Ax Rechtsanwälte

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Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Haftung eines mit der Objektplanung beauftragten Ingenieurs für Vergaberechtsverstöße?

Übernimmt der mit der Objektplanung Gebäude nach § 34 HOAI 2013 beauftragte Ingenieur vertraglich sämtliche Grundleistungen des Leistungsbildes in den Leistungsphasen 6 „Vorbereitung der Vergabe“ und 7 „Mitwirkung bei der Vergabe“ ohne Einschränkungen, so hat er für Vergaberechtsverstöße bei der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen, bei der formellen Prüfung der Angebote und bei der zeitnahen Dokumentation des Verlaufs des Vergabeverfahrens, hier insbesondere bezüglich der Angebotsaufklärung und der Einhaltung des Nachverhandlungsverbots, im Rahmen der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte einzustehen.

Seiner zivilrechtlichen Verantwortlichkeit steht die Pflichtenlast des Bauherrn im Außenverhältnis als öffentlicher Auftraggeber gegenüber den Teilnehmern des Vergabeverfahrens bzw. als Zuwendungsempfänger gegenüber dem Zuwendungsgeber nicht entgegen; sie kann allenfalls im Rahmen eines Mitverschuldens des Bauherrn Berücksichtigung finden.

Der öffentliche Auftraggeber ist vergaberechtlich verpflichtet, die Entscheidungen im Vergabeverfahren und ganz besonders die Entscheidung über die Auswahl des Bestbieters in Eigenverantwortung zu treffen. Denn der öffentliche Auftraggeber ist Normadressat des Vergaberechts. Unabhängig davon, ob die Vergabestelle bei ihm selbst eingerichtet ist oder ob er sich einer externen Vergabestelle bedient, hat er die Einhaltung des Vergaberechts im Außenverhältnis zu den Bietern zu verantworten (vgl. nur Wiedemann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 364). In vergaberechtlicher Hinsicht ist die Mitwirkung eines oder mehrerer Berater an der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens zulässig, soweit sie die Grenze der bloßen Unterstützung nicht überschreitet. Diese Unterstützung kann – je nach dem Umfang des konkreten Auftrags – in der Aufklärung der objektiven Entscheidungsgrundlagen bestehen, welche in der fachlichen Praxis als für die vorgesehene Beurteilung maßgeblich und geeignet angesehen werden, in deren nachvollziehbarer Darlegung und dort, wo Entscheidungsalternativen bestehen, in deren Aufzeigen. Vergaberechtlich obliegt es dem Auftraggeber, alle Vorarbeiten des Beraters nachzuvollziehen, kritisch zu prüfen und sodann die Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Grundlagen sowie unter eigener Ausfüllung der Beurteilungs- und Ermessensspielräume zu treffen (vgl. EuGH, Urteil v. 18.10.2001, C-19/00 „SIAC Construction Ltd../.County Council of County of Mayo“, VergabeR 2002, 31, Rz. 44 f.; OLG Naumburg, Beschluss v. 26.02.2004, 1 Verg 17/03 „Versicherungsberater I“, VergabeR 2004, 387, in juris Rz. 69; zuletzt: OLG Karlsruhe, Beschlüsse jeweils v. 16.12.2020, 15 Verg 4/20 „Partnerschaft I“, VergabeR 2021, 367, in juris Rz. 26 ff., und 15 Verg 5/02 „Partnerschaft II“, unveröffentlicht).

Diese Verpflichtung im Außenverhältnis schließt es jedoch nicht aus, dass der Auftraggeber sich – z.B. im Hinblick auf unzureichende eigene Kapazitäten zur Erfüllung dieser Aufgaben oder mit dem Ziel der Professionalisierung – eines externen Mitwirkenden bedient und im Innenverhältnis zu diesem Dritten die Organisation der Vergabe der Einzelaufträge einschließlich der damit verbundenen Teilaufgaben vollständig überträgt. Mit dieser Übertragung kann er sich in den vorgenannten Außenverhältnissen nicht exkulpieren, weswegen er gehalten ist, die ihr obliegende Eigenverantwortung durch eine intensive Kontrolle und eine eigene finale Entscheidungsfindung wahrzunehmen. Ob bei einem an das Vergaberecht gebundenen öffentlichen Auftraggeber die zu erbringende Dienstleistung auch die zur Einhaltung des Vergaberechts notwendigen Einzelschritte umfasst, ist zivilrechtlich betrachtet eine Frage der Auslegung des Vertrags im Einzelfall (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.06.2014, I-17 U 5/14, VergabeR 2014, 837, in juris Rz. 22 f. für einen Projektsteuerungsvertrag; OLG München, Urteil v. 30.01.2001, 13 U 4744/00, BauR 2001, 981, in juris Rz. 6). In dem zuletzt genannten Streitfall hatte bereits das Landgericht festgestellt, dass sich der Planer nicht zu einer eingehenden rechtlichen Prüfung des Vergabe- und Zuwendungsverfahrens verpflichtet und dass er auf diese Einschränkung auch ausdrücklich hingewiesen hatte (ebenda, in juris Rz. 7 f.).

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz, RDG) in der bis zum 30.09.2021 geltenden Fassung vom 12.12.2007 (künftig: RDG a.F.) einen entwicklungsoffenen Erlaubnistatbestand geschaffen, um den mitunter schnelllebigen Änderungen der verschiedenen Berufsbilder gewerblicher und freiberuflicher Dienstleister angemessen Rechnung zu tragen (vgl. Deckenbrock/Henssler in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rn. 13 ff.). Danach sind Nichtjuristen Rechtsdienstleistungen erlaubt, welche im Zusammenhang mit einer anderen Dienstleistung stehen und unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des RDG als eine Nebenleistung zu bewerten sind. Maßgeblich ist, dass die Rechtsdienstleistung die Tätigkeit des Dienstleisters nicht insgesamt prägt und dass über die für die Haupttätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation ein gewisser Mindestqualitätsstandard auch für die rechtliche Beratung als Nebenleistung gewährleistet ist (vgl. Deckenbrock/Henssler, a.a.O., § 5 Rn. 31 ff.). Unerheblich ist hingegen, ob die Rechtsdienstleistung zivilrechtlich als vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht einzuordnen ist (ebenda, Rn. 38 unter Verweis auf BT-Drs. 16/3655, S. 52).

Für Architekten, Ingenieure, Baubetreuer und Projektsteuerer war eine Zulässigkeit rechtsberatender Nebenleistungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren bereits unter dem systematisch engeren Regime des Rechtsberatungsgesetzes anerkannt (ebenda, § 5 Rn. 45 f.). Durch die Gesetzesänderung sind diese Befugnisse nicht verringert worden. In diesem Sinne ist die Übernahme der Organisation und Abwicklung des Vergabeverfahrens grundsätzlich eine zulässige Nebenleistung des Planers. Das kommt nicht zuletzt auch in der Beibehaltung der Beschreibung des Leistungsbildes in den LPh 6 und 7 nach § 34 Abs. 3 HOAI 2013 zum Ausdruck. Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, wo die Erlaubnis zur Ausführung von Rechtsdienstleistung endet, jedenfalls z.B. bei der Vertretung in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren oder bei der rechtlichen Beratung in zivilrechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren. Die hier von der Klägerin als verletzt angesehenen Leistungspflichten betrafen jeweils die in den Grundleistungen nach § 34 i.V.m. Anlage 10.1 HOAI 2013 ausdrücklich aufgeführten Organisationsleistungen.

Dabei ist nicht die zunehmende Komplexität und Schwierigkeit des Vergaberechts zu verkennen, welche insbesondere durch die Einbeziehung strategischer und über einzelwirtschaftliche Belange hinausgehender Aspekte die tradierten Bereiche der planerischen Leistungen überschreitet. Es ist jedoch zuerst Sache der Vertragsparteien, in ihrem Vertrag ggf. individuell die Reichweite und die Grenzen der Rechtsdienstleistungen des Planers festzulegen – was jedenfalls im vorliegenden Fall nicht im Sinne einer Einschränkung des Aufgabengebietes der Beklagten geschehen ist -, und sodann eine Obliegenheit des Planers in eigenen Angelegenheiten, auf die Grenzen seiner Kompetenzen jeweils hinzuweisen, u.U. Bedenken anzumelden oder auf die zusätzliche Inanspruchnahme rechtsberatender Dienstleistungen, sei es innerhalb der Organisationsstrukturen der öffentlichen Hand, sei es extern durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts, hinzuwirken.