Ax Rechtsanwälte

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OLG Oldenburg ua zu der Frage, dass wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen hat

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach der Kündigung eines Bau- oder Werkvertrags schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Deshalb hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil der Leistung abzugrenzen.
2. Wird ein Pauschalpreisvertrag gekündigt, hat der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen.
3. Fehlen dem Unternehmer Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er nachträglich im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind.
4. Von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen kann der Unternehmer absehen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen ausstehen. Zudem darf er auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn dem Besteller bei dieser Berechnung kein Nachteil entsteht.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.05.2023 – 2 U 195/22
vorhergehend:
LG Oldenburg, 17.11.2022 – 17 O 3604/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 131/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

(…)

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (…), den Richter am Oberlandesgericht (…) und den Richter am Oberlandesgericht (…) auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2023

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.11.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt nach der Kündigung eines Werkvertrages restlichen Werklohn für erbrachte Leistungen, während die Beklagte die Forderung für unschlüssig hält und hilfsweise u.a. mit Sekundäransprüchen wegen Mängeln aufrechnet.

Die Parteien sind durch einen Werkvertrag aus März 2020 über Rohbauarbeiten bezüglich einer Doppelhaushälfte verbunden. Wegen der Vertragsunterlagen wird die Anlage K 1 (Bl. 14 – 16 Rs Bd. I d.A.) in Bezug genommen. Der Vertrag sah einen nicht weiter aufgegliederten Pauschalpreis in Höhe von 166.600 Euro brutto vor. Während des Bauverlaufs zahlte die Beklagte Abschläge in Höhe von 90.280,00 Euro. Mit Schreiben vom 7.9.2020 (Anlage B 19; Bl. 68 Bd. I d.A.) kündigte die Klägerin unter im einzelnen streitigen Umständen den Vertrag. Am 10.9.2020 sprach die Beklagte ihrerseits eine Kündigung aus wichtigem Grund sowie gleichzeitig die freie Kündigung aus (Anlage B 21, Bl. 70 Bd. I d.A.). Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht. Eine Abnahme der erbrachten Leistungen erfolgte nicht.

Daraufhin rechnete die Klägerin den Vertrag einschließlich Nachtragsforderungen mit Rechnung vom 22.9.2020 (Anlage K 3, Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) ab und forderte mit dieser eine Zahlung von 83.608,00 Euro, die Gegenstand der Klageforderung ist. Einwendungen gegen deren Prüffähigkeit erhob die Beklagte nicht. Im Laufe des Rechtsstreits stellte die Klägerin klar, dass sie nur die von ihr erbrachten Leistungen abrechne und im Wege einer Teilklage vorgehe. Dazu reichte die sie eine weitere Schlussrechnung ein, die auf 86.021, 14 Euro endete (Anlage K 12; Bl. 127 Bd. I d.A.). Nachdem sie durch das Landgericht auf die Grundsätze zur Abrechnung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages hingewiesen worden war, nahm sie mit der Anlage K 16 (Bl. 19 – 20 Rs Bd. II) eine Kalkulation der Einzelleistungen vor, die wiederum auf der Kalkulation ihrer Subunternehmerin beruhte. Zu dieser erklärte ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022, dass die Klägerin daran nicht festhalte.

Stattdessen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie habe mit der Beklagten die Kalkulation nach qm/Fläche vereinbart und auf diese Kalkulation 5% Baustelleneinrichtung und 10 % bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert. Eine Aufgliederung in erbrachte und nicht erbrachte Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich. Ferner hat sie behauptet, die geschuldete Leistung sei weitgehend fertiggestellt worden.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht gemeint, die Kündigungsvergütung für die erbrachten Leistungen sei nicht schlüssig dargelegt. Es hätten noch erhebliche Leitungen gefehlt. Hilfsweise hat sie sich auf Gegenansprüche wegen Mängeln, Skonti, Vertragsstrafen und Schäden wegen verlängerter Bauzeit berufen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin den Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht schlüssig dargelegt hätte. Sie habe weder die tatsächlich erbrachten Leistungen dargelegt noch diese unter Berücksichtigung des als Pauschalpreis vereinbarten Preisniveaus bewertet. Genau das sei aber wegen der für den Besteller gegebenen Gefahr von kalkulatorischen Verschiebungen in den Teil der erbrachten Leistungen erforderlich. Eine Ausnahme, die eine Berechnung „von oben“ ermögliche, liege nicht vor, weil nicht lediglich geringfügige Restleistungen offen gestanden hätten. Eine Berechnung anhand der von der Beklagten teilweise angegeben Fertigstellungskosten komme nicht in Betracht. Es sei unklar, ob die Fertigstellungskosten über der vereinbarten Vergütung lägen, und damit auch, ob die Klägerin einen Vorteil durch diese Abrechnung einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt. Ferner habe die Klägerin den Fertigstellungskosten ausdrücklich widersprochen. Die Beklagte habe zudem nur eine vorläufige Berechnung vorgenommen. Eine Bewertung der Preise der nicht erbrachten Leistungen habe sie gerade nicht durchführen können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, die Vergütungsforderung sei auch unter Berücksichtigung der erfolgten Kündigung ausreichend dargelegt, weil sich aus dem Prozess selbst ergäbe, dass die Beklagte in der Lage war, sich ausreichend zu verteidigen. Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass zwischen den Parteien eine Kalkulation vereinbart worden sei, die sich allein nach qm bemesse. Das damit verbundene Kalkulationsrisiko, eine Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht vornehmen zu können, falle nicht der Klägerin zu. Im Übrigen habe die Beklagte Abzüge hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen vorgenommen, woraus sich ergäbe, dass sie in Bezug auf die Abrechnung nicht schutzbedürftig sei. Schließlich meint die Klägerin, bei Anwendung des § 648 BGB entfalle das Erfordernis einer Abrechnung der Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Das ergäbe sich durch eine gebotene Auslegung anhand des neu eingeführten § 648a BGB.
Mit Schriftsatz vom 5.5.2023 reichte der Kläger die Rechnung vom 3.5.2023 zur Akte. Auf Bl. 50 – 57 Bd. III d.A. sowie die Erläuterungen dazu auf. S. 2 des Schriftsatzes (Bl. 48 f Bd. III d.A.) wird verwiesen. Sie meint, daraus ergäbe sich eine schlüssige Abrechnung.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17.11.2022 zum Az. 17 O 3604/20 abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin 83.608,00 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.10.2020 zu zahlen und

2. hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt den Inhalt der neuen Berechnung vom 3.5.2023 in Abrede.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung des Werkvertrages erbrachten Leistungen nicht schlüssig vorgetragen hat. Mit der neuen Abrechnung vom 3.5.2023, die mit Schriftsatz vom 5.5.2023 vorgetragen wurde, ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

A)

1. Nach der Kündigung eines Werkvertrages schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht (vgl. BGH NJW 1995, 2712). Deswegen obliegt es dem die Vergütung für erbrachte Leistungen verlangendem Auftragnehmer zunächst, die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Liegt ein gekündigter Pauschalpreisvertrag vor, hat der Unternehmer überdies die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Dementsprechend muss er sowohl das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung als auch das Verhältnis des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NZBau 2002, 614, 615).

Fehlen dem Auftragnehmer aus der Zeit vor Vertragsschluss die Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). In diesem Zusammenhang kann eine ausreichend aufgegliederte und auf einzelne Gewerke bezogene Aufstellung ausreichen, welche die Gesamtkosten bei vollständiger Fertigstellung aufgrund einer Nachunternehmervergabe darlegt und den Kosten gegenüberstellt, die tatsächlich entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NJW-RR 2002, 1596). Wesentlich ist nur, dass die vorgenommene Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen sowie deren Bewertung dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH a.a.O.), indem er die einzelnen Pauschalen sowie den kalkulatorischen Wahrheitsgehalt und damit letztlich die inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann. Sinn und Zweck dieser Anforderungen an die Abrechnung ist, dass der Unternehmer seine Leistungen nicht beliebig bewertet und dadurch ungerechtfertigte Vorteile erlangt, wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil erfolgt ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 59); also die ausgeführten Teilleistungen zu hoch bewertet werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Gefahr kalkulatorischer Verschiebungen in diesen Fällen in den Hintergrund tritt, kann von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen nicht erbracht sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 176/12 = NZBau 2015, 27). Zudem darf der Unternehmer auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn feststeht, dass dem Unternehmer bei dieser die Vertragsgrundlagen verlassenden Berechnung kein Nachteil entsteht (vgl. Kniffka in in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 65; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 6.3.2023, § 648 Rn. 59). Es muss mithin feststehen, dass die Drittunternehmerkosten die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Restfertigstellung überschreiten, oder der Besteller akzeptiert eine Berechnung unter Abzug der Fertigstellungskosten bzw. widerspricht dieser nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – VII ZR 124/13 = NZBau 2014, 351 Rn. 4).

2. Unerheblich ist in Bezug auf diese Berechnungsgrundlagen zum gekündigten Pauschalpreisvertrag, ob es sich um eine Kündigung nach § 648a BGB oder § 648 BGB handelt. Der Rechtsauffassung der Klägerin, nach Einführung des § 648a Abs. 4 BGB könnten sich die Grundsätze der Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages nur noch auf die Fälle des § 648a BGB beziehen, während im Rahmen einer Kündigung nach § 648 BGB, für den eine dem § 648a Abs. 4 BGB entsprechende Regelung fehlt, der Besteller darlegen und beweisen müsse, in welchem Umfang Leistungen nicht erbracht wurden, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Abgesehen davon, dass diese Auffassung – soweit ersichtlich – nirgends in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird, sondern weiterhin einhellig die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung auf beide Kündigungsarten angewendet werden, verkennt die Klägerin mit ihrer Rechtsmeinung, dass nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast der Anspruchsteller die seinen Anspruch ausfüllenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Dazu gehört auch der Umfang der erbrachten Leistungen sowie die Höhe der sich daraus ergebenden Vergütung. Im Übrigen betrifft die Regelung des § 648a Abs. 4 BGB allein die Frage der Feststellung des Leistungsstandes und keineswegs die Frage der vergütungsmäßigen Bewertung der erbrachten Leistungen.

3. Ob sich aus den Regelungen der VOB/B für die Abrechnung des gekündigten Werkvertrages etwas zugunsten der Klägerin ergeben könnte, kann auf sich beruhen. Die VOB/B ist nach ihrem eigenen Vorbringen nicht wirksam einbezogen. Keineswegs kommt dem Zeugen FF eine einem Architekten ähnliche Stellung zu, die Grund für die Annahme wäre, bei ihm handele es sich um eine im Baubereich bewanderte Person (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 2 Rn. 187). Ein vormals erteilter Bauträger- oder Maklerschein reichen insoweit nicht aus.

4. Unter Zugrundelegung der unter 1. dargelegten Grundsätze hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen mit ihren im ersten Rechtszug vorgebrachten Schlussrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) nicht schlüssig dargelegt.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin bereits im ersten Schritt nicht angegeben hat, welche Leistungen aus dem Vertrag erbracht und welche nicht erbracht wurden, und schließlich auch keine Bewertung der Teilleistungen anhand des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages vorgenommen hat.

Es ergibt sich aus den durch die Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, dass im Kündigungszeitpunkt zwei Giebel an der Garage weder im Hinblick auf das Innen- noch auf das Außenmauerwerk errichtet waren, der Bau nicht putzgerecht hergestellt war, weil Abmauerungen im Sanitärbereich und das Verschließen der Schlitze unterblieben sind, Außenfensterbänke als Rollschichten vollständig nicht errichtet waren, Fensterbänke innen fehlten, eine komplette Stützwand im Treppenhaus nicht ausgeführt wurde und die Verfugung vollständig unterblieben ist. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen ergeben sich nicht, so dass der Senat sie als bindend zugrunde legt. Daran ändert sich auch nichts durch die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung der Klägerin auf S. 5 des Schriftsatzes vom 27.7.2022, sie habe lediglich die in ihrer letzten Schlussrechnung des ersten Rechtszuges (Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) berücksichtigen Positionen nicht erbracht. Denn der Geschäftsführer der Klägerin hatte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.7.2021 selbst erklärt, dass auch die Schlitze nicht verschlossen worden sind und die Verfugung nicht ausgeführt wurde. Im Zusammenhang mit letzterer gibt es gegen die Auslegung des Landgerichts, dass auch diese Verfugung zu den geschuldeten Arbeiten gehörte, nichts zu erinnern. Auf dessen Ausführungen (S. 12 – 14 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vertraglich auch zur Beräumung der Baustelle von Schutt verpflichtet war. Denn die Beseitigung des mit der Werkleistung verbundenen Abfalls gehört vorbehaltlich – hier nicht ersichtlicher – abweichender vertraglicher Vereinbarung zu dem geschuldeten Werkerfolg des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 6. 7. 2000 – VII ZR 73/00 = NZBau 2000, 466).

Die Klägerin hat in ihrer ersten Rechnung (Anlage K 3; Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) hingegen gar keine nicht erbrachten Leistungen ausgewiesen oder berechnet. Bei der weiteren Rechnung aus der Anlage K 12 (Bl. 127 Bd. I d.A.) hat sie lediglich die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm (statt 26 lfdm im ihr seinerzeit überlassenen, unausgefüllten LV) Rollschicht abgezogen. Eine Bewertung der Einzelleistungen unter Berücksichtigung des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages unterblieb gänzlich. Vielmehr nahm sie einen Abzug anhand nicht nachvollziehbarer Einzelbeträge vor. Mit Schriftsatz vom 25.8.2021 reichte die Klägerin als Anlage K 16 (Bl. 19 – 21 Rs Bd. II d.A.) eine Kalkulation ihrer Subunternehmerin ein. Anhand dieser, die den mit der Klägerin vereinbarten Pauschalpreis indes nicht widerspiegelte, errechnete sie erneut Abzüge ausschließlich für die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm Rollschicht, um dann – zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022 – zu erklären, an dieser Abrechnung nicht mehr festzuhalten. Mithin hat die Klägerin die grundsätzlichen Anforderungen für die schlüssige Abrechnung einer Vergütung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages nicht erbracht.

Soweit die Klägerin argumentiert, sie habe mit einem konkreten Preis/m² Fläche zuzüglich 5% Baustelleneinrichtung und 10% bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert, enthebt sie dies nicht von der Pflicht zur konkreten Abrechnung. Soweit sie meint, die Aufschlüsselung und Bewertung der nicht erbrachten Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich, trifft dies nicht zu. Denn die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, fehlen der Klägerin dann lediglich Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen aus der Zeit vor Vertragsschluss, die sie im Nachhinein vornehmen muss um dann im Einzelnen darzulegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). Soweit in der Berufungsbegründung geltend gemacht wird, die Beklagte habe sich mit Email vom 16.3.2020 (Bl. 180 Bd. II d.A.) auf die die Kalkulation nach Preis/m² eingelassen und müsse nunmehr deren Nachteile im Rahmen der Abrechnung des gekündigten Vertrages tragen, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Zum einen ist der Email, die sich allein auf die Angebote konkurrierender Wettbewerber bezieht, keineswegs eine Vereinbarung einer bestimmten Kalkulation mit der Klägerin zu entnehmen. Zum anderen schlüge dies nicht auf die Verpflichtung der den Werklohn beanspruchenden Klägerin durch, den gekündigten Pauschalpreisvertrag nach den Grundsätzen der Rechtsprechung abzurechnen.

b) Schließlich ist die Klägerin unter Berücksichtigung ihres erstinstanzlichen Vorbringens auch nicht von einer Abrechnung ihrer Vergütung nach den dargestellten Grundsätzen enthoben. Eine Ausnahmekonstellation, in der sie „von oben nach unten“ abrechnen darf, liegt nicht vor.

aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nicht feststellen lasse, im Zeitpunkt der Kündigung hätten lediglich noch geringfügige Restleistungen ausgestanden.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht anhand der Abrechnung der Klägerin erfolgen konnte. Nicht nur, dass diese wesentliche Teile der nicht erbrachten Leistungen gar nicht berücksichtigte, kann der vermeintlich geringfügige Betrag gerade auf einer „kalkulatorischen Verschiebung„, also einer Unterbewertung der Restleistung durch die Klägerin beruhen (vgl. KG NJW 2018, 3721 Rn. 82). Tatsächlich sind die oben festgehaltenen ausstehenden Leistungen in Bezug auf das Gesamtvolumen des Werkvertrages von 162.400,00 Euro nicht geringwertig. Das folgt einerseits aus den fehlenden Leistungen an sich und zusätzlich aus den durch die Beklagte zum Teil angegebenen Drittunternehmerkosten und zum Teil geschätzten

Preise der nicht erbrachten Teilleistungen:

2 Giebel Garage; 6 m² Innen- und Außenmauerwerk

4.250,00 Euro

Putzfertige Errichtung (Schätzung Beklagte)

8.250,00

Abmauerungen Sanitärbereich

2.900,00 Euro

Verschließen der Schlitze pp

(keine Angabe)

Außenfensterbänke als Rollschichten; Stützwand im Treppenhaus

1.276,00 Euro

Fensterbänke innen

997,84 (Material)

Verfugung

3.441,93 Euro + 628,93 Euro

Beräumung der Baustelle

1.303,84 Euro

 

————————–

 

20.148,54


Auch wenn dieses Rechenwerk der Beklagten nicht unstreitig ist, steht jedenfalls fest, dass nach der Kündigung nicht lediglich geringfügige Leistungen der Klägerin ausstanden. In diesem Zusammenhang ist es mangels abweichender Anhaltspunkte für die Beklagte auch zulässig, für die Schätzung auf den Abschlagsplan der Klägerin zuzugreifen.

bb) Schließlich kann eine Abrechnung nicht auf Grundlage der Fertigstellungskosten für die Restleistungen erfolgen.

Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass nicht feststeht, dass die an einen Drittunternehmer zu entrichtenden Fertigstellungskosten über dem vereinbarten Vertragspreis liegen. Das mag grundsätzlich naheliegen und der Regelfall sein, steht aber vorliegend eben weder fest noch ist es durch die Klägerin unter Beweis gestellt worden. Überdies scheidet vorliegend eine Abrechnung nach den Fertigstellungskosten aus, weil die Klägerin zu diesen gar nichts vorgetragen hat und sie auch aus dem Vortrag der Beklagten nicht vollständig hervorgehen. Die Beklagte hat insbesondere im Bereich der ausgebliebenen putzfertigen Errichtung in weiten Teilen eine Schätzung anhand des Abschlagszahlungsplans der Klägerin (5% nach „Bau putzgerecht herstellen„) vorgenommen. Darüber hinaus hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise auf seine mit Tatbestandswirkung nach § 314 ZPO getroffene Feststellung abgestellt, dass die Klägerin sich die Abrechnung nach den Fertigstellungskosten gerade nicht hilfsweise zu eigen gemacht, sondern diese bestritten hat. Damit war es gerade die Klägerin, die sich einer Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungsmehrkosten verweigert hat.

Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ihre Auffassung wiederholt, die Aufstellung der Beklagten zeige gerade, dass diese sich sachgerecht verteidigen könne und deswegen eine nähere Darlegung der Klägerin entbehrlich sei, dringt sie damit nicht durch. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass der Detaillierungsgrad der vom Unternehmer zu erbringenden Abrechnung nicht zu unverhältnismäßigen Anforderungen an diesen führen darf, sondern sich nach dem berechtigten Informationsinteresse des Bestellers richtet und nicht dessen ungerechtfertigte Verweigerungstaktik unterstützen soll. Vorliegend hat hingegen bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aufstellung der Beklagten gerade keine derartige sachgerechte Verteidigung gegen die vollkommen unvollständige Abrechnung der Klägerin, sondern allein eine vorläufige Aufstellung der bereits angefallenen und geschätzten Drittunternehmerkosten darstellt. Die Berufung vermischt in diesem Zusammenhang die Anforderung an die Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages mit der Ausnahme der Abrechnung nach Drittunternehmerkosten, die von einer solchen Abrechnung enthebt. Eine sachgerechte Verteidigung gegen die angesichts der Rechenwerke der Klägerin naheliegende ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil ist mit der Aufstellung der gezahlten und geschätzten Fertigstellungskosten nicht verbunden. Der Klägerin hätte es vielmehr freigestanden, den infolge der unzureichenden Abrechnung bei der Beklagten drohenden Nachteil dadurch abzuwenden, dass sie eine Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungskosten hinnimmt. Dem ist sie aber gerade entgegengetreten.

5. Mit ihrem neuen Vorbringen zur Abrechnung des Vertrages aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 in Verbindung mit der Berechnung vom 3.5.2023 ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, so dass auf sich beruhen kann, ob dieses den Grundsätzen einer schlüssigen Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreises entspräche.

a) Die Beklagte hat dieses neue Vorbringen der Klägerin zur Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages in ihrem Schriftsatz vom 9.5.2023 in Abrede genommen, so dass es streitig war. Damit unterliegt es dem Anwendungsbereich der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO.

aa) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 6. 10. 2005 – VII ZR 229/03 = NJW-RR 2005, 1687, geltend macht, auf die im Berufungsrechtszug erstellte Schlussrechnung seien die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar, vermag der Senat dem nicht näher zu treten. Aus dieser Entscheidung geht lediglich hervor, dass die vom Unternehmer im Berufungsrechtszug nach Abweisung seiner Klage in erster Instanz vorgelegte neue Rechnung nur dann nicht als neue Tatsache aus prozessualen Gründen als verspätet zurückgewiesen werden kann, wenn die Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung ist. So liegt es hier indes nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Parteien einen BGB- oder VOB/B-Vertrag geschlossen haben, ist die Forderung unabhängig von der Prüfbarkeit der zunächst erteilten Schlussrechnung (Anlage K 3) fällig geworden, weil die Belklagte die fehlende Prüffähigkeit nicht binnen 30 Tagen nach Zugang (§ 650 f Abs. 4 S. 3 BGB; § 16 Abs. 3 S. 1 VOB/B) gerügt hat (vgl. Retzlaff in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 650g Rn. 14; Locher in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 22. Aufl., § 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 25). In diesen Fällen findet nur noch eine Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist und die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO sind anzuwenden (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 547).

bb) Die neue Berechnung der Klägerin erläutert und präzisiert auch nicht die bislang vorgelegten Abrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.), sondern verändert die Abrechnungsstruktur grundlegend, so dass es sich um ein neues Angriffsmittel handelt (vgl. Kniffka a.a.O. Rn. 548). Während die Abrechnung in der Anlage K 3 gar keine Abzüge wegen nicht erbrachter Leistungen vorsah, erfolgte in der Anlage K 12 einer „Abrechnung von oben nach unten„, indem von der Bruttovergütung lediglich Abschläge wegen der nicht erbrachten Leistungen genommen wurden. Demgegenüber wird in der neuen Abrechnung aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 erstmals eine „Abrechnung von unten nach oben“ vorgenommen, indem der Pauschalbetrag in Einzelpositionen der erbrachten Leistungen aufgeschlüsselt wird und im Zuge dessen die Abzüge der nicht erbrachten Leistungen eingefügt werden. Die Richtigkeit dieser kalkulatorischen Aufschlüsselung sowie der Abzüge hat wiederum die Beklagte in Abrede genommen, so dass die Tatsachengrundlage streitig ist.

b) Die Zulassung dieses neuen, streitigen Vorbringens kommt gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

Das gilt zunächst in Bezug auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Diese Vorschrift gestattet neues Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). So liegt der Fall hier allerdings nicht. Vielmehr hat das Landgericht zunächst in seiner Verfügung vom 18.2.2021 ausführlich darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Anlage K 3 nicht schlüssig ist. Es hat auch klar und richtig vorgegeben, wie die Abrechnung zu erfolgen hat. Diesen Hinweis hat es in der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2021 wiederholt, nachdem die Klägerin die Anlage K 12 in den Prozess eingeführt hat. Die Einzelrichterin hat damit die auch für den Senat entscheidungserheblichen Fragen angesprochen. Gerade vor dem Hintergrund dieser Hinweise verbietet sich eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Die Vorschrift ermöglicht neues Vorbringen im Berufungsrechtszug, weil Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels erstinstanzlich nicht geltend gemacht wurde. Sie betrifft insbesondere den Fall, dass nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu dem Vorbringen, das nunmehr erst im Berufungsrechtszug gehalten wird, bereits in erster Instanz Anlass gegeben hätten (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). Diese wurde indes gerade erteilt. Schließlich beruht das neue Vorbringen zur Abrechnung in der Berufungsinstanz aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 auf Nachlässigkeit, welche die Zulassung des Vorbringens gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausschließt. Es wäre ohne Weiteres bereits im ersten Rechtszug möglich gewesen.

B)

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr.10, 711 ZPO

Verkündet am 23.05.2023