Ax Rechtsanwälte

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Hochbaurecht von A-Z aktuelle Rechtsprechung

Ausführungsfreiheit des Auftragnehmers

Sind in einem Generalunternehmervertrag zur Errichtung eines Parkhauses bezüglich der Trapezbleche des Daches weder ein konkretes Schutzsystem der Stahlbleche noch eine konkrete Befestigungsart geregelt und enthalten nachfolgende Ausführungspläne hierzu zwar die Angabe “Oberflächenschutz durch Bandverzinkung …” bzw. die Angabe von Edelstahlschrauben, letztere jedoch mit dem Zusatz “oder gleichwertig”, ist es von der Ausführungsfreiheit des Auftragnehmers gedeckt, dass er technisch und funktional gleichwertige Stahltrapezbleche bzw. Befestigungsmaterialien verwendet.
OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2021 – 2 U 41/19

Bauablaufbezogene Darstellung

Kündigt der Auftraggeber den Bauvertrag wegen einer Überschreitung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins, muss er den Verzögerungstatbestand darlegen und beweisen. Macht der Auftragnehmer geltend, die Verzögerung sei auf Behinderungen zurückzuführen, so dass er an der rechtzeitigen Erbringung seiner Leistung schuldlos verhindert war, muss er dies substanziiert darlegen und beweisen. Dazu ist in der Regel eine bauablaufbezogene Darstellung unumgänglich. Kündigt der Auftraggeber den Bauvertrag wegen Verzugs, ist der Auftragnehmer verpflichtet, dem Auftraggeber die Differenz zwischen den fiktiven Kosten der Fertigstellung nach Maßgabe der Vergütungsvereinbarung des gekündigten Vertrags einerseits und denjenigen Kosten andererseits zu erstatten, die der Auftraggeber für die Fertigstellung durch Dritte aufwenden muss.
OLG München, Beschluss vom 07.04.2020 – 28 U 1694/19 Bau

Bedenken gegen die vorgesehene Ausführungsart

Meldet der Auftragnehmer rechtzeitig und ordnungsgemäß Bedenken gegen die vorgesehene Ausführungsart an, ist der Auftraggeber insoweit gehindert, wegen dieses Mangels Gewährleistungsrechte geltend zu machen. Das gilt nicht nur im VOB-, sondern auch im BGB-Bauvertrag. Die Bedenkenanmeldung gegenüber einem rechtsgeschäftlichen Vertreter oder einem Empfangsbevollmächtigten reicht grundsätzlich aus. Etwas anderes gilt, wenn sich der “befugte Vertreter” den Bedenken des Auftragnehmers verschließt. Dann ist der Bedenkenhinweis an den Auftraggeber selbst zu richten. Das Schweigen des Auftraggebers bzw. dessen Vertreters auf einen Bedenkenhinweis führt jedenfalls dann zur Haftungsbefreiung, wenn die Durchführung der Arbeiten nicht zu einem unverwertbaren Werk, sondern lediglich zur Nichteinhaltung der Maßtoleranzen führt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2020 – 5 U 131/18

Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik

Maßgebliche Anhaltspunkte für die Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B 2012 bieten der Inhalt der EU-weiten Technischen Zulassung der Baumaterialien und auch die Verwendungshinweise des Herstellers (hier: für Setzbolzen zur Befestigung von Stahlblechen).
OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2021 – 2 U 41/19

Dachkonstruktion

Die Parteien eines Architektenvertrags können die Leistungsbilder oder -phasen der HOAI durch Bezugnahme zum Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht machen. Diese stellen dann eine Auslegungshilfe zur Bestimmung der vom Architekten vertraglich geschuldeten Leistung dar.
Wird ein Architekt mit “sämtlichen Grundleistungen gem. HOAI” beauftragt, gehören Besondere Leistungen i. S. der HOAI nicht zum beauftragten Leistungsumfang. Das gilt auch, wenn der Architekt nach dem Vertrag “eine mangelfreie Leistung schuldet”.
Die Überwachung einer Dachkonstruktion stellt eine Besondere Leistung dar, so dass der Architekt insoweit nicht zur Bauüberwachung verpflichtet ist, wenn er nur mit den Grundleistungen beauftragt wurde.
OLG München, Beschluss vom 28.05.2019 – 28 U 3553/18 Bau
vorhergehend:
OLG München, Gerichtlicher Hinweis vom 19.02.2019 – 28 U 3553/18 Bau
LG München II, 02.10.2018 – 3 O 2151/17 Arch
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 19.08.2021 – VII ZR 135/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Ersatz von Mangelfolgeschäden

Weist die Leistung des Auftragnehmers vor der Abnahme Mängel auf, setzt ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Mangelfolgeschäden im VOB-Vertrag nicht voraus, dass dem Auftragnehmer der Auftrag zuvor entzogen (gekündigt) wurde.
Einer Kündigung nach erfolgter Fristsetzung bedarf es auch dann nicht, wenn dem Auftraggeber die Einhaltung dieser Voraussetzungen nicht zumutbar ist, weil der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert.
OLG Celle, Urteil vom 09.12.2021 – 5 U 51/21
vorhergehend:
LG Hannover, 24.02.2021 – 14 O 202/17

Estrich

Ein Werkmangel liegt bereits dann vor, wenn die Bauleistung von der vertraglich vereinbarten und damit geschuldeten Beschaffenheit abweicht. Auf die Frage der Funktionstauglichkeit kommt es dann nicht an. Bringt der Estrichleger in den verbauten Estrich abweichend von der vertraglichen Vereinbarung keine Stahldrahtfasern zur Bewehrung ein, begründet dies einen Mangel des Werks, der letztlich nur durch vollständigen Austausch des Estrichbodens beseitigt werden kann. Hat der Auftraggeber ein objektiv berechtigtes Interesse an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung, kann die Mängelbeseitigung grundsätzlich nicht wegen unverhältnismäßigen Kosten verweigert werden.
OLG Schleswig, Beschluss vom 02.12.2020 – 12 U 66/20

Fensterbeschädigung

Beschädigt ein Gebäudereiniger während der Ausführung seiner Leistung mehrere Fenster (hier: in Form von tiefen Kratzern), stellt sich dies nicht als nachbesserungsfähige Schlechtleistung im Sinne des Gewährleistungsrechts dar. Vielmehr liegt eine Verletzung des Eigentums des Auftraggebers aus Anlass der Ausführung des Gewerks vor. Schadensersatzansprüche des Auftraggebers wegen einer Eigentumsverletzung aus Anlass der Ausführung unterliegen der Regelverjährung und verjähren drei Jahre nach Schluss des Jahres der Anspruchsentstehung und der Kenntnis des Auftraggebers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers. Die einvernehmliche Beauftragung eines Drittunternehmers mit der Schadensbeseitigung ist kein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen.
Übernimmt der geschädigte Auftraggeber die Schadensbeseitigung selbst und fordert er Ersatz der insoweit angefallenen Kosten, anstatt diese auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags oder Gutachtens einzufordern, liegt das Risiko von Verzögerungen in seinem Geschäftsbereich.
OLG Schleswig, Urteil vom 27.10.2021 – 9 U 7/20
vorhergehend:
LG Kiel, 20.12.2019 – 4 O 46/18

Fiktive Abnahme

Eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB tritt auch dann ein, wenn der Besteller bereits vor der Fristsetzung Mängel des Werks gerügt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Werkunternehmer keine erheblichen Mängel des Werks bekannt sind.
Nach Eintritt des Annahmeverzuges mit der Nachbesserung kann der Besteller nach wie vor ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB geltend machen, allerdings beschränkt auf die Höhe der Mangelbeseitigungskosten.
OLG Schleswig, Urteil vom 10.12.2021 – 1 U 64/20 (nicht rechtskräftig)
vorhergehend:
LG Itzehoe, 18.06.2020 – 2 O 108/19

Gesundheitsgefährdende Baustoffe

Der Auftragnehmer hat seine Leistung ausschließlich mit solchen Baustoffen und -materialien auszuführen die nicht zu – auch nicht nur zu kurzzeitigen – Schadstoffbelastungen führen.
Beabsichtigt der Auftragnehmer, gesundheitsgefährdende Baustoffe oder -materialien zu verwenden, hat er den Auftraggeber hierauf vor der Ausführung hinzuweisen.
Die Beweislast dafür, dass die Leistung vor der Abnahme frei von Mängeln ist, trägt der Auftragnehmer. Dem Auftraggeber obliegt es lediglich, die behaupteten Mängel durch eine Beschreibung der Mängelsymptome substanziiert darzulegen.
OLG Celle, Urteil vom 09.12.2021 – 5 U 51/21
vorhergehend:
LG Hannover, 24.02.2021 – 14 O 202/17

Merkantiler Minderwert

Ein merkantiler Minderwert einer baulichen Anlage i. S. einer Schadensposition liegt vor, wenn trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eine geringere Verwertbarkeit verbleibt, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Bauwerks haben. Daran fehlt es, wenn ein als mangelhaft gerügtes Dach vollständig demontiert und neu errichtet wird.
OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2021 – 2 U 41/19

Raumtemperaturen

Ein Anspruch auf eine bestimmte Heizleistung unabhängig davon, ob die vereinbarten oder üblichen Raumtemperaturen erreicht werden oder nicht, besteht nur, wenn dies gesondert vereinbart ist.
Werden bestimmte Temperaturen in den technischen Anschlussbedingungen zum Wärmelieferungsvertrag genannt, begründet dies keine Beschaffenheitsvereinbarung für die zu errichtende Wohnung.
Wird keine gesonderte Vereinbarung über die Heizleistung getroffen, ist für den üblichen Gebrauch einer Wohnung von einer erreichbaren Raumtemperatur von 20°C für Wohnräume und 24°C für das Bad auszugehen.
OLG Hamburg, Urteil vom 30.12.2020 – 4 U 21/20

Stundenlohnzettel

Eine auf Stundenlohnbasis erfolgte Abrechnung ist nicht ausreichend dargelegt und bewiesen, wenn die Stundenlohnzettel nicht so detailliert und nachvollziehbar ausgefüllt sind, dass der angesetzte Zeitaufwand durch einen Sachverständigen überprüft werden kann. Hieran ändert auch eine Vereinbarung, die Unterzeichnung durch den Bauleiter ohne Nennung der Namen aller Mitarbeiter sei ausreichend, oder der Einwand, dass die Arbeiten vor Ort angeordnet worden seien, nichts.
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 21.06.2021 – 3-15 O 3/20

Teilabnahme

Enthält ein (General-)Planervertrag eine Regelung, wonach “die Teilabnahme der LP 8 vereinbart wird”, kann eine (Teil-)Abnahme einschließlich der Leistungsphase 8 auch konkludent durch die vorbehaltlose Zahlung der (Teil-)Schlussrechnung erfolgen. Die Möglichkeit einer Teilabnahme kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden. Noch ausstehende Restleistungen stehen der Annahme einer konkludenten (Teil-)Abnahme des Architektenwerks dann nicht entgegen, wenn der Auftraggeber bereit ist, das Werk auch ohne diese Restleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht zu akzeptieren.
OLG Jena, Urteil vom 02.08.2019 – 4 U 217/16

Unbeplanter Innenbereich

Ein Nachbar, der sich gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, hat nur Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Für einen solchen Verstoß reicht es nicht aus, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der Umgebung gebildet wird. Hinzukommen muss objektiv-rechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen, und subjektiv-rechtlich, dass es die gebotene Rücksichtnahme speziell auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung vermissen lässt. Ein Vorhaben fügt sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es die Gefahr heraufbeschwört, dass der gegebene Zustand in negativer Richtung in Bewegung gebracht wird. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der von der Bebauung bisher eingehaltene Rahmen überschritten wird, ohne dass dies durch irgendeine Besonderheit begründet wäre, durch die sich das Baugrundstück von den Nachbargrundstücken unterscheidet.
VGH Hessen, Beschluss vom 17.11.2021 – 3 B 233/21

Verbraucherbauvertrag

Ein Verbraucherbauvertrag über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude (§ 650i Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass das Auftragsvolumen dem eines Vertrags über die Errichtung eines Neubaus gleichkommt sowie dass der Verbraucher grundsätzlich mit sämtlichen der von ihm geplanten Baumaßnahmen nur einen einzigen Unternehmer beauftragt hat. Widerruft der Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkvertrag gem. § 312g BGB, steht dem Unternehmer für bereits erbrachte Leistungen nur unter den Voraussetzungen von § 357 Abs. 8 BGB Wertersatz zu; § 357d BGB ist nicht analog anwendbar. Beruft sich ein Verbraucher auf den Ausschluss des Wertersatzes zugunsten des Unternehmers gem. § 357 Abs. 8 BGB, kann dies im Einzelfall treuwidrig sein, § 242 BGB. Die Voraussetzungen eines solchen Einzelfalls sind vom Unternehmer darzulegen.
KG, Urteil vom 16.11.2021 – 21 U 41/21

Verwirkung Vertragsstrafe

Eine ursprünglich im Generalunternehmervertrag vereinbarte Vertragsstrafe für die Überschreitung einer nach dem Kalender bestimmten Fertigstellungsfrist wird nicht verwirkt, wenn die Vertragsparteien im Verlaufe der Bauarbeiten und im Hinblick auf einen vom Bauherrn angeordneten vorübergehenden Baustopp vereinbaren, dass der Bauzeitenplan nicht mehr verbindlich ist und sich die Fertigstellungsfrist auf unbestimmte Zeit verschiebt.
OLG Naumburg, Urteil vom 30.07.2021 – 2 U 41/19