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OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.01.2023 - 13 U 214/21 zur Begründung des Abrechnungsverhältnisses

1. Die Abnahme der Leistung ist keine Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütungsforderung des Auftragnehmers, wenn zwischen den Vertragsparteien ein Abrechnungsverhältnis vorliegt. Ferner scheidet auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen eventueller Mängel aus.
2. Ein Abrechnungsverhältnis wird begründet, wenn der Auftragnehmer einen Vergütungsanspruch hat und dem Auftraggeber allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung der Leistung zustehen.
3. Liegt ein Abrechnungsverhältnis vor, kann der Auftragnehmer den Anteil seines Werklohns verlangen, der seinen tatsächlich erbrachten Leistungen entspricht. Ein Vergütungsanspruch scheidet nur aus, wenn die Leistung so schwerwiegende Mängel aufweist, dass sie nicht nachbesserungsfähig und deshalb für den Auftraggeber wertlos ist.
4. Der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers wird nicht (automatisch) mit einem Anspruch des Auftraggebers wegen teilweiser Nichterfüllung des Vertrags verrechnet. Vielmehr sind der Vergütungsanspruch und die Ansprüche des Auftraggebers jeweils selbstständige Forderungen, die sich (nur) aufrechenbar gegenüberstehen.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.01.2023 – 13 U 214/21

Gründe:

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Tübingen vom 26.07.2021, Aktenzeichen 3 O 231/20, und den Hinweisbeschluss des Senats vom 19.12.2022, Aktenzeichen 13 U 214/21, (Bl. 79 ff. eAOLG, dort unter I.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt zu seiner Berufung:

Das am 26.07.2021 verkündete und am 11.08.2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Karlsruhe [gemeint: Tübingen], AZ: 3 O 231/20, wird im Tenor Ziff. 1 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht Tübingen zurückverwiesen.

Hilfsweise: Das am 26.07.21 verkündete und am 11.08.2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Karlsruhe [gemeint: Tübingen], AZ: 3 O 231/20, wird im Tenor Ziff. 1 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin tritt dem entgegen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ferner beantragt die Klägerin im Wege der Anschlussberufung:

1. Das Urteil des LG Tübingen vom 26.07.2021, Az. 3 O 231/20, betreffend der Zurückweisung der klägerischen Ansprüche im Übrigen wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin RA-Gebühren von Euro 1.044,40 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte ist der Anschlussberufung entgegengetreten und beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 26.07.2021, Aktenzeichen 3 O 231/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 19.12.2022 (Bl. 79 ff. eAOLG, dort unter II.) Bezug genommen. Die Stellungnahme des Beklagten im Schriftsatz vom 17.01.2023 (Bl. 97 ff. eAOLG) gibt keinen Anlass, die Sache anders als bisher zu beurteilen.

Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten in der Stellungnahme vom 17.01.2023 ist das Folgende zu bemerken:

1. Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, der Senat habe in seinem Hinweisbeschluss (auf Seite 9 ff.) nur einzelne und nicht sämtliche Mängelrügen erwähnt, kann offenbleiben, ob dieser Einwand zutreffend ist.

Der Senat ist in seinem Hinweisbeschluss auf die Mängelrügen des Beklagten in Bezug auf das Vorbringen des Beklagten eingegangen, die Leistung der Klägerin sei unbrauchbar. Insoweit hat der Senat ausgeführt, dass zwischen der vorliegend (allein) streitgegenständlichen Anbringung der ersten Abdichtungs- und Schutzebene aus Bitumen und der Andichtung mit Flüssigkunststoff einerseits und der Anbringung einer zusätzlichen Gefälledämmung auf der abgedichteten Balkonebene anderseits zu unterscheiden ist und sich der Vortrag des Beklagten in Bezug auf eine vollständige Unbrauchbarkeit der Werkleistung der Klägerin auch im Berufungsverfahren (in erster Linie) auf die Gefälledämmung bezieht. Den Ausführungen des Beklagten in seiner Stellungnahme vom 17.01.2023 lässt sich nicht entnehmen, dass der Beklagte auch in Bezug auf die Anbringung der ersten Abdichtungs- und Schutzebene aus Bitumen und der Andichtung mit Flüssigkunststoff von einer gänzlichen Unbrauchbarkeit ausgeht. Auch der Senat geht weiterhin davon aus, dass das Werk jedenfalls nicht so schwerwiegende Mängel aufwies, dass es nicht nachbesserungsfähig war.

2. Nicht zutreffend ist es, wenn der Beklagte meint, der Senat gehe davon aus, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit des Werks bei einem Übergang in ein Abrechnungsverhältnis beim Besteller liege. Diesbezügliche Ausführungen sind im Hinweisbeschluss des Senats gerade nicht enthalten. Lediglich in Bezug auf eine eventuelle Wertlosigkeit hat der Senat eine Aussage zur Darlegungs- und Beweislast getätigt (vgl. Seite 8 des Hinweisbeschlusses).

Da – wie im Hinweisbeschluss näher ausgeführt – ein Vergütungsanspruch des Werkunternehmers nicht automatisch mit einem Anspruch des Bestellers wegen teilweiser Nichterfüllung des Vertrages verrechnet wird und der Beklagte einen sich aufgrund der behaupteten Mängel ergebenden Gegenanspruch erstinstanzlich weder der Höhe nach beziffert noch mit einem solchen aufgerechnet hat, kommt es auf die vom Beklagten angesprochene Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Mängeln trägt, auch gar nicht an. Damit verbunden ist, dass das Landgericht – entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht – auch nicht gehalten war, zur Frage der Mangelhaftigkeit der klägerischen Werkleistung Beweis zu erheben.

3. Soweit der Beklagte darauf hinweist, er habe mit Schriftsatz vom 27.07.2021 beim Landgericht eine Widerklage eingereicht, ist zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt das erstinstanzliche Verfahren durch das bereits zuvor (am 26.07.2021) verkündete Urteil bereits abgeschlossen war.

4. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht ist vorliegend eine (erst) im Berufungsverfahren erklärte Aufrechnung nicht zulässig. Der Senat hält (auch) insoweit an seiner im Hinweisbeschluss dargelegten Auffassung fest und verweist insbesondere auf seine dortigen Ausführungen, weshalb der neue streitige Vortrag des Beklagten nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen ist.

5. Der Senat hält außerdem an seiner im Hinweisbeschluss dargelegten Ansicht fest, dass er in Bezug auf das Zustandekommen von Verträgen zwischen der Klägerin und dem Beklagten hinsichtlich der Kaminarbeiten und der Lieferung eines Oberbelags an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist (§ 529 Abs. 1 ZPO). Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, die Klägerin habe die Auftragsverhältnisse, aus denen sie Ansprüche herleiten wolle, darzulegen und zu beweisen, ist anzumerken, dass das Landgericht zutreffend von einer diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast ausgegangen ist.

III.

Mit der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss verliert auch die Anschlussberufung der Klägerin gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.