Ax Rechtsanwälte

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Zuschlagskriterium „kürzere Bauzeit“

von Thomas Ax

Die Bauzeit (Ausführungsfrist) ist ein zulässiges Wertungskriterium (siehe z.B. § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A). Allerdings muss diese Ausführungsfrist klar definiert werden bzw. allen Bietern von vornherein verständlich sein, wie der AG die Bauzeit konkret bewertet.

Eine bloße Vorgabe des Auftraggebers, dass das Angebot mit der kürzesten Bauzeit die höchste Punktzahl erreicht, hat weder einen fassbaren Inhalt noch einen konkreten Sachverhaltsbezug und ist daher als Zuschlagskriterium „Bauzeit“ für die Wertung nicht anwendbar (Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.07.2014 – 3 VK LSA 67/14 –).

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für den Neubau einer Sporthalle das Los „Heizung / Lüftung / Sanitär“ national öffentlich ausgeschrieben. Als Ausführungszeitraum war der 28.07.2014 bis 14.11.2014 vorgesehen. Den Bietern war eine Bewertungsmatrix für die Zuschlagskriterien übergeben worden, wonach dem Zuschlagskriterium „Preis“ eine Gewichtung von 70 % und dem Zuschlagskriterium „Bauzeit“ eine Gewichtung von 30 % zukam. Innerhalb der Bewertung des Kriteriums „Preis“ erhielt das Angebot mit dem niedrigsten Preis, innerhalb der Bewertung des Kriteriums „Bauzeit“ das Angebot mit der kürzesten Bauzeit jeweils die maximal erreichbare Punktzahl. In den Vergabeunterlagen erfolgte keinerlei Erklärung, wie die Verkürzung der Bauzeit durch die Bieter nachzuweisen und wie die kürzeste Bauzeit zu definieren sei. Die Vergabekammer hebt das gesamte Verfahren auf, da die Auswahl des Zuschlagskriteriums „Bauzeit“ durch den AG fehlerhaft sei und dadurch keine objektive Zuschlagserteilung erfolgen könne. Die bloße Vorgabe, dass das Angebot mit der kürzesten Bauzeit die höchste Punktzahl erreiche, habe hier weder einen fassbaren Inhalt noch ein konkreten Sachverhaltsbezug und sei daher mit dieser unkonkreten Formulierung als Zuschlagskriterium „Bauzeit“ absolut unanwendbar. Dadurch hätten die Bieter keine Möglichkeit, das Zuschlagskriterium „Verkürzung der Bauzeit“ auf ihr Angebot auszurichten und anzubieten.

Wir schlagen Folgendes vor: „Der Auftraggeber kalkuliert bei entsprechend besetzter Baustelle, Materialdisposition und Koordination der verschiedenen Arbeiten eine Gesamtausführungsdauer an der Örtlichkeit für sämtliche im vorstehenden LV beschriebenen Arbeiten von maximal Bsp 200 aufeinanderfolgenden Werktagen (Samstage gelten hierbei nicht als Werktage). Für die Ausführung und Fertigstellung der gesamten ausgeschriebenen Leistungen werden vom Bieter insgesamt … (Bietereintrag) aufeinanderfolgende Werktage kalkuliert und als verbindlich begrenzter Ausführungszeitraum – unter Berücksichtigung und Abwägung von Schlechtwettertagen etc. – angeboten und zugesichert (Samstage zählen hierbei nicht als Werktage). Die vom Bieter eingetragene Ausführungsfrist darf Bsp maximal 240 aufeinanderfolgende Werktage betragen; bei einer Überschreitung dieser Anzahl wird das Angebot des Bieters ausgeschlossen.“

Bei der vom Bieter anzugebenden Frist handelte es sich um eine Vertragsfrist im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B. Als Anlage zum Leistungsverzeichnis wird ein Bauzeitenplan beigefügt, in dem der zeitliche Ablauf der einzelnen Gewerke anhand des von dem Auftraggeber kalkulierten Ausführungszeitraums von 200 Werktagen dargestellt wird. Bei der Bewertung des Kriteriums „Ausführungsfrist“ vergibt der Auftraggeber für das insoweit günstigste Angebot eine Höchstpunktzahl von 100 Punkten und ermittelt sodann die entsprechenden Punktwerte für die übrigen Angebote im Wege einer linearen Interpolation, wobei deren Ausgangspunkte die angebotene niedrigste Ausführungsfrist, die mit 100 Punkten bewertet wird, und die höchstzulässige Ausführungsfrist von 240 Kalendertagen, die mit 0 Punkten bewertet wird, sind.

Rechtlich gilt dann Folgendes: Eine angegebene niedrige Bauzeit führt nicht zum Ausschluss. Ob ein Bieter die von ihm angebotene Leistung tatsächlich auszuführen in der Lage ist, ist eine Frage seiner Leistungsfähigkeit und damit seiner materiellen Eignung. Die Eignungsprüfung der Vergabeordnungen dient dazu, die Unternehmen zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Leistungen nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen und die unzureichend qualifizierten Bieter auszusondern(vgl. BGHZ 139, 273; X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641, 643).

Aus § 97 Abs. 4 GWB, wonach öffentliche Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu vergeben sind sowie aus dem Gebot der Gleichbehandlung folgt, dass der öffentliche Auftraggeber die Überprüfung eines Bieters auf seine Eignung auch im Interesse der anderen am Auftrag interessierten Unternehmen vornehmen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.12.2009, VII-Verg 39/09). Die Eignungsprüfung ist eine unternehmensbezogene Untersuchung, ob ein Unternehmen nach seiner personellen, finanziellen und technischen Ausstattung in der Lage sein wird, den Auftrag auszuführen. Im Hinblick auf offene Angebotsbestandteile, deren konkretisierende Ausfüllung dem Bieter überlassen ist, hat der öffentliche Auftraggeber demnach zu prüfen, ob der Bieter tatsächlich in der Lage ist, die Leistung so, wie sie von ihm angeboten wird, zu erbringen. Werden objektiv unmöglich zu erbringende Leistungen angeboten oder bestehen angesichts der personellen, technischen und finanziellen Ausstattung begründete Zweifel, dass der Bieter die von ihm konkretisierten Leistungsbestandteile ordnungsgemäß ausführen kann, so ist er wegen fehlender Leistungsfähigkeit als ungeeignet anzusehen und ist sein Angebot auszuschließen.

Dann hat sich die Eignungsprüfung demnach nicht nur darauf zu erstrecken, ob die Bieter im Hinblick auf die nachgefragten Arbeiten leistungsfähig sind. Da der Auftraggeber die Frist, innerhalb derer die ausgeschriebenen Leistungen fertigzustellen sind, nicht in der Leistungsbeschreibung festgelegt, sondern die Bieter ausdrücklich aufgefordert, die erforderlichen Ausführungsfristen selbständig zu kalkulieren und verbindlich anzubieten, bezieht sich die unternehmensbezogene Eignungsprüfung auch auf den Gesichtspunkt, ob der Bieter in der Lage sein wird, die konkret von ihm angebotene Ausführungsfrist einzuhalten. Würde eine ordnungsgemäße Prüfung zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Kapazitäten der Bieter eine ordnungsgemäße Erfüllung nicht erlauben, so wäre ihr Angebot demnach bereits auf dieser Prüfungsebene auszuschließen.

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit handelt es sich um eine Prognoseentscheidung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.04.2009, VII-Verg 76/08; v. 05.10.2005, VII-Verg 55/05). Dem öffentlichen Auftraggeber steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet, den zugrunde gelegten Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.4.2009, VII-Verg 76/08; v. 28.4.2008, VII-Verg 1/08 m.w.N.).

Der Umstand, dass ein Bieter eine um Bsp 40 % kürzere Ausführungsfrist als die Mehrheit der Bieter anbietet, begründet für sich gesehen keine objektiven Zweifel an deren Umsetzbarkeit. Darüber hinaus handelt es sich bei der vom Bieter verbindlich anzubietenden Frist um eine Vertragsfrist im Sinne des § 5 Abs. Satz 1 VOB/B.