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Aktuelle Entscheidungen im Volltext (1) OLG Düsseldorf zu der Frage, dass die Auftragsänderung nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen darf

vorgestellt von Thomas Ax

Nur wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren.
Eine Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ist jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags, der Wert der Änderungen die jeweiligen Schwellenwerte nicht übersteigt und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswerts beträgt.
Die Auftragsänderung darf auch nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Eine Veränderung des Gesamtcharakters liegt vor, wenn die zu beschaffenden Bauleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.01.2022 – Verg 30/21
vorhergehend:
OLG Düsseldorf, 02.06.2021 – Verg 30/21
VK Bund, 06.05.2021 – VK 2-29/21

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 21. Dezember 2020 im offenen Verfahren Sicherungsmaßnahmen für Gleisbauarbeiten im Bereich zwischen L. und E. für die Zeit vom 27. März 2021 bis zum 24. Juni 2022 EU-weit aus (Referenznummer der Bekanntmachung: …). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziff. II.2.5. der Bekanntmachung).

Das Leistungsverzeichnis enthielt bezüglich der das weiterbefahrene Betriebsgleis betreffenden Gruppe 02 „Bauaffine Dienstleistungen“ unter Position 02.01.0010 die Anforderung 7.000 Stück „Schutzhaltsignal (Sh2) auf- und abbauen“, unter Position 02.01.0190 500 Stück „Langsamfahrsignale (Satz) außer/in Betrieb setzen“ sowie unter Position 02.01.0195 3.000 Stück „Langsamfahrsignal (zus. Lf1, Lf1 Wiederholer, Lf2 oder Lf3) außer/in Betrieb setzen. Nach Anlage 8 der Vergabeunterlagen, „Vorbemerkungen mit allgemeinen und technischen Angaben“, Punkt 6, waren die Langsamfahrstellen „innerhalb von 20 Minuten nach Sperrung des Gleises sicherzustellen“, wobei sich die Aufstellorte der LF-Signale nicht in direkter Nähe der Einsatzstellen befinden und die Fahrwege und -zeiten in den Einheitspreisen zu berücksichtigen waren.

Auf die hierauf bezogene Bieterfrage 5, welche Sicherungsmaßnahme für die Inbetriebnahmearbeiten der Langsamfahrsignale am weiterbefahrenen Betriebsgleis durch die für den Bahnbetrieb zuständige Stelle (BzS) vorgesehen sei und welche Sicherungsmaßnahme dementsprechend zu kalkulieren sei, antwortete die Antragsgegnerin, die Sicherungsmaßnahme werde nach Einreichung durch das Sicherungsunternehmen bei der BzS durch die selbige festgelegt. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung der BzS auf Grund der Einreichung, weshalb hierzu im Voraus keine endgültige Aussage getroffen werden könne. Es werde jedoch aktuell davon ausgegangen, dass mit UV-Sperrungen (Sperrung aus Unfallverhütungsgründen) zu sichern sei. Auf die diesbezügliche Nachfrage, Bieterfrage 7, ob als Alternative zu UV-Sperrungen und den damit verbundenen betrieblichen Einflüssen Einsätze von ATW-Systemen zur Inbetriebnahme der Lf-Signale vorgesehen und damit eine ATWS-Sicherung (Automatic Track Warning Systems = Automatische Warnsysteme) an jedem Signalstandort zur Sicherung der Inbetriebnahme zu kalkulieren sei, erklärte die Antragsgegnerin, die Kalkulation der Nebenleistung obliege dem Auftragnehmer, es seien UV-Sperrungen vorgesehen.

Die Antragstellerin, die sich wegen des von ihr zur Umstellung der Vielzahl von Signalen an weit auseinanderliegenden Einsatzorten angenommenen Personalbedarfs als Bietergemeinschaft von fünf Unternehmen zusammengefunden hatte, gab fristgerecht ein Angebot ab. Dabei hatte sie für die Position 02.01.0010, 02.01.0190 und 02.01.0195 zusammen circa 1,6 Millionen Euro angesetzt, weshalb auf diese über 20 Prozent ihres Angebotspreisen entfielen. Unter anderem hatte sie auch den Einsatz einer ATWS-Sicherung kalkuliert, nachdem ihre vertretungsberechtigte Gesellschafterin es im Rahmen des seinerzeit laufenden Sicherungsauftrags erlebt hatte, dass die erforderlichen Sperrpausen von der Antragsgegnerin nicht beigestellt werden konnten, woraufhin die Sicherung doch mittels eines automatischen Warnsystems erfolgen musste. Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin, dass eine Beauftragung der Beigeladenen als preislich günstigste Bieterin beabsichtigt sei. Rügen innerhalb der Wartefrist wurden nicht erhoben, der Zuschlag erfolgte am 5. Februar 2021 an die Beigeladene.

Nach Zuschlagserteilung erfuhr die Antragstellerin von Änderungen an der Auftragsdurchführung. Der am 12. Januar 2021 erstellte und am 26. Januar 2021 geprüfte Formbogen zur Planung der vorübergehenden Langsamfahrstellen auf dem weiterbefahrenen Betriebsgleis war am 26. Februar 2021 geändert worden. Danach sollten die Langsamfahrstellen nicht mehr vom 9. April 2021 bis zunächst zum 21. Mai 2021 täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages, sondern vom 9. April 2021 bis zum 9. April 2022 durchgehend bestehen (Anlage ASt 5). Am 4. März 2021 erfolgte eine nochmalige Abänderung, der Formbogen sah nunmehr durchgehende Langsamfahrstellen vom 4. Juni 2021, 21.05 Uhr, bis zum 2. Juli 2021, 04.55 Uhr, vor.

Nach erfolgloser Rüge vom 9. März 2021, das Angebot der Beigeladenen hätte vor Bezuschlagung im Hinblick auf Auskömmlichkeit und Gewährleistung des Mindestlohns aufgeklärt werden müssen, hat die Antragstellerin am 12. März 2021 einen Nachprüfungsantrag gestellt. Zu dessen Begründung führte sie aus, dass entweder vor Zuschlagserteilung der Auftrag ohne die erforderliche Transparenz für alle Bieter wesentlich geändert und so letztlich ohne entsprechende Bekanntmachung vergeben worden sei, oder der Auftrag nach Zuschlagserteilung wesentlich geändert worden und deshalb ein erneutes Vergabeverfahren erforderlich gewesen sei. Während die nahezu täglich In- beziehungsweise Außerbetriebsetzung einer Vielzahl von Signalen an teilweise weit auseinander liegenden Standorten in einem Korridor von nur 20 Minuten einen außergewöhnlichen Personalaufwand erfordere, da nahezu an jedem Signalstandort Personal vorgehalten werden müsse, sei dies bei der nunmehr vorgesehenen durchgehenden Sperrung nicht mehr erforderlich. Den nach der Ausschreibung erforderlichen Personalaufwand habe die Beigeladene im Gegensatz zur ihr nicht entsprechend kalkuliert, weshalb ihr Angebot auf Auskömmlichkeit hätte geprüft werden müssen. Durch die Änderung ändere sich der Charakter des Auftrags, da diese mehr als 10 Prozent des Gesamtwerts ausmache; auch hätte der nunmehr wesentlich geringere Personalaufwand die Beteiligung weiter Bieter ermöglicht.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Unwirksamkeit des Vertrags festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein erneutes förmliches Vergabeverfahren einzuleiten; hilfsweise, festzustellen, dass die Zuschlagserteilung vergaberechtswidrig erfolgte;

2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und hilfsweise die Beigeladene, die den Nachprüfungsantrag vorrangig bereits für unzulässig erachtet, haben beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für notwendig zu erklären;

3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, sie habe hinsichtlich der beabsichtigten UV-Sperrung nach einer einwöchige Testphase vom 1. bis 8. Februar 2021 feststellen müssen, dass kein positiver Effekt auf die erforderliche Dauer beim Einrichten der Langsamfahrstelle erzielt werde und zudem eine erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleister entstehe, die auf Dauer nicht tragbar sei. Im Rahmen einer den seinerzeit noch laufenden, zeitlich vorgelagerten Sicherungsauftrag betreffenden Baubesprechung am 8. Februar 2021, an der auch das für die Antragstellerin vertretungsberechtigte Mitgliedsunternehmen als damalige Auftragnehmerin teilgenommen habe, sei erstmals der Vorschlag diskutiert worden, eine Prüfung vorzunehmen, ob die Langsamfahrstelle nicht durchgehend eingerichtet werden könne. Ihre interne Abstimmung habe bis zum 2. März 2021 gedauert. Am 4. März 2021 habe der Leitstellen-Anlagenverantwortliche die Zustimmung zu durchgehenden Langsamfahrstellen erteilt, allerdings nicht zu der am 26. Februar 2021 erfolgten Änderung in durchgehende Langsamfahrstellen über 365 Tage, sondern nur vom 4. Juni 2021, 21.05 Uhr, bis zum 2. Juli 2021, 04.55 Uhr. Die Auswirkungen auf den am 5. Februar 2021 geschlossenen Vertrag beschränkten sich auf die Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195. Es entfielen zwischen 75 und 90 Prozent der Sperrpausen. Ausgehend von einem maximalen Entfallen der Leistungen der beiden genannten Positionen in Höhe von 90 Prozent bedeute dies auf Grundlage des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags eine Reduzierung des Angebotspreises um eine niedrige einstellige Prozentzahl. Die Leistungen der Position 02.01.0010 seien von den Änderungen nicht betroffen.

Die Beigeladene erachtet den Nachprüfungsantrag wegen des erfolgten Zuschlags bereits für unzulässig, eine Änderung i. S. des § 132 Abs. 1 GWB liege nicht vor.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 6. Mai 2021 zurückgewiesen. Der Antrag sei zwar zulässig. Weder bei der von der Antragstellerin beanstandeten Vergabe ohne entsprechende Bekanntmachung noch bei der alternativ von ihr angenommen erheblichen Änderung nach Zuschlag bedürfe es einer Rüge. Er sei jedoch unbegründet. Den auf die Kalkulation der Beigeladenen gerichteten Beanstandungen stehe bereits die Erteilung des Zuschlags entgegen. Dass die Änderung des Leistungsumfangs erst nach dem Zuschlag am 5. Februar 2021 erfolgt sei, sei im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt worden. Soweit die Antragstellerin diese Änderung als wesentliche moniere, greife ihre Beanstandung nicht durch. Bei der Ermittlung der prozentualen Abweichung sei vom Angebot der Beigeladenen auszugehen, nach dem diese gering sei. Dies gelte im Übrigen auch für das Angebot des zweitplatzierten Bieters. Hingegen habe die Antragstellerin – entgegen der Antworten auf die Bieterfragen 5 und 7 – mit einer ATWS-Sicherung kalkuliert. Zudem hätte deren Angebot im Übrigen selbst bei einem vollständigen Entfallen der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 nicht den Zuschlag erhalten. Auch der potenzielle Bieterkreis habe sich nicht verändert.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Nach der Ausschreibung hätten beinahe täglich eine Vielzahl von Signalen an weit auseinanderliegenden Standorten fast zeitgleich außer Betrieb genommen beziehungsweise in Betrieb gesetzt werden müssen. Dies erfordere eine extrem hohe Personaldecke, weshalb sie sich als Bietergemeinschaft um den Auftrag beworben habe. Erforderlich sei eine Arbeitskraft je Signalstandort und zudem eine Sicherung mittels ATWS, da sich 2020 die Unmöglichkeit der Gewährung pünktlicher UV-Sperrungen gezeigt habe. Die Beigeladene habe dies hingegen bei ihrer Kalkulation schlicht nicht berücksichtigt; entweder habe sie es nicht verstanden oder es liege eine unzulässige Mischkalkulation vor. Gleichwohl sei die gebotene Prüfung auf Auskömmlichkeit unterblieben. Hinsichtlich der Prüfung unlauterer Wettbewerbshandlungen stehe der Vergabestelle kein Ermessen zu. Durch die Änderung reduziere sich der zur Erbringung der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erforderliche Personalbedarf erheblich und zwar um 90 Prozent. Es stelle sich die Frage, warum eine solch gravierende, für den Bieter kostensparende Maßnahme erst nach Zuschlagserteilung erfolgt sei. Diese stelle eine unzulässige nachträgliche Änderung i.S. von § 132 GWB dar, da sich der Charakter des Auftrags geändert habe und der Wert der Änderung mehr als 10 Prozent des ursprünglichen Auftragswerts betrage. Wegen des Wegfalls des personellen Spitzenbedarfs hätten sich andere Bieter beteiligen können, darunter auch die ihrer Bietergemeinschaft angehörenden. Das unauskömmliche und zu Unrecht nicht ausgeschlossene, grob wettbewerbswidrige Angebot der Beigeladenen könne nicht Maßstab für den Grad der Änderung sein.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes vom 6. Mai 2021, VK 2-33/21 aufzuheben;

2. die Unwirksamkeit des Vertrages festzustellen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ein erneutes förmliches Vergabeverfahren einzuleiten;

3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden;

4. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären;

5. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Mai 2021 (VK 2-33/21) zurückzuweisen;

2. die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Die Antragsgegnerin trägt vor, eine wesentliche Änderung sei nicht gegeben. Schon bei Betrachtung des Angebots der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass die von ihr zur Begründung eines Anteils am Gesamtauftrag von einem Fünftel mit herangezogene Position 02.01.0010 gar nicht betroffen sei, auf die allein 700.000,00 Euro entfielen. Hinsichtlich der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 habe die Antragstellerin zudem entgegen den Vorgaben ein automatisches Warnsystem (ATWS) einkalkuliert. Hätte sie korrekt mit UV-Sperrungen kalkuliert, wäre jeweils nur ein Signalmonteur erforderlich, die Spiegelstriche zwei bis sechs ihrer in der Beschwerdeschrift dargelegten Kalkulation entfielen.

Der Senat hat den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 2. Juni 2021 als unzulässig verworfen. Nach Erteilung des Zuschlags sei für die von § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB beabsichtigte Aufrechterhaltung des Zuschlagsverbots kein Raum mehr.

Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 hat die Antragstellerin den zuvor unstreitigen und von ihr selbst noch in der Beschwerdebegründung (dort Seite 10 unten, Bl. 10 GA.) vertretenen Vertragsschluss mit der Beigeladenen am 5. Februar 2021 in Zweifel gezogen. Dass die mit Datum vom 26. Februar 2021 erfolgte Änderung von täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages bestehenden Langsamfahrstellen in vom 9. April 2021 bis zum 9. April 2022 durchgehend bestehende erst nach dem Zuschlag erfolgt sei, sei keinesfalls unstreitig. Davon, dass für täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages bestehenden Langsamfahrstellen zusätzliches Personal benötigt werde und sie dies als einzige kalkuliert habe, während die übrigen Bieter eine Mischkalkulation vorgenommen hätten, sei die Antragsgegnerin in ihrer fachtechnischen Stellungnahme vom 19. Januar 2021 selbst ausgegangen, ohne jedoch die Angebote der fraglichen Bieter der gebotenen Überprüfung zu unterziehen und diese vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Der Senat hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert und ausgeführt. Der Zuschlag sei ausweislich der Vergabeakte am 5. Februar 2021 und damit vor der Änderung erfolgt. Prüfungsmaßstab, ob die Änderung ein neues Vergabeverfahren erfordere, sei vorrangig § 132 Abs. 3 GWB. Danach sei eine Änderung zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter nicht ändere und der Umfang der Änderung weder den Schwellenwert übersteige noch mehr als zehn Prozent des Auftragswerts betrage. Vorliegend ändere sich der Gesamtcharakter nicht und auch die Wertgrenzen seien nicht überschritten. Insoweit komme es nach § 132 Abs. 1 GWB auf den erteilten öffentlichen Auftrag und somit allein auf das bezuschlagte Angebot an. Ein eventueller Verstoß gegen § 60 VgV könne nach Zuschlag nicht mehr geltend gemacht werden. Die Antragstellerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, es sei nicht auf die formelle Änderung, sondern auf den 26. Januar 2021 abzustellen, weil es zu diesem Zeitpunkt bereits Überlegungen zu einer Änderung gegeben habe. Durch die Umstellung auf durchgehende Langsamfahrstellen ändere sich kalkulatorisch viel. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Am 26. Januar 2021 habe die ursprüngliche Version noch Gültigkeit gehabt, es wären lediglich ergebnisoffene Überlegungen angestellt worden. Die von ihr zur Vermeidung einer ATWS-Sicherung gewollte UV-Sperrung habe sich als machbar, aber schwierig erwiesen. Die Idee durchgehender Langsamfahrstellen sei erstmals in der Besprechung am 8. Februar 2021 aufgekommen und dann intern abgestimmt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hat.

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.

a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist statthaft. Zwar ist ein Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf, wie ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist. Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz hat nach § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB das Ziel, eine Rechtsverletzung im noch nicht abgeschlossenen Vergabeverfahren zu beseitigen. Ist es – infolge eines wirksamen Zuschlags – zu einer definitiven Rechtsverletzung im Vergabeverfahren gekommen, so sind gemäß § 13 GVG für die sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten unmittelbar die ordentlichen Gerichte zuständig (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000, X ZB 14/00NJW 2001, 1492 f.). Ist der Zuschlag einmal wirksam erteilt, ohne dass zuvor ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eingeleitet worden ist, kann eine Zuständigkeit der Vergabekammern nicht mehr begründet werden. Das zeigt auch § 168 Abs. 2 GWB, insbesondere sein Satz 2, wonach aus Gründen der Prozessökonomie nur dann eine Zuständigkeit der Vergabekammer (fort)besteht, eine Rechtsverletzung trotz Zuschlags festzustellen, wenn das Nachprüfungsverfahren zum Zeitpunkt des Zuschlags bereits eingeleitet war (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000, X ZB 14/00NJW 2001, 1492 f; Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 18).

Allerdings gilt eine Ausnahme von diesem Grundsatz in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fällen, wobei die Vorschrift gemäß § 142 GWB auch für die Vergabe von Sektorentätigkeiten gilt. In diesen Fällen führt der Zuschlag zunächst nur zu einem schwebend wirksamen Vertrag. Binnen der in § 135 Abs. 2 GWB genannten Fristen kann deshalb noch vor der Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden mit dem Ziel, dass einer der beiden im Gesetz genannten Vergaberechtsverstöße festgestellt wird. In dem Fall, dass ein Verstoß festgestellt wird, ist der mit dem Zuschlag zunächst schwebend wirksame Vertrag von Anfang an unwirksam. § 135 GWB regelt damit den Spezialfall der Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrags trotz eines bereits erteilten Zuschlags (Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 19).

Für die Frage der Statthaftigkeit des auf § 160 Abs. 1 i.V.m. § 135 GWB gestützten Nachprüfungsantrags kommt es nicht darauf an, ob einer der in § 135 Abs. 1 GWB aufgeführten Vergaberechtsverstöße im Ergebnis zu bejahen ist. Die Frage eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB betrifft sowohl die Statthaftigkeit als auch die Begründetheit des Nachprüfungsantrags (sog. doppelrelevante Tatsache). In solchen Fällen ist eine rechtliche Argumentation, nach der ein Verstoß gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB zu bejahen ist, nicht schon im Rahmen der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs, sondern erst im Rahmen der Begründetheit zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 19; OLG Celle, Beschluss vom 24. Oktober 2019, 13 Verg 9/19, NZBau 2020, 535 Rn. 17).

Dementsprechend ist auch hier nicht schon die Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags zu verneinen, sondern vom Vortrag der Antragstellerin auszugehen, die sich auf einen Verstoß gegen die  § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB  beruft und geltend macht, dass die Antragsgegnerin den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben habe, weil der am 21. Dezember 2020 ausgeschriebene Auftrag nachträglich wesentlich geändert worden und eine zulässige Änderung nach § 132 Abs. 3 GWB nicht gegeben sei, weshalb es gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB eines neuen Vergabeverfahrens bedurft hätte.

Der von der Antragstellerin verfolgte Nachprüfungsantrag ist auch im Übrigen zulässig. Der maßgebliche Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU ist unzweifelhaft überschritten. Auch ist die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Ihr Nachprüfungsantrag ist ferner fristgerecht eingereicht worden und auch nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert.

Die in § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB formulierte Frist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit ist gewahrt. Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB muss die Unwirksamkeit innerhalb von 30 Kalendertagen nach Information der betroffenen Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Da die Änderung des Auftrags nicht vor dem 4. März 2021 erfolgt ist, zu dem nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin die Zustimmung des Leitstellen-Anlagenverantwortlichen erteilt worden ist, hat der am 12. März 2021 eingereichte Nachprüfungsantrag diese Fristen in jedem Fall gewahrt. Auch der Rüge vom 9. März 2021 hätte es nicht bedurft. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB gilt die Rügeobliegenheit nach Satz 1 nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines ohne die gebotene Ausschreibung vergebenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

b) Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Vertrag der Antragsgegnerin mit Beigeladenen ist nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB i. V. m. § 142 GWB unwirksam. Eine Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union ist nicht gegeben. Die Sicherungsleistung ist von der Antragsgegnerin mit Bekanntmachung vom 21. Dezember 2020 ordnungsgemäß ausgeschrieben worden. Die nach Auftragsvergabe vorgenommene Änderung erforderte kein neues Vergabeverfahren, sie war keine wesentliche im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Die vom Oberlandesgericht Celle offengelassene Frage, ob § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB auf Änderungen vor Zuschlagserteilung entsprechend anzuwenden ist (Beschluss vom 24. Oktober 2019, 13 Verg 9/19, NZBau 2020, 535 Rnrn. 22 ff), bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Ausweislich der Vergabeakte ist der Zuschlag am 5. Februar 2021 und damit vor der Änderung des Vertrags erteilt worden. Wie aus Anlagen Ast 5 und AG 5 ersichtlich, ist die Änderung in durchgehende Langsamfahrstellen im Formbogens erstmals am 26. Februar 2021 und abschließend erst am 4. März 2021 erfolgt.

Der Umstand, dass erste Überlegungen zu einer Änderung bereits vor der Zuschlagserteilung angestellt worden sind, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Die ausgeschriebene Leistung stellt nur selten die einzig gangbare Möglichkeit dar. Beim öffentlichen Auftraggeber werden daher oftmals Überlegungen existieren, ob der zu erteilende Auftrag nicht doch hätte optimiert werden können. Die Vorschrift des § 132 GWB, der auf die Änderung des erteilten Auftrags und damit gerade auf den Rechtsakt Vertragsänderung abstellt, würde weitgehend leerlaufen, ließe man die bloße Existenz derartiger Überlegungen für die Verneinung der Nachträglichkeit der Änderung ausreichen.

Es ist auch nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin zur Änderung der für die Leistungspositionen 02.01.0190 und 02.01.0195 maßgeblichen Langsamfahrstellen von täglich 21.05 Uhr bis 04.55 Uhr zu durchgehend bereits bei Zuschlagserteilung am 5. Februar 2021 entschlossen war. Im Rahmen des zeitlich vorangegangen, im Zeitpunkt der Ausschreibung noch laufenden Sicherungsauftrag hatte sich nachträglich die Notwendigkeit einer Sicherung mittels ATWS gezeigt, die die Antragsgegnerin nie wollte, weshalb sie beim ausgeschriebenen Auftrag zu UV-Sperrungen überzugehen wünschte. Nach ihrem unwiderlegten und in sich stimmigen Vortrag hat sich in der einwöchige Testphase vom 1. bis 8. Februar 2021 gezeigt, dass sich hierdurch kein positiver Effekt auf die erforderliche Dauer beim Einrichten der Langsamfahrstelle erzielen lässt und zudem eine erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleister entsteht. Erst danach kam in der Baubesprechung am 8. Februar 2021 erstmals die Idee durchgehender Langsamfahrstellen auf. Abgesehen davon, dass der erstmalige Einfall eines Mitarbeiters nicht mit der am Ende einer Überlegung stehenden Auftragsänderung gleichgesetzt werden kann, war zu diesem Zeitpunkt der Zuschlag bereits erteilt.

aa) Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB erfordern nur wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren. Nach § 132 Abs. 3 GWB ist eine Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert, der Wert der Änderungen die jeweiligen Schwellenwerte nach § 106 nicht übersteigt und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 Prozent und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. § 132 Abs. 3 GWB normiert eine „de-minimis-Grenze“ für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit, wonach geringfügige Änderungen des Auftragswerts bis zu einer bestimmten Höhe grundsätzlich zulässig sind, ohne dass ein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden muss (Hüttinger in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, GWB § 132 Rn. 74).

Neben den zwei Geringfügigkeitsgrenzen, die kumulativ eingehalten werden müssen, darf die Auftragsänderung auch nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Die Elemente, die einem konkreten öffentlichen Auftrag sein Gepräge geben, die wie die Auftragsart, die Art der Refinanzierung des Auftragnehmers oder die Laufzeit, die zentral für die Marktansprache sind, dürfen sich nicht ändern, weil Änderungen dieser zentralen Elemente dazu führen, dass es sich nicht mehr um den geänderten ursprünglichen, sondern um einen anderen Vertrag handelt: So darf die Änderung nicht dazu führen, dass über die Anwendung des § 110 GWB aus einem Dienstleistungsauftrag ein Bauauftrag wird, aus einem befristeten Auftrag ein unbefristeter oder wegen einer Änderung des Modus der Refinanzierung des Auftragnehmers aus einem öffentlichen Auftrag eine Konzession wird. Dies entspricht Erwägungsgrund 109 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, wonach eine Veränderung des Gesamtcharakters vorliegt, wenn „beispielsweise die zu beschaffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert“ (s. auch Ziekow in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 132 Rn. 41)

bb) Bezugspunkt der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 132 Abs. 3 GWB erfüllt sind, ist der ursprünglich vergebene öffentliche Auftrag und damit allein das Angebot, welches den Zuschlag erhalten hat. Nach § 132 Abs. 1 Satz 2 GWB sind wesentlich nur solche Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Dies gilt selbstverständlich auch für die Prüfung der Voraussetzungen des § 132 Abs. 3 GWB, nach dessen Nummer 2 der Wert der Änderung gerade auf den ursprünglichen Auftragswert bezogen ist.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 4. März 2021 zur Vermeidung der mit täglichen UV-Sperrungen einhergehenden erheblichen Mehrbelastung ihrer Fahrerdienstleister die Langsamfahrstellen nicht mehr vom 9. April 2021 bis zum 21. Mai 2021 lediglich täglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages, sondern vom 4. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 durchgehend bestehend zu lassen, führt nur zu einer marginalen Änderung des der Beigeladenen erteilten Auftrags. Zwar führt dies zu einem Wegfall von bis zu 90 Prozent der unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen des In- beziehungsweise Außerbetriebsetzen der Langsamfahrsignale. Diese Positionen machen beim Angebot der Beigeladenen jedoch weit weniger als zehn Prozent des ursprünglichen Auftragswerts aus und erreichen auch den Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 lit. a der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU bei weitem nicht.

Durch die Änderung hat sich auch nicht der Gesamtcharakter des Auftrags verändert. Eine Änderung des Gesamtcharakters ist nur gegeben, wenn sich zentrale Elemente wie die Auftragsart ändern. Das Kriterium der Veränderung des Gesamtcharakters ist mit dem der wesentlichen Änderung nach § 132 Abs. 1 GWB gerade nicht identisch (Ziekow in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 132 Rn. 41). Eine Änderung der Auftragsart oder der Laufzeit ist jedoch nicht gegeben. Der Auftrag bleibt ein Auftrag zur Sicherung von konkreten Gleisbauarbeiten. Kalkulatorische Änderungen, selbst wenn diese – was in Bezug auf das Angebot der Beigeladenen ohnehin nicht gegeben ist – erheblich sind, ändern nicht den Gesamtcharakter des Auftrags als einer befristeten Sicherung von Gleisbauarbeiten. Kalkulatorische Änderungen sind allein für die vorgenannten Schwellenwerte relevant.

cc) Soweit die Antragstellerin für die Beurteilung des Grades der Änderung nicht auf das Angebot der Beigeladenen, sondern auf ihr Angebot abstellen möchte, bei dem ein Wegfall von 90 Prozent der unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen zu einer Wertänderung von mehr als 10 Prozent und zu einer Überschreitung der Schwellenwerte führen würde, was sie mit einer verfehlten Kalkulation der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 seitens der Beigeladenen, die zu einer entgegen § 60 VgV nicht aufgeklärten Unauskömmlichkeit von deren ursprünglichen Angebots geführt hätte, begründen will, hat ihr Vorbringen keinen Erfolg.

Die Regelung in § 135 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 132 GWB erfasst allein nachträgliche Änderungen. Der Gesetzgeber hat den Zielkonflikt zwischen Bieterschutz und Rechtssicherheit, dahingehend gelöst, dass der in § 168 Abs. 2 S. 1 GWB normierte Grundsatz der Bestandskraft der Verträge allein in den gesetzlich normierten Fällen durchbrochen werden kann (Braun in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 135 Rn. 3). Die Bestimmung dient nicht dazu, Vergaberechtsverstöße, die bereits den Zuschlag gehindert und die nach ordnungsgemäßer Information innerhalb der Wartefrist nach § 134 GWB hätten gerügt werden können, trotz des formal ordnungsgemäßen Zuschlags doch noch zu berücksichtigen. Die Zufälligkeit einer nachträglichen Änderung vermag eine Überprüfung des bereits erteilten ursprünglichen Auftrags nicht, auch nicht inzidenter zu begründen. Was ohne die beanstandete Änderung des Auftrags aufgrund des erteilten Zuschlags nicht mehr im Vergabeverfahren hätte überprüft werden können, bleibt der Prüfungskompetenz der Nachprüfungsinstanzen entzogen. Gegenstand der Überprüfung im Rahmen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 132 GWB kann allein die Änderung des ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrags sein, bezüglich dessen es bei dem in § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB normierten Grundsatz zu verbleiben hat, dass ein wirksam erteilter Zuschlag nicht wieder aufgehoben werden kann.

dd) Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass im Übrigen selbst eine vom Angebot der Beigeladenen gelöste Betrachtung nicht zur Überschreitung der in § 132 Abs. 3 GWB normierten Geringfügigkeitsgrenzen führen würde.

Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen hat noch ein dritter Bieter ein wertungsfähiges Angebot eingereicht. Auch bei diesem machen die unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen weit weniger als zehn Prozent des ursprünglichen Auftragswerts aus und erreichen auch den Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 lit. a der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU bei weitem nicht.

Soweit die Antragstellerin auf ihr eigenes Angebot verweist, ist zu berücksichtigen, dass sie ausweislich ihres eigenen Beschwerdevorbringens neben den Einsatzstunden des Signalmonteurs auch Einsatzstunden für Betrieb und Schaltung eines Automatischen Warnsystems (ATWS) und dessen Aufbau und Vorhaltung entsprechend den auf die Arbeitsstellensicherung, Gruppe 01, bezogenen Positionen 01.06.0010, 01.06.0040, 01.06.0050, 01.06.0090 und 01.06.0100 auch für den vorliegend relevanten Bereich der bauaffinen Dienstleistungen, Gruppe 02, kalkuliert hat.

Die Antragsgegnerin hatte jedoch spätestens mit der Beantwortung der Bieterfrage 7 klargestellt, dass UV-Sperrungen vorgesehen sind. Mit dieser hätte die Antragstellerin daher kalkulieren müssen. Ein nachtäglicher Übergang zu einem Automatischen Warnsystem dürfte zwar im Bereich des Möglichen gelegen haben, da auch hierdurch die zur Begründung des Übergangs zur durchgehenden Langsamfahrstelle angeführte erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleiter zu vermeiden gewesen wäre. Gleichwohl hätte vor diesem Hintergrund der nachtägliche Übergang zu einem Automatischen Warnsystem eine Änderung des erteilten öffentlichen Auftrags dargestellt, die dann im Rahmen einer Auftragsanpassung zu kalkulieren gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Bieters, mögliche nachträgliche Änderungen des Auftrags vorwegzunehmen und vorsorglich bereits mit einzupreisen.

Nach der eigenen Darstellung der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift entfällt drei Viertel der in Bezug auf die Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 kalkulierten Arbeitszeit auf das Automatische Warnsystem. Hinzutreten die Kosten für dessen Aufbau und Vorhaltung. Rechnet man diese Positionen raus, sinkt der Anteil der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 am Angebotspreis der Antragstellerin drastisch. Die dann noch verbleibenden Beträge, die zudem lediglich entsprechend der Arbeitsreduktion um 90 Prozent zu kürzen sind, unterschreiten die in § 132 Abs. 3 GWB normierten Geringfügigkeitsgrenzen. Hinsichtlich des Kriteriums des Auftrags-charakters gilt auch hier das zuvor Ausgeführte.

ee) Da die nachträgliche Auftragsänderung jedenfalls nach § 132 Abs. 3 GWB ohne erneutes Vergabeverfahren zulässig war, kann dahinstehen, ob es auch an einer wesentlichen Änderung i. S. d. § 132 Abs. 1 GWB fehlt. Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, bei Ausschreibung unter der Bedingung einer durchgehenden Langsamfahrstelle hätten sich aufgrund des reduzierten Personalbedarfs auch andere Teilnehmer interessiert, unter anderem die in ihr zusammengeschlossenen Unternehmen jedes für sich, könnte allerdings ohnehin nicht auf den für ein Automatisches Warnsystem in Ansatz gebrachten Mehrbedarf abgestellt werden. Dass auch der bei Annahme einer UV-Sperrung verbleibende Personalbedarf Unternehmen an der Teilnahme gehindert hätte, ist nicht dargetan.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Demnach trägt die Antragstellerin die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels einschließlich der zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.

Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Beigeladenen ist nicht veranlasst. Ein Beigeladener ist nur dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt. Hierfür bedarf es einer sachlichen Stellungnahme zur sofortigen Beschwerde (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 63). Es bedarf folglich einer aktiven Beteiligung am Verfahren, in deren Rahmen der Beigeladene nicht nur erfolgreich eigene Anträge gestellt, sondern diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2004, Verg 12/03, BeckRS 2005, 3569; OLG Celle, Beschluss vom 12. Januar 2012, 13 Verg 9/11, BeckRS 2012, 1456). Es bedarf eines substantiellen eigenen Vorbringens (Krohn in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017 § 182 Rn. 67). Diesem Erfordernis hat die Beigeladene nicht genügt. Zwar hat sie eigene Anträge gestellt, zu deren Begründung hat sie jedoch lediglich auf den Vortrag der Antragsgegnerin und ihren eigenen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen. Dies reicht zur Begründung nicht. Es bedarf einer eigenständigen Begründung. Ein bloßer Verweis auf das Vorbringen der Antragsgegnerin oder auf das eigene Vorbringen erster Instanz genügt dem Begründungserfordernis nicht (vgl. zur Berufungsbegründung BGH, NJW 2013, 174 Rn. 10).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56).