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OLG Frankfurt zu der Frage der Wertung von Nebenangeboten bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte

1. Da gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 VOB/A-EU Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden können, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind, muss sich aus den Ausschreibungsbedingungen unter dem maßgeblichen Blickwinkel eines verständigen und sachkundigen Bieters hinreichend klar ergeben, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Auftraggeber Nebenangebote zugelassen hat.

Die Vorschrift folgt einem völlig anderen Regelungsmechanismus, wie er für den Unterschwellenbereich im ersten Abschnitt der VOB/A gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A vorgeschrieben ist. Während der Auftraggeber dort angeben muss, ob er Nebenangebote nicht oder nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt (andernfalls sie vom Bieter abgegeben werden durften und gewertet werden müssen), kann der Bieter hier nur dann auf eine Wertung seiner Nebenangebote hoffen, wenn der Auftraggeber Nebenangebote entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt für den vom Bieter angebotenen Bereich ausdrücklich zugelassen hat (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 12 zu § 8 VOB/A-EU).

Ein Nebenangebot liegt vor, wenn ein Bieter eine von den Vertragsunterlagen abweichende Art der Leistung anbietet, unabhängig von dem Umfang und dem Gegenstand der Änderung. Eine Abweichung kann daher in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht erfolgen (Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, aaO., Rn 54 zu § 8 VOB/A; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2011 – VII Verg 22/11, OLG Jena, Beschluss vom 21.9.2009, 9 Verg 7/09). Ein technisches Nebenangebot enthält eine abweichende Lösung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Rechtliche Abweichungen betreffen in der Regel den Inhalt des Bauvertrags. Ein wirtschaftliches oder kaufmännisches Nebenangebot liegt beispielsweise im Angebot einer abweichenden Vergütungsform oder im Angebot bestimmter Preisnachlässe unter bestimmten Bedingungen, wie der Beauftragung mehrerer Lose (vgl. dazu Liebschwager in: Burgi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 8 zu § 35 VgV).

Der Auftraggeber kann bei der Zulassung von Nebenangeboten differenzieren, z.B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung beschränken. Dies wird auch durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit a) und b) VOB/A-EU verdeutlicht, wenn dort vorgeschrieben ist, dass der Auftraggeber anzugeben hat, in welcher Art und Weise Nebenangebote einzureichen sind und wenn ihm vorgeschrieben wird, Mindestbedingungen an Nebenangebote zu stellen.

Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen richtet sich nicht nach dem subjektiven Verständnis des Antragstellers eines Nachprüfungsverfahrens, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, so dass der Senat die Unterlagen aus der Sicht eines verständigen, mit der Materie vertrauten Bieters auslegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.2008 – X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung, Rn 10 bei juris).

2. Die Abgabe eines Pauschalpreisnebenangebots ist nicht zulässig, wenn der beabsichtigte Bauvertrag ersichtlich als Einheitspreisvertrag konzipiert war und wenn der Auftraggeber in der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (unter Verwendung des Formblatts 211 – EU) lediglich für einzelne Titel technische Nebenangebote, z.B. in Form eines alternativen Bauverfahrens, zugelassen und insoweit formale und qualitative Mindestanforderungen an die technische Ausführung gestellt hat.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2021 – 11 Verg 4/21

Gründe

I.

Mit EU-Bekanntmachung vom 23.10.2020 schrieb die Antragsgegnerin das streitgegenständliche Vergabeverfahren „A, Referenznummer der Bekanntmachung: B-…“ aus. Gegenstand der Ausschreibung ist der Kanalneubau des A in Stadt1-Stadtteil1 und Stadt1-Stadtteil2 in 4 Bauabschnitten.

Gemäß Amtsentwurf beinhaltet die Ausschreibung im Wesentlichen ca. 580 m offenen Kanalbau einschließlich Schachtbauwerken, einigen Anschlusskanälen, der Übernahme von Hausanschlüssen und Straßeneinläufen und der vollständigen Wiederherstellung der Oberflächen. Die Ausschreibung erfolgte im Offenen Verfahren. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.

Der Sammler entlang des X-Stadions (Bauabschnitt 2) soll aus Fertigteilen in offener Bauweise hergestellt werden, der Sammler in den Bauabschnitten 3 und 4 in Ortbetonbauweise. Gemäß Ziffer 6.2 der Angebotsaufforderung waren dazu Nebenangebote in folgendem Umfang zugelassen:

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Der Angebotsaufforderung lag das Formblatt 212 bei, wo es wörtlich wie folgt lautet:

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Das rund 300 Seiten lange Leistungsverzeichnis gliedert sich in Ordnungszahlen, Leistungsbeschreibung, Mengenansätze, Einheitspreis und Gesamtpreis, vereinzelt finden sich auch Positionspauschalpreise (Bl. 71 – 374 VA).

Die Antragstellerin stellte am 20. November 2020 unter anderen eine Frage zur Zulässigkeit der Nebenangebote, die ihrer Ansicht nach nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind. In der Bieteranfrage heißt es wörtlich wie folgt:

„… Gemäß Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind Nebenangebote nur für die Titel 30.10 und 40.41 zulässig. Liest man sodann jedoch weiter, sind Änderungen, die sich aus Nebenangeboten zu diesen Titeln ergeben, titelübergreifend in den betroffenen LV-Positionen abzubilden. Das resultiert daraus, dass die zulässigen Änderungen auch Einfluss auf weitere Titel der Ausschreibung haben. Denn bei genauerer Betrachtung ist durch die gemäß Mindestbedingungen zugelassenen Varianten die Mehrheit der ausgeschriebenen Titel (BE, Erdarbeiten, Abbrucharbeiten, Stahlbetonarbeiten, Bauwerke, Grundwasserhaltung, Wasserhaltung) betroffen. Demnach müssen Nebenangebote auch für andere Titel zulässig sein. Die in Ziffer 6.2 gewählte Formulierung ist widersprüchlich bzw. nicht eindeutig. Um ihr eine erforderliche Klarheit für den Wettbewerb zu schaffen, sollten die Mindestbedingungen so formuliert werden, dass klar benannt wird, wo keine Nebenangebote zulässig sind…“

Die Antragsgegnerin beantwortete die von der Antragstellerin gestellten Bieteranfragen durch Schreiben vom 23. November 2020 auszugsweise wie folgt:

„Die B hat für die auszuführenden Arbeiten das Leistungsbestimmungsrecht… Aufgrund der Auflagen bzw. Abstimmungen mit dem Stadionbetreiber wurden ausnahmsweise Fertigteile entlang des Stadions durch die B zugebilligt, da die Bauzeit in diesem Bereich verkürzt werden sollte. Ansonsten sind Ortbetonkastenkanäle auszuführen. Durch die nunmehr zeitlich verschobene Baumaßnahme in die Jahre 2021/2022 wurde unter weitestgehend Aufrechterhaltung der B Standards die Verlegung von Kastenkanalfertigteilen durch die B toleriert. Dafür können durch die Bieter Nebenangebote eingereicht werden. Diese Nebenangebote müssen selbstverständlich die sich ändernden anderen dafür notwendigen Leistungen erfassen (Erdarbeiten etc.). (Unterstreichung durch den Senat)“ (Anlage ASt 3).

Die Antragstellerin gab am 8.12.2020 fristgerecht ein Hauptangebot sowie sechs Nebenangebote ab. Das Nebenangebot 1 bezieht sich auf die Herstellung des Kanals im Bauabschnitt 3 und 4 (Titel 40.41) mit Hilfe von Fertigbauteilen anstatt Ortbetonbauweise und wird mit einer pauschalen Angebotssumme angeboten. Die Antragstellerin legte unter Ziffer 1.5 ihres Angebots dar, dass i. E. die alternative Bauweise Auswirkungen auf „fast jede(n) Titel des Leistungsverzeichnisses“ habe, weswegen es sich bei ihrem Nebenangebot um eine weitreichende Planungs- und Verfahrensänderung handle, „die nicht eins zu eins im LV des Amtsentwurfs abgebildet werden könne“ (Anlage ASt 4 Vergabekammerakte, im folgenden VKA). Deshalb fügte sie ihrem Nebenangebot 1 ein nach eigenen Positionsnummern umformuliertes Leistungsverzeichnis (Kurz-LV – N1) sowie die Aufstellung „Angebotserläuterung und Zuordnung“ bei, in der sämtliche Positionen des Amts-Leistungsverzeichnisses denjenigen des Nebenangebots zugeordnet werden, wobei das Nebenangebot etwaig entfallende Positionen explizit als solche ausweist (Anlagen ASt 21 + AStV 22 VKA).

Das Nebenangebot 2 ist eine optionale Ergänzung zum Nebenangebot 1 und hat einen alternativen Rohrvortrieb im Bauabschnitt 2 (Titel 30.10) zum Gegenstand, der ebenfalls mit einer pauschalen Angebotssumme angeboten wird, um die sich die Angebotssumme des Nebenangebots 1 erhöht (Anlage ASt 5 VKA).

Mit Schreiben vom 9. März 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass sie beabsichtige den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Hauptangebot der Antragstellerin sei nicht zu berücksichtigen, weil ein wirtschaftlicheres Nebenangebot der Mitbieterin vorliege. Das Nebenangebot 1 der Antragstellerin erfülle nicht die geforderten Mindestanforderungen, da es u.a. eine Pauschalierung der Gesamtsumme vorsehe, was den Vorgaben der Bekanntmachung widerspreche. Die Nebenangebote 2 – 6 seien als Option zum Nebenangebot 1 definiert und daher ebenfalls nicht zu werten (Anlage AST 7 VKA).

Einer entsprechenden Rüge der Antragstellerin half die Antragsgegnerin nicht ab, führte allerdings nun zur Begründung aus, dass die Nebenangebote der Antragstellerin aus formalen Gründen auszuschließen seien (Anlage AST 13).

Auf erneute Rüge der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin ihr unter Verweis auf eine gutachterliche Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 30. April 2021 mit, die eingereichten Nebenangebote seien als „nicht zugelassene Nebenangebote“ gemäß § 16 EU Nr. 5 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Die Antragsgegnerin habe lediglich Nebenangebote für technische Alternativen zu den Titeln 30.10 und 40.41, nicht aber wirtschaftliche oder preisliche Nebenangebote, wie z.B. Pauschalpreisangebote zugelassen. Als solches stelle sich das Nebenangebot 1 der Antragstellerin dar. Die vorangegangenen Vergabeentscheidungen, bei denen der Ausschluss der Nebenangebote auf die Nichterfüllung von Mindestanforderungen bzw. auf formale Gründe gestützt wurden, werden durch diese Stellungnahme zurückgenommen (Anlagen AST 17 und 18).

Die Antragstellerin hat daraufhin ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Sie hat dazu vorgetragen, ein Ausschlussgrund nach § 16 EU Nr. 5 VOB/A liege hinsichtlich ihrer Nebenangebote 1 und 2 nicht vor. Die Antragsgegnerin habe in der Auftragsbekanntmachung und in ihrer Angebotsaufforderung Nebenangebote grundsätzlich zugelassen und in technischer Hinsicht eine Einschränkung nur in Bezug auf explizit benannte Bereiche vorgenommen. Pauschalpreis-Nebenangebote seien weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden. Dies lasse sich bei verständiger Würdigung auch aus der Formulierung in dem beigefügten Formblatt 212 entnehmen. Sie – die Antragstellerin – habe sich daran orientiert und im Nebenangebot 1 lediglich eine technische Alternative zu der im Titel 40.41 beschriebenen Leistung angeboten, wie es in der Ausschreibung schon vorgesehen worden sei. Dass dieser Alternative Auswirkungen auf nahezu alle anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses habe, ergebe sich aus dem damit geänderten Leistungsprofil. Dies sei auch bereits in der oben dargestellten Bieteranfrage problematisiert worden, die die Antragsgegnerin abschlägig beantwortet habe.

Durch das Kurz-Leistungsverzeichnis und die Konversionstabelle (Anlagen AST 21 und 22 VKA) habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine Zuordnung der im Nebenangebot enthaltenen Leistungen zu den im ausgeschriebenen Leistungsverzeichnis enthaltenen Positionen ermöglicht. Ihre Nebenangebote erfüllten daher die Mindestvoraussetzungen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass sich das Nebenangebot 1 als vollständig autarkes Nebenangebot darstelle. Daher seien die formalen Anforderungen gemäß § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 a VOB/A erfüllt.

Die Vergabekammer hat der Antragstellerin ursprünglich mitgeteilt, sie beabsichtige, ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zu entscheiden, weil der Nachprüfungsantrag offensichtlich unbegründet sei. Das Angebot der Antragstellerin sei schon wegen § 16 Nr. 6 VOB/A – EU auszuschließen, weil sie mit ihrem Nebenangebot 1 unzulässigerweise ein zweites Hauptangebot abgegeben habe. Ferner ergebe sich ein Ausschlussgrund aus § 16 Nr. 5 VOB/A-EU, weil die Antragstellerin ein Pauschalpreisangebot eingereicht habe, obwohl dies nach den Ausschreibungsunterlagen nicht zugelassen worden sei (Bl. 226 f. VKA). Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten.

Die Vergabekammer hat dann nach mündlicher Verhandlung den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin sei nicht gegeben, denn ihre Nebenangebote seien gemäß § 16 a EU Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Kammer hat es offengelassen, ob nach den Vergabeunterlagen tatsächlich auch ein Pauschalpreisvertrag zulässig gewesen wäre, so dass die Nebenangebote der Antragstellerin gegebenenfalls als wirtschaftliche Nebenangebote zu werten seien. Der Annahme eines Pauschalpreisvertrages erfordere jedenfalls eine eindeutige, darauf abzielende pauschalierte Pauschalierungsabrede, die sich hier in den Vergabeunterlagen nicht finde.

Unabhängig davon wäre die Antragstellerin nach Ansicht der Vergabekammer verpflichtet gewesen, ihre beiden Nebenangebote nicht nur nach Mengenansätzen sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern, was hier nicht geschehen sei. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Antragstellerin das Risiko von Ausführungs- und Mengenabweichungen übernommen habe. In den Vergabeunterlagen seien Nebenangebote ausschließlich unter der Bedingung zugelassen worden, dass sämtliche Positionen bepreist würden. Es fehlten hier auch Preispositionen, die nicht als unwesentlich betrachtet werden könnten und bei denen eine Nachforderung von Unterlagen durch die Vergabestelle bzw. eine Aufklärung und Verhandlung über den Angebotsinhalt daher nicht möglich sei.

Die Vergabekammer sei nicht an die rechtliche Begründung gebunden, die die Antragsgegnerin für den Ausschluss der Nebenangebote gegeben habe. Der Ausschluss sei hier zwingend, so dass eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle nicht in Betracht komme.

Die Antragstellerin hat gegen die abweisende Entscheidung der Vergabekammer, die ihr am 15. Juli 2021 zugestellt worden ist, mit dem am 30. Juli 2021 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wirft der Vergabekammer vor, ihren Prüfungsspielraum überschritten zu haben, indem sie die Nebenangebote wegen angeblich fehlender Preisangaben ausgeschlossen habe, ohne dass die Antragsgegnerin als Vergabestelle eine solche Beurteilung zuvor vorgenommen habe.

Der den Vergabekammern zustehende Prüfungsmaßstab beschränke sich gemäß § 168 Abs. 1 GWB auf eine reine Rechtskontrolle. Zweckmäßigkeitsüberlegungen müssten außen vor bleiben, weswegen die Vergabekammer ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle derjenigen des öffentlichen Auftraggebers setzen dürfe. Hier habe sich die Antragstellerin mit dem Nachprüfungsverfahren gegen den Ausschluss ihrer Nebenangebote gewehrt, den die Antragsgegnerin auf § 16 EU Nr. 5 VOB/A gestützt habe. Die Vergabekammer habe mit § 16 a EU Abs. 2 i.V. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A einen neuen Ausschlussgrund herangezogen, ohne zu beachten, dass dem Ausschluss von Angeboten nach dieser Vorschrift eine eigenständige Prüfung der Vergabestelle vorangehen müsse, die hier nicht durchgeführt worden sei. Ein Ausschluss nach dieser Vorschrift setze nämlich voraus, dass die Vergabestelle prüft ob (a) wesentliche Preisangaben überhaupt fehlen sowie (b) ob diese gegebenenfalls nachzufordern sind. Diesen Ausschlussgrund habe die Vergabestelle hier überhaupt nicht in Betracht gezogen, so dass es an einem entsprechenden Überprüfungsgegenstand für die Vergabekammer fehle.

Unabhängig davon sei ein Ausschlussgrund nach § 16 a EU Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A hier auch nicht gegeben. Die rechtliche Bewertung der Vergabekammer sei falsch, denn im Hinblick auf die Prüfung von § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A liege dem angefochtenen Beschluss eine Fehlvorstellung zu Grunde. Die Antragsgegnerin habe in den Vergabeunterlagen nicht vorgegeben, das Nebenangebote in Mengenansätze und Einheitspreisen zu gliedern seien. In den oben bereits zitierten Teilnahmebedingungen werde unter Ziffer 4.3 vielmehr klargestellt, dass Nebenangebote, soweit sie Teilleistungen des Leistungsverzeichnisses beeinflussen, nach Mengenansätze und Einzelpreisen (und nicht nach Einheitspreisen) aufzugliedern seien (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme). Genau das habe die Antragstellerin mit ihrem Kurz- Leistungsverzeichnis des Nebenangebotes 1 auch getan und darüber hinaus der Antragsgegnerin eine Handreichung gegeben, in dem durch die Konversionstabelle eine Zuordnung der im Nebenangebot aufgeführten Einzelleistungen zu dem Amts-Leistungsverzeichnis vorgenommen worden sei.

Der Antragsgegnerin habe auch nicht vorgegeben, dass in den Nebenangeboten sämtliche Positionen „bepreist“ werden müssten. Vielmehr schreibe Ziffer. 6.2 der Angebotsaufforderung lediglich vor, dass sämtliche notwendigen Arbeiten sowie alle hierfür entfallenden bzw. zusätzlichen Leistungen, die im Hauptangebot beschrieben sind, positionsweise in dem Nebenangebot mit den entsprechenden Mengenvordersätzen zu erfassen und preislich darzustellen sind. Die Antragsgegnerin habe keine weiteren Anforderungen an die Art der Darstellung von Nebenangeboten gemacht, so dass nicht verlangt werden könne, dass die Bieter über eine Aufgliederung der notwendigen Arbeiten hinaus auch noch Einzelpositionen mit Einheitspreisen angegeben müssten.

Aus der Konversionstabelle ergebe sich, dass alle Positionen und damit alle Leistungen des Amtsleistungsverzeichnisses in ihrem Nebenangebot enthalten seien. Die Antragsgegnerin habe eine derartige Gestaltung des Angebotes ermöglicht, indem sie bereits in Ziffer 4.2 des der Angebotsaufforderung beiliegenden Formblatts 212 klargestellt habe, dass die Gliederung des Leistungsverzeichnisses nur beizubehalten sei, „soweit dies möglich“ ist. Dem sei die Antragstellerin auch nachgekommen, habe aber in ihrem Anschreiben klargestellt, dass durch die alternative Ausführung der Leistung gem. Ziffer 40.41 des Amts-LV mit Fertigbauteilen Änderungen bei fast jedem Titel des Leistungsverzeichnisses einträten und dass deswegen ein exaktes „Runterbrechen“ der veränderten Leistungen auf die Positionen nicht in Gänze möglich sei. Besondere Eile in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung sei nicht gegeben, es sei auch nicht ersichtlich, dass die zu erbringende Leistung durch eine verzögerte Realisierung gefährdet wäre.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat vorgebracht, die Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin müssten vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, denn dort habe es die Antragstellerin versäumt, beide Nebenangebote nicht nur nach Mengen, sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern. In den Vergabeunterlagen seien Nebenangebote ausdrücklich nur unter der Bedingung zugelassen worden, dass sämtliche Leistungen mit den entsprechenden Mengenvordersätzen positionsweise erfasst und preislich dargestellt würden. Dies habe die Antragstellerin versäumt. Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, sie habe sich im Vergabeverfahren ausdrücklich vorbehalten, eine Preisermittlung auf Einheitspreisebene vorzunehmen. Sinn und Zweck sei es gewesen, jeder einzelnen Leistung einen nachvollziehbaren Preis zuzuordnen, damit etwaige Mengenanpassungen oder anderer Nachträge preislich korrekt bewertet werden könnten. Mit den von ihr ausgeschlossenen Nebenangeboten 1 und 2 in der Antragstellerin sei dies nicht möglich.

Der Senat hat zum einen die Fa. E zum Beschwerdeverfahren beigeladen und dieser Einsicht in die wesentlichen Unterlagen des Vergabenachprüfungsverfahrens gegeben. Ferner hat der Senat durch Beschluss vom 6. September 2021 antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert und der Antragstellerin Einsicht in das geschwärzte Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen gewährt.

Die Antragstellerin wiederholt ihren Vorwurf, die Vergabekammer habe § 16a Abs. 2 VOB/A-EU nicht als Ausschlussgrund heranziehen dürfen, weil dies voraussetze, dass die Vergabestelle nach einer technischen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die Änderungen im Nebenangebot 1 hinsichtlich der Mengen, Qualitäten und Preise auf die Einzelpositionen im Amtsentwurf auswirken. Eine solche Prüfung sei nicht erfolgt und habe auch von dem Verfahrensbevollmächtigen der Antragsgegnerin mangels hinreichender Fachkenntnis nicht durchgeführt werden dürfen. Die Antragstellerin untermauert ihren Sachvortrag durch ein Privatgutachten des Bausachverständigen C (Anlage Bf 2).

Der direkte Vergleich der angebotenen Leistungen belege ferner, dass das von der Beigeladenen zum Titel 40.41 des Leistungsverzeichnisses vorgelegte Nebenangebot von der Wertung ausgeschlossen werden müsse, weil ihm eine titelübergreifende Darstellung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen fehle und es namentlich nicht berücksichtige, dass sich durch die Umstellung von Ort- auf Fertigbeton die Preisgestaltung für andere Titel des Leistungsverzeichnisses, wie z.B. des Titels 20 „Erd- und Verbauarbeiten“ zwingend ändern müsse. Im Hinblick auf die Frage, ob kaufmännische Nebenangeboten zugelassen worden seien, verweist die Antragstellerin nochmals auf Ziffer II.2.3. der Vergabebekanntmachung (Anlage AST 1 VKA), wo sich keine entsprechende Differenzierung finde.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 8. Juli 2021 aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, den Ausschluss der Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin in dem Vergabeverfahren „A, Referenznummer der Bekanntmachung: B-…“ zurückzunehmen und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen und die Prüfung und Wertung der Angebote unter Einbindung der Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin zu wiederholen,

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin erforderlich war und

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Vergabekammer habe ihre Prüfungskompetenz nicht überschritten, denn sie habe auf Grundlage der von ihr als richtig angesehenen tatsächlichen Sacherwägungen der Antragsgegnerin lediglich eine andere rechtliche Wertung vorgenommen, was ihr unbenommen sei. Die Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin müssten vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, denn dort habe es die Antragstellerin versäumt, beide Nebenangebote nicht nur nach Mengen, sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern. Die Antragsgegnerin habe sich im Vergabeverfahren ausdrücklich vorbehalten, eine Preisermittlung auf Einheitspreisebene vorzunehmen. Sinn und Zweck sei es gewesen, jeder einzelnen Leistung einen nachvollziehbaren Preis zuzuordnen, damit etwaige Mengenanpassungen oder anderer Nachträge preislich korrekt bewertet werden könnten.

Mit den von ihr ausgeschlossenen Nebenangeboten 1 und 2 in der Antragstellerin sei dies nicht möglich, denn die Antragstellerin habe in ihrer Konversationstabelle, die sie mit dem Kurz-Leistungsverzeichnis zum Nebenangebot (Kurz-LV NA 1) vorgelegt habe, in zahlreichen Fällen einzelne Positionen des Amts-Leistungsverzeichnisses mehreren Positionen ihres Kurz-LV NA 1 zugeordnet, ohne dass nachvollziehbar wäre, welcher Bruchteil welcher Amtsentwurfsposition in welche Position des Kurz-LV übergegangen wäre und welche Mengenangaben maßgeblich seien. Dies wird in Ergänzung zu dem bereits im Vergabenachprüfungsverfahren vorgelegten Schriftsatz vom 20.Mai 2021 nochmals anhand mehrerer Einzelpositionen des Amtsentwurfs erläutert und veranschaulicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin hier keine kaufmännischen Nebenangebote zugelassen habe. Maßgeblich seien die Festlegungen in Ziffer 6 der mit dem Formblatt 211 EU-Hessen bekannt gemachten Aufforderung zur Angebotsabgabe, die dem Auftraggeber insgesamt vier Optionen für die Zulassung von Nebenangeboten eröffne. Die Antragsgegnerin habe sich dafür entschieden, lediglich für zwei konkret genannte Bereiche technische Nebenangebote zuzulassen, darüber hinaus vorgegeben, welchen Inhalt die technischen Nebenangebote zu diesen Bereichen überhaupt haben durften und Mindestbedingungen dafür festgelegt.

Die Antragstellerin habe sich ausweislich des ihr vorliegenden Vergabevermerks schon in technischer Hinsicht nicht an die Vorgaben der Ausschreibung gehalten und statt der geforderten Spundwand eine nur vermeintlich gleichwertige Verfahrensweise nach dem von ihr patentierten „D“ angeboten. Im Übrigen sei sie von der vorgegebenen Vergütungssystematik abgewichen. Schon bei unverändertem Leistungsinhalt sei ein Pauschalpreisangebot nicht mit einer Angebotssumme auf Basis der im Leistungsverzeichnis genannten Vordersätze vergleichbar. Dies gelte umso mehr, wenn sich der Pauschalpreis – wie hier – eine vom Bieter alternativ angebotene, in weiten Teilen andere Leistung beziehe. Die mit den Nebenangeboten 1 und 2 von der Antragstellerin unterbreiteten Pauschalpreisnebenangebote seien daher zwingend von der Wertung auszuschließen.

Die Beigeladene tritt dem Vorwurf, ihr Nebenangebot Nr. 5 erfülle nicht die Vorgaben der Ausschreibung, entgegen und trägt vor, sämtliche notwendigen Änderungen seien erfasst worden.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat das Nebenangebot 1 und das optional darauf bezogene Nebenangebot 2 der Antragstellerin mit Recht gem. § 16 Nr. 5 VOB/A-EU von der Wertung ausgeschlossen, weil es sich um ein nicht zugelassenes Pauschalpreisnebenangebot handelt. Mit Recht wurde auch das Nebenangebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen, so dass die erst im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge ebenfalls ins Leere geht. Dazu im Einzelnen:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 Abs. 1 S. 1 GWB).

2. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zwar zulässig. Dies hat die Vergabekammer bereits zutreffend festgestellt und begründet, so dass auf die Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann.

Der Nachprüfungsantrag ist aber nicht begründet.

a) Die Antragstellerin wehrt sich ohne Erfolg gegen den Ausschluss ihrer Nebenangebote, denn diese sind zu Recht von der Antragsgegnerin als nicht zugelassene Nebenangebote von der Wertung ausgenommen worden (§§ 16 Nr. 5, 1. Alt., 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A-EU). Es kann daher offenbleiben, ob die Rechtsauffassung der Vergabekammer zutrifft, wonach diese Nebenangebote gem. § 16a Abs. 2 S. 2 VOB/A-EU zwingend von der Wertung ausgenommen waren, weil sie nicht die geforderten Preise enthielten (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU).

Nach der hier maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 VOB/A-EU können Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind. Die Vorschrift folgt einem völlig anderen Regelungsmechanismus, wie er für den Unterschwellenbereich im ersten Abschnitt der VOB/A gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A vorgeschrieben ist. Während der Auftraggeber dort angeben muss, ob er Nebenangebote nicht oder nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt (andernfalls sie vom Bieter abgegeben werden durften und gewertet werden müssen), kann der Bieter hier nur dann auf eine Wertung seiner Nebenangebote hoffen, wenn der Auftraggeber Nebenangebote entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt für den vom Bieter angebotenen Bereich ausdrücklich zugelassen hat (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 12 zu § 8 VOB/A-EU).

Ein Nebenangebot liegt vor, wenn ein Bieter eine von den Vertragsunterlagen abweichende Art der Leistung anbietet, unabhängig von dem Umfang und dem Gegenstand der Änderung. Eine Abweichung kann daher in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht erfolgen (Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, aaO., Rn 54 zu § 8 VOB/A; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2011 – VII Verg 22/11, OLG Jena, Beschluss vom 21.9.2009, 9 Verg 7/09). Ein technisches Nebenangebot enthält eine abweichende Lösung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Rechtliche Abweichungen betreffen in der Regel den Inhalt des Bauvertrags. Ein wirtschaftliches oder kaufmännisches Nebenangebot liegt beispielsweise im Angebot einer abweichenden Vergütungsform oder im Angebot bestimmter Preisnachlässe unter bestimmten Bedingungen, wie der Beauftragung mehrerer Lose (vgl. dazu Liebschwager in: Burgi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 8 zu § 35 VgV).

Der Auftraggeber kann bei der Zulassung von Nebenangeboten differenzieren, z.B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung beschränken. Dies wird auch durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit a) und b) VOB/A-EU verdeutlicht, wenn dort vorgeschrieben ist, dass der Auftraggeber anzugeben hat, in welcher Art und Weise Nebenangebote einzureichen sind und wenn ihm vorgeschrieben wird, Mindestbedingungen an Nebenangebote zu stellen.

Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen richtet sich nicht nach dem subjektiven Verständnis des Antragstellers eines Nachprüfungsverfahrens, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, so dass der Senat die Unterlagen aus der Sicht eines verständigen, mit der Materie vertrauten Bieters auslegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.2008 – X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung, Rn 10 bei juris). Es war daher zu untersuchen, ob aus dieser Sicht den Vergabeunterlagen hinreichende Anhaltspunkte für die Zulassung kaufmännischer Nebenangebote, etwa in Form von Pauschalpreisnebenangeboten, zu entnehmen waren. Das ist bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Vergabeunterlagen nicht der Fall:

aa) Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass bereits durch die Auftragsbekanntmachung (Anlage AST 1 VKA, dort Ziffer II.2.10) Nebenangebote einschränkungslos zugelassen worden wären. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beigeladenen und der Antragsgegnerin bot die von der Vergabestelle zwingend zu verwendende elektronische Vorlage für die Auftragsbekanntmachung (https://simap.ted.europa.eu/ documents/10184 /99158/DE_Fo2. pdf) keinen Raum für eine konkrete Festlegung des Umfangs der Zulassung von Nebenangeboten. Vielmehr sieht das Bekanntmachungsformular nur die Ankreuzoptionen „ja/nein“ vor und bleibt damit hinter Optionen zurück, die der Gesetzgeber den Vergabestellen eröffnet hat. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin hier „ja“ angekreuzt hat, lässt dementsprechend keine Rückschlüsse darauf zu, dass sie damit einschränkungslos Nebenangebote zulassen wollte. Es kommt vielmehr darauf an, ob nach einer Gesamtschau der Vergabeunterlagen festgestellt werden kann, dass Nebenangebote in dem hier streitgegenständlichen Umfang ausdrücklich zugelassen waren.

bb) Maßgeblich ist in erster Linie die ebenfalls mit Hilfe der einschlägigen Vorlagen (Formblatt 211 EU-Hessen) bekannt gemachte „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots“. Dieses Formblatt bietet der Vergabestelle unter Ziffer 6. die Möglichkeit, Nebenangebote entweder für die gesamte Leistung, eingeschränkt für konkret zu benennende Bereiche, grundsätzlich in weitem Umfang aber mit Ausnahme konkret benannter Bereiche und zuletzt unter konkreten weiteren Bedingungen, wie z.B. nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zuzulassen.

Hier hat die Antragsgegnerin durch Ankreuzen der Option 6.2 für die Ausführung von zwei Titeln des Leistungsverzeichnisses (Titel 30.10 und Titel 40.41) Nebenangebote zugelassen. Die Antragsgegnerin differenziert dort zwar bezüglich der Zulassung von Nebenangeboten nicht zwischen technischen und kaufmännischen Nebenangeboten. Ein verständiger Bieter wird aber dem Fließtext in Ziffer 6.2 entnehmen, dass nur technische, nicht aber kaufmännische Abweichungen von den Vergabeunterlagen zulässig sein sollten. Die Antragsgegnerin hat dort nämlich konkret vorgegeben, welchen Inhalt Nebenangebote zu diesen Bereichen überhaupt haben dürfen: ein alternatives Bauverfahren zu Titel 30.10 und die Errichtung des Kanals aus Fertigbauteilen anstatt aus Ortbeton zu Titel 40.41. Darüber hinaus hat sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechend formale und qualitative Mindestanforderungen an die technische Ausführung aufgestellt, denen ein Nebenangebot in dem eingeschränkt zugelassenen Rahmen genügen muss, um gewertet zu werden. Mindestanforderungen für etwaige kaufmännische Nebenangebote zu diesen Titeln sind dagegen nicht erkennbar, was bereits indiziert, dass die Antragsgegnerin diese auch gar nicht zulassen wollte.

Auch die in Ziffer 6.2 enthaltene Passage „…Sämtliche dafür notwendigen Arbeiten sind im Nebenangebot zu erfassen sowie alle entfallenden bzw. zusätzlichen Leistungen, die im Hauptangebot beschrieben sind (auch titelübergreifend), positionsweise mit den entsprechenden Mengenvordersätzen zu erfassen und preislich darzustellen…“ [Unterstreichung durch den Senat] führen die angesprochenen Bieter nicht zu der Erkenntnis, dass es ihnen erlaubt wäre, eigene Positionen anstatt der Einzelpositionen aus dem Amtsleistungsverzeichnis zu formulieren. Diese Passage ist vielmehr so verstehen, dass die Antragsgegnerin realisiert hat, dass sich die alternative Bauausführung auf weitere Titel auswirken kann, dass sie aber an der Kalkulationsgrundlage des Baupreises festhalten wollte, wie sie in dem von ihr vorgegebenen Leistungsverzeichnis festgelegten worden war.

Der beabsichtigte Bauvertrag war von der Antragsgegnerin erkennbar als Einheitspreisvertrag konzipiert, denn die Leistungsbeschreibung war von den Bietern nach Mengen und Einheitspreisen, teilweise auch nach Positionspreisen aufzugliedern. Mangels einer eindeutigen gesetzlichen Regelung wird der Pauschal(preis)vertrag in Abgrenzung zum Einheitspreisvertrag definiert. Während beim Einheitspreisvertrag die Vergütung immer erst nach Ausführung der Leistung feststeht, weil sie gem. § 2 Abs. 2 VOB/B aus der Multiplikation der ausgeführten Mengen mit dem jeweiligen Einheitspreis ermittelt wird, ist es beim Pauschalvertrag genau umgekehrt: Die Vergütung steht grundsätzlich schon vor der Ausführung fest, nämlich in Form einer „festen“ Summe, eben des Pauschalpreises (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 447 zu § 2 VOB/B). Wenn die Antragsgegnerin somit für die beiden o.g. Titel des Leistungsverzeichnisses auch kaufmännische Nebenangebote, beispielsweise in Form von Pauschalpreisangeboten hätte zulassen wollen, so wäre ihr Verlangen nach einer positionsweisen Aufschlüsselung der Mengenvorder-sätze mit entsprechender preislicher Darstellung nicht notwendig und auch nicht sinnvoll gewesen.

cc) Die Antragstellerin kann sich auch darauf berufen, dass der in Ziffer 6.2 des Formulars 211 EU Hessen vorgegebene Text den Passus „…- ausgenommen Nebenangebote, die ausschließlich Preisnachlässe mit Bedingungen beinhalten…“ enthält. Die Antragstellerin will daraus ableiten, dass die Frage einer Zulassung kaufmännischer Nebenangebote quasi „vor die Klammer“ gezogen wurde und dass die Antragsgegnerin nur diese Variante von kaufmännischen Nebenangeboten ausschließen und sie im Übrigen uneingeschränkt zulassen wollte.

Dem kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass dieser Text bei Verwendung des Formulars bereits vorgegeben war und schon von daher in seinem Aussagewert erheblich eingeschränkt ist, spricht entscheidend gegen die Argumentation der Antragstellerin, dass das Formular den Vergabestellen nachfolgend die Option eröffnet, Nebenangebote „…nur für nachfolgend genannte Bereiche…“ zuzulassen, womit die Möglichkeit geschaffen wird, den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A-EU entsprechend ausdrücklich ganz bestimmte Nebenangebote, wie beispielsweise ausschließlich technische Nebenangebote zuzulassen. Hiervon hat die Antragsgegnerin – wie schon dargestellt – auch explizit Gebrauch gemacht. Wenn man das anders sehen und der Argumentation der Antragstellerin folgen würde, so wäre den Vergabestellen bereits durch die Gestaltung des Formulars ein erheblicher Teil ihres Spielraums zur Bestimmung der „Art und Weise“ von Nebenangeboten (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 a VOB/A-EU) genommen, denn sie wären in allen Fällen der Zulassung von Nebenangeboten gem. Ziffer 6.2 des Formulars gezwungen, mindestens auch kaufmännische Nebenangebote zuzulassen.

dd) Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Antragsgegnerin durch die Verwendung des von den Bewerbungsbedingungen des VHB Bund übernommenen Formblatts „Teilnahmebedingungen 212 EU“ (vgl. dazu Kapellmann/Messerschmidt-Planker, aaO.,Rn 41 zu § 13 VOB/A) Pauschalpreisnebenangebote zu den o.g. Titeln des Leistungsverzeichnisses bzw. sogar zur gesamten Bauleistung zulassen wollte. Sie verweist ohne Erfolg auf den Umstand, dass dort in Ziffer 4.3 im Klammerzusatz die Passage („…auch bei Vergütung durch Pauschalsumme…“) enthalten ist.

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso ein verständiger, mit der Materie vertrauter Bieter annehmen sollte, dass der Auftraggeber durch die Verwendung dieses Formblatts eine Erweiterung der Zulassung auch auf kaufmännische Pauschalpreisangebote intendiert haben könnte. Viel näher liegt dagegen ein Verständnis, dass der Auftraggeber damit zum Ausdruck bringen will, dass er eine Aufgliederung der Teilleistungen in dem geforderten Sinn auch dann verlangt, wenn in der Aufforderung zur Angebotsabgabe kaufmännische Pauschal(preis)angebote ausdrücklich zugelassen worden sind.

Entsprechendes gilt für die oben bereits wörtlich wiedergegebene Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfragen vom 23.11.2020 (Anlage ASt 3), denn diesem Schreiben sind nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach kaufmännische Nebenangebote zu den Titeln 30.10 und 40.41 des Leistungsverzeichnisses zulässig sein sollten.

ee) Für die dargelegte Einschätzung spricht zuletzt auch, dass sich die Antragsgegnerin mit der Zulassung von Pauschalpreisnebenangeboten – sei es nur zu den genannten Titeln des Leistungsverzeichnisses, sei es zu weiteren damit einhergehenden Bauleistungen – letztlich unlösbare Probleme bei der Wertung des besten Preis-Leistungsverhältnisses geschaffen hätte. Die Beigeladene hat mit Recht darauf hingewiesen, dass ein angebotener Pauschalfestpreis und eine Angebotssumme auf Basis vorgegebener Vordersätze prinzipiell nicht vergleichbar sind. Er hat an dieser Stelle zutreffend auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 2.12.2002 (Verg 24/02) hingewiesen, in der folgendes ausgeführt wird:

„…Der vertraglichen Abrechnung nach Einheitspreisen wohnt die Tendenz inne, dass qualitativ so gebaut wird, wie es sich der Auftraggeber vorstellt. Dieser Anreiz fehlt bei einer Pauschalierung. Die damit einhergehende Gefahr, für die beiden Leistungen mehr bezahlen zu müssen, als dies nach Einheitspreisen notwendig ist, erlaubt den Ausschluss der Nebenangebote.[…] Preislich vorteilhafter ist für den Auftraggeber eine Pauschalierung vielmehr in der Regel nur, wenn die Ersparnis in jeder denkbaren Variante einer noch vertragsgerechten Leistungserbringung größer ist, als wenn nach Einheitspreisen abgerechnet würde. (Rn 63 bei juris).“

Auch wegen dieser grundsätzlichen Wertungsprobleme kann daher mangels hinreichender konkreter Anhaltspunkte in den Ausschreibungsunterlagen nicht angenommen werden, dass die Antragsgegnerin bereit war, eine vom vorgegebenen Leistungsverzeichnis abweichende Vergütungsform zuzulassen.

ff) Es kann offenbleiben, ob die Antragstellerin auch in technischer Hinsicht von den einschlägigen Vorgaben der Antragsgegnerin abgewichen ist, wie die Beigeladene unter Bezugnahme auf den Vergabevermerk reklamiert. Hierauf kommt es nicht an, denn das Pauschalpreisnebenangebot NA 1 der Antragstellerin hält sich als kaufmännisches Nebenangebot nicht innerhalb der von der Antragsgegnerin in Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegten engen Grenzen und muss aus diesem Grund von der Wertung ausgeschlossen werden.

Die Nebenangebote 1 und 2 pauschalieren den Werklohn sowohl für die Herstellung der Titel 30.10 und 40.41 als auch für alle weiteren Titel des Leistungsverzeichnisses und weichen damit von der vorgegebenen Vergütung nach Einheitspreisen ab. Bereits aus diesem Grund kann das Nebenangebot 1 und das optional darauf bezogene Nebenangebot 2 als nicht zugelassenes Nebenangebot nicht in die Wertung eingehen. Dementsprechend spielt es im Ergebnis auch gar keine Rolle, ob die Antragstellerin mit ihrem Kurz-Leistungsverzeichnis und der Konversionstabelle eine Zuordnung der Einzeltitel des von der Antragsgegnerin vorgegebenen (amtsseitigen) Leistungsverzeichnisses zu dem Kurz-Leistungsverzeichnis ermöglicht hat oder nicht. Vielmehr bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass die Antragsgegnerin die Nebenangebote der Antragstellerin mit Recht ausgeschlossen hat.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen sei von der Wertung auszuschließen, weil es die ausschreibungsseitig geforderten Preise nicht enthalte.

aa) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zwar bereits mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2021 das Nebenangebot Nr. 5 als unzureichend beanstandet hatte, nachdem ihr am 29. September 2021 Akteneinsicht in das geschwärzte Nebenangebot gewährt worden war. Ihre Rüge ist aber erst durch die Antragserweiterung in der mündlichen Verhandlung zum Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht worden.

Ein Beschwerdeführer bestimmt mit seiner Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, den Gegenstand der Entscheidungsfindung, also den Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens (vgl. Steck in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., Rn 5 zu § 178 GWB; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., Rn 8 zu § 178 GWB, jeweils m.w.N.). Dies lässt sich u.a. daraus ableiten, dass die für den Beschwerdesenat maßgebliche Vorschrift des § 178 (S. 4) GWB lediglich § 168 Abs. 2 GWB für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber § 168 Abs. 1 GWB, der für die Vergabekammern eine umfassende Rechtsprüfung vorschreibt, die nicht an die gestellten Anträge gebunden ist (vgl. Jaeger in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl., Rn 3 zu § 178 GWB).

Die Antragstellerin hatte ihren Beschwerdeantrag zu Ziffer 1.) ursprünglich darauf gerichtet, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Ausschluss ihrer eigenen Nebenangebote zurückzunehmen und die Prüfung und Wertung unter Einschluss dieser Angebote zu wiederholen. Erst durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Antragserweiterung war der vom Beschwerdegericht zu prüfende Streitstoff auch auf eine Untersuchung des Angebots der Beigeladenen erstreckt worden.

Es bestand dementsprechend auch für die Antragsgegnerin und die Beigeladene bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung, auf den dazugehörigen Vortrag der Antragstellerin einzugehen. Vor diesem Hintergrund muss auch die Erwiderung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gewertet werden. Sie ist dem Vorwurf der Antragstellerin dezidiert entgegengetreten und hat dargelegt, dass ihr Angebot sowohl in preislicher Hinsicht vollständig war als auch sämtliche durch die alternative technische Ausführung erforderlichen entfallenden und zusätzlichen Leistungen beinhaltet.

bb) Auf dieser Grundlage lässt sich weder feststellen, dass das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen gem. §§ 16a Abs. 2 i.V. 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU wegen fehlender Preisangaben, noch, dass es gem. §§ 16 Nr. 5 i.V. 8 Abs. 2 Nr. 3b VOB/A-EU von der Wertung ausgeschlossen werden müsste.

(1) Das Angebot eines Bieters muss gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU die im Leistungsverzeichnis bzw. den sonstigen Vergabeunterlagen zweifelsfrei geforderten Preisangaben enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis, so wie gefordert, vollständig und mit dem Betrag angegeben werden, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Dies wird damit begründet, dass ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Auswahlverfahren nur dann gewährleistet werden kann, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden (BGH, Beschluss vom 7.1.2003, X ZR 50/01, Rn 23 bei juris; BGH, Beschluss vom 18.5.2004, X ZB 7/04 – Mischkalkulationen, Rn 24 bei juris). Demzufolge liegt eine unvollständige Preisangabe schon dann vor, wenn zumindest bezüglich einer einzigen Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses kein Preis angegeben wird (Kapellmann/Messerschmidt-Fister aaO., Rn 28 zu § 16a EU VOB/A).

Es ist auch nach den Ausführungen der Antragstellerin nicht ersichtlich, dass das in Verbindung mit dem Hauptangebot abgegebene Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen insoweit unvollständig wäre. Im Nebenangebot werden die bei entsprechender Wertung des Angebots entfallenden Positionen zum Titel 40.41 aufgeführt und die alternativ dazu angebotenen Positionen dargestellt, während im Übrigen das Hauptangebot maßgeblich sein soll.

(2) Mit ihrem Vorwurf, im Nebenangebot Nr. 5 habe es die Beigeladene versäumt, bautechnisch notwendige Änderungen bei der Bepreisung anderer Titel des Leistungsverzeichnisses zu berücksichtigen, zielt die Antragstellerin auch in eine andere Richtung. Sie reklamiert nämlich explizit einen Verstoß gegen Ziffer 6.2. der Aufforderung zur Angebotsabgabe, wo eine titelübergreifende Erfassung und Darstellung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen gefordert wird.

Ein Ausschluss des Nebenangebots Nr. 5 käme auf dieser Tatsachengrundlage somit dann in Betracht, wenn die erwähnte Vorgabe als Mindestanforderung i.S. von § 8 VOB/A-EU anzusehen wäre, bei deren Fehlen ein zwingender Ausschluss gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A-EU die Folge ist. Ein Verstoß lässt sich aber nicht feststellen.

Dabei kann offenbleiben, ob die Antragsgegnerin in Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe lediglich technische Mindestanforderungen für die zugelassene alternative Bauausführung gestellt hat, wofür der innere Zusammenhang zwischen der Zulassung des Nebenangebots und deren geforderter Qualität spricht („…Die in diesem Titel beschriebenen Kastenprofilkanäle (…) können alternativ auch als Fertigteile geliefert und eingebaut werden. Es hat sämtliche Eigenschaften und die Vorgaben der ZTV-Emscher zu erfüllen…“).

Auch wenn man die titelübergreifende Erfassung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen als Mindestanforderung betrachtet, kommt ein Ausschluss des Nebenangebots Nr. 5 der Beigeladenen nicht in Betracht, weil sich ein entsprechendes Defizit nicht feststellen lässt.

Die Antragstellerin trägt unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten des Sachverständigen C (Anlage Bf 2) vor, die Herstellung in Ortbetonbauweise nehme deutlich längere Zeit in Anspruch, als die Herstellung in Fertigbauweise. Es ergäben sich u.a. Auswirkungen durch den Entfall der Schalung auf der Baustelle, die Verringerung von Montagezeiten auf der Baustelle, die Verkürzung von Bauzeiten vor Ort, Änderungen der Baubehelfe (Kräne) etc. (Anlage Bf 2, Seite 5 – Bl. 240 d. A.).

Weder aus dem Privatgutachten von Herrn C noch aus dem weiteren Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 lassen sich hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, dass das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen unter diesen Umständen den Vorgaben der Ausschreibung nicht entsprechen und etwaige entfallende bzw. zusätzliche Leistungen nicht enthalten würde. Es ist durch die Antragstellerin kein einziger Untertitel des amtsseitigen Leistungsverzeichnisses, etwa aus den Titeln „Erdarbeiten, Grundwasserabsenkung, Baustelleneinrichtung“ benannt worden, der konkret durch das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen hinzugekommen oder in Wegfall geraten wäre.

Die Beigeladene hat vielmehr durch Bezugnahme auf ihr Nebenangebot Nr. 5 dargelegt, dass sie die erforderlichen Änderungen, wie beispielsweise den Entfall der Schalung auf der Baustelle, berücksichtigt hat. Sie hat ferner zutreffend ausgeführt, dass sie der Antragsgegnerin auch einen auf das Nebenangebot bezogenen Bauzeitenplan vorgelegt hat. Sofern die Beigeladene davon abgesehen haben sollte, im Hinblick auf die geänderte Bauweise Preisermäßigungen bei anderen Titeln anzubieten, bewegte sie sich nicht außerhalb der Vorgaben der Antragstellerin.

3. Da die Beschwerde erfolglos bleibt, sind der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§§ 175 Abs. 2, 71 S. 1 GWB).

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt gem. § 50 Abs. 2 GKG 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.