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OLG Düsseldorf zur Frage, ob einem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits bei Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen müssen

vorgestellt von Thomas Ax

Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass einem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits bei Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Der Auftragnehmer muss, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, in der Regel erst zum Leistungsbeginn über diese Mittel verfügen. Aus den Vergabeunterlagen muss sich mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit ergeben, wenn der öffentliche Auftraggeber ausnahmsweise abweichend vom Regelfall fordert, dass die erforderlichen Mittel nicht erst zu Vertragsbeginn, sondern bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.02.2023 – Verg 17/22

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Beschwerde den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen, nachdem die Vergabekammer die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen untersagt, die Beigeladene aber nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, sondern der Antragsgegnerin die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens aufgegeben hatte. Die Beigeladene begehrt mit ihrer Beschwerde die Gestattung des Zuschlags auf ihr Angebot.

Mit Bekanntmachung vom 01.10.2021 schrieb die Antragsgegnerin im offenen Verfahren Nassbaggerarbeiten im Wasserinjektionsverfahren aus (Anlage Ast 1 Vergabekammerakte). Mit Bekanntmachung vom ### wurde der Schlusstermin für die Abgabe der Angebote berichtigt, so dass Angebote bis zum 05.11.2021 – statt zum 28.10.2021 – abgegeben werden konnten.

Die Laufzeit des Vertrags sollte am 01.02.2022 beginnen und am 31.01.2024 enden, wobei beabsichtigt war, die Bauleistung für weitere zwölf Monate gemäß § 3 EU Abs. 3 VOB/A i.V.m. § 3a EU Abs. 3 Nr. 5 VOB/A im Rahmen des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb an den Auftragnehmer zu vergeben, dem der Zuschlag erteilt wurde (Ziff. II.2.7. der Bekanntmachung). Die Ausschreibung erfolgte in zwei Losen.

Streitgegenständlich ist vorliegend die Vergabe zu Los 1. Betreffend Los 1 ist grundsätzlich der tägliche Einsatz eines WI-Gerätes über die Vertragslaufzeit vorgesehen. Darüber hinaus ist zeitgleich auf Abruf für insgesamt 16 Wochen ein zweites WI-Gerät zur Verfügung zu stellen (Ziff. II. 1.4 und Ziff. 2.II.4 der Bekanntmachung). In Ziff. I.11.4 der Bekanntmachung heißt es hierzu:

Grundsätzlich ist ein täglicher Einsatz eines WI-Gerätes über die Vertragslaufzeit vorgesehen. Darüber hinaus ist vorgesehen, ein zweites WI-Gerät zeitgleich für einen Zeitraum von gesamt ca. 16 Wochen bei einer durchschnittlichen Baggertragesleistung in unterschiedlichen Einsatzgebieten einzusetzen. Der Abruf dieser Leistung kann in ca. 4 Kampagnen erfolgen.

Nach 3.3.1 der Baubeschreibung soll die Terminierung zum Einsatz des Zweitgeräts für Los 1 in Abstimmung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeberin vorgenommen werden. Der Beginn einer Kampagne mit dem Zweigerät wird durch die Antragsgegnerin mindestens zehn Tage vor Einsatzbeginn angekündigt. Die vier Kampagnen sollen voraussichtlich in den ersten zwölf Monaten der Vertragslaufzeit abgerufen werden.

Gemäß dem „Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen)“ waren gemäß Ziff. 1.4 – auf den auch in dem Formblatt „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ unter C Bezug genommen wird – als sonstige Unterlagen vorzulegen:

„…

– Gerätebeschreibung mit technischen Datenblättern, Angaben zur Pumptechnik, und

– Bildaufnahmen



– Schiffsdokumente zur Plausibilisierung mit möglichen Erläuterungen

– zur vorgenannten unterlagen siehe auch Dokument „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“

In Ziff. III.1.3 der Bekanntmachung verwies die Antragsgegnerin zur Auflistung und Beschreibung der Eignungskriterien betreffend die technische und berufliche Leistungsfähigkeit auf das unmittelbar aktiv verlinkte Formblatt „Eigenerklärung zur Eignung“
(Formblatt 333b-B). Dort heißt es auf Seite 6:

„Zum Nachweis der notwendigen technischen Kenntnisse der ausgeschriebenen Leistung sind folg. auftragsbezogene Angaben (Einzelnachweise) erforderlich:


Für Los 1 und Los 2:

Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ist vom Bieter/Bietergemeinschaft zu erklären, über welche Geräte der Bieter/ die Bietergemeinschaft für die Ausführung der Nassbaggerarbeiten verfügt (Erklärung).

Dazu ist das Blatt 1 „Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät“ für jedes angebotene und verfügbare Gerät ausgefüllt mit dem Angebot abzugeben.



Nur für Los 1:

Zusätzlich ist nur für Los 1 zum erfolgreichen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen die Verfügbarkeit gemäß vorgenannter Nachweise zu erklären.

Siehe hierzu auch das Dokument „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“

Das Formblatt „Eigenerklärung zur Eignung“ enthält in der Überschrift den folgenden Zusatz:

„(vom Bieter, bei Bietergemeinschaft von jedem Mitglied auszufüllen, der/das nicht präqualifiziert ist bzw. keine EEE abgibt und im Falle der Eignungsleihe … )„,

Auf Bieterfragen stellte die Antragsgegnerin mit Bieterschreiben 01 vom 07.10.2021 klar, dass das Formblatt zum einen die unternehmensbezogenen und auftragsbezogenen Eignungskriterien aufliste und zum anderen der Nachweisführung der unternehmensbezogenen Eignungskriterien diene, sofern ein Bieter nicht präqualifiziert sei. Die Nachweisführung der auftragsbezogenen Eignungskriterien erfolge durch Vorlage der konkret im Formblatt 333b-B genannten Einzelnachweise.

In den „Hinweisen zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern„, auf die in der „Eigenerklärung zur Eignung“ Bezug genommen wird, heißt es unter Ziff. 2 weiter (vgl. S. 6):

Ein Bieter/Bietergemeinschaft ist geeignet, wenn er im Einzelnen die zur ordnungsgemäßen Ausführung dieses öffentlichen Auftrags festgelegten unternehmens- und auftragsbezogenen Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt.

Die Nachweisführung erfolgt durch Präqualifikation und/oder Eigenerklärungen (unternehmensbezogen; a1), b1). c1)) und der geforderten Einzelnachweise (auftragsbezogen; a2), b2)).

Zu den auftragsbezogenen Eignungskriterien heißt es weiter (vgl. S. 8).

„b2) Auftragsbezogenen Angaben zum Nachweis über die Verfügbarkeit von notwendigen Personal und Gerät für die fach- und fristgerechte Ausführung der ausgeschriebenen Leistung (Einzelnachweis)

auftragsbezogenes Eignungskriterien

Los 1 und Los 2: Weiter ist zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gemäß § 6a EU Abs. 3 h) VOB/A ist vom Bieter/ Bietergemeinschaft zu erklären, über welche

Geräte der Bieter/ die Bietergemeinschaft für die Nassbaggerarbeiten verfügt.

Dazu ist das Blatt 1 „Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät“ für jedes angebotene und

verfügbare Gerät ausgefüllt mit dem Angebot abzugeben.



Die Angaben in den Blättern 1 und 2 werden durch die vorzulegenden Schiffspapiere für die angebotenen WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen stichprobenartig plausibilisiert. Angebotene Geräte, für die keine gültigen Schiffsdokumente mit Angebotsabgabe vorliegen, werden vom Angebot ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb von 6 Kalendertagen nach Aufforderung durch die Vergabestelle gültige Dokumente nachgereicht werden (siehe auch Punkt 4).



Los 1: Zusätzlich ist nur für Los 1 zum erfolgreichen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen die Verfügbarkeit gemäß vorgenannter Nachweise zu erklären.

Weiter heißt es unter dem Punkt Ziff. 2.1 (S. 9-10):

Ausfüllungshinweise zu Blatt 1 Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät



– Zeile 18-20

In den Zeilen 15-17 sind die in den Zeugnissen geprüften Geometrien anzugeben. In der Regel sind die Angaben dem Schiffsmessbrief oder gleichwertig zu entnehmen.

Unter Ziff. 4 der „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“ heißt es weiter (S. 17):

„Unterlagen zur Plausibilisierung (Bescheinigung)

Zur Plausibilisierung von geometrischen Angaben sind für jede angebotene Einheit als selbständiges WI-Gerät bzw. als Einheit einer WI-Gerätekombination folgende Dokumente (Bescheinigungen) beizubringen:

– Internationaler Schiffsmessbrief/ Nationaler Schiffsmessbrief (International Tonnage Certificate/Special Tonnage Certificate)

– Schiffsbesatzungszeugnis, (Minimum Safe Manning Certificate)

– Sicherheitszeugnis für Spezialschiffe bzw. Bau- und Ausrüstungssicherheitszeugnis; (Special Purpose Ship Safety Certificate)

– Freibordzeugnis; (International Load Line Certificate)

Sollten die genannten Dokumente je Einheit nach EU-Richtlinie/Gesetzes-/Verordnungsbestimmung nicht erforderlich sein bzw. nicht vorliegen, ist dies im Angebot schriftlich mit Bezug zur rechtlichen Grundlage zu begründen.

Zum Beispiel ist gemäß Punkt 8.5 der Freibordrichtlinie für Fahrzeuge mit einer Freibordlänge unter 18 m, die nach dem 1. Januar 2002 gebaut worden sind, kein Freibordzeugnis zu erteilen.

Darüber hinaus ist anzugeben, in wieweit ein o.g. Zeugnis durch ein gleichwertiges Zeugnis anderer Nationalität ersetzt werden kann.

Die „Baubeschreibung“ enthält unter Ziff. 3.4.1 (S. 39) die nachfolgende Vorgabe:

Grundsätzlich haben für die angebotenen WI-Geräte zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe alle erforderlichen Schiffsdokumente zum Betrieb des Gerätes gültig vorzuliegen.

Die Betriebs- und Funktionsfähigkeit des Gerätes ist während der Einsatzzeit ständig zu gewähren und nachweislich zu überprüfen.

Unter Ziff. 3.4.2 der „Baubeschreibung“ heißt es weiter:

Die angebotenen WI-Geräte bzw. Einheiten von WI-Gerätekombinationen müssen seegängig sein und zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe eine gültige Erlaubnis zum Befahren der Wasserstraße besitzen.

Nach Ziff. II.2.5) der Bekanntmachung und Ziff. 7) der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 312-B) war der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium.

Zuschlagskriterium für das Los 1 waren ausweislich des Formblatts „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ (Formblatt 313-B) und einem gesonderten Dokument „Erläuterungen zur Bewertung“ mit 70 % der Preis und mit 30 % der Technische Wert. Der „Technischer Wert“ untergliederte sich in zwei Unterkriterien (UK) und Einzelkriterien (EZ), so dass sich folgende Aufgliederung ergab:

UK I: Leistungs- und Einzelparameter der WI-Geräte und davon:

EZ 1: Arbeits-Freibord

EZ 2: Bauform und Abmessung (begrenzende Arbeitslänge)

UK II: Indikatoren zum Einsatzkonzept (Wartung/Instandhaltung)

Die Antragstellerin, die Beigeladene sowie ein dritter Bieter gaben fristgemäß ihre Angebote ab. Die Beigeladene benannte in ihrem Angebot für das Los 1 neben einer Gerätekombination als erstes Gerät ein zweites WI-Gerät mit dem Namen „M„, welches im Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch unter dem Namen „L“ fuhr und noch kein WI-Gerät war, sondern erst durch den Aufsatz einer modularen mobilen WI-Technik in ein WI-Gerät umgebaut werden sollte. Die Beigeladene reichte mit ihrem Angebot die Schiffsdokumente für das Schiff „L“ ein, nämlich ein Klassenzertifikat (ABS Class Certificate), ein Dokument, welches die Tonnage des Schiffs angibt (Certificate of Survey, Tonnage Measurement), ein Dokument, in dem die Abmessungen des Schiffs festgestellt wurden (International Load Line Certificate), ein Dokument, in dem die minimale Besatzungsstärke festgestellt wurde (Minimum Safe Manning Certificate) und ein Dokument, in dem die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Besatzung auf See zertifiziert wurde (Cargo Ship Document of Compliance). Ausweislich der Schiffspapiere war die „L“ als „tug“ (Schlepper) klassifiziert (vgl. etwa Minimum Safe Manning Certificate). Darüber hinaus reichte die Antragstellerin mit ihrem Angebot eine Beschreibung des modularen, auf dem Schiff „M“ zu installierenden, WI-Systems ein (Vorstellung und Beschreibung des WI-Systems „M„). Hierbei sollte eine bekannte Technik, die auf einem anderen Fahrzeug bereits erfolgreich zum Einsatz kam, installiert werden.

Das Schiff „M“ hat durch die Klassifizierungsgesellschaft ABS im Zuge der Umflaggung von der Flagge der Marschallinseln zur niederländischen Flagge am 07.12.2021 einen provisorischen Schiffsmessbrief (Provisional Tonnage Certificate) erhalten. Es war in seiner Eigenschaft als Schlepper noch bis zum 20.01.2022 in Dänemark im Einsatz. Die Beigeladene hatte das ursprünglich unter der Flagge der Marschallinseln fahrende Schiff „L“ in Kooperation mit einer Reederei erworben, um es für eine Beteiligung in Los 1 als erforderliches Zweitschiff zur Verfügung zu haben. Die Transaktion erfolgte vor Angebotsabgabe. In diesem Zuge wurden auch die Umflaggung zur niederländischen Flagge und die Namensänderung vorgenommen.

Ausweislich der Angebotswertung vom 05.11.2021 hatte die Beigeladene das preislich günstigste Angebot abgegeben.

Mit Schreiben vom 15.11.2021 forderte die Antragsgegnerin von der Beigeladenen nach § 16 a EU Abs. 1 VOB/A innerhalb von 6 Tagen folgende weitere Unterlagen nachzureichen:

– „- …

– Alle Schiffsbescheinigungen für das WI-Gerät „M„;

– Bildaufnahmen für das WI-Gerät „M“ bzw. die WI-Gerätekombination „„;

– Technische Datenblätter für das WI-Gerät „M“ bzw. die WI-Gerätekombination „„;

– Geräteeinsatzplan …

Mit Schreiben vom 19.11.2021 übermittelte die Beigeladene der Antragsgegnerin den Geräteeinsatzplan sowie die technischen Datenblätter betreffend die als erstes Gerät angebotene Gerätekombination einschließlich von Fotos dieser Gerätekombination. Für das zweite angebotene Gerät waren ein auf das Schiff „M“ bezogenes Datenblatt, ein weiteres Datenblatt für die für dieses Schiff vorgesehene WI-Gerätetechnik sowie vier Fotos, auf denen ausschließlich das Schiff „M“ zu sehen ist, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit WI-Technik ausgestattet war, beigefügt. Auf einem Bild (Bild 4) waren im Vordergrund einzelne deinstallierte Teile der WI-Technik zu sehe, nämlich ein Injektionsbalken und ein WI-Umlenkbalken. Betreffend die Schiffsdokumente für das WI-Gerät „M“ führte die Beigeladene unter Bezugnahme auf eine beigefügte Stellungnahme des die Beigeladene beratenden Büros vom 18.11.2021 aus, dass auch nach Installation der modularen WI-Technik auf dem Schiff „M“ keine neuen Schiffspapiere erforderlich werden würden, als die bereits mit dem Angebot vorgelegten Papiere für das Schiff „L„. Lediglich durch den überkragenden WI-Balken im Heck sowie auf den Seiten seien im AIS (Automatic Identification System) sowie für die Anmeldung bei den Revieren die Angaben, welche erst nach dem Umbau genau zu ermitteln seien, anzupassen. Die fest zu installierenden Bauteile entsprächen aufgrund ihres Gewichts im Verhältnis zum Leergewicht des Schiffs weniger als 0,5 % und seien somit weder eintragungspflichtig für eine Änderung des Leergewichts noch sei eine Anpassung der Stabilitätsberechnung erforderlich. Die laufende Umflaggung zur niederländischen Flagge sei von der Ausrüstung der „L“ mit dem mobilen WI-Gerät völlig unabhängig.

Um die Angaben der Beigeladenen zu verifizieren, wandte sich die Antragsgegnerin an die BG Verkehr. Diese teilte mit, dass die Frage der erforderlichen Dokumente vom Flaggenstaat – hier Niederlande – abhängig sei. Bei Betrieb unter deutscher Flagge handele es sich sowohl bei der Einordnung als Schlepper, als auch als schwimmendes Arbeitsgerät um ein Sonderfahrzeug. Möglicherweise ergäben sich aber weitergehende Anforderungen der Klassifizierungsgesellschaft. Ob der Umbau Auswirkungen auf die Zulassung habe, sei ebenfalls von den Festlegungen des Flaggenstaats abhängig. Bei Einsatz des Fahrzeugs in deutschen Gewässern sei aber eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der BG Verkehr zu beantragen. Eine Gleichwertigkeitsbescheinigung als Sonderfahrzeug (ohne WI-Technik) sei bis 05/22 für das streitgegenständliche Schiff durch die BG Verkehr ausgestellt worden. Die technische Sicherheit werde durch die Klassifizierungsgesellschaft überprüft. Sofern erhebliche Massen auf das Fahrzeug aufgebracht würden, sei die Stabilität nachzuweisen. Eine Änderung der technischen Unterlagen sei in der Regel erforderlich, wenn die Stabilität wesentlich geändert werde. Es müsse eine Einverständniserklärung des Flaggenstaats vorliegen, die bestätige, dass das Fahrzeug mit der aufgerüsteten WI-Technik sicher die Wasserstraßen befahren könne. Fehle diese, sei ein Zulassungsverfahren des Flaggenstaats erforderlich.

Um Zweifel an der Einsatzfähigkeit des angebotenen WI-Geräts „M“ zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns auszuräumen, übermittelte die Antragsgegnerin der Beigeladenen ein weiteres – als Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bezeichnetes – Schreiben vom 17.12.2021 (versehentlich datierend auf den 17.11.2021). Die Beigeladene wurde gebeten mitzuteilen, inwieweit bezüglich der vorgesehenen Umbauten und des Gewichts eine Abstimmung mit dem zuständigen Flaggenstaat herbeigeführt worden sei. Zudem wurde um die Vorlage der Einverständniserklärung des Flaggenstaats für den Einsatz als WI-Gerät gebeten, alternativ sollte Auskunft darüber gegeben werden, bis wann die Einverständniserklärung beigebracht werden könne. Zudem wurde die Beigeladene um die Übersendung eines Umbauzeitplans gebeten. Hierzu wurde eine Frist von 15 Kalendertagen gesetzt.

Parallel nahm die Antragsgegnerin Kontakt zu der Klassifizierungsgesellschaft ABS (American Bureau of Shipping, offiziell gelistete Klassifizierungsgesellschaft der deutschen Flagge) auf.


Die Beigeladene kam dem Aufklärungsverlangen am 31.12.2021 nach und teilte mit, dass die schriftliche Einverständniserklärung durch den Flaggenstaat mit Blick auf die Weihnachts- und Silvestertage nicht rechtzeitig beigebracht werden könne, eine solche aber nach fernmündlicher Auskunft der Niederländischen Flagge nicht erforderlich sei, da dies in die Zuständigkeit der Klassifizierungsgesellschaft falle. Die Klassifizierungsgesellschaft (ABS) habe aufgrund der Konstruktionspläne, den zugehörigen Berechnungen und den Installationsplänen mitgeteilt, keine grundsätzlichen Einwände gegen den Betrieb des Shoalbusters „M“ mit der mobilen, modularen WI-Technik als WI-Bagger zu haben. Von der ABS seien lediglich minimale Nachrüstungen, nämlich […], sowie die Durchführung einer abschließenden Besichtigung durch die Klassifizierungsgesellschaft gefordert worden. Zudem überreichte die Beigeladene den geforderten Umbauzeitplan, der die

Fertigstellung bis Ende Januar 2022 vorsah, und fügte Fotos vom Stahlbau der WI-Technik mit Stand 48. KW bei.

Mit weiteren zwei Schreiben vom 06.01.2022 verlangte die Antragsgegnerin von der Beigeladenen weitere Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Zum einen wurde die Durchführung eines Besichtigungstermins gefordert, um die Realisierbarkeit des aus Sicht der Antragsgegnerin eng bemessenen Umbauzeitplans prüfen zu können. Zum anderen wurde eine schriftliche Erklärung der zuständigen Klassifizierungsgesellschaft ABS verlangt, die bestätige, dass die bestehende Klasse des MV „L“ mit geänderter Zweckbestimmung als WI-Bagger weiter Bestand habe, mithin die mit Angebot eingereichten Schiffszeugnisse zur Attestierung der Klasse weiterhin Gültigkeit besäßen und keiner Änderung unterlägen.

Mit Schreiben vom 11.01.2022 teilte die Beigeladene mit, dass die Klassifizierungsgesellschaft das MV „M“ mit der modularen und mobilen WI-Technik besichtigen werde, um zu prüfen, dass die in den Berechnungen zur Nachweis der Schwimmstabilität gemachten Angaben korrekt seien und die für den Betrieb mit der modularen und mobilen WI-Technik geforderte […] umgesetzt worden sei. Im Anschluss werde die Klassifizierungsgesellschaft attestieren, dass das mit der modularen und mobilen WI-Technik ausgerüstete MV „M“ sicher die Wasserstraßen befahren könne. Beigefügt war dem Schreiben der Beigeladenen eine E-Mail der Klassifizierungsgesellschaft ABS, aus der sich ergibt, dass die modulare und mobile WI-Technik lediglich ein Addendum im „stability booklet“ darstelle und das Schiff in der ursprünglich erteilten Klasse bleibe. Da die bestehende Klasse des MV „M“ sich durch den Betrieb der modularen und mobilen WI-Technik nicht ändere, sei eine Zustimmung des zuständigen Flaggenstaats (hier des niederländischen) nicht notwendig.

Ebenfalls am 11.01.2022 erhielt die Antragsgegnerin eine E-Mail der

Klassifizierungsgesellschaft ABS, in der in Übereinstimmung mit der von der Beigeladenen vorgelegten E-Mail mitgeteilt wurde, dass die bestehende

Klassifizierung nicht aktualisiert werden müsse und dies nach Überprüfung des Umbaus nach Abschluss der Arbeiten erklärt werde.

Mit Blick auf den termingerechten Umbau des Geräts fand am 12.01.2022 zur Plausibilisierung des Zeitplans ein Ortstermin in der Stahlbauwerkstatt statt, in der sich die aufzubauende modulare WI-Technik befand, nicht jedoch das Schiff „M„, auf den diese aufgebaut werden sollte. Das Ergebnis des Ortstermins hielt die Antragsgegnerin in dem Vermerk vom 13.01.2022 fest und bewertete den stahlbaulichen Fertigungsgrad mit 80%.


Tatsächlich wurde im Januar der Aufbau der mobilen Montage einschließlich der erforderlichen Besichtigung durch den vom Flaggenstaate Niederlande akkreditierten Zertifizierer ABS abgeschlossen. Dem Schiff wurde in seiner neuen Eigenschaft als WI-Gerät am 23.02.2022 ein neues Freibordzeugnis („International Load Line Certificate„) durch die Klassifizierungsgesellschaft erteilt.

Mit Schreiben vom 16.01.2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag dem Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin dabei ihre in den Wertungskriterien „Preis“ (### Punkte), „Technischer Wert“ (### Punkte) und „Gesamtwertung“ (### Punkte) erlangten Wertungspunkte mit.

Die Antragstellerin bat mit Schreiben vom 20.01.2022 um eine weitere Aufgliederung der Einzelwertungsergebnisse zum Kriterium „Technischer Wert„. Zudem bat sie um Mitteilung der Wertungspunkte des wirtschaftlichsten Angebots und weiterer Informationen nach § 19 EU Abs. 4 Nr. 2 VOB/A. Schließlich rügte sie, dass die Beigeladene bei Angebotsabgabe nicht den erforderlichen Nachweis für ein zweites betriebsbereites WI-Gerät erbracht haben könne.

Mit Schreiben vom 24.01.2022 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die gewünschte Auskunft betreffend die Bewertung ihres Angebots in den einzelnen Bewertungskriterien nach § 19 EU Abs. 4 Nr. 2 VOB/A und teilte zudem mit, dass die Beigeladene die Mindestanforderungen von zwei betriebsbereiten WI-Geräten beziehungsweise WI- Gerätekombinationen erfülle und die geforderten Nachweise prüfbar erbracht worden seien. Es werde mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen, dass zum Vertragsbeginn zwei betriebsbereite WI-Geräte durch die Beigeladene zur Verfügung gestellt würden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.01.2022 eine unzureichende Vorabinformation nach § 134 GWB im Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.01.2022. Zwar habe die Antragsgegnerin die Gründe im Schreiben vom 24.01.2022 nachgeschoben. Dies habe den Verstoß jedoch nicht heilen können, da die Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB nicht erneut in Gang gesetzt worden sei (Rüge 1). Darüber hinaus rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene, weil diese keinen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bei Angebotsabgabe habe erbringen können und daher ungeeignet und zwingend auszuschließen sei, da sie eine Mindest-Eignungsanforderung zur technischen Ausstattung nicht erfülle. Nach Ziff. III.1.3) der Auftragsbekanntmachung und den Anforderungen in der „Eigenerklärung zur Eignung“ (Formblatt 333b-B) sei von den Bietern für Los 1 ein erfolgreicher Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte verlangt worden. Diesen Nachweis könne die Beigeladene nicht erbracht haben, da sie nach Kenntnisstand der Antragstellerin nur über ein betriebsbereites WI-Gerät verfügt habe. Im Falle der Herstellung eines neuen WI-Geräts beziehungsweise des Umbaus eines Schiffs könnten noch keine gültigen Schiffsdokumente vorgelegen haben, da das Schiff erst nach Fertigstellung einer amtlichen Prüfung und Begutachtung zugeführt und durch Ausstellung eines Schiffsmessbriefs, der Schiffssicherheitszeugnisse oder eines Schiffsbesatzungszeugnisses zertifiziert werden könne. Umbauten des Schiffskörpers, der Maschinenanlage oder Sondereinrichtungen müssten unter Aufsicht der Klassifizierungsgesellschaft durchgeführt und von dieser abgenommen werden, um die Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften und die Aufrechterhaltung der Klasse beziehungsweise deren Änderung sicherzustellen. Dementsprechend sei auch das Angebot der Beigeladenen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A bzw. § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen, da die Beigeladene unmöglich alle mit dem Angebot geforderten beziehungsweise nachgeforderten Unterlagen vorgelegt haben könne (Rüge 2). Schließlich rügt die Antragstellerin die Wertung ihres Angebots in dem Zuschlagskriterium „Technischer Wert“ als fehlerhaft (Rüge 3).

Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 26.01.2022 zurück.

Am 26.01.2022 hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht. Mit dem Nachprüfungsantrag hat sie ihre bisherigen Rügen wiederholt und vertieft. Ergänzend führt sie aus, dass – so die Beigeladene nicht bereits mangels Eignung ausgeschlossen wird – jedenfalls die Eignungsprüfung ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Für eine nachträgliche Herstellung der erforderlichen Eignung habe kein ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestanden. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei einem WI-Gerät um ein Spezialgerät handle, dessen Herstellung äußerst speziell und hochkomplex sei, und sich an die Herstellung noch ein aufwendiger und zeitraubender Prozess der Konfiguration und Erprobung anschließe, bis das WI-Gerät tatsächlich funktions- und betriebsbereit sei, habe die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen können, dass dieser Prozess noch rechtzeitig bis zum Beginn der Leistungsausführung abgeschlossen sein könne, zumal mit der Leistungserbringung spätestens am 01.02.2022 zu beginnen gewesen sei (Rüge 4). Ergänzend führt sie aus, dass das Angebot der Beigeladenen, falls diese wissentlich falsche Angaben zu den angebotenen WI-Geräten gemacht haben sollte, zusätzlich nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) VOB/A auszuschließen sei (Rüge 5). Schließlich könne das WI-Gerät „M“ die Mindestanforderungen an die Injektionstiefe (Mindest-Sohltiefe) von 21 m nicht erfüllen, was sich daraus ergebe, dass das Schiff lediglich 27 m lang sei (Rüge 6).


Die Antragstellerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie in ihren Bieterrechten verletzt ist;

2. die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um ihre Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung ihrer betroffenen Interessen zu verhindern; als geeignete Maßnahmen regt die Antragstellerin an

a. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag für das Los 1 auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens zu erteilen und

b. die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Vergabeabsicht das Vergabeverfahren im Los 1 in den Stand der Angebotsprüfung zurückzuversetzen und die Prüfung und Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen und Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

3. festzustellen, dass eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin vorgelegen hat;

4. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;

5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 3 S. 2 VwVfG für notwendig zu erklären.


Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen.


Die mit Beiladungsbeschluss vom 27.01.2022 zum Verfahren hinzugezogene

Beigeladene hat beantragt,

1. die Anträge der Antragstellerin zu Ziff. 1 und 2 zurückzuweisen;

2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.


Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene verteidigt. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 01.03.2022 hilfsweise, für den Fall, dass die Vergabekammer an ihrem unter dem 24.02.2022 erteilten Hinweis – dass weder formell noch materiell hätte die Eignung des Geräts festgestellt werden dürfen – festhalte, angeregt, dass die Vergabekammer die Zuschlagserteilung auf das vollständig geprüfte Angebot der Antragstellerin anordne.

Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teilweise stattgegeben und der Antragsgegnerin untersagt, auf Basis des bisherigen Vergabeverfahrens den Auftrag zu erteilen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beigeladene habe mit dem Angebot weder die geforderten Bildaufnahmen noch die Schiffsdokumente für das WI-Gerät M vorgelegt (Rüge 2). Diese seien auch nicht mit Schreiben der Beigeladenen vom 19.11.2021 auf die Nachforderung der Antragsgegnerin 15.11.2021 nachgereicht worden. Indem die Antragsgegnerin die Beigeladene dennoch nach Durchführung weiterer Aufklärungsmaßnahmen und eines Ortstermins als geeignet beurteilt habe, habe sie ihre Eignungsprognose ohne die an sich geforderten formalen Nachweise durchgeführt und die im Zuge ihrer Aufklärung verifizierten Eigenangaben der Beigeladenen ausreichen lassen. Damit habe die Antragsgegnerin für das Angebot der Beigeladenen die Vorgaben in Bezug auf die vorzulegenden Schiffsdokumente abgeschwächt und in Bezug auf die vorzulegenden Bildaufnahmen des WI-Geräts darauf ganz verzichtet. Damit habe sie eine Herabsetzung der Eignungsvoraussetzungen vorgenommen; wobei es sich der Sache nach um eine vergaberechtswidrig erfolgte Teilaufhebung des Vergabeverfahrens gehandelt habe (§ 17 EU Abs. 1 VOB/A). Zur Beseitigung der Rechtsverletzung hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in Form einer Änderungsbekanntmachung mit abgeschwächten Vorgaben für das Kampagnengerät zu prüfen und – sofern sie daran festzuhalten beabsichtige – zu veranlassen und eine neue Angebotsfrist für alle Wettbewerbsteilnehmer festzulegen. Anhaltspukte für einen Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Nr. 9 lit. a) und c) GWB lägen nicht vor (Rüge 5). Der bemängelte Verstoß gegen § 134 GWB liege ebenfalls nicht vor. Die seitens der Antragsgegnerin mitgeteilten Angaben im Schreiben vom 16.01.2022 seien gemessen am Zweck des § 134 GWB, der Antragstellerin eine nachvollziehbare Begründung über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu liefern und ihr eine Prüfung zu ermöglichen, ob Vergaberechtsschutz in Anspruch zu nehmen ist, ausreichend gewesen (Rüge 1). Ein Wertungsfehler im Kriterium „Technischer Wert“ liege nicht vor (Rüge 3). Soweit die Antragstellerin meine, das von der Beigeladenen angebotene WI-Zweitgerät erfülle nicht die Mindestanforderungen gemäß Ziff. 3.4.3 (S. 40) der Baubeschreibung an die Injektionstiefe, sei der Vortrag unbegründet (Rüge 6).

Gegen den ihr am 27.03.2022 zugestellten Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.04.2022 – eingegangen am selben Tag – sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Rügen wiederholt und vertieft. Das Angebot der Beigeladenen sei wegen fehlender Mindesteignung auszuschließen nach § 6a EU Nr. 3 lit. h) VOB/A. Einen erfolgreichen Nachweis für das Vorhandensein von zwei betriebsbereiten WI-Geräten könne die Beigeladene weder mit ihrem Angebot noch im Zuge der anschließenden Aufklärung erbracht haben. Den von der Antragsgegnerin bekannt gemachten Eignungskriterien sei eindeutig zu entnehmen, dass sich die Angaben zur technischen Leistungsfähigkeit nicht auf ein WI-Gerät hätten beziehen dürfen, das zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch gar nicht existiert habe. Die seitens der Antragsgegnerin vorgenommene Nachforderung von Unterlagen und weitere Aufklärung sei insgesamt vergaberechtsfehlerhaft erfolgt. Jedenfalls sei die Prüfung der Eignung der Beigeladenen ermessensfehlerhaft erfolgt, weil die Antragsgegnerin insbesondere nicht berücksichtigt habe, dass der Beigeladenen angesichts des Umstandes, dass das Schiff „M“ bis zum 20.01.2022 in Dänemark im Einsatz gewesen sei und mit dem Umbau frühestens am 21.01.2022 habe begonnen werden können, gerade einmal 10 Kalendertage für den Umbau verblieben seien. Die Vergabekammer habe die Prüfung eines Ausschlusses des Angebots der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und Nr. 9 lit a) und c) VOB/A unterlassen und nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene wider besseren Wissens unzutreffend und irreführend angegeben habe, dass wegen des Umbaus des Schleppers „M“ in ein WI-Gerät keine neuen Schiffsdokumente erforderlich seien.

Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 08.04.2022 ebenfalls gegen den Beschluss der Vergabekammer, der ihr am 25.03.2022 zugestellt worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt.


Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. Satz 2 aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, bei fortbestehender Vergabeabsicht die Angebotsprüfung und -wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen – hilfsweise: unter erneuter Prüfung und Entscheidung über einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen – unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen;

2. hilfsweise zu dem Antrag zu 1 gemäß §§ 178 S. 2 2. Alt., 168 Abs. 1 GWB, sofern der Senat in der Sache nicht selbst entscheidet: den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. Satz 2 aufzuheben und die Vergabekammer zu verpflichten, über die weiteren geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung und Verhinderung einer Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden;

3. äußerst hilfsweise zu den Anträgen zu 1. und 2. gemäß § 168 Abs. 2 S. 2 2. HS GWB im Hinblick auf den im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 168 Abs. 2 S. 2 4. Alt. GWB erledigten Verstoß gegen § 134 GWB: den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. unter der Maßgabe abzuändern, dass festgestellt wird, dass eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin vorgelegen hat;

4. der Antragstellerin ergänzende Akteneinsicht zu gewähren;

5. den Kostenausspruch im Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 3. und 4. Unter der Maßgabe abzuändern, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) und die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen sowie im Übrigen ihre eigenen Kosten und Aufwendungen jeweils selbst tragen.


Die Beigeladene beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) aufzuheben;

3. der Antragsgegnerin zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.


Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.


Die Antragsgegnerin stellt im Beschwerdeverfahren keine Anträge.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich gegen die Untersagung der Zuschlagserteilung an die Beigeladene. Eine Zurückversetzung des

Vergabeverfahrens in Form einer Änderungsbekanntmachung mit abgeschwächten Vorgaben für das WI-Gerät „M“ sei nicht notwendig. Auch habe die Antragsgegnerin tatsächlich keine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens vorgenommen. Es habe auch keine faktische Absenkung der in den Vergabeunterlagen gesetzten Vorgaben gegeben. Vielmehr habe die Wertung des Angebots der Beigeladenen und die zu deren Gunsten avisierte

Zuschlagsentscheidung – nach durchgeführter Nachforderung und Aufklärung – im Einklang mit den in den Vergabeunterlagen bekanntgegebenen Anforderungen gestanden und sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die Beigeladene habe insbesondere Bildaufnahmen sowie alle erforderlichen Schiffsdokumente vorgelegt. Die Schiffsdokumente behielten auch nach dem Umbau und der Ausrüstung mit der mobilen WI-Technik ihre Gültigkeit, weil sie von der Ausrüstung des Schiffs unberührt blieben. Die Neuausstellung der Schiffsdokumente für das Gerät „M“ sei allein der Umflaggung geschuldet und stelle einen rein formalen Akt dar. Die Beigeladene habe das Schiff „M“ ehemals „L“ nicht in einem zulassungsrechtlich relevanten Sinne umgebaut. Die einzige konstruktive Änderung, die die „M“ erfahren habe, seien die […]. Durch diese Montage werde weder die Länge (LoA) noch die Breite (BoA) der „M“ geändert, so dass diese für die Schiffsdokumente ohne Bedeutung sei. Betreffend die Bildaufnahmen habe es in den Vergabeunterlagen keine Anforderung gegeben, dass auch die mobile WI-Technik abzubilden sei.

Die Beigeladene behauptet im Rahmen ihrer sofortigen Beschwerde zudem, das von der Antragstellerin angebotene WI-Gerät D erfülle mehrere technische Mindestanforderungen nicht. So könne die D aufgrund ihres Tiefgangs eine Vielzahl der vorgesehenen Einsatzgebiete nicht erreichen. Auch sei die geforderte Mindestbreite des WI-Balkens nicht erreicht. Gefordert seien 12,00 m Mindestbreite gewesen, die D verfüge jedoch nur über eine maximale Breite von 10,08 m. Auch die Mindestpumpleistung von 12.000 ³/h könne die D mit den zwei auf ihr installierten Jetpumpen mit jeweils 506 kW Leistung nicht erreichen.


II.

1. Die nach §§ 171, 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist begründet.

Die Entscheidung der Vergabekammer, der Antragstellerin die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu untersagen, ist vergaberechtsfehlerhaft.

a. Das Angebot der Beigeladenen ist weder nach §§ 16 EU Nr. 3, 16a EU Abs. 3, 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A wegen bei Angebotsabgabe fehlender Unterlagen noch wegen – auf die Nachforderung der Antragsgegnerin vom 15.11.2021 – nicht rechtzeitig nachgereichter Unterlagen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A auszuschließen (formelle Eignung).

aa. Ein Angebotsausschluss nach §§ 16 EU Nr. 3, 16a EU Abs. 3, 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A wegen bei Angebotsabgabe fehlender Unterlagen scheidet aus. Soweit bei Angebotsabgabe Unterlagen fehlten, durfte und musste die Antragsgegnerin diese nach § 16a EU Abs. 1 VOB/A nachfordern.

(1) Gemäß Ziff. 1.4 „Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen)“ – worauf in dem Formblatt „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ unter C Bezug genommen wird – waren mit dem Angebot vorzulegen:



– Gerätebeschreibung mit technischen Datenblättern, Angaben zur Pumptechnik, und

– Bildaufnahmen

– …

– Schiffsdokumente zur Plausibilisierung mit möglichen Erläuterungen

– …

Die vorzulegenden Schiffsdokumente wurden durch Ziff. 4 der „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern„, auf den in Ziff. 1.4 „Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen“ Bezug genommen wird, dahingehend näher konkretisiert, dass ein Internationaler Schiffsmessbrief/ Nationaler Schiffsmessbrief (International Tonnage Certificate/ Special Tonnage Certificate), ein Schiffsbesatzungszeugnis, (Minimum Safe Manning Certificate), ein Sicherheitszeugnis für Spezialschiffe bzw. Bau- und Ausrüstungssicherheitszeugnis (Special Purpose Ship Safety Certificate) und ein Freibordzeugnis (International Load Line Certificate) vorzulegen waren.

(2) Die bei Angebotsabgabe unstreitig fehlenden Bildaufnahmen und technischen Datenblätter für beide WI-Geräte sowie der fehlende Geräteeinsatzplan konnten und mussten von der Antragsgegnerin gemäß § 16a EU Abs. 1 VOB/A nachgefordert werden. Nach § 16a EU Abs. 1 S. 1 VOB/A muss der öffentliche Auftraggeber Bieter, die für den Zuschlag in Betracht kommen, unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen – insbesondere Erklärungen, Angaben oder Nachweise – nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen -insbesondere Erklärungen, Produkt- und sonstige Angaben oder Nachweise – nachzureichen oder zu vervollständigen (Nachforderung), es sei denn, er hat von seinem Recht aus Absatz 3 Gebrauch gemacht. Nach § 16a EU Abs. 3 VOB/A kann der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen, dass er keine Unterlagen oder Preisangaben nachfordern wird. Einen solchen Ausschluss des Nachforderns von Unterlagen hat die Antragsgegnerin nicht festgelegt. Sie hat vielmehr unter Ziff. D.3.3 der Angebotsaufforderung klagestellt, dass fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, nachgefordert werden.

(3) Vergaberechtsfehlerfrei hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.11.2021 die Beigeladene aufgeforderte entsprechend § 16 a EU Abs. 1 VOB/A die fehlenden Unterlagen innerhalb von 6 Tagen vorzulegen, nämlich:



– Alle Schiffsbescheinigungen für das WI-Gerät „M“;

– Bildaufnahmen für das WI-Gerät „M“ bzw. die WI-Gerätekombination „…“;

– Technische Datenblätter für das WI-Gerät „M“ bzw. die WI-Gerätekombination „…“;

– Geräteeinsatzplan …

Auch bei den Bildaufnahmen handelt es sich um „Unterlagen“ im Sinne des § 16a EU Abs. 1 VOB/A. Diese sind (sonstige) Nachweise im Sinne des § 48 Abs. 1 VgV bzw. § 16a EU Abs. 1 VOB/A. Der Begriff der Erklärungen und Nachweise ist weit auszulegen (vgl. nur Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15, ZfBR 2016, 192).

(4) Soweit die Antragsgegnerin auch Schiffsbescheinigungen für das WI- Gerät „M“ nachgefordert hat, ging diese Nachforderung ins Leere, denn Schiffsdokumente lagen – wenn auch ausgestellt auf das Schiff „L“ – bereits vor und fehlten nicht im Sinne des § 16a EU Abs. 1 VOB/A.

Fehlende unternehmensbezogene Unterlagen sind solche, die physisch nicht vorgelegt worden sind. Das Gleiche gilt für unlesbare oder sonst nicht wahrnehmbare Angaben in den Unterlagen. Unvollständige unternehmensbezogene Unterlagen sind solche, die mit dem Angebot bis zur Angebotsabgabe einzureichen waren und teilweise physisch nicht vorgelegt worden sind. Solche Unterlagen darf der Bewerber oder Bieter auf Aufforderung des Auftraggebers nachreichen und vervollständigen. Dies entsprach auch schon der früheren Rechtslage zu § 16 EG VOB/A a.F. und § 19 EG VOL/A a.F. Fehlenden unternehmensbezogenen Unterlagen stehen zudem solche gleich, die physisch vorgelegt worden sind, aber in formaler Hinsicht von den Anforderungen abweichen, so dass die vorgelegte Unterlage (zum Beispiel mangels vorgeschriebener Beglaubigung oder Unterzeichnung) gar nicht geprüft werden kann, wobei die Grenzziehung zwischen formaler Korrektur und materiell-inhaltlicher Korrektur einer Unterlage fließend ist. Daher kann bereits bei ganz geringfügigen materiell-inhaltlichen Auswirkungen eine Unterlage nicht mehr nur als „formal fehlerhaft“ eingestuft werde (vgl. Senat, Beschl. v. 12.09.2012 – VII Verg 108/11 zu § 19 Abs. 2 VOL/A (2009); Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15 Rn 24, NZBau 2016, 61; OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15, ZfBR 2015, 809, 812; Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 56 VgV Rn 21).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Beigeladene mit ihrem Angebot sämtliche geforderten Schiffsbescheinigungen vorgelegt, nämlich ein Klassenzertifikat (ABS Class Certificate), ein Dokument, welches die Tonnage des Schiffs angibt (Certificate of Survey, Tonnage Measurement), ein Dokument, in dem die Abmessungen des Schiffs festgestellt wurden (International Load Line Certificate), ein Dokument, in dem die minimale Besatzungsstärke festgestellt wurde (Minimum Safe Manning Certificate) und ein Dokument, in dem die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Besatzung auf See zertifiziert wurde (Cargo Ship Document of Compliance). Damit lagen Schiffsbescheinigungen physisch vor. Sie waren auch gültig. ### war noch nicht in „M“ umbenannt; die modulare und mobile WI-Technik war noch nicht installiert. Ob die auf „L“ ausgestellten Schiffsbescheinigungen inhaltlich den Anforderungen genügen, ist eine Frage der materiellen Eignungsprüfung, nicht eine Frage des physischen Vorliegens der Unterlagen.

(5) Da gültige Schiffsdokumente vorlagen, bedurfte es keiner schriftlichen Erklärung und Begründung ihrer Nichtvorlage im Angebot entsprechend Ziff. 4 der „Hinweisen zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern„.

bb. Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht nach § 16a EU Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 VOB/A wegen nicht oder nicht rechtzeitig nachgereichter Unterlagen auszuschließen. Die Beigeladene hat sämtliche nachgeforderten Unterlagen, soweit diese bei Angebotsabgabe fehlten, innerhalb der gesetzten Frist von sechs Tagen mit Schreiben vom 19.11.2021 nachgereicht. Mit Schreiben vom 19.11.2021 übermittelte die Beigeladene der Antragsgegnerin den Geräteeinsatzplan sowie die technischen Datenblätter einschließlich von Bildaufnahmen. Für das angebotene WI-Gerät „M“ wurden ein auf das Schiff „M“ bezogenes Datenblatt, ein weiteres Datenblatt für die für dieses Schiff vorgesehene WI-Gerätetechnik sowie vier Fotos, auf denen ausschließlich das Schiff zu sehen ist, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit WI-Technik ausgestattet war, eingereicht, – wobei auf einem Bild (Bild 4) im Vordergrund einzelne deinstallierte Teile der WI-Technik zu sehe waren, nämlich ein Injektionsbalken und ein WI-Umlenkbalken.

Der Umstand, dass die Lichtbilder nicht das fertige WI-Gerät „M“ abbildeten, rechtfertigt einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A nicht, da Bilddokumente physisch vorlagen.

b. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen.

(1) Das Angebot der Beigeladenen enthält nicht deshalb eine Abweichung von den Vergabeunterlagen, weil sie mit „M“ ein WI-Gerät angeboten hat, das im Zeitpunkt der Angebotsabgabe mangels Ausstattung mit dem mobilen und modularen WI-System noch nicht existent und einsatzfähig war. Die Antragsgegnerin hat eine Einsatzbereitschaft des WI-Geräts bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe nach den Vergabeunterlagen nicht gefordert.

(a) Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus ihnen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urt. v. 15.01.2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn 7; BGH, Urt. v. 03.04. 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn 9). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (BGH, Urt. v. 03.04.2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn 9). Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Senat, Beschl. v. 13.12.2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn 37). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (Senat, Beschl. v. 28.03. 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn 31). Etwaige auch nach Auslegung der Unterlagen verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Auftraggebers.

(b) Ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises, auf den es vorliegend für das Verständnis des Erklärungswerts der Vergabeunterlagen ankommt, konnte den Vergabeunterlagen vorliegend nicht entnehmen, dass die für die Auftragsdurchführung erforderlichen WI-Geräte bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe einsatzbereit zur Verfügung stehen musste.

Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass dem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Der Auftragnehmer muss, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, was vorliegend nicht der Fall ist, in der Regel erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen (vgl. Senat, Beschl. v. 12.06.2019 – VII Verg 52/18; Senat, Beschl. v. 26.07.2018 – VII-Verg 28/18; Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl., § 57 Rn. 125). Andernfalls würde dem Bieter in nicht zumutbarer Weise abverlangt, weitreichende Dispositionen auf die bloße Vermutung eines Zuschlags zu treffen (Senat, Beschl. v. 04.02.2013 – VII-Verg 52/12; Kadenbach, in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 122 GWB). Lediglich die Eignung des Bieters, insbesondere der Umstand, dass er zu den ausgeschriebenen Leistungen in der Lage sein wird, muss im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung geklärt sein und in diesem Zeitpunkt bejaht werden können (Senat, Beschl. v. 12.06.2019 – VII Verg 52/18; Senat, Beschl. v. 04.02.2013 – VII-Verg 52/12; Senat Beschl. v. 05.07.2006, VII-Verg 25/05).

Aus den Vergabeunterlagen ergibt sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit, dass die Antragsgegnerin ausnahmsweise abweichend von dem Regelfall gefordert hat, dass die angebotenen WI-Geräte nicht erst zu Vertragsbeginn, sondern bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen. Eine ausdrückliche Erklärung hierzu enthalten die Vergabeunterlagen nicht. Auch ergibt sich eine solche nicht durch Auslegung der Vergabeunterlagen gemäß §§ 133, 157 BGB, da ein eindeutiger Inhalt nicht ermittelt werden kann. Zwar heißt es in Punkt b2), S. 8 der „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“ und damit an einer nicht hervorgehobenen Position der Vergabeunterlagen:

b2) …

Die Angaben in den Blättern 1 und 2 werden durch die vorzulegenden Schiffspapiere für die

angebotenen WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen stichprobenartig plausibilisiert.

Angebotene Geräte, für die keine gültigen Schiffsdokumente mit Angebotsabgabe vorliegen,

werden vom Angebot ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb von 6 Kalendertagen nach

Aufforderung durch die Vergabestelle gültige Dokumente nachgereicht werden (siehe auch

Punkt 4).

Jedoch kann aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin gültige Schiffsdokumente für das angebotene WI-Gerät im Zeitpunkt der Angebotsabgabe fordert, nicht geschlossen werden, dass das WI-Gerät bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein muss und nicht – wie vorliegend durch Aufbau einer mobilen WI-Technik – erst bei Vertragsbeginn. Zwar können nur dann gültige Schiffsdokumente für das angebotene WI-Gerät vorgelegt werden, wenn das WI-Gerät bereits existent ist. Gleiches gilt soweit in Ziff. 3.4.2 der „Baubeschreibung“ gefordert wird, dass das WI-Gerät seegängig und eine gültige Erlaubnis zum Befahren der Wasserstraße zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe besitzt. Jedoch steht ein solches Verständnis in Widerspruch zu Ziff. 3.4.1 der „Baubeschreibung„.

Danach haben lediglich grundsätzlich alle erforderlichen Schiffsdokumente zum Betrieb des Geräts für das WI-Gerät bei Angebotsabgabe gültig vorzuliegen. Dies bedeutet aber, dass auch Ausnahmen möglich und zulässig sein können. Hierfür spricht auch der sich aus den Vergabeunterlagen ergebende Zweck, der mit den vorzulegenden Schiffsdokumenten verfolgt wird. Die Schiffspapiere sollen im Rahmen der Eignungsprüfung der stichprobenartigen Plausibilisierung der Abmessungen der WI-Geräte dienen. Dies können aber auch Schiffspapiere, die sich lediglich auf das Schiff selbst beziehen, wenn und soweit sich durch die aufzubauende WI-Technik keine Änderungen an den Schiffsmaßen eintreten.

(2) Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt ferner nicht in Bezug auf die geforderte Injektionstiefe (Mindestsohltiefe) vor. Gemäß Ziff. 3.4.3 der Baubeschreibung soll die Injektionstiefe des angebotenen WI-Geräts mindestens 21,0 Meter betragen. Diesen Anforderungen genügt das angebotene WI-Gerät „M„. Die Antragsgegnerin hat das WI-System „M“ anhand der von der Beigeladenen eingereichten Beschreibung geprüft. Aus den eingereichten Datenblättern ergibt sich, dass das Gerät eine Injektionstiefe von bis zu 24 m erlaubt. Umstände, aus denen sich sachliche oder fachliche Zweifel der Antragsgegnerin an der Richtigkeit dieser Angaben hätten ergeben können, hat die Antragstellerin weder dargelegt, noch sind solche ersichtlich. Allein aufgrund der Länge des Schiffs „M“ lassen sich begründete Zweifel nicht herleiten.

c. Die Beigeladene war nicht mangels Eignung nach § 122 Abs. 1 GWB, § 16b EU Abs. 1 VOB/A auszuschließen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr zu Recht die Eignung der Beigeladenen bejaht.

Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters, zu seiner technischen, beruflichen und auftragsbezogenen Leistungsfähigkeit, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 05.09.2018 – VII Verg 14/18; OLG München, Beschl. v. 05.11.2009, Verg 13/09; Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 57 VgV Rn. 120 nwN).

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hält die nach Aufklärung des Angebots getroffene und im Vergabevermerk dokumentierte Prognose der Antragsgegnerin, die Beigeladene sei zur Durchführung des Auftrags geeignet, weil sie insbesondere die Verfügbarkeit von notwendigen Personal und Gerät für die fach- und fristgerechte Ausführung der ausgeschriebenen Nassbaggerarbeiten nachgewiesen habe, einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen in Bezug auf die Verfügbarkeit des angebotenen WI-Geräts M und die zum Nachweis hierfür vorgelegten Unterlagen vergaberechtsfehlerfrei gemäß § 15 EU Abs. 1 VOB/A aufgeklärt.

(1) Nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Bei einem bestehenden Aufklärungsbedarf ist eine Aufklärung insoweit möglich, als dass die Maßnahme nicht dazu dienen darf, dem Bieter eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung seines Teilnahmeantrags zu ermöglichen. Aufklärungsmaßnahmen dürfen nur zur Abklärung bestehender Zweifelsfragen, nicht aber zur Abänderung des Angebots führen, weil sonst der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) nicht gewahrt werden würde (OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.02.2012 – 2 Verg 15/11, jurs – Rn 57 f.; OLG München, Beschl. v. 2. 9. 2010 – Verg 17/10). Das gilt auch für nachgereichte Unterlagen, die nicht unmittelbar das Angebot selbst, aber Eignungsnachweise betreffen (OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15). Naturgemäß sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 EU Abs. 3 VOB/A) – womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf.

Gemäß der Intention der VOB/A-EU, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinn von § 13 EU Abs. 1 Nr. 4, § 16 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15). Ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet, hat er von sich aus, und zwar für Bieterunternehmen klar und eindeutig erkennbar, das Verfahren nach § 15 EU VOB/A einzuleiten. Dies folgt nicht nur aus dem Gebot der Transparenz, sondern auch daraus, dass der Auftraggeber Bietern zudem die Rechtsfolge einer unterbleibenden Mitwirkung, nämlich einen drohenden Angebotsausschluss nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A, nachhaltig vor Augen zu führen hat, um sie zu der gebotenen Mitwirkung anzuhalten (Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15 Rn 25 ff., NZBau 2016, 61).

(2) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die von der Antragsgegnerin nach Angebotsabgabe betriebene Aufklärung des Angebots der Beigeladenen nicht zu beanstanden.

(a) Eine Aufklärung war nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich – so die Auffassung der Antragstellerin – bei den auf das Aufklärungsverlangen eingereichten Erklärungen nicht um historische Unterlagen handelt. Die Antragsgegnerin hat keine mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen nachgefordert, da die Schiffsdokumente bereits vorlagen. Ziel ihres Aufklärungsverlangens war es vielmehr den Einfluss der zu installierenden WI-Technik auf die Schiffsdokumente abzuklären.

(b) Das Angebot der Beigeladenen war aufklärungsbedürftig. Weiterer Aufklärungsbedarf ergab sich aus den Antworten der Beigeladenen auf das jeweilige Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin. Die mit dem Angebot vorgelegten (gültigen) Schiffsdokumente waren auf „L“ und nicht auf das angebotene WI-Gerät „M“ ausgestellt, weshalb die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.11.2021 vermeintlich fehlende Unterlagen nachgefordert hat. Die Beigeladene erklärte mit Antwortschreiben vom 19.11.2021, dass „L“ und „M“ – wie bereits in den Angebotsunterlagen und der diesem beigefügten „Vorstellung und Beschreibung des WI-Systems „M“ – mitgeteilt – ein und dasselbe Boot seien und „L“ derzeit in „M“ umbenannt und umgeflaggt werde. Ferner erläuterte sie unter Vorlage des Schreibens der vom 18.11.2021, dass die Ausstattung des Schiffs mit dem mobilen und modularen WI-System keine Auswirkung auf die Schiffsdokumente habe. Dies nahm die Antragsgegnerin zu Recht zum Anlass, die Beigeladene mit Aufklärungsschreiben vom 17.12.2021(versehentlich datierend auf den 17.11.2021) zur Verifizierung dieser Angaben aufzufordern. Sie bat um Mitteilung, inwieweit bezüglich der vorgesehenen Umbauten und des Gewichts eine Abstimmung mit dem zuständigen Flaggenstaat herbeigeführt worden sei. Lediglich in diesem Zusammenhang wurde auch um die Vorlage der Einverständniserklärung des Flaggenstaats für den Einsatz als WI-Gerät gebeten, alternativ sollte Auskunft darüber gegeben werden, bis wann die Einverständniserklärung beigebracht werden könne. Zudem wurde die Beigeladene um die Übersendung eines Umbauzeitplans gebeten.

In Reaktion hierauf hat die Beigeladene – anders als die Antragstellerin meint – keine wertungsrelevanten Unterlagen nachgereicht. Mit Antwortschreiben vom 31.12.2021 hat die Beigeladene mitgeteilt, dass die Klassifizierungsgesellschaft für die Frage der Eignung des Schiffs als mobiler WI-Bagger zuständig sei, und diese grundsätzlich keine Einwände habe, dass das „M“ mit mobiler WI-Technik als WI-Bagger betrieben werde. Grundlage der Wertung blieben auch nach dieser Aufklärung die in dem technischen Datenblättern in Bezug auf das WI-Gerät „M“ enthaltenen Angaben, welche allein durch die eingereichten Schiffsdokumente plausibilisiert werden. Auch das weitere Aufklärungsverlangen vom 06.01.2022 der Antragsgegnerin beinhaltet kein Nachfordern wertungsrelevanter Unterlagen oder eine inhaltliche Änderung des ursprünglichen Angebots. Die Beigeladene wurde unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 31.12.2021 aufgefordert, eine Stellungnahme der Zertifizierungsgesellschaft einzureichen, mit der diese bestätige, dass die eingereichten Schiffsdokumente unter Berücksichtigung des geänderten Einsatzzwecks weiterhin Gültigkeit behielten und keinen Änderungen unterlägen, woraufhin die Beigeladene mit Schreiben vom 11.01.2022 eine E-Mail der Klassifizierungsgesellschaft übersandte, aus der hervorgeht, dass sich die Klasse des Schiffs nicht ändere und daher eine Zustimmung des zuständigen Flaggenstaats nicht erforderlich sei, wobei noch eine abschließende Besichtigung stattzufinden habe. Auch diese Aufklärung diente allein der Plausibilisierung der Angaben der Beigeladenen, in Bezug auf die Auswirkungen des Aufbaus der mobilen WI-Technik auf die der Schiffsdokumente.

Demselben Zweck diente die Anfrage der Antragsgegnerin bei der BG Verkehr sowie die eigene Anfrage vom 05.01.2022 bei der Zertifizierungsgesellschaft, auf welche die Antragsgegnerin ebenfalls am 11.01.2022 eine der an die Beigeladene entsprechend lautende Antwort der Zertifizierungsgesellschaft erhalten hat. Die Antragsgegnerin durfte sich im Rahmen der Aufklärung an einen Dritten, vorliegend die BG Verkehr oder die Zertifizierungsgesellschaft wenden. Es ist grundsätzlich Sache der Vergabestelle, in welchem Umfang und wie sie die Plausibilität der Bieterangaben überprüft (OLG München, Beschl. v. 22.11.2012 – Verg 24/12).

Auch die Durchführung des Ortstermins diente dazu, den Umbauzeitplan zu verifizieren und festzustellen, ob das WI-Gerät rechtzeitig zum Vertragsbeginn fertig sein würde. Ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A ist darin nicht begründet. Es liegt auch kein Verstoß gegen das zwingende Formerfordernis der Textform für Angebote (§ 9 Abs. 2 VgV, § 11 EU Abs. 7 VOB/A) vor. Die im Ortstermin durchgeführte Aufklärung hatte keine Änderung oder Ergänzung des Angebots zum Ziel. Auch die dort gewonnen Erkenntnisse führen nicht zu einer Abänderung des Angebots, sondern dienten lediglich der Verifizierung der Angaben der Beigeladenen zur Realisierbarkeit der Montage der mobilen WI-Technik innerhalb des angegebenen Umbauzeitplans mit Fertigstellung zum Vertragsbeginn am 01.02.2022.

bb) Soweit die Antragsgegnerin nach durchgeführter Aufklärung die Eignung der Beigeladenen im Ergebnis bejaht hat und davon ausgegangen ist, dass ihr zum Vertragsbeginn am 01.02.2022 das angebotene WI-Gerät „M“ einsatzbereit zur Verfügung stehen wird, erfolgte die materielle Eignungsprüfung ermessenfehlerfrei. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Einhaltung des Umbauzeitenplans für die Installation des mobilen und modularen WI-Systems auf dem Schiff „M“ als auch bezüglich der nachzuweisenden geometrischen Abmessungen des fertiggestellten WI-Geräts.

(1) Nach den im Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen betrug der stahlbauliche Fertigungsstand der auf dem Schiff zu montierenden WI-Technik 80 Prozent. Zudem handelte es sich bei der modularen WI-Technik um eine der Antragsgegnerin bereits bekannte Technik, die auf einem anderen Gerät bereits erfolgreich zum Einsatz kommt, wie sie im Schriftsatz vom 13.06.2022 (vgl. Ziff. A.III.5) a), S. 8 ausführt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die endgültige Montage auf dem Schiff mittels eines Mobilkrans ohne größeren Aufwand erfolgen kann, ist die seitens der Antragsgegnerin getroffene Einschätzung, dass der Umbauzeitplan zwar eng bemessen aber realistisch war, ermessensfehlerfrei erfolgt.

(2) Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass sich durch die Installation der mobilen und modularen WI-Technik auf „M„/“L“ die geometrischen Angaben, die sich bis dahin nur aus den Schiffsdokumenten für „L“ ergaben, nicht verändern, ist nicht zu beanstanden. Ausweislich Ziff. 4 der „Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“ (dort S. 17) und Ziff. 1.4 des „Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen) waren die geforderten Schiffsdokumente zur Plausibilisierung der geometrischen Angaben der angebotenen WI-Geräte beizubringen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht außer Streit, dass die Umbenennung und Umflaggung der „L“ in „M“ keinen Einfluss auf die sich aus den Schiffsdokumenten ergebenden geometrischen Angaben haben. Zutreffend ist die Antragsgegnerin darüber hinaus zu der Einschätzung gelangt, dass die Anbringung des WI-Systems auf dem Schiff „M“ nicht zu einer Veränderung der im Freibordzeugnis und/oder Schiffsmessbrief der „L„/ „M“ genannten geometrischen Angaben führt, diese also bei Ausstellung der Schiffsdokumente für den zum WI-Gerät umgerüsteten „M“ unverändert bleiben.

Aus dem Schreiben der ### vom 18.11.2021 folgt, dass die Umbauten keinen Einfluss auf die für die Schiffdokumente entscheidenden Parameter haben, sondern lediglich eine Anmeldung im AIS – einem System, das durch Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit und Lenkung des Schiffsverkehrs verbessert – und den befahrenden Revierzentralen erfordern. Auch die Klassifizierungsgesellschaft ABS, Singapur äußerte sich in der mit Schreiben der Beigeladenen vom 11.01.2022 übersandte E-Mail entsprechend. Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Erklärungen unzutreffend sind, lagen für die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung nicht vor. Dies gilt unabhängig davon, dass sich aus dem weiteren Verlauf der Dinge ergibt, dass die Angaben zutreffend waren, da sie durch das am 23.02.2022 erteilte Freibordzeugnis bestätigt worden sind.

Aus alledem ergibt sich schließlich, dass die Antragsgegnerin davon ausgehen konnte und durfte, dass der Beigeladenen die für das WI-Gerät „M“ beantragten Schiffsdokumente auch erteilt werden würden.

(3) Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die unternehmensbezogenen Eignungsanforderungen nicht erfüllt, sind nicht ersichtlich. Ausweislich des Vergabevermerks der Antragsgegnerin (dort Seite 8) liegen drei Referenzen der Beigeladenen vor, die die geforderten Kriterien (Tidegebiet und Hydrodynamisches Verfahren) erfüllen.

(4) Was die auf Nachforderung der Antragsgegnerin vorgelegten Fotos von dem noch nicht zum WI-Gerät umgerüsteten Schiff „M“ anbelangt, so bedarf es keiner Entscheidung, ob die Vorlage der Bilddokumente (Was soll auf den Bildern abgebildet sein? Was soll mit den Bilddokumenten nachgewiesen werden?) überhaupt wirksam gefordert worden sind. Jedenfalls ergibt sich hieraus im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung nichts zum Nachteil der Beigeladenen, da das WI-Gerät zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe – wie bereits oben ausgeführt – noch nicht einsatzbereit vorliegen musste.

d. Das Angebot der Beigeladenen ist schließlich auch nicht – wie die Vergabekammer zutreffend erkannt hat – wegen wissentlich falscher Angaben beziehungsweise vergaberechtswidriger Beeinflussung der Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) VOB/A auszuschließen. Umstände, aus denen sich ein Ausschlussgrund nach den vorgenannten Vorschriften wegen einer schwerwiegenden Täuschung, wissentlich zurückgehaltener Informationen, des Versuchs der unzulässigen Beeinflussung der Entscheidungsfindung oder der fahrlässigen/vorsätzlichen Übermittlung irreführender Informationen ergeben könnte, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Die Beigeladene hat mit ihrem Angebot beziehungsweise auf das weitere Aufklärungsverlangen immer das angegeben, was ihr in Bezug auf das umzubauende WI-Gerät möglich war. Sie hat in dem vorzulegenden technischen Datenblatt „Blatt 1“ die Angaben zu den Abmessungen des angebotenen WI-Geräts „M“ ausdrücklich inklusive der WI-Gerätschaften gemacht. Hinsichtlich der Schiffsdokumente hat die Beigeladene auf Nachfrage angegeben, dass die Dokumente sich auf das von ihr noch umzubauende Schiff beziehen würden und dass sie davon ausginge, dass durch die Umbauten keine Änderungen der Schiffsdokumente erforderlich werden würden, wie sich aus der von ihr hierzu beigefügten Stellungnahme des sie beratenden Büros vom 18.11.2021 ergebe.

e. Die Wertung der Angebote erfolgte vergaberechtsfehlerfrei im Sinne des § 127 Abs. 1 GWB. Ein wertungsrelevanter Wertungsfehler betreffend das Zuschlagskriterium „Technischer Wert“ liegt nicht vor. Selbst wenn man der Antragstellerin für das Zuschlagskriterium „Technischer Wert„, welches 30 Prozent der Gesamtwertung ausmacht, hypothetisch die volle Punktzahl von 300 Wertungspunkten zubilligen würde – wie es die Antragstellerin für zutreffend erachtet -, erhielte sie in Summe weiterhin weniger Punkte als die Beigeladene aufgrund des seitens der Antragstellerin angebotenen deutlich höheren Preises.

f. Auf die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin wegen Nichterfüllung mehrerer technischer Mindestanforderungen auszuschließen sei (Tiefgang, Mindestbreite WI-Balken nicht erreicht, Pumpleistung) – wie von der Beigeladenen behauptet, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, da es in der Wertung hinter dem Angebot der Beigeladenen liegt.

2. Die nach §§ 171, 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

a. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 GWB.

aa. Die Antragstellerin hat durch die Abgabe ihres Angebots ihr Interesse an dem Auftrag dokumentiert.

bb. Zudem macht sie die Verletzung von Vergabevorschriften geltend, indem sie unter anderem einen vergaberechtswidrig unterlassenen Ausschluss der Beigeladenen von dem Vergabeverfahren rügt.

cc. Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Vergabeverstoß, von dem sie aufgrund der Mitteilung der Antragsgegnerin nach § 134 GWB am 16.01.2022 Kenntnis erlangt hat, mit Anwaltsschreiben vom 26.01.2022 und damit innerhalb der Frist des § 160 Abs. § S. 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig gerügt.

b. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

aa. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht auszuschließen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Ziff. II.1 der Gründe Bezug genommen.

bb. Ein wertungsrelevanter Wertungsfehler betreffend das Zuschlagskriterium „Technischer Wert“ im Sinne des § 127 Abs. 1 GWB liegt nicht vor. Auf Ziff. II.1.f) der Gründe wird verwiesen.

c. Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Ziff. 3 mit dem die Antragstellerin beantragt festzustellen, dass mit der – aus ihrer Sicht – unzureichenden Vorabinformation vom 16.01.2022 und der dadurch verkürzten „Mindestüberlegungsfrist“ des § 134 GWB eine Verletzung ihrer Bieterrechte auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB vorgelegen hat (Rüge 1), hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vorabinformationsschreiben vom 16.01.2022 über den bevorstehenden Zuschlag an die Beigeladene informiert und ferner mitgeteilt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste sei. Zur Begründung wurde auf die Netto-Angebotssumme der Antragstellerin und die Wertungspunkte für die Zuschlagskriterien Preis sowie Technischer Wert hingewiesen. Diese Angaben waren gemessen am Zweck des § 134 Abs. 1 GWB, der Antragstellerin eine nachvollziehbare Begründung über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu liefern und ihr eine Prüfung zu ermöglichen, ob sie Vergaberechtsschutz in Anspruch nehmen möchte, ausreichend.

3. Ein über das der Antragstellerin bereits gewährte weitergehendes Akteneinsichtsrecht nach § 165 Abs. 1 GWB besteht aus den Gründen des Beschlusses vom 04.01.2023, auf die vollinhaltlich Bezug genommen wird, nicht.


III.

Die Kostenentscheidung betreffend die Kosten des Vergabekammerverfahrens beruht auf § 182 Abs. 3 S. 1 und 2 GWB. Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Nachprüfungsantrags zu tragen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen hat die Vergabekammer vergaberechtsfehlerfrei nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG bejaht.

Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf (§ 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 S. 2 GWB). Die Kostentragungspflicht beruht auf der Unbegründetheit des Rechtsmittels der Antragstellerin.

Der Beschwerdewert wird auf bis ### EUR festgesetzt. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des auf die fest vorgesehene Laufzeit entfallenden Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senat, Beschl. v. 10.02.2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn 56). Eine Verlängerungsoption ist grundsätzlich mit fünf Prozent der Hälfte des Auftragswertes für diesen Zeitraum zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v.18.03.2014 – X ZB 12/13, NZBau 2014, 452).