Ax Rechtsanwälte

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Wann macht ein wie gestaltetes Markterkundungsverfahren Sinn?

von Thomas Ax

Im Ausgangspunkt ist es im Sinne der auch dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Privatautonomie seine Sache, zu definieren, was er beschaffen möchte.

Das Vergaberecht regelt nur, in welchem Verfahren und nach welchen Regeln zu beschaffen ist. Die Definition des Beschaffungsbedarfs ist der eigentlichen Vergabe somit vorgelagert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – Verg 25/09; Beschluss vom 17. Februar 2010 – Verg 42/09; Beschluss vom 13. April 2016 – Verg 47/15; OLG Jena, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 2 Verg 1/14).

Eine Vergabe ohne vorhergehende Veröffentlichung einer Bekanntmachung muss die absolute Ausnahme darstellen. Erwägungsgrund 50 der Richtlinie 2014/24/EU verlangt für diesen Fall: „sehr außergewöhnliche[…] Umstände[…]. […N]ur Situationen einer objektiven Ausschließlichkeit können den Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung rechtfertigen, sofern die Ausschließlichkeitssituation nicht durch den öffentlichen Auftraggeber selbst mit Blick auf das anstehende Vergabeverfahren herbeigeführt wurde. […] Ist die Ausschließlichkeitssituation auf technische Gründe zurückzuführen, so sollten diese im Einzelfall genau beschrieben und nachgewiesen werden. Als solche könnten beispielsweise angeführt werden, dass es für einen anderen Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich ist, die geforderte Leistung zu erbringen.“ Die nationale Regelung des § 14 Abs. 4 Nr. 2b VgV, wonach ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich zulässig ist, wenn aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist, setzt die genannten Richtlinienvorgaben in § 14 Abs. 6 VgV um, wonach die zusätzliche und einschränkende Voraussetzung zu beachten ist, dass es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung geben darf und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter sein darf.

Vor diesem Hintergrund sind an die Dokumentation im Vergabeverfahren (s. § 8 Abs. 2 Nr. 7 VgV), wie aber jedenfalls an die im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ggf. nachträglich vorgebrachten Begründungen (zur Nachholung von Dokumentation im Nachprüfungsverfahren vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – Verg 28/14; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10) besondere Anforderungen zu stellen.

§ 8 Abs. 2 Nr. 7 VgV verlangt, dass bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Abs. 4 VgV genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen, vom Vergabevermerk umfasst sind. Diese Pflicht dient dazu, die Gründe für Auswahlentscheidungen nachvollziehbar zu machen und sichert so das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB ab.

Im Rahmen der Markterkundung kann zwar nicht verlangt werden, dass der öffentliche Auftraggeber sich so umfassende Kenntnisse aneignet, die etwa vergleichbar der bei dem Hersteller vorhandenen Expertise sein müssten. Dies würde gerade bei hochkomplexen Beschaffungsgegenständen wie dem vorliegenden auf eine Überforderung des Auftraggebers hinauslaufen und die zwingende Beauftragung von Gutachtern zur Festlegung des Beschaffungsgegenstandes erforderlich machen. Regelmäßig dürfte es ausreichen, wenn sich der Auftraggeber bei anderen Nutzern vergleichbarer Produkte über die Vor- und Nachteile und die insoweit bestehenden Erfahrungen erkundigt und öffentlich verfügbare Quellen, wie hier z.B. Forschungsberichte, die Angaben zu den verwendeten […] und den diesbezüglichen Umständen beinhalten, zu Rate zieht.

Die auf Basis einer solchen Markterkundung getroffene Entscheidung kann dazu führen, dass grundsätzlich bestehender Wettbewerb nicht nur durch eine produktspezifische Ausschreibung eingeschränkt, sondern gänzlich ausgeschlossen wird, was einer wesentlich größeren Rechtfertigungstiefe bedarf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07. Juni 2017 – VII-Verg 53/16, juris-Rn. 34). Eine solche Rechtfertigung bedarf auch einer eingehenden Dokumentation, um sie nicht zuletzt zB für die Vergabekammer nachvollziehbar zu machen.

 

Was nicht ausreicht (Bsp.):

„Dieser Anforderung genügt die vorgelegte Dokumentation in der Vergabeakte nicht, auch nicht unter Hinzuziehung des Vortrags im Laufe des Nachprüfungsverfahrens. Hinsichtlich der geführten Gespräche bleibt z.B. unklar, nach welchen Gesichtspunkten die Gesprächspartner ausgewählt wurden, welcher Gesprächspartner welche Information geliefert hat, welche […]Modelle welcher Generation von den Gesprächspartnern konkret verwendet wurden, ob die Kontaktperson selbst einen eigenen Vergleich der Geräte der Bg wie der ASt vornehmen konnte oder nur über Erfahrungen mit einem der infrage kommenden Hersteller berichten konnte. Mangels hinreichender Dokumentation der Gespräche wird schon nicht deutlich, ob sich diese im Ergebnis mit der Vergabeentscheidung der Ag decken oder ob hier, z.B. hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte oder auch deren Gewichtung, auch abweichende Auffassungen vertreten wurden.“

Zudem muss eine ausreichende Befassung mit möglichen Alternativen dokumentiert sein.

§ 14 Abs. 6 VgV verlangt, dass keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung bestehen darf und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die technischen Besonderheiten, auf die der Auftraggeber das Fehlen von technischem Wettbewerb stützt, müssen von herausragender Bedeutung sein. Das Fehlen einer vernünftigen Ersatzlösung oder Alternative ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber favorisierte Produkt in einzelnen Merkmalen anderen am Markt erhältlichen Produkten überlegen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07. Juni 2017 – VII-Verg 53/16, juris-Rn. 37). Der oben zitierte Erwägungsgrund der Richtlinie spricht sogar weitergehend davon, dass es für einen andern Wirtschaftsteilnehmer „technisch nahezu unmöglich“ sein muss, die Leistung zu erbringen.

Was nicht ausreicht (Bsp.):

 „Es stellt keine Überspannung der Anforderungen an die Intensität der Markterkundung dar, die Berücksichtigung derartiger allgemeiner Umstände von einem Endanwender hochtechnisierter Geräte wie der hier streitgegenständlichen […]e zu verlangen. Wenn aus der Vielzahl möglicher qualitativer Unterschiede zwischen den Produkten unterschiedlicher Hersteller einzelne herausgegriffen werden, um das Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen zu bejahen, besteht eine besondere Begründungslast auf Seiten des Auftraggebers, der die Ag vorliegend, ausgehend von der Dokumentation des Vergabeverfahrens und der Stellungnahmen im Nachprüfungsverfahren, nicht genügt hat.“