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OLG Hamburg: Verlangt der Auftraggeber wegen eines Baumangels Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten, kann der Auftragnehmer einwenden, die Aufwendungen zur Mängelbeseitigung seien unverhältnismäßig

vorgestellt von Thomas Ax

Unverhältnismäßig sind die Aufwendungen für die Mangelbeseitigung, wenn der in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwands steht. In der Regel ist die Unverhältnismäßigkeit nur anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Auftraggeber objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung, was vor allem anzunehmen ist, wenn die Funktionsfähigkeit der Leistung spürbar beeinträchtigt ist, ist der Mängelbeseitigungsaufwand regelmäßig nicht unverhältnismäßig.

Die Klägerin verlangt Restwerklohn.

Die Beklagte und ihr mitverklagter Ehemann, über dessen Vermögen im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, beauftragten die Klägerin mit Generalunternehmervertrag vom 14. Juli 1997 mit der Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses zu einem Pauschalfestpreis. Dem Vertrag lag unter anderem die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B zugrunde. Am 28. September 1998 erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung unter Berücksichtigung bestimmter Mehr- und Minderleistungen.

Die Beklagte hat die Fälligkeit der Werklohnforderung mangels abnahmereifer Herstellung des Gebäudes in Abrede gestellt, da zahlreiche Mängel vorlägen. Auch sei eine Schlussabnahme zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Im Übrigen seien die abgerechneten Mehrleistungen unberechtigt und weitere Kürzungen wegen Minderleistungen vorzunehmen. Weiter sei ein Skonto abzuziehen. Mit einem Anspruch auf eine verwirkte Vertragsstrafe werde aufgerechnet. Im Übrigen stünden ihr Schadensersatzansprüche wegen näher bezeichneter Mängel zu, deren Beseitigung einen Betrag von 1.050.000 DM netto erfordere, mit denen sie in dieser Höhe die Aufrechnung erkläre.

In Betracht kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB aF oder § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B, die Regelungen von im allgemeinen gleicher Tragweite enthalten. Unterstellt es läge ein von der Klägerin zu vertretender Mangel vor und eine Nachbesserung sei technisch durch Abriss und Neubau des Gebäudeteils mit dem Treppenhausturm möglich und würde Kosten in einer Größenordnung von 245.420,10 Euro (480.000 DM) verursachen und weiter unterstellt es läge ein Fall vor, in dem eine Fristsetzung entbehrlich wäre, wäre dieser Schadensersatzanspruch als werkvertraglich begründeter Schadensersatzanspruch grundsätzlich auf Geld gerichtet. Die Vorschrift des § 249 BGB, die dem Geschädigten einen Anspruch auf Naturalrestitution einräumt und lediglich als besondere Form dieses Herstellungsanspruchs gemäß § 249 Satz 1 BGB einen Zahlungsanspruch nach § 249 Satz 2 BGB vorsieht (BGHZ 81, 385, 388 m.w.N.), findet auf den Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB oder § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B keine Anwendung (BGH, Urteil vom 06. November 1986 – VII ZR 97/85 -) da Naturalrestitution gem. § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB aF. ausgeschlossen ist. Die Geldentschädigung kann der Besteller nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich wahlweise nach der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel ermitteln oder in Höhe der Aufwendungen geltend machen, die zur vertragsgemäßen Herstellung des Werkes erforderlich sind. Die dem Besteller nach dieser Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, seinen Schadensersatzanspruch anhand der Mängelbeseitigungskosten zu berechnen, gilt nicht uneingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des BGH kann dieser Schadensberechnung in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB der Einwand entgegengehalten werden, die Aufwendungen zur Mängelbeseitigung seien unverhältnismäßig (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 – VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366; Urteil vom 27. März 2003 – VII ZR 443/01, BGHZ 154, 301, 305; Urteil vom 10. März 2005 – VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014; Urteil vom 29. Juni 2006 – VII ZR 86/05, BauR 2006, 1736, 1738). Unverhältnismäßig in diesem Sinne sind die Aufwendungen für die Beseitigung des Werkmangels, wenn der in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht und es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise gemachten Aufwendungen tragen zu müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen, wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer anlasten könnte (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 – VII ZR 181/71, aaO; Urteil vom 27. März 2003 – VII ZR 443/01, aaO; Urteil vom 10. März 2005 – VII ZR 321/03, aaO; Urteil vom 29. Juni 2006 – VII ZR 86/05, aaO).

Wenn, wie hier, werkvertraglicher Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten beansprucht wird, ist die Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, die bei der nach § 635 Abs. 3 BGB (für diesen Fall § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.) gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 – VII ZR 179/11 -). Danach wird die Unverhältnismäßigkeit in aller Regel nur anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenüber steht. Hat der Besteller hingegen objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, was vor allem anzunehmen ist, wenn die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt ist, so kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten eine Nachbesserung verweigert werden (BGH, Urteil vom 04.07.1996, Az. VII ZR 24/95).
Nach diesen Kriterien ist hier eine Unverhältnismäßigkeit anzunehmen. Nach den verbindlichen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. J. besteht zwar unstreitig ein Mangel, weil der Rohbau des Treppenhausturmes „schief“ auch außerhalb der Toleranzen ist. Die Funktionalität des Treppenhauses ist dadurch indes nicht spürbar beeinträchtigt. Nach einer Begutachtung durch den TÜV Nord am 04.03.2002 konnten insbesondere Mängel an der Aufzuganlage nicht festgestellt werden (Schreiben des TÜV Nord vom 04.03.2002). Die Auswirkungen an den Bodenfliesen, dem Treppenauge, dem Handlauf u.s.w. sind rein optischer Natur und fallen dem unvoreingenommenen Benutzer des Treppenhauses nach der verbindlichen Einschätzung des Sachverständigen nicht auf (Protokoll des 3. Besichtigungstermins vom 20.06.2001, S. 7). Zu diesen nicht funktionellen sondern nur optischen Beeinträchtigungen stehen die Kosten des Abrisses und der Neuerrichtung des Treppenhausturmes wie sie die Beklagte selbst behauptet in keinem Verhältnis.

Danach kommt eine Entschädigung der Beklagten nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass der Wert des Gebäudes mit und ohne den Mangel am Treppenhaus differiert. Dass eine solche Feststellung nicht getroffen werden kann, weil ein allgemeiner Vermögensschaden der Beklagten aufgrund eines Mindererlöses bei der Zwangsversteigerung nicht festgestellt werden kann, steht indes rechtskräftig fest (BGH, Urteil vom 19.12.2019, VII ZR 6/19, Rn. 22).

OLG Hamburg, Urteil vom 25.11.2020 – 8 U 18/20