Ax Rechtsanwälte

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-rechtsanwaelte.de

Vergaberecht und Wucher (?)

Bericht von Thomas Ax

Der Schweizer Bundesrat hat die Armeeapotheke beauftragt, die Versorgung mit medizinischen Gütern zu sichern, also mit Masken, PCR-Tests oder Beatmungsgeräten.
«(…) Es wurden bereits jetzt in mehreren Kantonen die Masken knapp. Auf nationaler Ebene bestand bei den Masken noch Reserven für ca. vier Wochen», heisst es im Beschaffungsbericht für den Zeitraum Mitte März.

Der Bericht gibt erstmals Einblick in die Maskenbeschaffung des Bundes in der ersten Corona-Welle.
Der Bund sah sich damals unter Zugzwang, die Maskenvorräte aufzustocken. Bei den FFP2-Masken berücksichtigte er Mitte März einen Schweizer Lieferanten: die Zuger Firma Emix Trading GmbH. Dahinter stehen unter anderen zwei Jung-SVPler, die für Aufsehen sorgten, als bekannt wurde, dass sie ihre Gewinne in einen Bentley und einen Ferrari investiert hatten.

Die Emix lieferte in jener Woche Mitte März 400’000 FFP2-Masken Typ TE YIN FFP zu 9.90 Franken respektive 460’060 Stück à 9.50 Franken. Gesamtumsatz der zwei Positionen: 8,3 Millionen Franken.

Eine Woche später konnte Emix nochmals über 10 Millionen Hygienemasken à 85 Rappen liefern.
Der Beschaffungsbericht gibt nun einen detaillierten Einblick in die Geschäfte der Emix mit dem Bund. Insgesamt konnte die Firma für rund 22,6 Millionen Franken Material liefern. Die fünf aufgeführten Positionen datieren alle zwischen Anfang und Ende März. Damals führte die grosse Nachfrage zu explodierenden Preisen.

Andere kauften für 2.40 Franken pro Maske ein

Ein Händler, der schon im Frühjahr für namhafte Grosskonzerne Masken importiert hatte, spricht bei Preisen von 9.50 pro Maske von «Wucher». Zwar treffe es zu, dass damals zertifizierte Masken von hoher Qualität rar gewesen seien. Dass der Bund aber zu diesen Preisen zugeschlagen habe, sei unverständlich.
Er selbst habe im März FFP2-Masken für 2.40 bis 2.80 Franken bei Schweizer Importeuren und Händlern eingekauft. Der Verkaufspreis habe er dann bei 3.25 Franken festgesetzt.

«Unverschämt» findet die Preise der Emix auch Riccarda Mecklenburg. Sie hatte am 7. April in China eine Offerte für 10’000 geprüfte FFP2-Masken eingeholt – zum Preis von 1.95 Euro pro Stück, Lieferkosten nicht eingerechnet. Das Geld für die Bestellung sammelte sie mit dem Projekt Maskenfueralle per Crowdfunding. Diese Masken aus dieser Lieferung verkaufte sie anschliessend für 2.80 Franken pro Stück.

Auch wenn die Situation im März und damit die Preise nicht ganz vergleichbar sind, ist sie sich sicher: «Im März haben sich einige findige Tempörar-Händler dumm und dämlich verdient.»

Zur Erinnerung: In der Kalenderwoche 12 kaufte die Armeeapotheke bei Emix 400’000 Stück der «Atemschutzmaske TE YIN FFP2 NR, ohne Ventil» für 9.90 Franken pro Maske. Kostenpunkt insgesamt: 3,96 Millionen Franken.
Wenn man davon ausginge, dass sie die Masken für 2.40 eingekauft hätten, ergibt sich ein Ertrag beim Verkaufspreis von 9.90 Franken rund drei Millionen Franken allein für dieses Geschäft.

Für rund 350 Millionen Euro soll auch der Bund laut Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel bei einer Schweizer Firma namens Emix Trading Masken eingekauft haben. Weitere 15,2 Millionen Euro soll das Unternehmen mit Bayern gemacht haben, 5,2 Millionen Euro mit Nordrhein-Westfalen.

Es kann neben § 138 BGB Vorliegen der Straftatbestand Wucher.

Nichtig ist nach § 138 Abs. 2 BGB insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB ist erforderlich, dass der von einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begünstigte Verkäufer in verwerflicher Gesinnung handelt. Das setzt voraus, dass diesem bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Käufer nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen, wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblicher Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt (Senat, BGHZ 146, 298, 302; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432).

Zum sog. „wucherähnlichen“ Rechtsgeschäft BGH NJW 2002, 55, die Anm. zu BGH NJW 2000, 1254 sowie zu BGH v. 10.2.2012 – V ZR 51/11: Wucher“ ist nach § 138 II BGB definiert als ein Rechtsgeschäft, bei welchem sich „jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.“ Daraus ergibt sich, dass das auffällige Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung alleine noch nicht für eine Nichtigkeit nach § 138 II BGB ausreicht. Auch für eine Nichtigkeit nach § 138 I BGB genügt dies alleine noch nicht, weil die zusätzlichen Kriterien in § 138 II BGB sonst unterlaufen würden.

Eine Nichtigkeit nach § 138 I BGB kommt dann aber in Form des sog. „wucherähnlichen Geschäfts in Betracht. Nach der Rspr. des BGH genügt aber für das Vorliegen eines solchen wucherähnlichen Geschäfts nicht alleine das extreme Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern es muss in subjektiver Hinsicht eine verwerfliche Gesinnung oder das Ausnutzen einer Machtposition hinzutreten. Regelmäßig wird ein „extremes Missverhältnis“ dann angenommen, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung. Die verwerfliche Gesinnung wird von der Rechtsprechung in diesen Fällen vermutet. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht behauptet werden muss. Hierdurch grenzt sich eine „tatsächliche“ Vermutung von einer gesetzlichen Vernutung ab. Zur Behauptungslast s. auch BGH v. 24.1.2014 – V ZR 249/12.

Nach dem Straftatbestand wird bestraft, wer die Zwangslage eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine sonstige Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.