Ax Rechtsanwälte

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Der praktische Fall zum Baugrundrisiko (1) - BGH, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 205/07:

Der Fall: Grundlage eines funktionalen Angebots werden bestimmte Bodenverhältnisse. Deren Vorhandensein wird zum Vertragsinhalt erhoben. Änderungen der Herstellparameter sind darauf zurückzuführen, dass die Bodenverhältnisse sich grundlegend anders als im Vertrag beschrieben dargestellt haben. Die Leistungsbeschreibung und die ihr zugrunde liegenden Bodenuntersuchungen stellen den Boden als sehr dicht gelagert dar. Es stellt sich jedoch eine extrem schwankende Lagerungsdichte und extrem hohe Dichten der unteren Sande heraus.

Die Lösung: Mehrkosten können wegen von den Vorstellungen des Auftragnehmers abweichender Bodenverhältnisse nicht mit der allgemeinen Erwägung geltend gemacht werden, den Bauherrn treffe das Baugrundrisiko (Kuffer, NZBau 2006, 1 ff.). Auszugehen ist vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalles und den getroffenen Vereinbarungen. Liegen einer Ausschreibung Baugrundgutachten bei, so ist es möglich, dass die darin dargestellten Bodenverhältnisse zur vertraglich geschuldeten Leistungsverpflichtung erhoben werden.

Ob und inwieweit dies gegeben ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände durch eine am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der Vereinbarung zur Bauleistung zu beurteilen. Ein gewichtiger Gesichtspunkt ist dabei, inwieweit die Bodenverhältnisse für die Leistung des Auftragnehmers und damit auch für die Kalkulation seines Preises erheblich sind. Ist dies der Fall, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die beschriebenen Bodenverhältnisse zum Leistungsinhalt erhoben werden sollen.

Dabei kann auch von Bedeutung sein, ob das Baugrundgutachten im Hinblick auf die ursprünglich ausgeschriebene Leistung und den dann geschlossenen Vertrag oder im Hinblick auf Vertragsänderungen oder Nachträge erstellt worden ist. Stellen sich die zur Leistungspflicht erhobenen Bodenverhältnisse anders dar, so ist die Anordnung des Auftraggebers, die Leistung trotz der veränderten Umstände zu erbringen, eine Änderung des Bauentwurfs im Sinne des § 1 Nr. 3 VOB/B mit der Folge, dass ein neuer Preis nach Maßgabe des § 2 Nr. 5 VOB/B zu bilden ist.

Sind von den Parteien bestimmte Bodenverhältnisse zum Inhalt des Vertrages gemacht worden, so ist nicht davon auszugehen, dass die von dem AN abgegebenen Erklärungen zur Übernahme von Mehrkosten auch für den Fall gelten, dass andere Bodenverhältnisse angetroffen werden. Denn die Bodenverhältnisse waren und sind im Zweifel ein entscheidender Umstand für die Wahl des Herstellverfahrens und die Festlegung der Herstellparameter.

Waren bestimmte, für das Herstellverfahren relevante Bodenverhältnisse Inhalt des Vertrages, so liegt es fern, dass der AN mit seinen Erklärungen das Risiko abweichender Bodenverhältnisse hat mit übernehmen wollen. Ein Unternehmer ist zwar nicht gehindert, mit dem Bauvertrag ihm unbekannte Risiken zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23, 29; Kuffer, NZBau 2006, 1, 6).

Jedoch sind an eine Risikoübernahme, die unbekannte Bodenverhältnisse betrifft, jedenfalls dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn sie die Baukosten erheblich beeinflussen können (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06, aaO). Wurden Angaben in Bodengutachten zum Inhalt des Vertrages erhoben, liegt es nahe, dass die sonstigen Erklärungen des AN auf diesen Bodengutachten aufbauen. Es liegt dann auch ein Verständnis der von dem AN abgegebenen Erklärungen nahe, dass lediglich diejenigen Veränderungen der Herstellparameter gemeint sind, die sich aus der Erprobung bei unveränderten Bodenverhältnissen ergeben.