Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

VOB/A: Hinweise für sauberen Aufhebungsvermerk

von Thomas Ax

Summary

Mit der Begründung der Aufhebung der Ausschreibung sind alle für die Entscheidung relevanten Umstände in die Erwägungen einzubeziehen.

Sie gehen auf die gegen eine Aufhebung sprechenden Interessen der Bestbieterin ein.

Sie erwägen, ob nicht andere Maßnahmen ohne Aufhebung des Verfahrens insgesamt den Interessen aller Beteiligten besser gerecht werden könnten.

Sie erwägen mögliche Alternativen zur Aufhebung des Vergabeverfahrens.

Sie prüfen, ob der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht weniger einschneidende Maßnahmen als die Aufhebung des Verfahrens insgesamt gerechtfertigt oder gefordert hätte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. September 2013 – 15 Verg 3/13 m. w. N.; OLG Düsseldorf; Beschluss vom 14.01.2009 – Verg 49/08 – juris Rn. 42; Portz in Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 17 Rn. 20). Sie prüfen, ob als weniger einschneidende Maßnahmen gegebenenfalls auch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Übersendung der Ausschreibungsunterlagen oder eine Reduzierung des auszuschreibenden Leistungsumfanges in Betracht gekommen wäre.

 

Details

Sie prüfen, ob Anhaltspunkte dafür bestanden, dass auch bei einer erneuten Ausschreibung die geschätzten Kosten erneut überschritten werden würden? Dies gilt umso mehr angesichts der erstmaligen Aufführung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit in VOB/A, woraus Teile der Kommentarliteratur den Schluss ziehen, dass man sogar aus diesen Prinzipien einen Vorrang zur Aufrechterhaltung des Vergabeverfahrens vor einer Aufhebung anzunehmen habe (Portz in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 63 VgV Rn. 31).

Sie erwägen, ob nicht andere Maßnahmen ohne Aufhebung des Verfahrens insgesamt den Interessen aller Beteiligten besser gerecht werden könnte. Dies wäre für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung erforderlich.

Sie prüfen, ob das Ermessen auf null reduziert ist, so dass sich auch aus diesem Grund die Entscheidung nicht als ermessensfehlerfrei herausstellen könnte. Eine Ermessensreduzierung kommt in Betracht, wenn die erforderlichen Haushaltsmittel fehlen.

Es reicht nicht aus, die Aufhebung des Vergabeverfahrens damit zu begründen, dass das Angebot des Bestbieters deutlich über den verfügbaren Mitteln läge (Budgetüberschreitung), so dass der Zuschlag nicht erteilt werden kann.

Grundsätzlich kann eine mangelnde Finanzierbarkeit einen die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigenden anderen schwerwiegenden Grund darstellen. Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der Auftraggeber den Kostenbedarf mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt hat. Weiter muss die Finanzierung des ausgeschriebenen Vorhabens bei Bezuschlagung auch des günstigsten wertungsfähigen Angebotes scheitern oder jedenfalls wesentlich erschwert sein.

Sie legen dar, dass diese Voraussetzungen für eine rechtmäßige Aufhebung vorliegen.

Die Aufhebung einer Ausschreibung ist regelmäßig dann nicht vergaberechtskonform, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der sich daran anschließenden Einwerbung der benötigten Mittel zurückzuführen ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96; Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10; Senat, Beschluss vom 13. Januar 2011 – 13 Verg 15/10).

Sie legen dar:

Dies erfordert in einem ersten Schritt, dass der Auftraggeber die Kosten für die zu vergebenden Leistungen sorgfältig ermittelt.

Sie legen dar:

In einem zweiten Schritt hat er zu berücksichtigen, dass es sich bei der Kostenermittlung nur um eine Schätzung handelt, von der die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Er hat deshalb für eine realistische Ermittlung des Kostenbedarfs einen ganz beträchtlichen Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag vorzunehmen (BGH, Urteil vom 20. November 2012, a. a. O. Tz. 20 f.; Senat, a. a. O.; KG, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – Verg 9/13). Fehler eines Dritten, den die Vergabestelle mit der Ermittlung betraut hat, sind dieser nach dem Gedanken des § 278 BGB zuzurechnen (BGH, Urteil vom 8. September 1998, a. a. O., Tz. 20).

In welcher Höhe ein Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag vorzunehmen ist, um die Unsicherheiten dieser Schätzung zu berücksichtigen, ist vom Einzelfall abhängig und bislang nur vereinzelt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Im Einzelfall wird eine Überschreitung der vertretbar geschätzten Kosten um rund 10 %, als ausreichend angesehen, um eine Aufhebung aufgrund von fehlenden Haushaltsmitteln zu rechtfertigen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spräche einiges dafür, dass – die Vertretbarkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Kostenschätzung unterstellt – die Überschreitung dieser Kostenschätzung durch das Angebot der Antragstellerin in Höhe von rund 15 % so erheblich sein könnte, dass eine Berücksichtigung einer Reserve in dieser Höhe nicht zu verlangen gewesen wäre und die rechtmäßige Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln damit grundsätzlich in Betracht käme. Dies – insbesondere die Vertretbarkeit der Kostenschätzung – muss allerdings nicht abschließend beurteilt werden, weil keine hinreichende Prüfung für eine mangelnde Finanzierbarkeit des Vorhabens substantiiert dargelegt wurde.

Sie legen dar:

Weiter muss die Finanzierung des ausgeschriebenen Vorhabens unter Berücksichtigung des günstigsten wertungsfähigen Angebotes ausgeschlossen oder jedenfalls wesentlich erschwert sein. Der Vergabestelle ist nicht gestattet, nach Gutdünken nachträglich bestimmte Auftragssummen für allein noch finanzierbar zu erklären (BGH, Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10), weshalb die pauschale Behauptung einer internen Budgetüberschreitung ohne substantiierte Darlegung und Begründung nicht ausreichend ist (VK Bund, Beschluss vom 13. Februar 2012 – VK 2-124/11).

Sie legen dar:

Die mangelnde Finanzierbarkeit kann dabei darauf beruhen, dass der Angebotsendpreis den freigegebenen Haushaltsmittelansatz für die ausgeschriebene Gesamtmaßnahme wesentlich übersteigt und weitere Haushaltsmittel nicht vorhanden sind (Senat, Beschluss vom 13. Januar 2011 – 13 Verg 15/10). Dabei ist auch darzulegen, dass zusätzliche Mittel nicht bewilligt werden konnten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. September 2013 – 15 Verg 3/13; vergleichbar auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juni 2013 – Verg 2/13; Beschluss vom 8. Juni 2011, Verg 55/10). In diesem Zusammenhang wäre auch die Überschreitung eines verbindlich festgelegten Budgets substantiiert darzulegen (VK Bund, Beschluss vom 13. Februar 2012, a. a. O. Tz. 116 f., 118).

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs „konnte“ eine Überschreitung der Kostenschätzung der Vergabestelle durch das niedrigste Gebot um rund 30 % die Grundlagen der Finanzierung nachhaltig in Frage stellen, ohne dass der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes abschließend beurteilen konnte (Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96); ob bei einer derart deutlichen – vorliegend nicht gegebenen – Überschreitung der Kostenschätzung niedrigere Anforderungen an die Darlegung der mangelnden Finanzierbarkeit zu stellen sind, lässt sich dieser Entscheidung allerdings nicht entnehmen.

Sie stellen ab auf die Finanzierbarkeit der Gesamtmaßnahme (VK BW, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 1 VK 39/08).

Sie legen dar:

Ein weiterer die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigender Grund kann in der fehlenden Wirtschaftlichkeit des Ergebnisses der Ausschreibung – unabhängig von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und auch bei einer weiterhin bestehenden Finanzierungsmöglichkeit des Vorhabens – bestehen.

Sie legen dar:

Das Ausschreibungsergebnis kann zum einen unwirtschaftlich sein, wenn die wertungsfähigen Angebote ein unangemessenes Preis-Leistungsverhältnis aufweisen. Dies kommt in Betracht, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10). Dabei lässt sich nicht durch allgemein verbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen, wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so deutlich überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung gerechtfertigt ist. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalles einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits die öffentlichen Auftraggeber nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass § 17 Abs. 1 VOB/A nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen.

Sie legen dar:

Auch wenn allgemeinverbindliche Werte, bei denen eine Aufhebung gerechtfertigt ist, nicht ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der jeweils betroffenen Interessen möglich ist, ist als erster Anknüpfungspunkt für die vorzunehmende Interessenabwägung doch das Maß zu berücksichtigen, in dem das günstigste wertungsfähige Angebot von der (vertretbaren) Kostenschätzung des Auftraggebers abweicht. In der Rechtsprechung haben sich insoweit bislang allerdings noch keine festen Grundsätze herausgebildet. Das Oberlandesgericht München knüpft diesbezüglich an die Grundsätze an, die für die Entscheidung über einen Ausschluss des Angebotes aufgrund eines unangemessenen Preises etwa nach § 16 EG Abs. 6 Nr. 1 VOB/A a.F. entwickelt wurden und erachtet auf dieser Grundlage eine beträchtliche Überschreitung des Schätzungsergebnisses erst ab einem Abstand von etwa 20 % zwischen der Kostenschätzung und dem günstigsten wertungsfähigen Angebot als naheliegend (OLG München, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 1 U 498/13; offen gelassen von OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. September 2013 – 15 Verg 3/13, betreffend eine Abweichung von 19,3 %). Vergleichbar hat auch die Vergabekammer B.-W. in der Sache an diese Grundsätze angeknüpft, allerdings im Ergebnis eine Abweichung um 19,3 % unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls als ausreichend angesehen (Beschluss vom 10. Mai 2013 – 1 VK 10/13). Auch die Vergabekammer Bund hat unter Anwendung vergleichbarer Grundsätze eine Differenz von „nur“ ca. 15 % nicht als erheblich angesehen (Beschluss vom 13. Februar 2012 – VK 2-124/11).

Sie legen dar:

Bei der Frage, ob das Vergabeverfahren wegen einer beträchtlichen Abweichung des Angebots von einer vertretbaren Schätzung aufgehoben werden darf, kann auf die Grundsätze, ob ein den Ausschluss eines Angebotes rechtfertigendes Missverhältnis zwischen Leistung und Angebot vorliegt, zurückgegriffen werden. Erst ab einem deutlichen Abstand von rund 20% liegt im Regelfall ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung bzw. der Kostenschätzung und dem Angebot nahe (vgl. OLG München, Urteil v. 12.12.2013 – 1 U 498/13).

Sie legen dar:

Liegt die Überschreitung der Einheitspreise des bepreisten Leistungsverzeichnisses bei rund 15 %: Eine derartige Überschreitung rechtfertigt – noch dazu ohne Aufklärung des Angebots und ohne Interessenabwägung – die Aufhebung der Ausschreibung nicht. Letztlich kann aber dahinstehen, ob schon wegen der Differenz von weniger als 20% von einem unangemessen hohen Preis bzw. einer fehlenden Wirtschaftlichkeit nicht ausgegangen werden kann.