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OLG Dresden: Geht aus der Baubeschreibung hinreichend deutlich hervor, dass der rückzubauende Beton kontaminiert ist, sind die mit der Entsorgung verbundenen Kosten durch die vereinbarten (Einheits-)Preise abgegolten

vorgestellt von Thomas Ax

Geht aus der Baubeschreibung hinreichend deutlich hervor, dass der rückzubauende Beton kontaminiert ist, sind die mit der Entsorgung verbundenen Kosten durch die vereinbarten (Einheits-)Preise abgegolten. Der Grundsatz, dass für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B) die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind (BGH, IBR 2019, 536), findet auch bei der Ermittlung des neuen Einheitspreises von geänderten Leistungen (§ 2 Abs. 5 VOB/B) Anwendung (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2020, 334). Ein auf die Angebotspreise gewährter Nachlass gilt in der Regel nicht für Nachtragsvergütungen.
OLG Dresden, Urteil vom 16.06.2020 – 6 U 327/20
vorhergehend:
LG Dresden, 15.01.2020 – 4 O 627/17
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – VII ZR 107/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Restlohnvergütung für drei Nachträge aus Straßenbauarbeiten in Anspruch.

Im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung, nachdem die Klägerin bereits den Zuschlag für Fahrbahnerneuerungsarbeiten der Autobahn A 4 im Abschnitt AB1 bis AB2 erhalten hatte, erteilte die Beklagte mit Zuschlagschreiben vom 22.04.2016 der Klägerin den Auftrag für Fahrbahnerneuerungsarbeiten der Bundesautobahn A 4 A. – G. Abschnitt AB2 bis AB3 (Anlage A 3). Grundlage waren das Angebot der Klägerin (Anlage A 1), das Leistungsverzeichnis (Anlage A 1) und die Baubeschreibung (Anlage A 2). Nach Abnahme am 30.09.2016 (Anlage A 4) legte die Klägerin Schlussrechnung mit Datum vom 04.11.2016 (Anlage A 5). Streitig sind dabei im vorliegenden Rechtsstreit von den in der Schlussrechnung enthaltenen (insgesamt 22) Nachträgen der Nachtrag 1 über 645.263,48 Euro, der Nachtrag 5 über netto 12.591,66 Euro und der Nachtrag 11 über netto 103.842,26 Euro, zusammen netto 761.697,40 Euro, wovon die Klägerin einen Nachlass von 1 % in Abzug gebracht hat, mithin erstinstanzlich einen Restwerklohn von 754.080,43 Euro netto, also 897.355,71 Euro brutto errechnet hat.

Hinsichtlich des Nachtrages 1 ist zwischen den Parteien im Streit, ob die Klägerin eine Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B wegen geänderter Leistungsausführung deshalb verlangen kann, weil der abzubrechende Fahrbahnbeton kontaminiert war und die Baubeschreibung keinen Hinweis, so die Klägerin, auf die vorhandene Kontaminierung enthalten habe. Die Nachträge 5 und 11 sind dem Grunde nach unstreitig. Im Streit ist im Wesentlichen hinsichtlich beider Nachträge, ob die Klägerin sich einen auf die Ausgangspositionen gewährten Nachlass auch für die Nachträge entgegenhalten lassen muss.

Das Landgericht hat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Nachtrag 1 eingeholt. Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 vom 02.01.2018, das erste Ergänzungsgutachten vom 20.05.2019 (Bl. 99 f. d.A.) und die Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 13.11.2019 (Bl. 121 ff. d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 15.01.2020 den Nachtrag 1 für nicht berechtigt gehalten, hingegen die beiden anderen Nachträge 5 und 11 hinsichtlich der Nettobeträge von 12.591,66 Euro und 103.842,26 Euro, zusammen also 116.433,92 Euro, zugesprochen.

Hiergegen richten sich beide Parteien mit ihren wechselseitigen Berufungen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung den Nachtrag 1 weiter, reduziert diesen allerdings – entsprechend dem schon erstinstanzlich zuletzt erfolgten (Hilfs-)Vortrag aus dem Schriftsatz vom 06.12.2019 (Bl. 126 f. d.A.) auf brutto 341.501,26 Euro. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe in den Vertragsunterlagen keinerlei Hinweise zu etwaigen Kontaminationen erteilt, so dass die Klägerin von unkontaminiertem Betonmaterial, das auszubauen gewesen sei, habe ausgehen können. Die vom Sachverständigen SV1 erwähnte CO²-Begasung, um einen Wert von W2 oder darunter zu erreichen, stelle auch eine nach § 2 Abs. 5 VOB/B zusätzlich zu vergütende Maßnahme dar, um das kontaminierte Material aufzubereiten. Zur Berechnung des Vergütungsanspruches nach § 2 Abs. 5 VOB/B stellt die Klägerin auf die tatsächlich ihr entstandenen Kosten einschließlich einer angemessenen Zulage ab und errechnet danach einen Betrag von netto 286.975,85 Euro, also brutto 341.501,26 Euro (den noch erstinstanzlich in Abzug gebrachten 1 %igen Nachlass berücksichtigt die Klägerin insoweit im Berufungsverfahren nicht mehr).

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus insgesamt 457.935,18 Euro nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil vom 15.01.2020 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Im Übrigen beantragen die Parteien, die jeweils gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, in Bezug auf den Nachtrag 5 hätten sich die Parteien, was das Landgericht verkannt habe, obwohl die Beklagte dies bereits in der Klageerwiderung vorgetragen habe, auf eine Mehrstärke für das Abfräsen des Betons von 2 cm im Rahmen der Nachtragsverhandlung am 06.09.2016 verständigt. Dies habe die Beklagte auch unter Beweis des Zeugen Z1, wie aus der Klageerwiderung ersichtlich sei, gestellt. Insoweit habe das Landgericht versäumt, Beweis zu erheben. Im Übrigen verweist die Beklagte auf das mit ihrer Berufung neu vorgelegte Nachtragsbesprechungsprotokoll vom 06.09.2016 (Anlage BK 1, Bl. 194 d.A.). Dort heißt es zu Nachtrag 5 – Mehrdicken beim Fräsen Betonfahrbahn:

Im Ergebnis der Prüfung festgestellten Betonfahrbahndicken wurde ein Mittelwert von 28 cm ermittelt. Dem Grunde nach besteht ein zusätzlicher Vergütungsanspruch. Der AG weist den AN jedoch darauf hin, dass gemäß Baubeschreibung, Seite 7, sowie entsprechend Regelquerschnitt i.M. von einer 26 cm dicken Betondecke auszugehen war. Insofern ist der Ansatz in der Nachtragskalkulation von i.M. 23 cm nicht akzeptabel. Darüber hinaus wird im Ergebnis der Einsicht in die Urkalkulation festgestellt, dass der AN im Leistungsverzeichnis der Angebotskalkulation eine Dicke von 25 bis 30 cm ausgewiesen hat und die Nachtragskalkulation nicht auf Grundlage der Urkalkulation aufgestellt ist. Es besteht nur ein Vergütungsanspruch für den sich aus der Erhöhung der Dicke von 26 cm auf 28 cm ergebenden Mehraufwand bei Aufnehmen der Betondecke. Ausgehend vom Angebots-EP der LV-Position 03.05.0030 von 1,21 Euro/m² ergibt sich somit nach Auffassung des AG eine Zulage von Position 03.05.0030 nur i.H.v. 0,09 Euro/m² anstatt der angebotenen 1,69 Euro/m².

Zudem sei bei dem Nachtrag 5 und dem Nachtrag 11 der ursprünglich von der Klägerin bei den Ausgangspositionen gewährte Nachlass auch bei den Nachträgen fortzuschreiben und zu berücksichtigen. Von daher ergäbe sich für beide Nachträge 5 und 11 keine weitergehend zu zahlende Vergütung.

Die Beklagte hat – ohne nähere Begründung – die Zulassung der Revision beantragt (Bl. 193 d.A.).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das wechselseitige Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der ersten Instanz verwiesen

B.

Beide Berufungen haben keinen Erfolg.

I.

Berufung der Klägerin

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1. Die Klägerin macht im Berufungsverfahren den Nachtrag 1 in deutlich – gegenüber dem erstinstanzlichen Betrag – reduzierter Höhe geltend. In erster Instanz hat die Klägerin netto 645.263,48 Euro, abzüglich eines 1 %igen Nachlasses von 6.452,63 Euro, also netto 638.810,85 Euro, mithin brutto 760.184,91 Euro geltend gemacht. Nunmehr macht die Klägerin, in Anlehnung an ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 06.12.2019 (Bl. 126 f. d.A.), lediglich noch für den Nachtrag 1 netto 286.975,85 Euro, also brutto 341.501,26 Euro, geltend.

2. Das Landgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen, dass keine Nachtragsleistung im Sinne einer nicht beauftragten Leistung infolge eines etwa fehlenden Hinweises in der Baubeschreibung auf die Kontamination des Betons größer als W2 vorliegt (§ 2 Abs. 5 VOB/B). Anders als die Klägerin meint, enthielten sowohl die Baubeschreibung (Anlage A 2) als auch das Leistungsverzeichnis (Anlage A 1) genügend Hinweise für die Klägerin darauf, dass der zu fräsende Beton bzw. Asphalt der Autobahn einer Verwertung zuzuführen ist, dass der auszubauende Fahrbahnbeton eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion aufwies („Betonkrebs„) und dass dieser gemäß der DAfStb-Richtlinie (Deutscher Ausschuss für Stahlbeton eV) als rezyklierte Gesteinskörnung unter trockenen Umgebungsbedingungen ohne weitere Maßnahmen wieder verwendet werden kann. Dies war, auch die Ausführungen des Gerichtssachverständigen berücksichtigend, vorliegend ausreichend.

a) Der Hinweis in der Baubeschreibung (Anlage A 2, dort Seite 5) auf die DAfStb-Richtlinie bezieht sich – wie zwischen den Parteien unstreitig ist (vgl. auch Klägerin, Bl. 182 d.A.) – auf Hochbaumaßnahmen und nicht auf Straßenbauarbeiten. Von daher sind alle Ausführungen (so auch die des Gerichtssachverständigen, der hierzu allerdings konkret durch das Landgericht befragt worden ist und hierzu im Rahmen des Beweisbeschlusses Stellung nehmen sollte) zu Einbaumöglichkeiten bzw. Verwendungsmöglichkeiten im Straßenbau nicht von der Baubeschreibung erfasst.

aa) Von daher war nach der Baubeschreibung klar, dass es um eine Wiederverwendung bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben in Bezug auf den auszubauenden Beton von vornherein nicht ging. Dies folgte aus dem Hinweis auf die DAfStb-Richtlinie, die für den Hochbau, also nicht für den Straßenbau, um den es vorliegend ging, gilt. Zusätzlich folgt dies daraus, dass der Hinweis in der Baubeschreibung (A 2, Seite 5) zur Weiterverwendung des auszubauenden Fahrbahnbetons unter „trockenen Umgebungsbedingungen“ deutlich machte, dass es nicht um eine Wiederverwendung beim streitgegenständlichen Bauvorhaben deshalb gehen konnte, weil die Klägerin nur den Abbruch und eine neue Decke des Fahrbahnbelages, nicht aber den Unterbau zu erbringen hatte, wo allein „unter trockenen Umgebungsbedingungen“ ein Wiedereinbau und eine Wiederverwendung des auszubauenden Fahrbahnbetons möglich war. Von daher schied eine Wiederverwendung bei dem vorliegenden Bauvorhaben erkennbar aus.

bb) Relevant waren für die Wiederverwendung von daher nur allgemeine Erkenntnisse, zu denen sich der Gerichtssachverständige aber auch ausreichend in seinem Ausgangsgutachten vom 02.01.2018, im Ergänzungsgutachten vom 20.05.2019 (Bl. 99 f. d.A.) und im Rahmen seiner Anhörung am 13.11.2019 (Bl. 121 ff. d.A.) geäußert hat. Der Sachverständige hat insbesondere auf die allgemein bekannten chemischen Verbindungen verwiesen, wonach die Belastung des auszubauenden Betons hinsichtlich des pH-Wertes und der Leitfähigkeit sich bei Kontakt des Betons mit der Luftkohlensäure (CO²) verändert. Der Beton, mit dem Hauptanteil Kaliumhydroxid, wird durch Kontakt mit Luft CO² zu Kalziumcarbonat (CaCO²) umgewandelt. Dieser Prozess bedingt eine Reduzierung des pH-Wertes und des Leitfähigkeitswertes. Dies sind, so der Sachverständige wiederholt, allgemeine Erkenntnisse. Zudem hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass dieser chemische Prozess sich auch durch die Auswertungen der …-GmbH (Anlagen A 7 und A 7a) bestätigt habe. Von daher hat der Sachverständige wiederholt geäußert, dass das auszubauende Abbruchmaterial ohne weitere Zusätze aufgrund der Optimierung durch Zutritt von LuftCO² und dadurch automatische Unterschreitung des Zuordnungswertes W2 habe weiter verwendet werden können.

b) Eine Leistungsänderung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B liegt nicht deshalb vor, weil in der Baubeschreibung und im Leistungsverzeichnis kein Hinweis vorhanden gewesen wäre, dass das Abbruchmaterial Kontaminationen (größer W 2) aufweise, wie die Klägerin meint (vgl. Bl. 182 d.A.).

aa) Die Beklagte hat zwar weder in der Baubeschreibung noch in dem Leistungsverzeichnis auf die Einordnung des auszubauenden Fahrbahnbetons größer W 2 verwiesen. Allerdings hat die Beklagte im Rahmen der Baubeschreibung schon ausgeführt, dass der auszubauende Fahrbahnbeton eine Alkalie-Kieselsäure-Reaktion aufwiese, und nach DAfStb-Richtlinie als rezyklierte Gesteinskörnung unter trockenen Umgebungsbedingungen wieder verwendet werden könne (vgl. A 2, dort Seite 5). Diese Beschreibung machte schon deutlich, dass der auszubauende Fahrbahnbeton belastet ist, recycelt werden muss und erst dann unter bestimmten Bedingungen (trockenen Umgebungsbedingungen) wieder verwendet werden kann.

bb) Zusätzlich enthielt die Baubeschreibung auf Seite 6 den Hinweis auf die „erforderliche Aufarbeitung des Fräsgutes“ (A 2 Seite 6 oben).

cc) Zudem hat die Beklagte in der Baubeschreibung unter 3.5.10 zu den Ausbaustoffen ausgeführt:

Aus dem technischen Bauwerk Straße werden, wie in der Unterlage 14 vorgegeben, die bezeichneten Bankettbereiche, Beton- und Asphaltschichten ausgebaut. Für deren Entsorgung (vgl. Punkt 3.6) sind entsprechende Positionen im Leistungsverzeichnis enthalten.

Unter Ziffer „3.6 Abfälle“ der Baubeschreibung hieß es:

Gemäß dem Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz-KRWG-) vom 01.03.2014 bzw. 01.06.2012 sind grundsätzlich alle auf der Baustelle anfallenden Abfallstoffe (aus Baumaterialien, Bauschutt, Verpackungsmaterial usw.) einer Wiederverwertung zuzuführen bzw. bei nicht wieder Verwertbarkeit ordnungsgemäß zu entsorgen. Die ordnungsgemäße Entsorgung ist in geeigneter Form (z.B. Deponiescheine, Entsorgungsnachweise o.ä.) dem AG nachzuweisen. Die dabei entstehenden Kosten sind, soweit für die Entsorgung keine gesonderten Positionen ausgewiesen sind, in den Einheitspreisen der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses einzurechnen.

Aus Ziffern 3.5.10 und 3.6 der Baubeschreibung war für die Klägerin deutlich erkennbar, dass die Ausbaustoffe, i.e. das abzufräsende Beton- bzw. Asphaltmaterial der Fahrbahn, zu entsorgen und dafür anfallende Kosten im Rahmen der Einheitspreise einzukalkulieren und zu berechnen waren.

dd) Entsprechend hat die Beklagte im Leistungsverzeichnis bei einer Vielzahl von Positionen ebenfalls diese Verwertung ausdrücklich genannt, so bei den Positionen 3.2.40, 3.4.30, 3.4.40, 3.4.60, 3.4.140, 3.4.160, 3.4.170, 3.4.180, 3.4.190, 3.4.200, 3.4.450, 3.4.520, 3.4.530 und 3.5.30 (vgl. Anlage A 1). Unter der Position 3.5.30 des Leistungsverzeichnisses (A 1, dort Seite 63 f.) und unter 3.5.40 des Leistungsverzeichnisses (A 1, Seite 64) hieß es ausdrücklich zusätzlich (…):

Ausbaustoffe der Verwertung nach Wahl des AN zuführen. Angaben zu den umweltrelevanten Merkmalen nach Unterlagen des AG.

Zu den näheren (eben genannten) „Angaben zu den umweltrelevanten Merkmalen nach Unterlagen des AG„, die es in Form der Untersuchungen durch 23 Bodenproben tatsächlich gab und die der Klägerin im Zuge des vorher ausgeschriebenen Bauvorhabens Autobahn Strecke AB1 bis AB2 auch bekannt waren (vgl. Anlage A 7 und A 7a), hätte die Klägerin also fragen können und müssen. Wie schon ausgeführt, kannte die Klägerin im Übrigen die Ergebnisse dieser Untersuchungen der …-GmbH aus dem vorherigen Streckenabschnitt und der unstreitig dort vorgelegten Ergebnisse zu den Betonproben, die sich auf beide Bauabschnitte AB1 bis AB3 bezogen (vgl. Anlage A 7 und A 7a).

c) Die CO²-Begasung war im Übrigen keine „zusätzliche Maßnahme“ im Sinne einer Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Die CO²-Begasung stellt nur eine Simulation im Sinne einer Beschleunigung des natürlichen Kontaktes des Betons mit der Luftkohlensäure (CO²) dar, wie der Sachverständige SV1 nachvollziehbar in seinem Ausgangsgutachten ausgeführt hat (vgl. Ausgangsgutachten Seite 11). Insoweit hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass der Beton ohne weitere Maßnahmen, allein dadurch, dass er der Luft ausgesetzt sei, was insbesondere bei einem Abfräsen des Fahrbahnbelages schon umfangreich erfolge, einen geringeren pH-Wert und einen reduzierten Leitfähigkeitswert aufweise und durch Zutritt der Luft CO² sich die Werte in Konzentrations- bzw. Wertebereiche kleiner des Zuordnungswertes W 2 bewegten. Dies wird zusätzlich durch die Ergebnisse der …-GmbH, belegt durch den Untersuchungsbericht A 7 und A 7a, bekräftigt.

d) Liegt keine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B vor, kann die Klägerin für den Nachtrag 1 keine zusätzliche Vergütung geltend machen. Dies hat das Landgericht im Ergebnis auch genau so gesehen.

II.

Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten, die sich gegen die vom Landgericht zugesprochenen Nachträge 5 und 11 i.H.v. 12.591,66 Euro und 103.842,26 Euro wendet, hat ebenso wenig Erfolg.

1. Mit dem Nachtrag 5 hat die Klägerin eine Zulage für das Fräsen von Mehrstärken geltend gemacht.

a) Zwischen den Parteien ist dabei ein Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 5 VOB/B dem Grunde nach unstreitig. Tatsächlich lagen Mehrstärken für das Fräsen des Betons vor.

b) Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die angenommene Mehrdicke von 3 cm durch das Landgericht und macht geltend, eine Mehrdicke liege allein von 2 cm vor. Die Beklagte habe davon ausgehen können, dass man sich auf eine Mehrdicke von 2 cm für die Berechnung des Nachtrags geeinigt habe (Bl. 190 d.A.). Die Beklagte habe hierauf auch in der Klageerwiderung Bezug genommen und Beweis durch Benennung des Zeugen Z1 angeboten. Diesen Beweis habe das Landgericht versäumt zu erheben.

aa) Insoweit trägt die Beklagte schon neu im Berufungsverfahren vor. Die Klägerin hat eine solche im Berufungsverfahren (durch die Beklagte neu) behauptete Einigung im Zuge der Nachtragsverhandlung vom 06.09.2016 bestritten (s. Berufungserwiderung der Klägerin vom 05.05.2020, dort S. 3, Bl. 203 dA.), so dass neues Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren vorliegt, welches nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen ist. In der Klageerwiderung hat die Beklagte nämlich allein vorgetragen:

Bei der Ermittlung des Nachtragsangebotes sind die Parteien in einer Nachtragsbesprechung vom 06.09.2016 davon ausgegangen, dass ein Mehrvergütungsanspruch für die Mehrdicken von 2 cm besteht (Bl. 36 d.A.).

Dies hat die Beklagte unter Beweis des Zeugen Z1 gestellt (Bl. 36 d.A.). Das Protokoll der Nachtragsbesprechung vom 06.09.2016 hat die Beklagte in erster Instanz nicht vorgelegt, sondern dies ist erst im Berufungsverfahren durch die Beklagte als Anlage BK 1 geschehen (Bl. 94 d.A.). Aus der Niederschrift zu dem Nachtrag 5 ergibt sich aber nicht ansatzweise, dass tatsächlich eine Einigung der Parteien am 06.09.2016 über eine Mehrdicke von nur 2 cm erzielt worden sei. Aus der Niederschrift folgt allein, dass die Beklagte der Meinung war, dass eine Differenz bei der Mehrdicke zwischen 26 cm und 28 cm vorliege. Von einer entsprechenden Einigung der Parteien auf ein solches Ergebnis ergibt sich hingegen aus der Niederschrift vom 06.09.2016 nichts.

bb) Auch im Berufungsverfahren verweist die Beklagte allein auf eine angebliche Einigung am 06.09.2016, ohne dass sie ausführt, zwischen wem denn eine Einigung genau erzielt worden sei, wie dies erfolgt sein soll und inwiefern sich dies aus der Niederschrift vom 06.09.2016 erschließe. Wie schon dargelegt, folgt aus der Niederschrift eine solche Einigung über eine Mehrdicke von 2 cm nämlich gerade nicht. Vielmehr stellt die Niederschrift vom 06.09.2016 allein die Sichtweise der Beklagten dar, ohne darzustellen, dass die Klägerin sich dieser Auffassung angeschlossen habe. Genau dies hat auch die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vom 05.05.2020 (dort S. 3, Bl. 203 dA.) ausgeführt.

cc) Der Mehraufwand für nur 2 cm Mehrdicke (Differenz zwischen 26 cm und 28 cm) erschließt sich zwar aus der Baubeschreibung A 2, dort Seite 7, und der dort genannten Betondecke mit 26 cm. Im Leistungsverzeichnis ist allerdings unter der Position 3.5.30 eine Dicke der Betondecke über „20 bis 25 cm“ angegeben, also gerade nicht eine Dicke von 26 cm.

c) Soweit die Beklagte meint, die Parteien seien unstreitig von einer Betondicke von 26 cm ausgegangen (Bl. 170 Rs d.A.), ist dies gerade nicht unstreitig. Die Klägerin ist, wie sich aus der Klagschrift ergibt (Bl. 13 d.A.), von einer Betondicke von 25 cm ausgegangen, entsprechend der Angabe unter 3.5.30 des Leistungsverzeichnisses, und hat eine Mehrdicke von 3 cm (insgesamt 28 cm Betondecke abzutragen) angenommen. Da sich aus den Niederschriften über die Mehrdicke der Betondecke (vgl. Anlage B 3) jedenfalls keine Differenz von lediglich 2 cm erschloss, vielmehr Schichtstärken im Mittelwert zwischen 27,6, 28,9, 28,1, 28,2, 29,1 genannt sind (Anlage B 3), war es nicht fehlerhaft oder irgendwie zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Mehrdicke von 3 cm als zu vergütende Mehrstärke i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B ausgegangen ist.

d) Ein Nachlass, der auf die Ausgangsposition aus dem Leistungsverzeichnis 3.5.30 von der Klägerin gewährt wurde, gilt nicht für die Mehrleistung der Mehrstärken Beton (vgl. auch BGH, Urteil vom 08.08.2016, VII ZR 34/18; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rdn. 1484).

aa) Zwar gilt in Bezug auf Mehrleistungen, dass die Parteien sich im Ausgangspunkt im Zuge des geltenden Kooperationsgebotes auf einen neuen Einzelpreis zu verständigen haben. Eine solche Einigung hat es zwischen den Parteien aber nicht gegeben.

bb) Im Wege ergänzender Vertragsauslegung kommt es bei fehlender Einigung über neue Einzelpreise für die Mehrleistung auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge an (vgl. BGH, a.a.O.). Solche Kosten hat die Klägerin für die Mehrstärken im Einzelnen dargelegt. Diese sind von der Beklagten nicht bestritten. Vielmehr erschließt sich aus der Klageerwiderung und der im Berufungsverfahren vorgelegten Anlage BK 1 (der Nachbesprechung vom 06.09.2016), dass die Beklagte gegen diesen Nachtrag nicht etwa eingewandt hat, dass die Klägerin für die Mehrleistungen nicht auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abstelle, sondern die Beklagte allein gemeint hat, es sei von der Fortschreibung des Nachlasses für die Mehrleistung auszugehen. Erweist sich dieser Einwand der Beklagten aber als nicht zutreffend, ist von den von der Klägerin dargelegten – unbestrittenen – neuen Einzelpreisen für die Mehrleistung auszugehen.

e) Unerheblich bleibt, weil die Klägerin nicht Anschlussberufung eingelegt hat, dass das Landgericht den Nachtrag 5 (genauso wie den Nachtrag 11) nicht vollständig richtig berechnet hat. Der vom Landgericht für den Nachtrag 5 zugesprochene (Netto-)Betrag von 12.591,66 Euro steht der Klägerin jedenfalls zu. Ein höherer Betrag wäre der Klägerin allein dann zuzusprechen gewesen, wenn sie Anschlussberufung eingelegt hätte. Das Landgericht hat bei dem Nachtrag 5 nämlich nicht berücksichtigt, dass die Klägerin nicht nur den Nettobetrag von 12.591,66 Euro abzüglich des von der Klägerin selbst berücksichtigten 1 %igen Nachlasses, also 125,92 Euro, mithin netto 12.465,74 Euro verlangen kann, sondern dass der Klägerin auf den zuletzt genannten Betrag noch die Mehrwertsteuer zusteht, also zusammengenommen an sich ein Betrag von 14.834,23 Euro der Klägerin zuzusprechen gewesen wäre (s. auch Bl. 20 d.A.). Das Landgericht hat also weder den 1 %igen Nachlass noch die Erhöhung um die Umsatzsteuer beachtet.

2. Nachtrag 11

Die Berufung der Beklagten hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Betrages von 103.842,26 Euro für den Nachtrag 11, die geänderte Ausführung des Gussasphalts, ist ebenfalls unbegründet.

a) Die geänderte Ausführung und damit der Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist auch hier zwischen den Parteien unstreitig. Ein solcher Anspruch folgt zusätzlich aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Protokoll über die Nachtragsverhandlung vom 06.09.2016 (Anlage BK 1, Bl. 195 d.A.).

b) Auch bei diesem Nachtrag 11 und der damit einhergehenden geänderten Ausführung des Gussasphaltes hat keine Reduzierung um den von der Klägerin ursprünglich bei der Ausgangsposition bzw. den Ausgangspositionen gewährten Nachlass zu erfolgen (vgl. BGH, VII ZR 34/18 und Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1484). Der Nachlass gilt im Regelfall, so auch hier, nicht für Nachtragsvereinbarungen. Der Auftragnehmer will in der Regel seinen Nachlass nicht auf Tatbestände beziehen, die er noch nicht kennt. Etwas anderes gilt nur, wenn den Vertragsunterlagen eine anderweitige Vereinbarung zu entnehmen ist (vgl. Werner/Pastor, a.a.O.). Eine solche anderweitige Vereinbarung, die sich aus den Vertragsunterlagen ergäbe, ist von der Beklagten aber nicht vorgetragen und hierfür ist auch nichts ersichtlich.

c) Bei der Berechnung des Nachtrages 11 ist in Bezug auf die Berechnung auf die geprüfte Nachtragsrechnung vom 19.11.2016 abzustellen (Anlage A 14). Diesen 11. Nachtrag hat die Beklagte geprüft. Insoweit sind die dort genannten Mengen und Beträge anzusetzen. Soweit die Klägerin in ihrer Schlussrechnung, ohne nähere Begründung bei der Position 5.11.10 eine andere Menge als durch die Beklagte geprüft nennt, nämlich statt 1.250 t, wie von der Klägerin im Nachtrag 11 ursprünglich selbst genannt (siehe Anlage A 14), nunmehr 1.325,10 t, liefert die Klägerin für diese abweichende Menge keine nähere Begründung (weder in der Schlussrechnung, Anlage K 5, dort Seite 13, noch in der Klageschrift). Von daher ist der geprüfte Betrag aus dem Nachtrag der Anlage A 14 für die Position 5.11. von 1.250 t zugrunde zu legen. Entsprechendes gilt für die Schlussrechnungsprüfung durch die Beklagte und den dort genannten korrigierten Mengenbetrag für die Position 5.11.10 von 1.211,26 t (A 5, Seite 13). Insoweit hat sich die Beklagte an ihrer ursprünglichen Rechnungsprüfung und der dort abgehakten Menge für die Position 5.11.10 von 1.250 t festhalten zu lassen, zumal die Beklagte die abweichende Menge aus der Schlussrechnung von 1.211,26 t nicht näher begründet.

Von daher ergibt sich aus dem Nachtrag 11 die nachfolgende Berechnung für die einzelnen Positionen:

Position 5.11.10: Menge falsch, wie schon ausgeführt, statt 1.325,10 t, der geprüfte Mengenbetrag aus der Rechnungsprüfung der Beklagten von 1.250 t x 126,10 Euro = 157.650,00 Euro netto (und nicht, wie von der Klägerin in der Schlussrechnung und in der Klagschrift errechnet 167.121,61 Euro)

Position 5.11.20: 5.685,67 Euro

Position 5.11.30: 1.667,90 Euro

Position 5.11.40: 1.734,70 Euro

zusammen 166.738,27 Euro netto

(von der Klägerin wegen der abweichenden Menge bei Position 5.11.10 berechnet: 176.209,88 Euro)

abzüglich anerkannter Betrag von 72.367,62 Euro

________________________________________________________________

94.370,65 Euro netto

abzüglich Nachlass von 1 % (so auch die Klägerin, Bl. 20 d.A.),

also 943,71 Euro

_________________________________________________________________

93.426,94 Euro netto,

also brutto 111.178,06 Euro.

Das Landgericht hat weder den Nachlass von 1 % noch den Umstand, dass die Klägerin nicht Nettobeträge, sondern Bruttobeträge fordert, beachtet und von daher der Klägerin nur 103.842,26 Euro zugesprochen. Hiergegen hat sich die Klägerin nicht gewandt, so dass es bei der erstinstanzlichen Verurteilung zu verbleiben hatte.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht bestehen.

Verkündet am: 16.06.2020