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VergMan ® Zuwendungsrecht - Hochbau

VG Cottbus: Nach VOB/A national soll die Bekanntmachung einer öffentlichen Ausschreibung die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers oder Bieters beinhalten

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das EU-Recht ermächtigt die nationale Vollzugsbehörde nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthält nur Vorgaben für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes.

2. Die gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe sind abschließend. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften als Hinweis auf das Gesetz stellt für sich genommen noch keine Auflage dar. Maßgeblich für den Auflagencharakter ist der Vorbehalt der Rückforderung. Hierfür reicht nicht, allgemein im Bescheid Rechtsvorschriften zu benennen.

3. Dem gesetzlichen Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, ist zu entnehmen, dass bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks das Ermessen nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen (sog. intendiertes Ermessen).

4. Diese Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen.

VG Cottbus, Urteil vom 03.02.2023 – 3 K 1618/19

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Reduzierung von Fördermitteln.

Am 15. August 2016 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung einer Zuwendung für die Entwicklung des ländlichen Raumes (sog. „LEADER“-Programm) zur Schaffung eines Gemeindezentrums für die Gemeinden G…, H…und G…. Das LEADER-Programm wird unter anderem aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanziert.

Mit Zuwendungsbescheid vom 18. Juli 2017 gewährte der Beklagte ihr Fördermittel in Höhe von 875.976,64 Euro. Das Vorhaben werde mit ELER-Mitteln finanziert. Als Anlagen war diesem unter anderem die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projekförderung (ANBest-EU, Anlage 2), ein Leitfaden Vergabe für Auftraggeber im Rahmen von ELER-Förderprojekten (Anlage 5) sowie ein Informationsblatt zur Sanktionsregelung (Anlage 6) beigefügt. Unter „II. Nebenbestimmungen“ heißt es, Bestandteil des Bewilligungsbescheides seien die oben aufgeführten Anlagen. Abweichend oder ergänzend hierzu werde weiteres bestimmt. Dort heißt es unter Ziffer 7:

„Hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften aufgrund der Nummer 3 ANBest-EU wird auf den beigefügten Leitfaden zur Einhaltung der Vergabevorschriften (Anlage 5) verwiesen. Die Evang. Kirchengemeinde H…wird im Zusammenhang mit der Umsetzung des Zuwendungsbescheids als öffentlicher Auftraggeber tätig. (…)“.

In Ziffer 3.1 ANBest-EU heißt es, bei Aufträgen, die nach Nummer 3.2 und Nummer 3.3 nicht den Regelungen für Vergaben unterliegen, hat der Zuwendungsempfänger ab einem Auftragswert von mehr als 500 Euro netto mindestens drei vergleichbare Angebote einzuholen und die Auswahlgründe zu dokumentieren. Nach Ziffer 3.2 ANBest-EU sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen der Abschnitt 1 der Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A – VOB/A anzuwenden, sofern die Zuwendung mehr als 50 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben eines Vorhabens und der Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000 Euro netto beträgt. Weiter heißt es, „dabei sind die Verwaltungsvorschriften zu § 55 LHO entsprechend anzuwenden“. Nach Ziffer 3.3 bleiben Verpflichtungen des Zuwendungsempfängers, aufgrund des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabeverordnung (VgV), den Abschnitt 2 VOB/A bzw. VOL/A, die Sektorenverordnung anzuwenden sowie das Brandenburgische Gesetz über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Brandenburgisches Vergabegesetz – BbgVergG) oder andere Vergabebestimmungen einzuhalten, „von Nummer 3.2 unberührt“. Nach Ziffer 8.1.4 ist die Zuwendung zu erstatten, soweit ein Zuwendungsbescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht zurückgenommen oder sonst unwirksam wird, was insbesondere gilt, wenn ein Verstoß „gegen die unter Nummer 3 genannten Vergabebestimmungen vorliegt“.

Die Klägerin vergab die Leistungen in unterschiedlichen Losen, wobei hier die Lose 1 (Abbruch), 2 (Gründung) und 3 (Rohbau) streitgegenständlich sind.

Das Los 1 (Abbruch) umfasste einen geschätzten Nettogesamtauftragswert von 24.000,00 Euro. Die Klägerin veröffentlichte den Auftrag auf dem Vergabemarktplatz am 20. Dezember 2017. Das Los 2 (Gründung) umfasste einen Nettogesamtauftragswert von 43.000,00 Euro. Die Klägerin veröffentlichte den Auftrag am 07. Februar 2018 auf dem Vergabemarktplatz. Als Vergabeart gab sie jeweils die öffentliche Ausschreibung an. Es finden sich in beiden Ausschreibungen keine Angaben zu vorzulegenden Eignungsnachweisen.

Das Los 3 (Rohbau) umfasste einen geschätzten Nettogesamtauftragswert von 210.000,00 Euro. Die Klägerin veröffentlichte den Auftrag auf dem Vergabemarktplatz am 07. Februar 2018. Als Vergabeart gab sie die öffentliche Ausschreibung an. Angaben zu den vorzulegenden Eignungsnachweisen fehlen. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist angegeben, dass eine Eigenerklärung zur Eignung erst auf Nachforderung einzureichen sei. Es gaben vier Bieter ein Angebot ab. Ausweislich der Dokumentation der Vergabe vom 26. März 2018 wurden zunächst zwingende Ausschlussgründe geprüft. Bieter 1 sei auszuschließen, weil dieser entgegen dem Leistungstext einen Zusatz aufgenommen habe, dass größere Mengen Stahl auch vergütet werden müssten. Dies sei im Leistungstext ausdrücklich ausgeschlossen worden. Im Übrigen sei auch die Eignung geprüft worden und Bieter 4 deswegen ausgeschlossen worden. Dieser habe trotz Aufforderung nicht die Umsätze der letzten drei Jahre nachgewiesen, sei erst am 01. September 2017 in die Handwerkskammer eingetragen worden und habe eine Privatadresse als Firmenadresse angegeben. Weiter gewertet worden seien nur die Bieter 2 und 3. Bieter 2 habe teilweise keine Zeitansätze angegeben, so dass der Preis nicht habe überprüft werden können. Damit sei auch dieser auszuschließen und es verbleibe bei Bieter 3. Dessen Preis könne als angemessen beurteilt werden. In die Wertung sei im Wesentlichen der Preis eingeflossen. Diese sei letztlich der entscheidende Indikator gewesen. Sachkunde, Zuverlässigkeit und Eignung hätten dennoch keine untergeordnete Rolle gespielt. Diese Eigenschaften könnten bei Bieter 3, der Bauunternehmen H… als erfüllt angesehen werden. Der genannte Bieter kam letztlich auch durch Beschluss des Gemeinderates der Klägerin vom 29. März 2018 zum Zuge. Den übrigen Bietern wurden Absageschreiben geschickt, in dem Bieter 1 mitgeteilt wurde, er sei wegen unzulässiger Änderungen der Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden. Bieter 2 wurde mitgeteilt, es habe ein Hauptangebot mit niedrigerem Preis gegeben. Bieter 4 wurde mitgeteilt, er sei wegen fehlender Eignung ausgeschlossen worden.

Bei der Überprüfung des zweiten Auszahlungsantrags der Klägerin vom 29. Oktober 2018 stellte der Beklagte Unregelmäßigkeiten insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen fest. Unter dem 28. Februar 2019 forderte er die Klägerin zur Nachreichung von Unterlagen auf. In diesem Schreiben heißt es hinsichtlich der Lose 1, 2 und 3, aus den bisher vorgelegten Unterlagen sei u.a. nicht erkennbar, ob und wo die Eignungs- und Zuschlagskriterien veröffentlicht worden seien.

Unter dem 10. April 2019 teilte die Klägerin dem Beklagten u.a. mit, bei der Veröffentlichung des Bekanntmachungstextes der Lose 1 bis 3 sei ein Fehler unterlaufen. Die Gründe hierfür seien intensiv besprochen worden, mit der Erkenntnis, dass diese Fehler irreparabel seien und nur bei den noch folgenden Veröffentlichungen vermieden werden könnten.

Unter dem 03. Juli 2019 prüfte der Beklagte die Vergabeverfahren hinsichtlich der Lose 1, 2 und 3 auf Fehler und stellte fest, dass die Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien nicht veröffentlicht worden seien. Daher sei die Bewertung der Vergabe nicht nach den veröffentlichten Kriterien erfolgt (vgl. im Einzelnen dazu: Prüfprotokolle, zu Los 1: Bl. 624-627, Los 2: Bl. 765-768, Los 3: Bl. 876-879 d. VV, Beiakte III).

Der Beklagte bewilligte mit als „ersten Änderungsbescheid“ überschriebenen Bescheid vom 17. Juli 2019 die Zuwendung in Höhe von 858.270,35 Euro. In Anwendung des Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 sei der zahlbare Zuwendungsbetrag von Amts wegen einer Verwaltungssanktion um 17.614,92 Euro dauerhaft reduziert worden. Zudem sei der zahlbare Betrag um 91,37 Euro zu kürzen. Die Rechnung zum 2. Nachtrag des Bauunternehmens H…(Nr. 74 vom 11. Juni 2018) sei nicht förderfähig, weil es keinerlei Informationen zu einem Nachtrag gebe. Durch den Zuwendungsbescheid sei die Klägerin außerdem verpflichtet, Vorschriften für die Vergabe von Aufträgen einzuhalten. Die Prüfung der Vergabeunterlagen habe ergeben, dass nicht alle Aufträge ordnungsgemäß erteilt worden seien. Die Lose 1 (Abbruch), 2 (Gründung) und 3 (Rohbau) seien öffentlich ausgeschrieben worden. Entsprechend § 12 VOB/A seien unter anderem die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters bekanntzugeben. Entsprechend den vorliegenden Unterlagen zur Auftragsbekanntmachung sei dies hier nicht erfolgt. Bei der fehlenden Bekanntmachung von Eignungs- und Zuschlagskriterien handele es sich um einen Vergabeverstoß, der entsprechend den Leitlinien der EU-Kommission zur Festlegung von Finanzkorrekturen Nr. 9a mit einem Korrektursatz von 25 v. H. zu sanktionieren sei. Im Einzelnen betrifft der Widerruf folgende Rechnungen: Los 1 – Rechnung der T… vom 26. April 2018 in Höhe von 22.899,92 Euro (wobei die Kürzungssumme in Höhe von 25 % 5.724,98 Euro beträgt und hiervon wegen der Anteilsfinanzierung in Höhe von 75 % der Widerruf 4.293,74 Euro beträgt); Los 2 – Rechnung Nr. 74 des Bauunternehmens H…vom 11. Juni 2018 (21.086,35 Euro x 0,25 = 5.271,59 Euro x 0,75 = 3.953,69 Euro); Los 3 – Rechnung Nr. 95 des Bauunternehmens H…vom 05. Juli 2018 (49.959,97 x 0,25 = 12.489,99 Euro x 0,75 = 9.367,49 Euro). Insgesamt ergebe sich ein Sanktionsbetrag von 17.614,92 Euro. Gründen, die eine Ermessensausübung zu Gunsten der Klägerin ermöglichten, seien aus den eingereichten Vergabeunterlagen nicht ersichtlich.

Unter dem 16. August 2018 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führt sie aus, es sei jedenfalls nach der neuesten VOB 2019 nicht in jedem Falle erforderlich, sämtliche Eignungsnachweise nach § 6a VOB 2019 nochmals mit bekannt zu geben. Die zwingend zu tätigenden Angaben seien in § 6a Abs. 2 VOB/A geregelt. Nach § 6a Abs. 3 VOB/A könne die Auftrag vergebende Behörde die Auftragsvergabe von zusätzlichen Angaben abhängig machen. Hier bestehe Ermessen. Daher sei der beklagtenseits angesprochene § 12 Abs. 1 lit. w VOB/A so zu lesen, dass die auftragvergebende Behörde immer und in jedem Fall die vorbezeichneten Pflichtangaben verlange. Verlangte Nachweise seien nur dann nochmals separat zu fordern und bekannt zu machen, wenn die Behörde zusätzliche Nachweise nach § 6a Abs. 3 VOB/A begehre. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Zusätzliche Nachweise seien nicht verlangt worden. Daher sei die Rechtslage für die bietenden Unternehmer deutlich. Sie hätten die vorbezeichneten Pflichtnachweise erbringen müssen. Für etwaige Unklarheiten der Norm hafte der Beklagte analog Art. 103 des Grundgesetzes. Es werde eine Sanktion bzw. Strafe verhängt. Dies sei nur bei einer eindeutig, klar formulierten gesetzlichen Grundlage möglich. Hilfsweise werde darauf verwiesen, dass Art. 56 der EU-Verordnung 1306/2013 die Höhe der Sanktion von Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten und von der Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER abhängig mache. Die Höhe des Schadens betrage hier Null. Art und Schwere des Verstoßes sei ebenso mit „Null“ zu bewerten. Es liege allenfalls ein denkbar leichtester Verstoß vor. Auch das Vergabehandbuch des Bundes stelle das Verfahren anders dar als der Beklagte. Darüber hinaus bestünden gegen den Bescheid staatsrechtliche Bedenken. Die Kirchen seien Körperschaften des Öffentlichen Rechtes, so dass im Grunde der Staat gegen sich selbst einen Strafbescheid erlassen habe und strafrechtlich vorgehe. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zulässig. Ein bloßer Hinweis hätte genügt. Zudem fehle es an einer Zuständigkeit der Europäischen Union, auf deutschem Gebiet Strafverfahren, Sanktionen oder ähnliches zu regeln. Eigene Strafvorschriften dürfe die Europäische Union nicht erlassen. Denkbar sei lediglich, Art. 56 der EU-Verordnung 1306/2013 als eine Art pauschalisierten Schadensersatz zu sehen. Der Schaden betrage hier jedoch Null.

Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 zurück. Die Ausschreibungen seien am 20. Dezember 2017 und 07. Februar 2018 bekannt gemacht worden, so dass die VOB/A 2016 Anwendung finde. Es müsse für jeden Bewerber zweifelsfrei feststehen, welche Eignungsnachweise der Auftraggeber von ihm verlange. Vor diesem Hintergrund trage die Argumentation, dass jeder Bieter sich in Kenntnis des § 6a VOB/A über die vorzulegenden Eignungsnachweise im Klaren sei und nur darüberhinausgehende Angaben bekanntzugeben seien sowie der Verweis auf Formblätter des Vergabehandbuches des Bundes, nicht. Die Erleichterungen der VOB/A 2019 seien vorliegend irrelevant. Bei Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe sei es nicht möglich, die finanziellen Auswirkungen exakt zu quantifizieren. Es sei nicht ermittelbar, in welchem Umfang potenzielle Bieter aufgrund der fehlenden Transparenz in der Auftragsbekanntmachung von einer Teilnahme am Wettbewerb abgehalten worden seien. Vor diesem Hintergrund erfolge eine pauschale/prozentuale Korrektur aufgrund von Leitlinien der EU-Kommission vom 14. Mai 2019 (C[2019]3452final). Die dort aufgeführte Skala der Pauschalsätze halte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits ein. Im konkreten Fall betrage die Finanzkorrektur 25 Prozent. Der Auffassung, es habe sich um den denkbar leichtesten Verstoß gehandelt, könne daher nicht gefolgt werden. Zudem werde verkannt, dass es vorliegend um Verwaltungsrecht gehe. Wer in den Genuss einer Finanzspritze komme, müsse sich an die Regeln halten.

Mit ihrer am 19. Dezember 2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Mit Änderungsbescheid vom 04. November 2020 hat der Beklagte den 1. Änderungsbescheid vom 17. Juli 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 aufgehoben und ersetzt. Sie seien rechtswidrig, da es an einer Rechtsgrundlage fehle. Die Aufhebung hätte nach den nationalen Regelungen erfolgen müssen. Weiter hat der Beklagte die zahlbare Zuwendung auf einen Betrag in Höhe von 858.270,35 Euro festgesetzt (Ziffer 3). Es bestehe in ergänzender Anwendung der einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen ein besonderer Widerrufsgrund, da es sich um eine teilweise unionsfinanzierte Fördermaßnahme handele. Im Übrigen wiederholt er im Wesentlichen die Begründung in den aufgehobenen Bescheiden und führt ergänzend aus, nach Ziffer 3.1 ANBest-EU hätten öffentliche Auftraggeber die VV zu § 55 LHO in der jeweils geltenden Fassung verpflichtend anzuwenden. Sie seien zur Vergabe verpflichtet. Die Klägerin sei öffentlicher Auftraggeber im Sinne der GWB und habe daher bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte – so wie hier – die VOB/A einzuhalten, Ziffer 2.2.1 der VV zu LHO. Dem dauerhaften Teilwiderruf stehe auch die gemäß § 49 Abs. 3 VwVfG zu treffende Ermessensausübung nicht entgegen. Die Regelung werde von Art. 56 VO (EU) 1306/2013 überlagert und eingeschränkt. Gründe, die für eine Ermessensausübung zu Gunsten der Klägerin und die Abkehr vom Regelfall ermöglichten, seien nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 26. November 2020 hat die Klägerin den Änderungsbescheid in das gerichtliche Verfahren einbezogen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2020 der Klageänderung zugestimmt.

In der Folge hat der Beklagte weitere Änderungsbescheide (3. bis 7. Änderungsbescheid) erlassen, die nicht in das hiesige Klageverfahren einbezogen worden sind.

Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin ergänzend aus, aufgrund des Gesetzesvorbehalts gebe es keine ungeschriebenen Widerrufsgründe. EU-Recht komme als Widerrufsgrund nicht in Betracht. Das Land Brandenburg habe deutsches Recht anzuwenden. Dies sei Ausdruck der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Zudem sei darauf zu verweisen, dass der Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 04. November 2020 ausdrücklich auf deutsches Recht argumentativ umgestellt habe. Die Einhaltung des Vergaberechts sei im Zuwendungsbescheid nicht beauflagt worden. Der bloße Verweis unter Nr. 7 der Auflagen auf Nr. 3 der ANBest-EU reiche hierfür nicht aus. Ihr sei nicht bewusst, Auflagen verletzt zu haben. Ziffer 2 der Nebenbestimmungen im Bewilligungsbescheid enthalte lediglich einen Widerrufsvorbehalt, der aber nur einen Widerruf für die Zukunft erlaube. Selbst wenn die genannte Ziffer 2 eine Auflage enthalte, sei ein Widerruf nur aus zwingenden Gründen zulässig. Ein solcher liege nicht vor. Ziffer 3. der ANBest-EU sehe vor, dass der Auftragswert mehr als 100.000,00 Euro netto betragen müsse. Die hier streitgegenständlichen Rechnungen lägen einzeln betrachtet unter diesem Betrag. Zudem sei der Beklagte für Aufhebungstatbestände – bedingt durch einen Ladefehler bei der Verknüpfung der Datenbank bei der Veröffentlichung – darlegungs- und beweisbelastet. Auch trage er das Risiko von ungenau formulierten gesetzlichen Vorgaben. Weiter bleibe die Klägerin bei ihrer Lesart der VOB/A. Hier hätte maximal die unterste Stufe der von dem Beklagten genannten EU-Leitlinie, eine Kürzung von 5 Prozent, zur Anwendung kommen müssen. Der Wettbewerb sei nicht beeinträchtigt worden. Wenn ein Bewerber angesichts der Veröffentlichung der Meinung gewesen wäre, er müsste keine Eignungsnachweise erbringen, sei dies eher bewerbungsfördernd. Bei Unregelmäßigkeiten lediglich formaler Art ohne tatsächliche oder potentielle Auswirkungen sei keine Finanzkorrektur vorzunehmen. Die Widerrufsfrist sei nicht gewahrt. Die streitgegenständlichen Rechnungen entstammten der Zeit von April bis Juni 2018. Die Ausschreibungen seien noch früher erfolgt. Es sei unklar, wann der Beklagte Kenntnis von diesen erlangt habe. Der anfängliche Aufhebungsbescheid datiere auf den 18. Juli 2017, der weitere Aufhebungsbescheid auf den 04. November 2020. Spätestens beim ersten Bescheid habe der Beklagte die nach seiner Auffassung vorliegenden Aufhebungsgründe gekannt. Der zweite Bescheid hätte schon wegen der Überschreitung der Jahresfrist nicht ergehen dürfen. Nach § 13 GKG i.V.m. § 17 Abs. 2 Evang. Kirchenvertrag Brandenburg bestehe eine Befreiung von Gerichtskosten.


Die Klägerin beantragt nunmehr schriftsätzlich sinngemäß,

den Änderungsbescheid des Beklagten vom 04. November 2020 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.


Er führt ergänzend aus, ein Verstoß gegen Vergabevorschriften sei nach Art. 35 Abs. 3 VO (EU) 640/2014 i.V.m. Art. 56 VO (EU) 1306/2013 ein ungeschriebener Widerrufsgrund auf Grundlage des § 49 Abs. 3 VwVfG. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Hier seien die nach Ziffer 3.1 ANBest-EU vorgegebene verpflichtende Anwendung der VV zu § 55 LHO nicht eingehalten worden. Danach seien öffentliche Aufträge über Bauleistungen, Lieferungen und Leistungen in transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben. Überdies ergebe sich die Verpflichtung aus Ziffer II.Nr. 7 der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids. Im Hinblick auf die von der Klägerin ausgeführten Rechtsansichten sei anzumerken, dass es keinerlei Auslegung der Vorschriften der VOB/A bedurft habe, da die bei der Vergabe zu berücksichtigenden Vorgaben der Klägerin in Form eines Leitfadens mit dem Zuwendungsbescheid zur Verfügung gestellt worden sei. Dort heiße es auf Seite 19:

„In der Auftragsbekanntmachung (…) sind die Anforderungen an entsprechende Nachweise der Bewerber (…) zu formulieren“.

Auch der Schweregrad sei mit 25 Prozent korrekt bewertet worden. Die Art der Unregelmäßigkeit – Nichtveröffentlichung der Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung – werde gemäß Nr. 9 der Leitlinien der EU-Kommission mit 25 Prozent angesetzt. Mit dem Zuwendungsbescheid habe die Klägerin auch ein Informationsblatt erhalten, in dem die Prozentwerte für die einzelnen Vergabeverstöße benannt würden. Der Klägerin sei mithin im Vorfeld der Vergabe bereits bekannt gewesen, dass ein solcher Verstoß pauschal mit 25 Prozent in Abzug gebracht werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten I bis XIII) Bezug genommen, welche jeweils Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit im Rahmen des Erörterungstermins vor der Berichterstatterin am 02. März 2021 einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Die Anfechtungsklage ist zulässig.

Sie richtet sich gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 04. November 2020, mit dem er den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2019 aufgehoben hat. Dem steht nicht entgegen, dass keine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Änderungsbescheids in einem Vorverfahren nach § 68 VwGO stattgefunden hat. Ein solches ist dann entbehrlich, wenn im Wege der Klageänderung anstelle des ursprünglichen Verwaltungsaktes ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsstreits wird und das geänderte Klagebegehren im Wesentlichen denselben Streitstoff betrifft wie das ursprünglich durchgeführte Vorverfahren (BVerwG, Urt. v. 23. März 1982 – 1 C 157/79 -). So liegt der Fall hier. Die für den Ausgang maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens gewesen und auf der Grundlage unverändert fortbestehender sachlicher Gegebenheiten beurteilt worden. Die durch Einführung des Änderungsbescheides vom 04. November 2020 erfolgte Änderung der Klage ist nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, da der Beklagte ihr zugestimmt hat.

Die im Nachgang ergangenen Änderungsbescheide hat die Klägerin hingegen nicht in das vorliegende Klageverfahren einbezogen, sondern dem Gericht lediglich mitgeteilt, dass der 5. und 7. Änderungsbescheid ergangen seien und sie Widerspruch erhoben habe. Diese betreffen im Übrigen auch andere (bzw. spätere) Mittelabrufe. Soweit der 2. Änderungsbescheid vom 25. Mai 2020 und der 4. Änderungsbescheid vom 16. März 2021 nach Aktenlage bestandskräftig zu sein scheinen, steht dies der Zulässigkeit der Klage ebenso wenig entgegen. Denn in diesen werden Durchführungs- und Abrechnungszeiträume verlängert, wie die Überschrift und die fettgedruckten Änderungen in den Bescheiden zeigen. Soweit in der Berechnung die hier streitgegenständliche Reduktion des Zuwendungsbetrages berücksichtigt werden, wiederholen der 2. und 4. Änderungsbescheid den hier streitgegenständlichen Bescheid lediglich, ohne diesbezüglich eine eigene Regelung zu treffen. Dies folgt insbesondere daraus, dass keine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung unter Berücksichtigung neuer tatsächlicher oder rechtlicher Aspekte erfolgt (vgl. zu alldem: Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwVfG, § 35, Rn. 95).

2. Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit er den Widerruf wegen Vergaberechtsfehlern bei den Losen 1 und 2 betrifft. Die Klägerin ist insoweit in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Im Übrigen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig.

a. Soweit der zahlbare Betrag um 91,37 Euro gekürzt wurde, weil die Rechnung zum 2. Nachtrag des Bauunternehmens H… (Nr. 74 vom 11. Juni 2018) als nicht förderfähig erachtet wurde, ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig. Insoweit wird auf die Begründung des Bescheids verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten und hat hierzu – trotz Hinweises des Gerichts mit Verfügung vom 17. Februar 2020 und im Rahmen des Erörterungstermins vom 02. März 2021 – nicht vorgetragen, andererseits aber auch den Klageantrag nicht auf die Vergaberechtsverstöße beschränkt.

b. Der Widerruf des Zuwendungsbescheids vom 18. Juli 2017 ist nur teilweise rechtmäßig.

Er findet in Höhe von 9.367,49 Euro seine Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), das gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) im vorliegenden Fall anwendbar ist. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Im Übrigen fehlt es an einer Rechtsgrundlage für einen Widerruf.

aa. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann ein Widerruf nicht wegen Vergaberechtsverstößen erfolgen, die nicht als Auflage in das Zuwendungsverhältnis einbezogen worden sind. Ein spezieller Widerrufsgrund ergibt sich insbesondere nicht aus den hier einschlägigen EU-Verordnungen.

Nach Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 nehmen die Mitgliedsstaaten die finanziellen Berichtigungen vor, indem sie die betreffende finanzielle Beteiligung der Union ganz oder teilweise streichen. Sie berücksichtigen dabei die Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER. Nach Art. 35 Abs. 2 lit. b Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 wird die beantragte Förderung ganz oder teilweise abgelehnt bzw. zurückgenommen, wenn gegebenenfalls sonstige für das Vorhaben geltende Auflagen, die in Unionsvorschriften oder einzelstaatlichen Vorschriften oder im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegt sind, insbesondere die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, nicht eingehalten werden.

Diese Bestimmungen ermächtigten die nationale Vollzugsbehörde nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthalten nur eine Vorgabe für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 01. Oktober 2014 – 3 C 31.13 -; Urt. v. 10. Dezember 2003 – 3 C 22.02 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. März 2009 – 10 S 1578/08 -; VG Frankfurt [Oder], Urt. v. 23. Juli 2019 – 8 K 1062/15 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 12. Juli 2018 – 12 K 10347/17 -; VG Bayreuth, Urt. v. 27. September 2017 – B 4 K 16.139 -; VG Magdeburg, Urt. v. 13. Juli 2017 – 3 A 177/16 -; für Art. 35 Delegierte Verordnung [EU] Nr. 640/2014 offen lassend: Sächsisches OVG, Urt. v. 10. November 2021 – 6 A 311/19 -).

Die gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe sind abschließend (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 05. Mai 2021 – 10 LB 201/20 -). Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften als Hinweis auf das Gesetz stellt für sich genommen noch keine Auflage dar. Maßgeblich für den Auflagencharakter ist der Vorbehalt der Rückforderung, denn damit macht der Beklagte deutlich, die vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel an weitergehende Konsequenzen zu knüpfen (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23. August 2022 – 5 LB 9/20 -). Hierfür reicht nicht, allgemein im Bescheid Rechtsvorschriften zu benennen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 01. Oktober 2021 – 19 K 2697/19 -).

Anderes mag gelten, wenn sich aus einer EU-Norm ein direkter Anwendungsbefehl mit einem eng eingeschränkten Tatbestand ergibt (so etwa die vom Beklagten in Bezug genommene Entscheidung Niedersächsischen OVG: Urt. v. 21. April 2015 – 10 LB 31/13 -, zu ist Art. 72 Abs. 1 Verordnung [EG] Nr. 817/2004, wonach der betreffende Begünstigte bei Vorliegen falscher Angaben für das entsprechende Kalenderjahr von sämtlichen Fördermaßnahmen für den ländlichen Raum ausgeschlossen wird).

Die vom Beklagten genannten Rechtsgrundlagen – Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 und Art. 35 Abs. 2 lit. b Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 – geben hingegen weder einen klaren Tatbestand, noch eine gebundene Rechtsfolge vor. Würden diese Regelungen als direkte Ermächtigungsgrundlage für einen Widerruf gesehen, wären die Widerrufsmöglichkeiten der Zuwendungsbehörde für jegliche Unregelmäßigkeit eröffnet und uferlos. Den genannten Vorschriften wird hinreichend Rechnung getragen, indem diese – wie im Rahmen der Prüfung des Ermessens ausgeführt werden wird – ermessenslenkende Wirkung zugesprochen wird.

bb. Als Auflage in das Zuwendungsverhältnis einbezogen sind hinsichtlich der Vergabe von Bauleistungen ausschließlich Aufträge, deren Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000,00 Euro netto beträgt.

Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Ob eine Erklärung einer Behörde eine Auflage in diesem Sinne darstellt oder lediglich einen unverbindlichen Hinweis, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie die Erklärung von ihrem Adressaten bei verständiger Würdigung zu verstehen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 07. März 2022 – 3 S 1907/21 -). Eine Auflage muss zudem nach § 37 VwVfG hinreichend bestimmt sein. Zum einen muss der Adressat in die Lage versetzt werden, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 07. März 2022 – 3 S 1907/21 -).

Diesen Anforderungen genügt der Zuwendungsbescheid samt Anlagen vorliegend nicht vollständig.

Ziffer 3.2 ANBest-EU stellt zwar eine Auflage dar, jedoch ausschließlich für die Vergabe von Aufträgen, deren Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000,00 Euro netto beträgt. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut, wonach bei Überschreiten dieses Auftragswerts bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen der Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A – VOB/A anzuwenden ist, sofern die Zuwendung mehr als 50 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben eines Vorhabens und der Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000 Euro netto beträgt. Dem Zuwendungsempfänger wird, insbesondere mit der Formulierung „sind anzuwenden“, ein bestimmtes bestimmtes Tun vorgeschrieben (ständige Rechtsprechung zu gleichlautenden Allgemeinen Nebenbestimmungen: Sächsisches OVG, Urt. v. 11. Mai 2017 – 1 A 140/16 -; Bayerischer VGH, Beschl. v. 09. Februar 2015 – 4 B 12.2326 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17. Oktober 2013 – 9 S 123/12 -; Urt. v. 28. September 2011 – 9 S 123/10 -; OVG Reinland-Pfalz., Urt. v. 25. September 2012 – 6 A 10478/12 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20. April 2012 – 4 A 1055/09 -; Urt. d. Kammer v. 21. Dezember 2021 – VG 3 K 2560/17 -).

Sofern der Auftragswert einer Bauleistung 100.000,00 Euro unterschreitet, ist hingegen eine Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen nicht beauflagt. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus Ziffer 3.3 ANBest-EU. Danach bleiben Verpflichtungen des Zuwendungsempfängers aufgrund des § 98 GWB und der VgV, den Abschnitt 2 VOB/A bzw. VOL/A, die VOF, die Sektorenverordnung einzuhalten von Ziffer 3.2 unberührt. Zum einen spricht die Formulierung „unberührt“ (im Gegensatz zu „anzuwenden“ in Ziffer 3.2 ANBest-EU) für die Annahme eines bloßen Hinweises (ausführlich zum wortgleichen Nr. 3.2 der ANBest-K: Sächsischen OVG, Urt. v. 11. Mai 2017, – 1 A 140/16 -; zum wortgleichen Nr. 3.2 ANBest-P: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17. Oktober 2013 – 9 S 123/12 -; zum wortgleichen Nr. 3.2 ANBest-Gk: VG Köln, Urt. v. 04. Februar 2021 – 16 K 1940/18 -; VG Göttingen, Urt. v, 27. November 2019 – 1 A 71/16 -; a.A. zum wortgleichen Nr. 3.1 Satz 2 ANBest-K-Pilotprojekt: Bayerischer VGH, Urt. v. 09. Februar 2015 –4 B 12.2325 -). Zum anderen regelt der in Ziffer 3.3 ANBest-EU für Bauleistungen maßgebliche 2. Abschnitt der VOB/A Vergabebestimmungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU und betrifft nach § 1 Abs. 2 S. 2 EU 2. Abschnitt VOB/A 2016 Aufträge, die den Schwellenwert in § 106 GWB überschreiten. Dieser Vorschrift verweist wiederum auf Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU, nach dessen lit. a bei öffentlichen Bauaufträgen ein Schwellenwert von 5.186.000,00 Euro gilt, der hier bei weitem nicht erreicht ist.

Auch aus Ziffer 7 der im Zuwendungsbescheid aufgeführten Nebenbestimmungen ergibt sich hier keine Auflage für die Vergabe eines Auftrags mit einem Wert unter 100.000,00 Euro. Dort heißt es, hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften aufgrund der Nummer 3 ANBest-EU werde auf den beigefügten Leitfaden zur Einhaltung der Vergabevorschriften verwiesen. Dies kann aus Empfängersicht nur einen Hinweis darstellen, ohne dass dadurch die Einhaltung des gesamten Vergaberechts in das Zuwendungsverhältnis als Auflage einbezogen würde. Eine solche weite Auslegung würde der – jedenfalls soweit die Vergabe von Bauleistungen unter 100.000,00 Euro betroffen ist – klaren Formulierung der Ziffer 3.2 der ANBest-EU widersprechen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Regelungswirkung der Ziffer 7 der im Zuwendungsbescheid aufgeführten Nebenbestimmung auf die unter Ziffer 3 der ANBest-EU als verbindliche, unmissverständliche Auflage formulierten Vorgaben beschränkt. Sie weitet hingegen nicht aus, ab welchem Auftragswert die Einhaltung des 1. Abschnitts der VOB/A beauflagt ist.

Gleiches gilt für Ziffer 8.1.3 der ANBest-EU, welche einen Widerruf vorsieht, wenn ein Verstoß gegen die unter Nummer 3 genannten Vergabebestimmungen vorliegt. Auch dies kann unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes nur so verstanden werden, dass die unter Ziffer 3 ANBest-EU als Auflage einbezogenen Vergabebestimmungen gemeint sind. Würde unter Ziffer 8.1.3 der ANBest-EU die Einhaltung des gesamten Vergaberechts beauflagt, ergäbe sich ein Widerspruch zu Ziffer 3 ANBest-EU und die Regelungen wären unbestimmt. Der Empfänger könnte so nicht klar erkennen, wann ein Verstoß gegen Vergabebestimmungen zu einem Widerruf führen kann.

Soweit die Klägerin dagegen einwendet, die ANBest-EU sei ihr nicht bekannt gewesen, greift dies nicht durch. Selbst wenn diese – wofür nichts vorgetragen ist – nicht dem Zuwendungsbescheid beigefügt gewesen sein sollten, verweist dieser ausdrücklich auf ihn. Es hätte dann der Klägerin oblegen, sich Kenntnis von dem Inhalt zu verschaffen.

cc. Ist danach im Zuwendungsverhältnis die Einhaltung des Abschnitts 1 VOB/A (in der Fassung 2016 – im Folgenden: VOB/A) bei der Vergabe von Bauleistungen mit einem Auftragswert von voraussichtlich mehr als 100.000 Euro netto beauflagt, liegt ein Auflagenverstoß hinsichtlich der Lose 1 (Abbruch) und 2 (Gründung) nicht vor.

Von den streitgegenständlichen Losen liegt ausschließlich der Auftragswert des Loses 3 (Rohbau) über dieser Grenze. Der geschätzte Auftragswert betrug 210.000,00 Euro. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die Auftragswerte getrennt berechnete. Zwar sehen die nach Ziffer 3.2 S. 2 ANBest-EU anwendbaren Verwaltungsvorschriften zur LHO in Ziffer 3.3 zu § 55 vor, dass bei einer Aufteilung in Lose für das Erreichen der Wertgrenzen die Summe der addierten Lose maßgeblich sind. Hierfür ist allerdings entscheidend, ob ein Auftrag isoliert als zu betrachtender Einzelauftrag oder als Los eines Gesamtauftrages zu qualifizieren ist. Bei Sanierungsaufträgen ist darauf abzustellen, ob einzelne Bauabschnitte für sich betrachtet abgeschlossene wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen (vgl. grundlegend hierzu: Dietlein/Fandrey, Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, 2. Aufl. 2017, § 8, Rn. 22, m.w.N.). Es ist nicht fehlerhaft, dass die Klägerin bei den Arbeiten zum Abbruch, zur Gründung und zur Errichtung des Rohbaus (offenbar) angenommen hat, dass diese für sich genommen eine sinnvolle Funktion erfüllen. Unerheblich ist hingegen, ob die hier in Rede stehende Rechnung (Nr. 95 des Bauunternehmen H… vom 05. Juli 2018 mit einem Betrag von 49.959,97 Euro) über diesem Wert liegt, wie die Klägerin zuletzt vorgetragen hat. Es kommt allein auf den Auftragswert, der für das gesamte Los geschätzt wurde, an.

Die Lose 1 (Abbruch) und 2 (Gründung) liegen mit 24.000,00 Euro und 43.000,00 Euro unter 100.000,00 Euro. Die Einhaltung des 1. Abschnitts der VOB/A ist mithin hinsichtlich dieser Lose nicht beauflagt worden. Dahinstehen kann daher auch, ob angesichts der in Ziffer 3.1 der VV zu § 55 LHO zum maßgeblich Zeitpunkt festgelegten Wertgrenze für die freihändige Vergabe von Bauleistungen in Höhe von 100.000,00 Euro eine öffentliche Vergabe überhaupt notwendig war, und ob eine Sanktionierung auch erfolgen kann, wenn der Zuwendungsempfänger die Vorgaben eines nicht zwingend vorgesehenen strengeren Verfahrens zuwiderhandelt. All dies kann angesichts der Unterschreitung der Grenze von 100.000,00 Euro bei den Losen 1 (Abbruch) und 2 (Gründung) jedenfalls vorliegend nicht zu einem Teilwiderruf der Zuwendung führen.

dd. Die Auftragsbekanntmachung für das Los 3 entspricht nicht den Vorschriften des 1. Abschnitts der VOB/A.

Nach den insoweit zum Zeitpunkt der Ausschreibung am 07. Februar 2018 geltenden § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. u VOB/A soll die Bekanntmachung einer öffentlichen Ausschreibung die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers oder Bieters beinhalten. Dies war hier unstreitig nicht der Fall.

Dass der bietenden Person nach Ansicht der Klägerin auch nach § 6a VOB/A bewusst gewesen sein muss, welche Nachweise vorzulegen seien, ist unerheblich. Nach den vom Auftraggeber gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A schon mit der Bekanntmachung geschuldeten Informationen muss für jeden Bewerber und jeden Bieter zweifelsfrei feststehen, welche Eignungsnachweise verlangt werden. Die interessierten Bewerber und Bieter sollen also schon mit den Informationen aus der Bekanntmachung einschätzen können, ob sie die geforderten Nachweise werden vorlegen können (vgl. etwa BGH, Urt. v. 03. April 2012 – X ZR 130/10 -). Daraus folgt zugleich, dass allein die Anforderung der Nachweise nach der Bekanntmachung rechtlich verbindlich ist. Der Auftraggeber darf hiervon mithin später, etwa in der Angebotsaufforderung oder später bei der Wertung, nicht mehr abweichen (vgl. zu alldem: Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 6. Aufl. 2018, VOB/A, § 12, Rn. 31, m.w.N.).

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass im Vergabehandbuch des Bundes ein anderes Muster zu finden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Beauflagt war die Einhaltung des 1. Abschnitts der VOB/A, die diesbezüglich eindeutig ist.

Im Übrigen kann auch dahinstehen, ob die Klägerin nach Ziffer 3.1 der VV zu § 55 LHO (lediglich) zur Durchführung einer beschränkten Ausschreibung verpflichtet gewesen wäre, weil der Auftragswert 1.000.000,00 Euro nicht erreichte, und ob sie in einem solchen Fall ausschließlich an den Vergabebestimmungen des weniger förmlichen Vergabeverfahrens zu messen wäre. Denn nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 VOB/A gilt für die Bekanntmachung bei einer Beschränkten Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb ebenso die Vorgabe der Angaben in der Bekanntmachung nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A.

ee. Auch die von dem Beklagten gewählte Höhe der Finanzkorrektur ist nicht zu beanstanden. Der Widerruf und insbesondere die Höhe stehen nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG im Ermessen der Behörde. Die Ermessensausübung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

Der Beklagte hat sich bei der Ermessensausübung ersichtlich an § 7 der Landeshaushaltsordnung (LHO) orientiert. Dem darin enthaltenen gesetzlichen Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, ist zu entnehmen, dass bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks das Ermessen nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalles eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen (sog. intendiertes Ermessen). Denn diese Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen (st. Rechtsprechung, vgl. so bereits: BVerwG, Urt. v. 10. Dezember 2003 – 3 C 22/02 -; Urt. v. 16. Juni 1997 – 3 C 22/96 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26. Oktober 2020 – OVG 3 N 95/20 -, n.v., BA, S. 3; Urt. v. 14. November 2014 – OVG 3 B 14.12 -; Urt. v. 27. März 2007 – 10 B 6.07 -; Bayerischer VGH, Urt. v. 25. Mai 2004 – 22 B 01.2468 -).

Ein solches intendiertes Ermessen ergibt sich auch aus dem Unionsrecht. In der für die vorliegende Subvention geltenden Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 wird in Art. 56 geregelt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die erforderlichen Finanzkorrekturen in Bezug auf individuelle oder systematische Unregelmäßigkeiten zu treffen. Auch Art. 35 Abs. 2 lit. b der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 sieht vor, dass die Förderung ganz oder teilweise zurückgenommen wird, wenn für das Vorhaben geltende Auflagen für die öffentliche Auftragsvergabe nicht eingehalten werden. Die Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung zu Unrecht gewährter Unionsmittel zweckmäßig ist, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit dieser Verpflichtung unvereinbar (vgl. zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik nach Verordnung [EG] Nr. 729/70: EuGH, Urt. v. 21. September 1983 – 205 – 215/82 -; zu Art. 98 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 1083/2006: Urt. d. Kammer vom 21. Dezember 2021 – VG 3 K 2560/17 -; ebenso zu Art. 35 der Delegierten Verordnung [EU] Nr. 640/2014: VG Regensburg, Urt. v. 02. November 2017 – RN 5 K 17.210 -). Dies gilt hier angesichts der (überwiegenden) Finanzierung aus EU-Mitteln.

Ein Ermessenspielraum verblieb der Beklagten somit allein hinsichtlich des Umfangs des Widerrufs. Sie hat sich insoweit an den sog. Leitlinien für die Festsetzung der Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierte anzuwenden sind (Beschluss der Europäischen Kommission C [2019] 3452 final; im Folgenden: Leitlinien) orientiert. Diese richten sich zwar vorrangig an die Kommissionsdienststellen, um bei deren Bearbeitung von Fällen mit Unregelmäßigkeiten ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, die selbst Unregelmäßigkeiten feststellen, empfehlen die Leitlinien jedoch, dabei dieselben Kriterien für die Korrektur von Unregelmäßigkeiten anzuwenden (vgl. dazu die einleitenden Ausführungen in der Leitlinie). Dabei sind die Leitlinien nicht schematisch anzuwenden und etwaige atypische Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten. Auch die Regelannahmen der Leitlinien entbinden daher nicht davon, die Einzelumstände zu würdigen. (vgl. Urt. d. Kammer v. 21. Dezember 2021 – VG 3 K 2560/17 -).

Die Leitlinien listen die wichtigsten Arten von Unregelmäßigkeiten auf und legen die hierfür anzuwendenden Korrektursätze (Kürzungen um 5, 10, 25 und 100 % vom Auftragswert) fest. Im Falle der Nichtveröffentlichung der Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien (und ihrer Gewichtung) in der Auftragsbekanntmachung sieht die von dem Beklagten herangezogene Ziffer 9 lit. a eine Korrektur von 25 % vor. Der Klägerin wird hier zwar die Nichtveröffentlichung der Unterlagen zum Eignungsnachweis vorgeworfen. Die notwendigen Unterlagen zur Überprüfung der Eignung zeigen allerdings, welche Kriterien der Auftraggeber als relevant erachtet. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass bis zuletzt unklar geblieben ist, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgt ist bzw. welche Eignungsnachweise eine Rolle gespielt haben, ist die Wahl des Korrektursatzes von 25 Prozent nicht zu beanstanden. Denn die Bewilligungsbehörde darf bei der Subventionsvergabe die Beachtung strenger Form- und Fristbestimmungen verlangen. Sinn der klaren Regelung in Ziffer 3.2 ANBest-EU ist es, dass bereits in formeller Hinsicht dem Gebot der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln entsprochen wird. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe dem Subventionsgeber durch eine regelwidrige Auftragsvergabe letztlich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, kommt es nicht an (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 05. März 2010 – 1 L 6/10 -).

Auch kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die Unregelmäßigkeit lediglich formaler Art ohne tatsächliche oder potenzielle finanzielle Auswirkungen war. In diesen Fällen würde nach Ziffer 1.1 (Zweck der Leitlinie) von einer Korrektur abgesehen werden. Potenzielle finanzielle Auswirkungen können hier nicht ausgeschlossen werden. Der Bieterkreis könnte sich wegen der fehlenden Bekanntmachung der Eignungsnachweise verändert haben. So ist vorliegend ein Bieter gar wegen fehlender Eignung ausgeschlossen worden. Dass dieser die verlangten Nachweise hätte vorlegen können, wenn er bereits bei der Ausschreibung hiervon informiert gewesen wäre, ist nicht fernliegend. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Interessenten aufgrund der unklaren Ausschreibung und der nicht angegebenen vorzulegenden Eignungsnachweise nicht beworben haben. Der Bieterkreis war mit vier Bietern ohnehin klein, durch den Ausschluss zweier Bewerber erfolgte die Auswahl letztlich aus zwei Bietern.

Soweit die Klägerin einwendet, eine schematische Anwendung verbiete sich und es hätte ein geringerer Korrektursatz in Betracht gezogen werden müssen, dringt sie nicht durch. In der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung (Urt. v. 28. Februar 2018 – 3 A 192/16 -) war über einen Vergabefehler entschieden worden, für den die Leitlinien einen Korrektursatz von 25 % vorsehen, der ausdrücklich je nach Schwere der Unregelmäßigkeit auf 10 % oder 5 % verringert werden kann, so dass danach die Beibehaltung des höchsten Korrektursatzes einer zusätzlichen Begründung bedürfe. Die Leitlinie sieht für die hier von dem Beklagten anwandte Ziffer hingegen ausschließlich einen Korrektursatz von 25 % vor.

Auch im Übrigen besteht kein Anlass für eine Reduktion, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Rückforderung den Anteil von EU-Mitteln an der Gesamtförderung übersteigen würde.

ff. Dem Widerruf steht die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG nicht entgegen. Diese im nationalen Recht verankerte Regelung – wonach der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen, welche den Widerruf rechtfertigen, zulässig ist – ist hier nicht anwendbar.

Es war das ausdrücklich erklärte Ziel des europäischen Verordnungsgebers, die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes abschließend zu normieren. Das ergibt sich insbesondere aus dem Erwägungsgrund Nr. 95 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013. Danach verfolgt diese Verordnung die Zielsetzung, eine „einheitliche Anwendung“ der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu erreichen, unter anderem bei der Rücknahme von Zahlungsansprüchen und der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge.

Könnten die Mitgliedstaaten die Rücknahme und Rückforderung weiteren, sehr unterschiedlichen Ausschlussfristen unterwerfen, würde das Ziel eines einheitlich ausgestalteten Vertrauensschutzes verfehlt. Während in einem Mitgliedstaat eine Beihilfe zurückgefordert werden könnte, könnte ein anderer Mitgliedstaat die Ausschlussfristen zugunsten des Zuwendungsempfängers denkbar kurz ausgestalten. Daraus folgt, dass auch die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG durch das Unionsrecht mit seiner abschließenden Regelungssystematik zum Vertrauensschutz bei der Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen überlagert wird (vgl. zu Art. 73 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004: BVerwG, Urt. v. 01. Oktober 2014 – 3 C 31.13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18. November 2014 – 10 S 847/12 -; zum Erwägungsgrund Nr. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1678/98: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2007 – OVG 11 B 6.05 -; zum Erwägungsgrund Nr. 101 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19. Mai 2021 – 10 LA 205/20 -; zu Art. 49 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008 – 8 A 11153/07 -; jew. m.w.N.; grundlegend hierzu: Schoch, in: ders./Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand 3. EL 2022, VwVfG, § 48, Rn. 234).

Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten Beträge, die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen zu Unrecht gezahlt wurden, von dem Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach dem Zeitpunkt zurückfordern, zu dem ein Kontrollbericht oder ähnliches Dokument, in dem festgestellt wird, dass eine Unregelmäßigkeit stattgefunden hat, gebilligt wurde und gegebenenfalls der Zahlstelle oder der für die Wiedereinziehung zuständigen Stelle zugegangen ist. Diese für die Rückforderung maßgebliche Frist (vgl. für die Einziehung von zu Unrecht aktivierten Zahlungsansprüchen: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30. Juni 2016 – 10 ME 35/16 -) wurde vorliegend eingehalten. Die ELER-Verwaltungskontrolle Auftragsvergabe erfolgte am 03. Juli 2019. Auch der nunmehr streitgegenständliche Änderungsbescheid vom 04. November 2020 ist damit binnen 18 Monaten erlassen worden.

Rein vorsorglich sei darauf verwiesen, dass auch der im Übrigen als „Grundregel“ subsidiär geltende Art. 3 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 (zur Subsidiarität EuGH, Urt. v. 3. Oktober 2019 – C-378/18 -) eingehalten wurde. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 erfasst alle Unregelmäßigkeiten gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung. Als Unregelmäßigkeit in diesem Sinne gilt sowohl eine vorsätzlich begangene oder durch Fahrlässigkeit verursachte Unregelmäßigkeit, die nach Art. 5 der Verordnung zu einer verwaltungsrechtlichen Sanktion führen kann, als auch eine Unregelmäßigkeit, die nach Art. 4 dieser Verordnung lediglich den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils bewirkt (EuGH, Urteil vom 03. Oktober 2019 – C-378/18 -; EuGH (Große Kammer), Urt. v. 05. März 2019 – C-349/17 -). Gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung beträgt die Verjährungsfrist 4 Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit, was hier angesichts der Ausschreibung im Februar 2018 ebenso eingehalten worden ist.

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden kann dahinstehen, ob der Änderungsbescheid vom 04. November 2020 binnen der national vorgesehenen Widerrufsfrist des§ 49 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ergangen ist.

c. Der Änderungsbescheid erweist sich demnach als rechtswidrig, soweit die Zuwendung um mehr als 9.458,86 Euro (9.367,49 Euro plus 91,37 Euro) gekürzt wurde. Im Übrigen ist die Kürzung rechtmäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwGO und trägt dem Anteil des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens hinsichtlich der Höhe der Widerrufssumme Rechnung.

Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei. Artikel 17 Abs. 1 S. 1 des Vertrages zwischen dem Land Brandenburg und den evangelischen Landeskirchen in Brandenburg vom 08. November 1996 (GVBl.I/97, [Nr. 2], S. 4, 13) gerichtskostenfrei. Danach gilt die Befreiung für Gebühren, die die ordentlichen Gerichte in Angelegenheiten der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das Verwaltungsgericht ist allerdings nicht Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Auch das Verfassungsrecht gewährt eine solche Gerichtskostenfreiheit nicht (vgl. ausführlich dazu: OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 12. Dezember 2014 – 3 O 440/14 -; OVG Berlin, Beschl. v. 26. November 1998 – 7 K 26.97 -, jew. m.w.N.).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711, ZPO.