch keine Gelegenheit bestanden, dies darzustellen und anzubieten.

4. Die von der Antragsgegnerin geschilderten Zustellungsmängel, die zur Absage einer Stadtratssitzung und zum Nichterscheinen eines Bewerbers geführt hätten, seien nicht so gravierend,·dass der Einsatz von Unterauftragnehmern per se ausgeschlossen werden müsse. Alleine aus dem hiesigen Kanzleibetrieb könne eine Fülle von Fehlzustellungen, verspäteten Zustellungen und verlorenen Sendungen, auch solche, die mit erheblichen Konsequenzen (Verjährungseintritt) verbunden seien, aufgelistet werden, und die sich im Geschäftsbetrieb eines der bekanntesten Dienstleisters der Branche, der regelhaft ohne die Einschaltung von Nachunternehmen agiert, ereignet habe. Die von der Antragsgegnerin aufgezeigten. Konsequenzen von Zustellungsdefiziten würden daher im Hinblick auf die jetzt gewählte Verfahrensweise in dieser Ausschreibung erhebliche Verhältnismäßigkeitszweifel aufwerfen.

5. Aus dem Vorstehenden ergebe sich, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 47 Abs. 5 VgV nicht vorliegen. Das Regelungsziel der besagten Vorschrift liege nicht darin, jeglichen Nachunternehmereinsatz verbieten zu können, und schon gar nicht darin, schlechte Erfahrungen mit einem bestimmten Nachunternehmen im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, die sich schon alleine infolge eines freiwilligen, eines zwingenden oder fakultativen Ausschlusses dieses Nachunternehmens in einer Folgeausschreibung nicht mehr wiederholen können, derart zu bekämpfen, dass im betroffenen Marktsegment der Wettbewerb gänzlich ausgeschlossen werde. Nach Lage der Akten halte die AST die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich und rege an, ohne eine solche zu entscheiden. Darüber hinaus bitte sie um Akteneinsicht in alle diejenigen Unterlagen der Vergabeakte, die sich mit dem Streitgegenstand befassen, vor allem aber auch in den Vergabevermerk. Die Vergabekammer hat der AST am 15.11.2019 Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren und nach erfolgter fernmündlicher Absprache die zur Einsichtnahme eröffneten Aktenbestandteile am 25.11.2019 per Mail übersandt. Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 18.11.2019 die AG um Mitteilung gebeten, ob sie der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten zustimme. Die AG hat sich mit Schriftsatz/Telefax vom 19.11.2019 mit einer Entscheidung der Vergabekammer nach Lage der Akten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3, 1. Alternative GWB einverstanden erklärt. Die Vergabekammer hat am 26.11.2019 gegenüber den Verfahrensbeteiligten die Frist zur Entscheidung in der Sache nach § 167 Abs. 1 GWB bis zum 20.12.2019 verlängert. Die Vergabekammer nimmt ergänzend Bezug auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten der AG.

II.

1. Zulässigkeit

Der Nachprüfungsantrag der AST ist zulässig.

a) Die Vergabekammer Freistaat Thüringen ist für das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 155, 156 Abs. 1, 2. Hs., 158 Abs. 2 und 159 Abs. 3 Satz 1 GWB in Verbindung mit §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 ThürVkVO sachlich und örtlich zuständig.

– Die AG, die Stadt ###, ist öffentliche Auftraggeberin nach §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.

– Bei dem zu vergebenden Vertrag über Postdienstleistungen (Abholservice für die Ausgangspost; Frankieren, Konsolidieren und Einliefern der Ausgangspost; Zustellung der Ausgangspost; Lieferservice der Ausgangspost) für die AG handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von §§ 103 Absätze 1 und 4, 156 Abs. 1 GWB.

– Die von der AG für beide Lose mit ###x Euro brutto veranschlagten Kosten für die zu vergebenden Postdienstleistungen übersteigen jedenfalls den nach § 106 Absätze 1 und 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit den Artikeln 4 lit. c) der Richtlinie 2014/24/EU geltenden Schwellenwert in Höhe von 221.000,00 Euro netto deutlich. Der in den Artikeln 4 lit. d), 74 und Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU unter anderem für (Brief-) Postdienste vorgesehene Schwellenwert in Höhe von ###x Euro netto soll in vorliegenden Fällen nach Auffassung der Vergabekammer des Bundes nicht einschlägig sein, da (Brief-) Postdienste lediglich Dienste im Zusammenhang mit Transport und Zustellung umfassten, so dass aus diesem Verständnis heraus nicht der Transport der Briefe und deren Zustellung selbst, sondern lediglich in diesem Zusammenhang zu erbringende Konsolidierungsleistungen, wie zum Beispiel im vorliegenden Vergabeverfahren das zum Leistungsgegenstand gehörende Frankieren der Briefsendungen, (Brief-) Postdienste darstellen sollen und bei einem derartigen Zusammentreffen von (Brief-) Postdiensten und in diesem Zusammenhang zu erbringenden Konsolidierungsleistungen vollumfänglich das strengere allgemeine Vergaberecht und damit auch der allgemeine Schwellenwert für Dienstleistungen gemäß Artikel 4 lit. c) der Richtlinie 2014/24/EU gelten soll (vgl. hierzu näher VK Bund, Beschluss vom 02.08.2017, Az.: VK 2-74/17).

b) Die AST hat bei der Vergabekammer einen schriftlichen und näher begründeten Nachprüfungsantrag gestellt, § 160 Abs. 2 GWB.

c) Die AST ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Nach dieser Bestimmung ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

aa) Die AST hat ein Interesse an der zu vergebenden Dienstleistung. Das Interesse liegt in der Regel vor, wenn der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrages durch Abgabe eines eigenen Angebots am Vergabeverfahren teilgenommen und einen Vergabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat. Nach Auffassung der Vergabekammer steht der Umstand, dass die AST kein eigenes Angebot abgegeben und sich zunächst darauf beschränkt hat, mit Schreiben vom 21.10.2019 und 28.10.2019 gegenüber der AG mehrere Rügen auszusprechen, der Annahme eines solchen Interesses nicht entgegen. Hat sich ein Antragsteller nicht mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren beteiligt, so widerspricht dies nicht zwangsläufig einem Interesse am Auftrag (Müller-Wrede, Kommentar zum GWBVergaberecht, 2016, § 160, Rn 20 m. w. N.). Der Antragsteller muss dann aber darlegen, dass er gerade durch den gerügten Vergabeverstoß daran gehindert worden ist, ein ernstzunehmendes Angebot abzugeben und er sich bei ordnungsgemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag beworben haben würde (Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rn 62 ff.; Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rn 20). Vorliegend hat die AST ausreichend dargelegt, dass sie bislang aufgrund der von ihr näher dargelegten Vergabeverstöße an der Abgabe eines (erfolgversprechenden) Angebots gehindert gewesen sei und sie insbesondere bei vergabekonformer Ausschreibung durch die AG in der Lage sei, ein konkurrenzfähiges und aussichtsreiches Angebot abzugeben. Die AST sieht sich als bisherige und vor allem regional tätige Auftragnehmerin, die sich eines Unterauftragnehmers bedient hat, an der Abgabe eines Angebotes gehindert. Entweder sind nur Angebote der ### AG möglich, Angebote von anderen Unternehmen als der ### AG sind zwar möglich, jedoch, wenn die Leistungen nicht alle im eigenen Betrieb erbracht werden können, müssen diese zwingend mit der ### AG zusammenarbeiten. Die Beteiligung anderer Unterauftragnehmer – mit denen die AST zusammenarbeiten würde – sind jedoch verboten. Nach Auffassung der Vergabekammer hat die AST damit ihr Interesse an der zu vergebenden Dienstleistung durch ihre Rügen und dem anschließenden Nachprüfungsantrag vom 29.10.2019 hinreichend dargelegt (vgl. hierzu auch Kulartz/Kus/Portz/Prieß, a. a. O., § 160, Rn 65).

bb) Die AST hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht, hier insbesondere den Verstoß gegen den Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz.

cc) Die AST hat einen drohenden Schaden dargelegt. Der drohende Schaden ergibt sich daraus, dass die AST darlegt, aufgrund der von ihr näher dargelegten Vergabeverstöße an der Abgabe eines erfolgversprechenden Angebots gehindert gewesen zu sein. Die Vorgabe, sich bei der Auftragsausführung nur der ### AG als Unterauftragnehmer zu bedienen, kommt für die AST einer Wettbewerbssperre gleich. Als regionales Unternehmen ist es zur Auftragsausführung auf ein Nachunternehmen angewiesen. Im Einsatz der ### AG als Nachunternehmen sieht die AG jedoch keine Alternative.

d) Die Vergabekammer geht davon aus, dass die AST mit ihren Rügeschreiben vom 21.10.2019 und 28.10.2019 ihren bestehenden Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen ist.

aa) Die AST rügt in ihrem Schreiben/Telefax vom 21.10.2019 den Ausschluss von Nachunternehmerschaften. Diesen Verstoß konnte die AST erst den am 10.10.2019 heruntergeladenen Vergabeunterlagen, nicht jedoch der Auftragsbekanntmachung, entnehmen. Damit konnte die AST gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB den Verstoß gegen Vergabevorschriften bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe, hier dem 29.10.2019, 10:00 Uhr, gegenüber der AG rügen.

bb) Die weiteren Rügen der AST in ihrem Schreiben vom 28.10.2019 waren hinsichtlich der Referenzen und der „Bevorzugung“ der ### AG der Bekanntmachung zu entnehmen und wurden ebenfalls rechtzeitig gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB vor der Angebotsabgabe am 29.10.2019 gerügt.

cc) Die AG hat zwar am 23.10.2019 der AST auf die Rüge vom 21.10.2019 mitgeteilt, dass die Kommunikation innerhalb des Vergabeverfahrens ausschließlich über die elektronische Vergabeplattform zu erfolgen habe und für die Wirksamkeit der Rüge die Einhaltung des vorgegeben Formerfordernisses Voraussetzung sei. Trotzdem hat sie sich in der Sache zur Rüge insoweit geäußert, dass sie der Rüge, selbst wenn diese unter Beachtung der Grundsätze der Kommunikation im Sinne des § 9 VgV formgemäß über die Vergabeplattform zugegangen wäre, nicht abhelfen könnte. Nach näherer Maßgabe von § 9 VgV besteht zwar grundsätzlich eine Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation. Gleichwohl haben für die in den beiden Schreiben aufgeführten Rügen der AST keine Formvorschriften bestanden, so dass diese insbesondere auch per Telefax erklärt werden konnten. (Kulartz/Kus/Portz/Prieß, a. a. O., § 160 Rn 174) Zwingend ist die elektronische Kommunikation allerdings für Vergabeunterlagen sowie Teilnahmeanträge, Interessenbestätigungen oder Angebote, § 9 Abs. 2 VgV. (siehe auch Voppel/Ochsenbrück/Bubert, VgV Kommentar, 4. Auflage, 2018, § 9 Rn 9)

e) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages steht auch kein zwischenzeitlich erteilter Zuschlag nach § 168 Abs. 2 GWB entgegen.

f) Die Verfahrensbeteiligten haben einer Entscheidung der Vergabekammer nach Lage der Akten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 166 Abs. 1 S. 3, 1. Alternative GWB zugestimmt.

2. Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag der AST ist begründet.

2.1. Mit dem faktischen Verbot des Einsatzes von Unterauftragnehmern verstößt die AG gegen Vergaberecht. Zwar lässt die AG in ihrer Leistungsbeschreibung den Einsatz der ### AG als Unterauftragnehmer zu, jedoch ist die AST bei Bedarf und dem Einsatz eines Unterauftragnehmers zwingend an die ### AG gebunden. Eine Teilnahme an der Ausschreibung wäre ihr bei Einsatz eines anderen Unterauftragnehmers, der nicht die ### AG ist oder sein müsste, verwehrt. Diese Beschränkung des unternehmerischen Handelns führt einmal zu einer Ungleichbehandlung der Bieter, die sich eines anderen Unterauftragnehmers als der ### AG bedienen und außerdem zu einer Ungleichbehandlung aller anderen Unternehmer, die nicht die ### AG sind. Weiterhin führt diese Vorgehensweise in Folge zu einer Wettbewerbssperre, da die Teilnahme an der Ausschreibung diesen Unternehmen verwehrt ist. Die AST wird hierdurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 verletzt. Dass die AG auch Bietergemeinschaften – also von mehreren Unternehmen ggf. auch ohne Beteiligung der ### AG – zulässt, heilt das oben angesprochene Verbot des Einsatzes von Unterauftragnehmern nicht. Denn für ein solches Verbot fehlt es schon an einer Rechtsgrundlage.

a) Die Antragsgegnerin hat gegen § 36 VgV in der maßgeblichen Auslegung des zu Grunde liegenden europäischen Rechts durch den EuGH verstoßen, indem sie den Einsatz von Unterauftragnehmern faktisch vollständig ausgeschlossen hat. § 36 VgV setzt Artikel 71 Richtlinie 2014/24/EU in nationales Recht um, insbesondere setzt § 36 Abs. 1 VgV Artikel 71 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU um (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/7318 vom 20.01.2016, S. 175, § 36). Artikel 71 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU entspricht Artikel 25 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2004/18/EG, die der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH zugrunde liegt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14.07.2016 (Rs. C 406/14) seine auch schon frühere Rechtsprechung bekräftigt, die Richtlinie 2004/18/EG sei dahin auszulegen, dass es nicht zulässig sei, dass ein öffentlicher Auftraggeber in einer Klausel der Verdingungsunterlagen eines öffentlichen Bauauftrags vorschreibe, der künftige Auftragnehmer müsse einen bestimmten Prozentsatz der von diesem Auftrag umfassten Arbeiten mit eigenen Mitteln erbringen. Artikel 25 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2004/18/EG sehe den Rückgriff auf Unterauftragnehmer ohne entsprechende Begrenzung vor (so schon Urteil vom 10.10.2013, Rs. C-94/12). Eine Einschränkung sei (allenfalls) möglich, wenn der Auftraggeber die Leistungsfähigkeit von Unterauftragnehmern bei der Prüfung und der Auswahl des Auftragnehmers nicht habe prüfen können; dann könne der Auftraggeber den Rückgriff auf Unterauftragnehmer für die Ausführung wesentlicher Teile des Auftrags verbieten (EuGH, Rs. C 406/14, unter Hinweis auf das Urteil vom 18.03.2004, Rs. C314/01). Diesen Fall hat der EuGH im konkreten Fall aber nicht als gegeben angesehen. Im vorliegenden Fall ist eine Konstellation, die das Verbot eines Unterauftragnehmereinsatzes – in welchem Umfang auch immer – rechtfertigt, jedenfalls nicht absehbar. Schließlich ist das Vergabeverfahren nach den eigenen Konditionen der AG gar nicht erst in ein Stadium eingetreten, in dem sich die AST zu einem entsprechenden Angebot in der Lage sah, so dass die AG ein solches Angebot hätte prüfen können.

b) Weiterhin liegen die Voraussetzungen eines ausnahmsweise erlaubten Selbstausführungsgebotes für bestimmte kritische Aufgaben gemäß § 47 Abs. 5 VgV hier nicht vor. Denn wenn der öffentliche Auftraggeber schon nicht vorschreiben darf, dass der künftige Auftragnehmer einen bestimmten Prozentsatz der Arbeiten selbst ausführen muss, dann darf er die Selbstausführung selbstverständlich auch nicht für wesentliche Teile vorschreiben (OLG Rostock, Beschluss vom 23.04.2018, 17 Verg 1/18). Daher kommt ein Rückgriff auf § 47 Abs. 5 VgV vorliegend nicht in Betracht. § 36 Abs. 1 Satz 3 VgV sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen § 47 VgV anzuwenden ist. Nach § 47 Abs. 5 VgV kann der öffentliche Auftraggeber u. a. vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen direkt vom Bieter selbst ausgeführt werden müssen. Dabei ist ganz generell fraglich, ob eine kritische Aufgabe im Sinne der Vorschrift vorliegt, auch unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der Richtlinie 2014/24/EU beziehungsweise der Gesetzesbegründung zu § 47 VgV. Im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis muss der Begriff der „kritischen Aufgabe“ jedenfalls eng ausgelegt werden (Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 47 VgV, Rn 5). Zwar hat die AST ein Angebot, das den Einsatz von Unterauftragnehmern vorsieht, noch gar nicht abgegeben, jedoch hat sie ausgeführt, dass sie sich im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit gemäß §§ 45 und 46 VgV auf die Kapazitäten eines Dritten berufen will, was nach § 36 Abs. 1 Satz 3 VgV unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung von § 47 VgV ist. Nach § 47 Abs. 5 VgV kann der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass „bestimmte kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen […] im Zusammenhang mit einem Lieferauftrag direkt vom Bieter selbst oder im Fall einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen.“ Die Frage, ob es bei der von der AG nachgefragten Leistung um die Erfüllung einer „kritischen Aufgabe“ geht, lässt sich schon dem Wortlaut der Vorschrift nach verneinen. Die AG definiert die Dienstleistungen „Postdienstleistungen für die Stadtverwaltung ###, Los 1 und 2“ in ihrer Gesamtheit als kritische Aufgabe. Mit bestimmten kritischen Aufgaben können jedoch nur Teilleistungen eines Vertrages gemeint sein, nie jedoch der gesamte Vertrag. Denn dies würde auch dazu führen, dass § 36 VgV unterlaufen würde. So betrifft § 47 Abs. 5 VgV lediglich die Auftragsausführung. Rein rechtlich handelt es um eine Ausführungsbedingung i. S. d. § 128 Abs. 2 GWB. (Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 47 VgV, Rn 55) Selbst wenn es sich nur um eine Teilleistung eines Auftrages handeln würde, so stellt auch die hier zu beauftragende Dienstleistung inhaltlich keine kritische Aufgabe im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV dar.

Was unter „bestimmten kritischen Aufgaben“ zu verstehen ist, wird weder im Absatz 5 noch in der zugrundeliegenden Richtlinienvorschrift definiert. Es obliegt damit dem öffentlichen Auftraggeber, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und anhand der konkret ausgeschriebenen Leistungen zu bestimmen, ob und ggf. welche Teilleistungen er für „kritische Aufgaben“ in diesem Sinne erachtet. Maßstab dafür ist, ob mit der Weitergabe der entsprechenden Leistungen an Unterauftragnehmer ein höheres Risiko einer nicht rechtzeitigen oder mangelhaften Ausführung verbunden ist als beim Bewerber oder Bieter selbst, wobei die Verwirklichung dieses Risikos mit besonderen Nachteilen verbunden sein muss. (Ziekow/Völlink, 2018, 3. Auflage, § 47 Rn 18 f.) „Kritisch“ in diesem Sinne sind Leistungen, die entweder besonders fehleranfällig oder für den Leistungserfolg von besonderer Bedeutung sind (Voppel/Osenbrück/Bubert, a. a. O., § 47 VgV, Rn 28). Bei den zu vergebenden Postdienstleistungen Abholservice für die Ausgangspost, Frankieren, Konsolidieren und Einliefern der Ausgangspost sowie Lieferservice für die Eingangspost handelt es sich um reine Massen-/Standard-(postdienst)-leistungen ohne höhere Anforderungen. Dies betrifft die Postprodukte der Standard-, Kompakt-, Groß- und der Maxibrief. Weitere nicht aufgeführte Postprodukte sind laut Leistungsverzeichnis quantitativ unmaßgeblich. Außerhalb der Standardleistungen sind Sonderprodukte wie das Postprodukt „Postzustellungsauftrag“ und Postdienstleistungen, welche mit der Durchführung von Wahlen in Zusammenhang stehen, laut Leistungsverzeichnis B1-1 nicht Bestandteil und Gegenstand der Ausschreibung. Das heißt, dass diese ggf. als „kritische Aufgaben“ im oben genannten Sinne zu definieren wären, da ihnen eine besondere Bedeutung zukommt, diese hier aber schon von vornherein dem Wettbewerb entzogen werden. Dass die AG der ordnungsgemäßen Ausführung der übrigen zu beauftragenden Standardleistung strategische Bedeutung für den geregelten Betriebsablauf der Verwaltung beimisst, macht aus der Standardleistung als solcher keine „kritische Aufgabe“. Auch die Weitergabe der Leistung an einen Unterauftragnehmer auch außerhalb der ### AG erhöht das Risiko einer mangelhaften Ausführung der Leistung nicht bzw. beeinflusst die rechtzeitige Ausführung per se. Denn es kommt neben dem eingesetzten Nachunternehmen genauso auf das Unternehmen des Auftragnehmers an.

Die AG selbst trägt vor, dass die Dienstleistung in ihrer Gesamtheit (nunmehr) als „kritisch“ angesehen werde. Dies sei auf die schlechten Erfahrungen mit bisherigen Postanbietern zurückzuführen, die die vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen nicht erfüllten. Der AST habe fristlos gekündigt werden müssen, da die AST bei der Auftragsausführung des einbezogenen Nachunternehmens nicht in der Lage war, die Zustellketten zu sichern. Die Aufgabe bezeichnet die AG zwar als „zeitkritisch“, nicht jedoch die Aufgabe an sich als „kritisch“. „Kritisch“ ist die Aufgabe aus Sicht der AG vielmehr nur durch die mit dem Einsatz des von der AST im letztlich fristlos gekündigten Vorvertrag eingesetzten Nachunternehmens geworden, da dieses Konstrukt qualitativ nicht den vereinbarten Anforderungen gerecht geworden ist. Die AST stellt die Abwicklungsschwierigkeiten mit dem von ihr seinerzeit beauftragten Nachunternehmer nicht in Abrede. Nach ihrem Vortrag hat sie seit 2010 nahezu beanstandungsfrei mit diesen Unternehmen zusammengearbeitet und konnte diese Entwicklung nicht vorhersehen. Sie selbst hat der Kündigung durch die AG zugestimmt, da auch sie die Schlechtleistung des eingesetzten Nachunternehmens nicht beheben konnte. Der Vergabeakte lässt sich demgegenüber zur Beurteilung eines höheren Risikos nicht entnehmen, in welchem Zeitraum die AST und andere Postanbieter – mit oder ohne Nachunternehmereinsatz – verlässlich und reibungslos ihre Tätigkeit für die AG erledigt haben. Dass eine jederzeit fristgemäße Zustellung wünschenswert ist und den Ablauf auch einer Verwaltung nachhaltig beeinflusst, ist nachvollziehbar. Jedoch kann dieses Ziel zu 100 % selbst mit der ### AG oder anderen Postdienstleistern, auf die die AG einen ausschließlichen und direkten Zugriff als künftiger Auftraggeber hat, auch bei größtmöglicher sorgfältiger Auswahl und Ausschalten sämtlicher Nachunternehmer von Postdienstleistern, die nicht die ### AG sind, nicht garantiert werden. Ein direkter Zugriff auf das Nachunternehmen wäre der AG auch im Falle eines Einsatzes der ### AG als Nachunternehmer verwehrt, da ein Durchgriff auf den Nachunternehmer nur über die AST als Auftraggeberin erfolgen kann. Kritisch ist aus Sicht der AG mithin das Konstrukt des Nachunternehmereinsatzes (im konkret vorgetragenen Fall) und nicht die Aufgabe bzw. Teile der Aufgabe an sich. Eine Konstellation, die § 47 Abs. 5 GWB nicht abdeckt. Abgesehen davon, dass die AG unter den Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme ausschließen kann, können die aus der Vergangenheit herrührenden negativen Erfahrungen mit dem Nachunternehmen der AST in einer neuen Ausschreibung nicht angeführt werden, zumal die AST beabsichtigt, sich zur Aufgabenerfüllung eines anderen Nachunternehmens zu bedienen. Weiterhin bleibt es der AG unbenommen über § 36 Abs. 5 VgV vor Erteilung des Zuschlags zu überprüfen, ob Gründe für den Ausschluss des von dem Bieter einzusetzenden Unterauftragnehmers vorliegen. Bei Vorliegen zwingender Ausschlussgründe verlangt der öffentliche Auftraggeber die Ersetzung des Unterauftragnehmers. Bei Vorliegen fakultativer Ausschlussgründe kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, dass dieser ersetzt wird. So wäre die AG in der Lage, Unterauftragnehmer, mit denen sie schlechte Erfahrungen gemacht hat, im Vergabeverfahren auszuschließen. Die Ersetzung des Unterauftragnehmers kann sie sodann vom Bieter verlangen.

c) Ein erkennbares Risiko für den öffentlichen Auftraggeber ist mit der so gegebenen großen Freiheit der Bieter bei der Entscheidung über den Nachunternehmereinsatz nicht verbunden. Unterauftragnehmer haben den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen an die Eignung in demselben Maß zu genügen wie der Hauptauftragnehmer (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2004, Az.: Vll-Verg 81/04; Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, a. a. O., § 36 VgV, Rn 9). Ausdrücklich ist dem berechtigten Schutzinteresse des öffentlichen Auftraggebers mit den Regelungen in § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 5 VgV Rechnung getragen (vgl. insbesondere Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, a. a. O. § 36 VgV, Rn 4, 13). Generell hat deshalb das sog. Selbstausführungsgebot aufgrund der Vorschriften über Unteraufträge und Eignungsleihe seine Wirkung verloren Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, a. a. O., § 36 VgV, Rn 3, m. w. N.; vgl. auch Amelun. Das unzulässige Selbstausführungsgebot, NZBau 2017, 139). Letztlich können sich schon alleine infolge eines freiwilligen, eines zwingenden und eines fakultativen Ausschlusses eines Nachunternehmens in einer Folgeausschreibung schlechte Erfahrungen mit einem bestimmten Nachunternehmen nicht mehr wiederholen bzw. dazu führen, dass jeglicher Wettbewerb ausgeschlossen wird.

2.2. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung und damit eine Verletzung der Rechte der AST aus § 97 Abs. 6 GWB ergibt sich aus der, der ### AG im Leistungsverzeichnis eingeräumten Sonderstellung, wobei „der Auftragnehmer nicht berechtigt ist, die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen, auch in Teilen, Dritten zu übertragen. Die ### AG ist dabei kein „Dritter“ im Sinne dieser Regelung“ und die von der ### AG nicht zu erbringenden Nachweise:

– Zertifikate zur Laufzeitmessung, B7

– konzeptionelle Beschreibung zur Qualität der Ausgabe- und Benachrichtigungsstellen, Qualität der Adress- und Briefkastendatei sowie Qualität des Zustellpersonals

Eine Bevorzugung der ### AG kann unter dem Gesichtspunkt des Hilfskriteriums „bekannt und bewährt“ nicht hergeleitet werden. Denn der Grundsatz „bekannt und bewährt“ darf nicht dazu führen, dass ein Bewerber auf Dauer ausgeschlossen wird (VG Ansbach, Urteil v. 26.08.2014 – 4 K 14.00386). Selbst wenn die AG Verwaltungswissen verwerten und damit zur Grundlage derAuswahlentscheidung machen will, hat sie das bei ihrer Bewertungsentscheidung in angemessener Weise zu dokumentieren (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 02.10.2012 – 5 V 1031/12) und damit auch objektiv nachprüfbar zu machen. Abgesehen davon, dass der Vergabeakte nicht zu entnehmen ist, ob die AG über Wissen verfügt, dass ihre Zusammenarbeit mit der ### AG in diesem Sinne stützt, findet sich auch keine für die Vergabekammer nachprüfbare Dokumentation in der Akte. Weiterhin steht auch die ### AG selbst nicht als Garant für einen völlig störungsfreien Postverkehr. Auch die von ihr angegebenen Laufzeiten sind mit Vorsicht zu lesen. Erst, seitdem die Post ihre Zustellquote in Eigenregie testen lässt, erreicht sie Prozentzahlen von 95 %; zuvor lag sie sechs bis acht Prozentpunkte darunter (https://de.wikipedia.org/wiki/Postlauf; weitere Fundstellen zu Laufzeiten der ### AG: https://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article111477812/So-langsam-ist-die-…….-…….- bei-der-Zustellung.html; https://www.dvpt.de/2019/11/zwischenergebnisse-zur-erstmaligenlaufzeitmessung-von-geschaeftsbriefen-in-deutschland-im-netz-der-###ag/; https://www.cio.de/a/….-kritiker-nehmen-briefversand-unter-die-lupe,3596579 https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/….-….-unter-druck-grosskunden-veraergertueber-langsame-briefe/23845946.html).

2.3. Die AG fordert in der EU-Bekanntmachung unter III.1.2) „Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ abweichend von der Eigenerklärung 124LD Seite 1 vorletzter Kasten, nicht 3 Referenzen aus den letzten 3 Jahren, sondern bereits mit dem Angebot mindestens 5 Referenzschreiben öffentlicher und/oder privater Auftraggeber, welche sich auf eine Leistungserbringung von gleichartigen Postdienstleistungen bezieht, einzureichen. Diese Forderung verstößt gegen §§ 122 GWB, 42 ff. VgV.

a) Zwar ist die Festlegung auf die Vorlage von 5 Referenzen bei Angebotsabgabe vorliegend ein angemessenes Mittel, um die Eignung des Bewerbers festzustellen. Denn es obliegt dem Bewerber, die entsprechenden Referenzen auszuwählen, um sich in ein gutes Licht zu setzen (VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.04.2009 – VK 9/09). Vorliegend hat die AG Referenzen von „gleichartigen Postdienstleistungen“ abgefordert. Hierbei ist die „qualitativ einwandfreie Tätigkeit des Bieters zu bestätigen“. Die AG hat das Recht, im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums Referenzen vergleichbarer Projekte abzufordern. Die ausgeschriebene Dienstleistung über das Abholen, Frankieren, Konsolidieren, Zustellen, Ein- und Ausliefern der Post ist im Rahmen von Postdienstleistungen eine überschaubare Leistung, über einen überschaubaren Leistungszeitraum sowie überschaubaren finanziellen Umfang. Schwerpunktmäßig geht es im Leistungsumfang allein um die Beförderung von Briefsendungen, wobei sensiblere Produkte wie der Postzustellungsauftrag und Postdienstleistungen in Zusammenhang mit Wahlen hiervon ausgenommen sind. Es werden auch keine weiteren spezifischen Anforderungen aufgestellt. Der Bieter kennt die Anforderungen und kann insoweit die fünf besten Referenzen aussuchen. Selbst in der Annahme, dass für die AST die Angabe von fünf Referenzen schwierig werden könnte, da die AST als Auftragnehmerin des Vorvertrages die Auftragsdurchführung der Referenzleistung nicht beanstandungsfrei durchgeführt hat, ist diese Überlegung nicht angebracht, da die AST angesichts der hier geforderten wenig spezifischen Anforderungen an die Referenzen mit 13 Standorten in Thüringen auf einen großen Pool an Geschäftskunden zurückgreifen kann und die Erbringung des Briefversands nur einer der Kernprozesse der AST, die auch den Paketversand und Kurierdienst mit abdeckt, ist, so dass die Anforderungen für fünf Referenzen auch als angemessen zu betrachten ist. Dem Vortrag, die fünf Referenzen in der Kürze der Zeit nicht beibringen zu können, steht der Eintrag auf der Webseite der AST entgegen „Gern nennen wir Ihnen Ansprechpartner in Ihrer Region, die Ihnen über unsere Leistungen sowie Qualität berichten. Nehmen Sie dazu einfach Kontakt mit uns auf!“ (https://www.###-######.de/leistungen/ )

b) Jedoch kann eine Vergabestelle zur Beurteilung der Eignung eines Bieters nur die in §§ 122 GWB, 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste. Nicht hingegen ist es der Vergabestelle gestattet, die Vorlage von „Referenzbescheinigungen“, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu verlangen, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind (vgl. ausdrücklich: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, a. a. O., § 46 VgV Rn 19; Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Auflage 2019, § 46 VgV Rn 23). Die Vergabekammer sieht deshalb das Fordern der Vorlage von „Referenzbescheinigungen“ Dritter bei VgV-Vergaben durch die Bieter an sich bereits als vergaberechtswidrig an. Bestätigt wird diese Auffassung durch Anhang XII Teil 2 a ii) RL 2014/24 EU. Hier wird nur von „Verzeichnissen“ ausgegangen, die der Bieter als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit vorlegen muss. Dagegen können bei Bauaufträgen (siehe Anhang XII Teil 2 a i) RL 2014/24 EU) für die „wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis“ verlangt werden. Bei Bauaufträgen können somit „Referenzbescheinigungen“ verlangt werden (siehe § 6a EU Nr. 3a VOB/A). Ein Vergleich der Formblätter 124 und 124LD, VHB Bund – Ausgabe 2017 – Stand 2019, verdeutlicht den abgeforderten Umfang der „Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind“, bei Verfahren nach der VOB und der VgV. Unberührt davon verbleibt einer Vergabestelle die Möglichkeit, die Eignung des jeweiligen Bieters aufgrund der in der Eigenerklärung gemachten Angaben durch eigene Recherche weiter zu überprüfen. Gegebenenfalls kann sie sich auch Ansprechpartner zur Prüfung der Referenzen nennen lassen (vgl. Burgi/Dreher, a.a.O., Rn 22).

2.4. Die Vergabekammer hat gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift räumt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspielraum ein, der nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die Vergabekammer ist gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll gleichzeitig das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein. Die AG hat vorliegend die Ausschreibung vergabekonform auszugestalten, d.h. Nachunternehmer zuzulassen, die Bevorzugung der ### AG zu beseitigen und die Anforderungen an die Referenzen zu berichtigen. Aufgrund der Tatsache, dass die AG bereits in der Auftragsbekanntmachung die bemängelten Anforderungen an die Referenzen aufgeführt hat, bedürfen die Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlagen einer Überarbeitung, falls die AG an ihrer Vergabeabsicht festhält. Falls die AG an ihrer Vergabeabsicht festhält, sind die solchermaßen überarbeitete Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlangen erneut bekannt zu machen. Daher ist im Falle eines Festhaltens an der Vergabeabsicht eine Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens durch die AG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erforderlich, um die Verletzung der AST in ihrem Anspruch auf eine vergabekonforme Ausschreibung zu beseitigen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das einzige Mittel, um die gegenüber der AST eingetretene Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie ist damit auch verhältnismäßig.