Ax Rechtsanwälte

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Der praktische Fall zum Baugrundrisiko (3) - OLG Stuttgart, Urteil vom 16.02.2000, Az: 4 U 126/99:

Der Fall:

Ein Hang soll im Zuge eines Gymnasiumbaus gesichert werden. Dazu sind Bodennägel erforderlich, die über eine Spritzbetonwand den Hanganschnitt „halten“ sollen. Die Bodennägel müssen mit Zementsuspension „verpresst“ werden. Es kommt bei dem Verfüllen sog. Bodennägel zu der mehrfachen Menge an Verfüllmaterial als ausgeschrieben, weil dieses in unerwartet angetroffene große Klüfte abfließt.

Die Lösung:

Es liegt keine Leistungsänderung, § 2 Nr. 5 VOB/B, vor, sondern eine Mengenmehrung nach § 2 Nr.3 VOB/B

Soweit die Beklagte (= Auftraggeberin) Hinweispflichten der Klägerin (= Auftragnehmerin) wegen der Klüftigkeit des Baugrunds und der Gefahr von Mehrmengen verletzt sieht, verkennt sie die vertraglichen Bestimmungen und die Verteilung des Mehrmengenrisikos. … Das Gutachten … weist ausdrücklich und mehrfach auf die Klüftigkeit des Untergrunds, sogar auf Großklüfte, hin. Unter 3. (S. 2 des Gutachtens) ist bemerkt, dass beim Wiederverfüllen der Bohrungen im Buntsandstein mit Zementsuspension erhebliche Suspensionsverluste aufgetreten seien, dies werde auf Großklüfte (wahrscheinlich Hangzerreißungsspalten) zurückgeführt. Der Beklagten war somit die

Problematik des Baugrunds und die Gefahr des Mehrverbrauchs an Verfüllmaterial bekannt …
Soweit die Beklagte … die Auffassung vertritt, von der Klägerin als fachkundiger Firma hätte die örtliche Situation vor Ausführungsbeginn mit einer Videokamera wegen der Klüftigkeit des Gesteins geprüft werden müssen, verkennt sie zunächst die Bedeutung des § 9 VOB/A. … Nach Nr. 2 dieser Regelung darf dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im voraus abschätzen kann. Dazu zählt das Baugrundrisiko, das nach allgemeiner Einschätzung dem Auftraggeber obliegt.“