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VK Rheinland: Die Tatsache, dass es sich bei zwei Bietern um verbundene Unternehmen handelt, ist ein Anhaltspunkt, der Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Angebotserstellung aufkommen lässt

vorgestellt von Thomas Ax

Die Tatsache, dass es sich bei zwei Bietern um verbundene Unternehmen handelt, ist ein Anhaltspunkt, der Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Angebotserstellung aufkommen lässt. Allein die Verbundenheit der Bieterunternehmen ist kein Ausschlussgrund. Vielmehr ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, Nachforschungen anzustellen. Die Bieter müssen entsprechend vortragen und die Anhaltspunkte entkräften. Eine getrennte IT-Infrastruktur (getrennte Serverlandschaften und getrennter Einsatz von Softwarelösungen) spricht gegen eine Weitergabe von Informationen zwischen den Unternehmen.
VK Rheinland, Beschluss vom 01.03.2022 – VK 48/21
vorhergehend:
VK Rheinland, 04.01.2022 – VK 48/21


Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das sog. „REME„-Gelände, eine ehemals militärisch und gewerblich genutzte Fläche im Osten des Stadtgebiets städtebaulich zu revitalisieren. Für den Rückbau des Geländes hat sie zu diesem Zweck mit Bekanntmachung vom 4.6.21 für einen Teilbereich (Los 2) mit der Bezeichnung „Revitalisierung des ehemaligen REME-Geländes sowie angrenzender Industrie- und Gewerbebrachen und Gewerbebrachen in Mönchengladbach-Lürrip/Rückbau REME-Gelände (Teilbereich LOS 2)“ europaweit im offenen Verfahren nach VOB/A EU Abbruch-,

Erdbau- sowie Recycling- und Entsorgungsleistungen ausgeschrieben.

Der Auftragswert wurde auf über 5.350.000 Euro (netto) geschätzt.

Als einziges Zuschlagskriterium ist der Preis ausgewiesen.

12 Unternehmen, darunter auch die Antragstellerin sowie beide Beigeladenen, gaben fristgerecht ein Angebot ab.

Die Submission erfolgte am 6.7.2021. Das ungeprüfte Submissionsergebnis wurde allen Bietern über den Vergabemarktplatz Rheinland mitgeteilt.

Die Angebote der Antragstellerin sowie beider Beigeladenen sind vollständig und formal korrekt abgegeben.

Nach rechnerischer Prüfung liegt die Antragstellerin auf dem 2. Platz. Die Beigeladene 1) hat das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Eine weitere Prüfung ergab gegen die Vergabe an die bestplatzierte Beigeladene keine Bedenken.

Am 3.8.21 erhob die Antragstellerin vorab per E-Mail sowie per Fax und sodann schriftlich eine Verfahrensrüge. In der Rüge wurde unter Beifügung von Handelsregisterauszügen vom 16.7.2021 auf die gesellschaftsrechtlichen Verbindungen der Beigeladenen hingewiesen und aufgefordert, das Angebot der Beigeladene 1) gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Die Beigeladenen 1) und 2) seien Mutter- und Tochtergesellschaft. Gemäß der Rechtsprechung bestehe vor diesem Hintergrund eine widerlegbare Vermutung, dass der bei Angebotsabgabe zu wahrende Geheimwettbewerb verletzt worden sei. Ebenfalls wurde in der Rüge darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bereits zuvor, ohne dabei anwaltlich vertreten zu sein, schriftlich auf diese Umstände hingewiesen habe.

Mit Schreiben vom 26.8.21 ergänzte die Antragstellerin ihre Rüge dahingehend, dass sich der Verstoß gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs bereits aus der Personenidentität des Herrn

### in der Geschäftsführung der Komplementärgesellschaften der Beigeladenen 1) und 2) ergebe.

Aufgrund der Rüge setzte die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren bis zur Klärung der Umstände aus und forderte die Beigeladenen zunächst mit Schreiben vom 20.09.2021 zur Sachaufklärung auf.

Dieser Aufforderung kamen beide Beigeladenen fristgerecht nach.

Die Beigeladene 1) trug mit Schreiben vom 27.9.21 vor, dass nicht bekannt gewesen sei, dass auch die Beigeladene 2) sich mit einem eigenen Angebot an der streitgegenständlichen Ausschreibung beteiligt habe.

Es sei im Übrigen kein Verhalten erkennbar, das einen Angebotsausschluss rechtfertige. Der Geschäftsführer der Beigeladenen 1), Herr ### habe das Angebot verantwortlich eingereicht. Herr ### als weiterer Geschäftsführer habe keinerlei Informationen über laufende Angebote und den Stand der Angebotserteilung. Eine solche Kenntnis habe Herr ### auch nicht bei der Beigeladenen 2). Dort verantworteten im Wesentlichen die Herren ### und ### die Erstellung von Angeboten. Organisatorisch sei damit eine wechselseitige Kenntnis über die Tatsache, ob überhaupt Angebote erstellt und abgegeben werden und mit welchem Inhalt diese erstellt werden, ausgeschlossen. Es bestehen auch keine gemeinsamen Laufwerke oder sonst Schnittstellen, über die Informationen ausgetauscht werden könnten oder über die ein Unternehmen bei dem andren Unternehmen auf Informationen zugreifen könnte. Selbst Herr ###, der bei beiden Unternehmen als Geschäftsführer bestellt sei, lägen keine Informationen in elektronischer oder gedruckter Form zu den Angeboten vor. Das Angebot der Beigeladenen 1) sei eigenständig und ohne irgendwelche Absprachen mit anderen Unternehmen formuliert erstellt, was hiermit ausdrücklich versichert werde.

Die Beigeladene 2) erläuterte mit Schreiben vom 1.10.2021 die Beteiligungsverhältnisse und Verbindungen zwischen der Beigeladenen 1) und 2): Die Beigeladene 1) und ihre persönliche haftende, Gesellschafterin, die ### seien beide einhundertprozentige Tochterunternehmen der Beigeladenen 2). Die Beigeladene 1) und 2) seien somit verbundene Unternehmen im Sinne von

§ 36 Abs. 2 GWB. Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafterin der Beigeladenen 2) sei die ### Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin seien Herr ###, Herr ### und Herr ###.

Persönlich haftende Gesellschafterin der Beigeladenen 1) sei die ### Geschäftsführer dieser GmbH seien Herr ###, Herr ### und Herr ###.

Es lägen keine „hinreichende Anhaltspunkte“ für eine wettbewerbswidrige Vereinbarung vor.

Auffällige Übereinstimmungen zwischen den Angeboten der Beigeladenen bei bspw. den Einheitspreisen gebe es nicht. Alles andere wäre auch sehr verwunderlich, da die Beigeladene 2) ihr Angebot durch den Mitarbeiter Herrn ### vollkommen unabhängig von der Beigeladenen 1) kalkuliert und erstellt habe.

Auch die Besichtigung des REME-Geländes habe ohne die Beigeladene 1) stattgefunden. Die im Angebot der Beigeladenen 2) vorgesehenen Nachunternehmer hätten zudem auf Nachfrage mitgeteilt, sie hätten nicht auch zugleich der Beigeladenen 1) Nachunternehmerleistungen angeboten.

Die Beigeladene 1) und 2) teilten auch keine gemeinsame IT-Infrastruktur. Es sei daher ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter der Beigeladenen auf diesem Weg Zugang zu Informationen über das Angebot des jeweils anderen Unternehmens verschafft haben.

Der Geschäftsführer ### habe sich an der Angebotserstellung nicht beteiligt und sei auch über den Inhalt des Angebots nicht informiert gewesen. Eine Weitergabe von Informationen an die Beigeladene 1) sei daher ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 11.10.2021 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, das angeblich bereits vor der Rüge übermittelte Schreiben, in dem schon auf die Konzernverbundenheit hingewiesen worden sein soll, vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin am 12.10.21 nach.

Aufgrund eigener Recherchen forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.10.2021 zu einer weitergehenden Stellungnahme auf. Im Anschreiben an die Beigeladenen wird ausgeführt, ein

Artikel der Homepage ### sei damit betitelt, Herr ### und seine Töchter stünden für das operative Geschäft der „###, zu der auch die Beigeladene 1) zähle. Die Firma ### berichte auf ihrer Homepage, dass die Beigeladenen die gleiche Software zur Erfassung der Arbeitszeiten verwende.

Schließlich werde auf dem Facebook-Auftritt der Beigeladenen 2) in mehreren Beiträgen auf die Beigeladene 1) Bezug genommen. Fahrzeuge beider Beigeladenen würden nebeneinander präsentiert. Es werde über Neubeschaffungen von Fahrzeugen der Beigeladenen 1) ausführlich berichtet. All dies lasse den Vortrag aus den vorangegangenen Stellungnahmen über die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit beider Unternehmen zweifelhaft erscheinen. Es bestehe vielmehr der Eindruck einer operativ äußerst engen Zusammenarbeit.

Die Beigeladene zu 1) nahm mit Schreiben vom 19.10.21 Stellung wie folgt Stellung: Zwar sei der Inhalt des Artikels auf der Homepage ### zutreffend widergegeben worden. Aus dem Wortlaut des Artikels ließe sich keineswegs der Schluss ableiten, dass Herr ### in dem streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahren Zugriff auf die konkreten Kalkulationsgrundlagen und das konkrete Angebot ihres Hauses gehabt habe oder dass ### die operativen Geschäfte des Unternehmens tatsächlich führe. Erst recht lasse sich daraus nicht ableiten, dass von dort im Sinne einer Verletzung des Geheimwettbewerbs Angebotspreise unseres Hauses sowie der Beigeladenen 2) vorgegeben oder sonst beeinflusst worden wären. Die Internetplattform ### diene regionalen Unternehmen als Werbeplattform. Aus dem Umstand, dass neben Herrn ### die beiden Töchter als für das operative Geschäft der ### stehend bezeichnet werden, wäre klar, dass damit nicht die tatsächliche Geschäftsführung im eigentlichen Sinn gemein sei, da beide Töchter nicht einmal. formal als Geschäftsführerinnen der Gesellschaft eingesetzt seien. Dass die Familie für das operative Geschäft der ### „steht„, bedeute in dem Kontext des Artikels doch vielmehr, dass es sich bei der ### schon seit jeher um ein familiengeprägtes Unternehmen handele, hinter dem letztlich die Familie ### „steht„.

Dass Herr ### Geschäftsführer beider Beigeladenen ist, sei seiner herausragenden Gesellschafterstellung geschuldet. Er sei das repräsentative Gesicht des Unternehmens nach außen, nicht dagegen der operative Teil zur aktiven Akquise und zur Durchführung von Aufträgen der jeweiligen Unternehmen.

In Bezug auf die Homepage der Firma ### werde darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass Firmen dieselbe Software zur Erfassung der Arbeitszeiten einsetzen, kein Rückschluss darauf zulasse, dass keine vollständig eigenständige IT-Infrastruktur vorliege. Vielmehr gebe es wahrscheinlich noch viele weitere Kunden der Firma ### bei denen die Software zum Einsatz käme und mit denen die Beigeladenen nicht das Geringste zu tun hätten. Im Übrigen lasse sich bereits der Homepage entnehmen, dass die Unternehmen der ### „nach und nach“ mit der Software ### ausgestattet würden, was darauf hinweise, dass eine gemeinschaftliche Nutzung desselben Systems in allen Unternehmen und damit die Vermischung der Daten aus allen Unternehmen innerhalb dieses Systems nicht stattfinde. Andernfalls wären alle zum selben Zeitpunkt auf dieses System umgestellt worden.

Auch aus dem Facebook-Auftritt lasse sich nicht erkennen, dass im vorliegenden Vergabeverfahren gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen wurde. Der Konzernbezug zwischen den Beigeladenen bestehe unstreitig. Unstreitig sei auch, dass beide Unternehmen bereits Aufträge im Team bearbeitet hätten. Es ließen sich daraus aber keinerlei konkreten Erkenntnis für das hiesige Ausschreibungsverfahren gewinnen.

Im Übrigen würde eine abgestimmte Einreichung von zwei Angeboten auch inhaltlich keinen Sinn machen, da lediglich ein Angebot bezuschlagt werden könne und der Aufwand für die Erstellung des zweiten Angebots überflüssig wäre.

Die Beigeladene 2) nahm mit Schreiben vom 26.10.2021 Stellung. Zum Artikel auf der Plattform ### trug die Beigeladene 2) eine der Beigeladenen 1) ähnliche Einschätzung vor. Die Plattform diene als Werbeplattform und der Artikel stelle nicht die tatsächlich gelebte Unternehmensführung dar, sondern beziehe sich lediglich allgemein auf die Unternehmensgruppe.

Es wurde ein aktuelles Organigramm der Beigeladenen 1) vorgelegt (Anlage C3), aus dem sich ergebe, dass Herr ### zwar als Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich geführt werde, ihm aber keine Mitarbeitereinheit zugeordnet sei. Tatsächlich sei Herr ### in der Regel nur einmal im Monat auf „Gesellschafterbesuch“ bei der Beigeladenen 1) und verfüge dort nicht einmal über ein eigenes Büro. Gegenstand der dortigen Gespräche sei nur die strategische Planung, aber nicht das operative Geschäft.

Den täglichen Arbeitsort mit Büro habe Herr ### bei der Beigeladenen 2), wo er allerdings nur die Gesellschafterstellung wahrnehme und sich ansonsten um den Einkauf von Maschinen und Fahrzeugen kümmere. In das operative Geschäft – namentlich das Einwerben von Aufträgen und deren Abwicklung – sei Herr ### auch bei der Beigeladenen 2) nicht eingebunden. Es wurde eine eidesstattliche Versicherung des Herrn ### vorgelegt (Anlage C 4), mit dem Inhalt, dass er an der Erstellung des Angebots der Beigeladenen 2) weder mitgewirkt noch vom Inhalt des Angebots Kenntnis gehabt habe.

Des Weiteren wurde als Anlage C5 ein aktuelles Schreiben des Geschäftsführers der Fa. ### vorgelegt, das inhaltlich besagt, dass die Beigeladenen 1) und 2) zwar beide mit der Software ### arbeiten, jedes Unternehmen aber für sich eine eigene Datenbank besitze, so dass unter den einzelnen Datenbanken kein Austausch gebe und dies auch gar nicht möglich wäre.

Ferner legte die Beigeladene 2) mit der Anlage C6 ein weiteres aktuelles Schreiben eines Herrn ###, handelnd unter der Firma ### vor. Herr ### betreue als externer Dienstleister die gesamte IT-Technologie der ###. Das Schreiben hat zum Inhalt, dass die Beigeladenen über eigene EDV-Lösungen verfügten, die nicht miteinander vernetzt seien. Auch für unterschiedliche Aufgabenbereiche würden verschiedene Softwarelösungen eingesetzt, die nicht vernetzbar seien. Ein Zugriff des einen auf die Angebotsunterlagen des anderen Unternehmens sei damit ausgeschlossen.

Zum Facebook-Auftritt teilte die Beigeladene 2) mit, dass es sich bei einer der angesprochenen Begebenheiten einmal um eine Baustelle handele, in der die Beigeladene 1) und 2) jeweils unterschiedliche Gewerke zu erbringen hatten. Die Beigeladene 1) habe für das Gewerk Abbruch den Auftrag erhalten und die Beigeladene 2) für das Gewerk Erdarbeiten. Für das Gewerk Abbruch habe die Beigeladene 1) zwar einen Bagger der Beigeladenen 2) verwendet, der auf dem fraglichen Bild zu sehen sei. Dies sei aber auf Basis eines Mietvertrages erfolgt, der zwischen beiden Unternehmen geschlossen worden sei und auch ordnungsgemäß in Rechnung gestellt worden sei. Zum Nachweis wurde als Anlage C 7 eine Rechnung über eine Baggervermietung zwischen den Beigeladenen vorgelegt.

Das Bild, auf dem Lkws beider Unternehmen nebeneinander zu sehen seien, habe zum Hintergrund, dass die Beigeladenen vor einigen Jahren ihre Lkw (Zugmaschinen und Auflieger) und das zugehörige Personal/Fahrer in der ### GmbH zusammenführten. Neue Lkw würden unmittelbar angeschafft und dann bei Bedarf mitsamt Fahrern an die Beigeladenen vermietet. Das Kürzel „###“ stehe dabei für „###“ und „###„. Die Beigeladenen seien je zu 50% an der ### GmbH beteiligt, was wiederum die Eigenständigkeit beider Unternehmen belege.

Dass die Lkw der ### in den für die Beigeladenen typischen Farben Grün bzw. Rot-Orange mit dem jeweiligen Unternehmensschriftzug auf der Frontpartie und auf dem Auflieger vorhält, sei dem damit einhergehenden Werbeeffekt geschuldet.

Mit Schreiben vom 11.11.2021 wurde der Antragstellerin unter Anführung einer kurzen Begründung mitgeteilt, dass nach eingehender Prüfung des Sachverhalts ein Ausschluss der

Beigeladenen nicht erfolge, da dieser jedenfalls unverhältnismäßig wäre.

Ihre Entscheidungsfindung dokumentierte die Antragsgegnerin in einem Vergabevermerk vom 8.11.21. Dort heißt es zur abschließenden Bewertung wörtlich:

Abschließende Bewertung

Der in der Rüge geforderte Ausschluss der Firmen ### und ### wird mit dem Hinweis auf § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB begründet. Hiernach kann ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ausgeschlossen werden, sofern hinreichende

Anhaltspunkte vorliegen, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dementsprechend muss eine Gewissheit über das Vorliegen der Ausschlussgründe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB. nicht vorliegen (vgl. VK Westfalen, Beschluss vom 05.05.2021, VK 1 – 11/21).

Indizien für einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb können grundsätzlich sein:

• Konzernverflechtung,

• Personelle Überschneidungen,

• Räumliche Nähe,

• Gemeinsame Infrastruktur und

• Ähnlichkeiten in den Angeboten selbst (siehe auch Rainer Noch, in: VergabeNavi – Der Vergabe Navigator/2021, Seite 28).

Hierbei ist zu beachten, dass ein pauschaler Ausschluss von Angeboten mehrerer Niederlassungen eines Konzerns nicht zulässig ist. Vielmehr ist eine Einzelfallprüfung im Hinblick auf Auffälligkeiten erforderlich, die sich aus den betroffenen Angeboten ergeben und die auf einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb schließen lassen (ebd.). Folglich wäre ein Ausschluss

allein aufgrund des Vorliegens der o.g. Indizien unverhältnismäßig.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass eine räumliche Nähe zwischen den beiden Firmen nicht besteht, da die Firmenstandorte ca. 80 km auseinanderliegen (### und Firma ###).

Ferner sind weder dem FB 64 noch dem die Ausschreibung betreuenden Gutachterbüro ###. Ähnlichkeiten bei den Angeboten oder Anhaltspunkte, die auf eine Preisabsprache hindeuten könnten, aufgefallen (s. Mail vom 03.011.2011).

Die Firmen ### und ### haben auf meine Aufforderung hin ausführlich Stellung genommen.

Nach abschließender Bewertung dieser Stellungnahmen bleibt festzuhalten, dass die Argumente beider Firmen größtenteils schlüssig sind. Hinsichtlich der IT-Infrastruktur und des Facebook-Auftritts lassen sich zumindest keine hinreichenden Anhaltspunkte i.S.d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ableiten.

Kritisch zu sehen bleibt jedoch die personelle Überschneidung in Gestalt des gemeinsamen Geschäftsführers in Verbindung mit der unbestrittenen Konzernverflechtung.

Die Behauptung, dass Herr ### die Firmengruppen repräsentiere und an strategischen Entscheidungen beteiligt sei, jedoch vollkommen bei operativen Entscheidungen, insbesondere bei der Erstellung bei Angeboten mit einem Auftragswert in Höhe von über 3 Mio. Euro, überzeugt nicht abschließend. Sicherlich wird Herr ### seinen Schwerpunkt auf die strategische-Gesamtausrichtung der Firmen-Gruppe legen. Dass er aber sich darüber hinaus lediglich mit der Beschaffung von Fahrzeugen näher beschäftigt und nicht mit der Akquise neuer Aufträge erscheint lebensfremd, zumal hier aufgrund der Größenordnung des Auftrages durchaus Überschneidungen zwischen operativen Geschäft und strategischen Entscheidungen vorliegen. Andererseits muss aber auch beachtet werden, dass es plausibel erscheint, dass Herr ### sich in den beiden Firmen unterschiedlich intensiv einbringt. Hierfür würde auch die von beiden Firmen angeführte Bürosituation sprechen.

Insgesamt ist sehr fraglich, ob hierdurch hinreichende Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vorliegen. Aufgrund der Sachverhaltsermittlung und den entsprechenden Stellungnahmen der betroffenen Firmen kann nicht zwingend abgeleitet werden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen vergaberechtlichen Verstoß vorliegt.

In Anbetracht, dass ein Ausschluss gemäß 5 124. Abs. 1 GWB ausschließlich unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen kann und unter Beachtung der vorliegenden Sachverhaltsermittlung ist ein Ausschluss der Firmen ### nicht geboten.

Daraufhin stellte die Antragstellerin am 22.11.2021 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland und beantragte zuletzt,

1. der Antragsgegnerin wird untersagt, das EU- Vergabeverfahren „Revitalisierung des ehemaligen REME-Geländes sowie angrenzende Industrie- und Gewerbebrachen in Mönchengladbar-Lürrip/rückbau REME Gelände (Teilbereich Los 2), Vergabenummer 64-2021002“ durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Angebotswertung im EU-Vergabeverfahren „Revitalisierung des ehemaligen REME-Geländes sowie angrenzende Industrie- und Gewerbebrachen in Mönchengladbar-Lürrip/rückbau ### REME-Gelände (Teilbereich Los 2), Vergabenummer 64-2021-602“ unter Ausschluss der Angebote der ### und der ### durchzuführen.

3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

4. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens der Antragstellerin: Das Nachprüfungsverfahren wird als für die Antragsgegnerin kostenpflichtig; weil mangels zutreffender und/oder ausreichender Bieterinformation provoziert, zurückgewiesen.

Zur Begründung führt die Antragstellerin an, dass aufgrund der vorhandenen Verbindungen zwischen den Beigeladenen, die sowohl die Gesellschafter-, als auch die Geschäftsführerebene sowie die zum Einsatz kommende Unternehmens-IT und auch der sonstigen Gemeinsamkeiten im Auftritt und der Auftragsabwicklung davon auszugehen sei, dass der Geheimwettbewerb bei der Angebotsabgabe nicht gewahrt sei.

Die Beigeladenen seien nicht nur Mutter- und Tochtergesellschaft. In personeller Hinsicht gebe es auf Geschäftsführerebene mit Herrn ### sowie bis Anfang 2020 mit Herrn ### Überschneidungen. Ebenso gebe es personelle Überschneidungen bei der ### GmbH, deren Geschäftsführer Herr ### (gleichzeitig Geschäftsführer der Beigeladenen 2) sowie Herr ###(gleichzeitig Geschäftsführer der Beigeladenen 1) seien.

Bei beiden Unternehmen komme die identische Software zur Arbeitszeiterfassung sowie vorbereitende Aufgaben der Lohnabrechnung (###) zum Einsatz.

Auf der Homepage der Beigeladenen 2) sowie in den sozialen Medien lasse sich ohne größere Schwierigkeiten eine regelmäßige und enge Zusammenarbeit entnehmen. So werde beispielsweise auf der Homepage damit geworben, dass beide Unternehmen im Rahmen einer Baustelle als „Team ###“ zusammenarbeiteten. Ebenso heiße es auf der Homepage in der „Historie„:

Zum 100 Beschäftigte zählenden Mitarbeiterstamm in ### kommen noch einmal über 100 Kollegen in Beteiligungsgesellschaften.

Es fänden jährliche „konzernübergreifenden Bauleiterseminare“ statt, an denen Ingenieure, Geschäftsführer und Projektleiter teilnehmen.

Es sei aus dem Facebock-Auftritt auch erkennbar, dass Fahrzeuge der Tochtergesellschaft wie selbstverständlich auf dem Firmengeländer der Muttergesellschaft parkten und sowohl diese Fahrzeuge als auch der Firmensitz der Beigeladenen 1) von der Beigeladenen 2) als „unser/unsere“ bezeichnet seien. Beide Unternehmen werben gemeinsam um Auszubildende, was ggf. nichts Ungewöhnliches sei. Auch im Rahmen der Ausbildung bestehen offensichtlich Durchlässigkeiten, was ein Bild auf einem Blog auf der Homepage der Beigeladenen 2) zeigt, auf dem ein Auszubildender der Beigeladenen 2) auf einer Planierraupe der Beigeladenen 1) zu sehen sei.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und der VK Rheinland sei vor diesem Hintergrund von einer widerlegbaren Vermutung der Verletzung des Grundsatzes des Geheimhaltungswettbewerbs auszugehen und die Angebote der Beigeladenen seien daher wegen Verstoßes gegen § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen.

Die Antragsgegnerin wendete sich mit Schriftsatz vom 2.12.2021 gegen den Nachprüfungsantrag und beantragte zuletzt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sei der Antrag bereits nicht zulässig, weil präkludiert. Die Antragstellerin habe nachweislich bereits am 16.7.21 die Auszüge aus dem Handelsregister erhalten und habe daher bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis über die Sachlage gehabt. Das Schreiben vom 26.7.21 sei nie bei der Antragsgegnerin eingegangen und die Rüge vom 3.8.21 aufgrund der früheren Kenntnis zu spät erfolgt.

Im Übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet. Die von der Antragstellerin herangezogene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und der erkennenden Kammer verstoße gegen die Rechtsprechung des EuGH und müsse daher unangewandt bleiben. Die Antragsgegnerin habe alle bekannt gewordenen Umstände bei Ihrer Entscheidung berücksichtigt, aber letztendlich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränke Vereinbarung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB finden können.

Die Antragsgegnerin beantragt neben der Zurückweisung des Nachprüfungsantrags die Vorabgestattung des Zuschlages nach § 169 Abs. 2 GWB wegen besonderer Eilbedürftigkeit, da die mit dem Auftrag ausgeschriebenen Rodungsarbeiten wegen des geltenden Vogelschutzes bis zum 28.2.2022 durchgeführt.

Der Antragstellerin wurde antragsgemäß Akteneinsicht gewährt.

Die Beigeladene 2) nahm mit Schriftsatz vom 10.12.2021 zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte zuletzt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Sie verwies vollumfänglich auf den Vortrag in den bereits vor Einreichung des Nachprüfungsantrags eingereichten Stellungnahmen nebst Anlagen.

Die Beigeladene 2) sei nicht zu 100:1 an der Beigeladenen 1) beteiligt, sondern nur anderen persönlich haftender Gesellschafterin.

Die Erfüllung der Informationspflichten nach § 294 Abs. 3 HGB umfasse nicht die Mitteilung von Angebotsinhalten. Der von der Antragstellerin angesprochener übe seit Anfang 2020 keine (Doppel-)Funktion mehr in dem Unternehmensverbund aus. Aus der vorangegangenen Tätigkeit ließen sich keinerlei Rückschlüsse auf das verfahrensgegenständliche, erst 2021 eingeleitete Vergabeverfahren ziehen.

Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag das Bauvorhaben ### in Ratingen anführe und den diesbezüglichen Eintrag auf der Homepage der Beigeladenen 2) („Starkes Team!“ ###), werde klargestellt, dass die Beigeladene 2) seinerzeit den Zuschlag für die Gewerke Abbruch, Ausschachtung und Erweiterung der Baugrube erhalten habe. Für das Gewerk „Abbruch“ führte die Beigeladene 2) ein Nachunternehmerbieterverfahren durch, in dem sich – in diesem Fall die Beigeladene 1) durchgesetzt habe.

Das angesprochene jährliche Bauleiterseminar habe zuletzt im März 2019 stattgefunden. Seit 2020 haben keine Events mehr stattgefunden.

Der Vortrag zum Auszubildenden bei der Beigeladenen 2) sei nicht nachvollziehbar, da dieser nicht mit der Angebotserstellung befasst gewesen sei, was auch noch nicht einmal vorgetragen sei.

Die Antragstellerin ergänzte Ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 13.12.21. Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin sei der Nachprüfungsantrag zulässig. Die Rüge vom 3.8.21 durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin sei rechtzeitig erfolgt. Insbesondere habe vorher keine Rügeobliegenheit bestanden, da ein ausschreibungs- oder vergabewidriges Verhalten von Mitbewerbern um den Auftrag keine Rügeobliegenheit auslöse. Ein Verfahrensverstoß durch die Vergabestelle – und nur darauf komme es an – sei zum damaligen Zeitpunkt (noch) nicht vorhanden gewesen.

Im Übrigen zeige der Vergabevermerk vom 8.11.21 eindrücklich, dass die Antragsgegnerin nicht die – aus Sicht der Antragstellerin für die Bewertung der Rechtslage maßgebliche gesellschaftsrechtliche und personelle Verknüpfung der Beigeladenen in Bezug auf die ### GmbH erkannt habe, welche symptomatisch für die Verflechtungen der beiden Unternehmen sei. So seien nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen genau die Personen bei den Beigeladenen mit der Angebotserstellung befasst seien, die auch die Geschäftsführung der ### seien. Es liege auch keine unternehmerische Trennung der Beigeladenen von 50 zu 50 % bei der ### vor. Die 100 %ige Beteiligung der Beigeladenen 2) an der Beigeladenen 1) greife vollständig auf die durch.

Der Antragsgegnerin sei ein Ermessensnicht-/Ermessenfehlgebrauch im Hinblick des ihr durch § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB eingeräumten Ermessens vorzuwerfen.

Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Beigeladehen trotz engster Verflechtungen keine strukturellen Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß bereits im Ansatz effektiv verhinderten, dargestellt haben:

Die „eidesstattliche Versicherung“ von Herrn ### stelle lediglich eine im Ergebnis nicht überprüfbare Zusicherung wettbewerbskonformen Verhaltens dar. Die Darstellung der Beigeladenen zum Aufgabenbereich des Geschäftsführers ###, der gerade nicht die Akquise umfasse, bezeichnete die Antragsgegnerin in ihrem Vergabevermerk sogar selbst als „lebensfremd“ ohne jedoch daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Der Vortrag, Herr ### verfüge über keinen Arbeitsplatz bei der Beigeladenen 1), sei angesichts der fortschreitenden Digitalisierung irrelevant. Ebenso helfen die Erklärungen zur IT-Infrastruktur nicht weiter, da aus den Erklärungen lediglich hervorgehe, dass verschiedene Datenbanken bestehen und die EDV-Lösungen der Beigeladenen nicht miteinander vernetzt seien. Mit keinem Wort gehe jedoch hervor, dass die IT-Infrastruktur beider Unternehmen davor geschützt seien, dass der Geschäftsführer ### auf die Dateien zur Angebotserstellung zugreifen könne. Genau das sei vorliegend jedoch für die Darstellung struktureller Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß im Ansatz effektiv verhinderten, zwingend notwendig.

Mit Schriftsatz vom 14.12.21 reichte die Antragsgegnerin weitere Unterlagen zum Antrag auf vorzeitige Zuschlagserstattung ein und nahm weitergehende Stellung zur Begründung des Eilantrags.

Die Beigeladene 1) wendete sich mit Schriftsatz vom 15.12.21 gegen den Nachprüfungsantrag und beantragte zuletzt,

3. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und

4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Sie hält den Nachprüfungsantrag wegen bereits vorhandener Kenntnis eines Vergaberechtsverstoßes am 16.7.21 und damit eingetretener Rügepräklusion für nicht zulässig, im Übrigen auch für unbegründet.

Sie weist darauf hin, dass der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB eine Ermessensentscheidung vorsehe. Die Antragsgegnerin habe ihre Ermessenserwägungen im Schreiben vom 11.11.21 dargelegt. Die Ermessenerwägungen seien lediglich darauf überprüfbar, ob die Antragsgegnerin ihr Ermessen ermessensfehlerhaft ausgeübt hat. In keinem Fall sei die Vergabekammer berechtigt, anstelle der Antragsgegnerin eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.

Die Ermessenserwägungen seien nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe auf Basis eines fundiert ermittelten und auch selbst recherchierten Sachverhalts den Rückschluss gezogen, dass hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb nicht vorliegen und daher ein Ausschluss der Beigeladenen unverhältnismäßig wäre.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen keine Anhaltspunkte für abgestimmtes Verhalten vor.

Eine Ableitung der Verletzung des Geheimwettbewerbs allein aus der Konzernverbundenheit der Unternehmen sei nicht zulässig. Die von der Antragstellerin hierzu herangezogene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei vorliegend nicht einschlägig. Zwischen den Beteiligten habe noch nicht einmal wechselseitige Kenntnis über die jeweilige Beteiligung an der Ausschreibung bestanden.

Die von der Antragstellerin für das Vorliegen eines abgestimmten Verhaltens überzeugten nicht.

Im Hinblick auf die Personenidentität des Geschäftsführers Herrn ### sowie der angeblich gemeinsamen IT-Infrastruktur, den Überschneidungen im Internetauftritt und der Presse entsprach der Vortrag der Beigeladenen 1) dem bereits geleisteten Vortrag in ihren Stellungnahmen vor Stellung des Nachprüfungsantrags sowie dem Vortrag der Beigeladenen 2).

Mit Schriftsätzen vom 17.12.21 und 3.1.22 nahm die Antragstellerin unter Wiederholung des bisherigen Vortrags vertiefend Stellung, auch zum gestellten Antrag auf vorzeitige Zuschlagserteilung. Sie ergänzte, ihren bisherigen Vortrag dahingehend, dass bei einer Internetrecherche eine weitere personelle Verknüpfung zwischen beiden Unternehmen aufgefallen sei, die sich aber auf den privaten Bereich beziehe.

So handele es sich bei dem Assistenten der Geschäftsführung der Beigeladenen 1), Herrn ### um den Lebensgefährten von Frau ###, die ihrerseits die Tochter des Geschäftsführers Herrn ### und zugleich operativ Tätige und Beteiligte bei der Beigeladenen 2) sei. Das Verhältnis der handelnden Personen gehe also über die gemeinsame Abwicklung von Aufträgen und das Besuchen von Seminaren hinaus.

Die Beigeladene 1) vertiefte ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 17.12.21. Sie wiederholte inhaltlich dabei die bereits im Rahmen der von der Antragsgegnerin betriebenen Aufklärung abgegebenen Stellungnahmen. Sie ergänzte, dass es insbesondere „effektive Vorkehrungen“ zur Gewährleistung des Geheimwettbewerbs trotz Konzernverbundenheit gebe, da durch eine vollständig getrennte IT-Landschaft und organisatorische Abstimmung innerhalb der Geschäftsführung ein Informationsaustausch ausgeschlossen sei. Irrelevant sei der Vortrag der Antragstellerin zur SR Entsorgung und Logistik GmbH, da dieses Unternehmen lediglich eine weitere Gesellschaft im Konzernverbund darstelle, die aber mit dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren nichts zu tun habe.

Mit Beschluss vom 4.1.22 lehnte die Vergabekammer den Antrag auf vorzeitige Zuschlagserteilung ab.

Mit E-Mails vom 12.1.22 erklärten die Antragstellerin sowie die Beigeladene 2) ihr Einverständnis zur Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz. Mit E-Mail vom 13.1.22 erklärte die Beigeladene 1) und mit E-Mail vom 14.1.22 die Antragsgegnerin ihr Einverständnis zur Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz.

Die Beigeladene 2) wies mit Schriftsatz vom 17.1.22 darauf hin, dass es im Hinblick auf die ### zutreffend sei, dass Herr ### und Herr ### die Geschäftsführer seien. Diese beiden Personen nutzten aber die gemeinsame Tätigkeit in der Tochtergesellschaft niemals dafür, Informationen über Angebot der Beigeladenen preiszugeben. So sei es auch im streitgegenständlichen Vergabeverfahren gewesen.

Mit Schriftsatz vom 18.1.22 führte die Beigeladene 1) nochmals ausführlich aus, dass die von der Antragstellerin herangezogene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.4.11 – Verg 4/11) und der erkennenden Kammer (Beschluss vom 19.5.21 – VK 6/21) zur Wahrung des Geheimwettbewerbs bei Beteiligung konzernverbundener Unternehmen nicht einschlägig sei.

Vorliegend habe die Antragsgegnerin eine wohlüberlegte Ermessenentscheidung getroffen. In diesem Punkt unterscheide sich das hiesige Verfahren von der Entscheidung der Kammer vom 19.5.21. Es liege auch keine Ermessenreduzierung auf Null vor, da bereits der Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht erfüllt sei.

Mit Schriftsatz vom 24.1.2022 wies die Antragstellerin darauf hin, dass Geschäftssitz der ### in ### auch der Geschäftssitz der Beigeladenen 2) sei. Der geteilte Geschäftssitz sei ein Indiz dafür, dass im Konzernverbund der Beigeladenen keine effektiven Strukturen zur Verhinderung einer wettbewerbswidrigen Absprache geschaffen seien, sondern allein schon durch die räumliche Nähe und die personellen Verflechtungen einem Austausch von Informationen und einer Verletzung des Geheimwettbewerbs „Tür und Tor“ geöffnet werden. Zudem zeige es erneut, dass die Entfernung zwischen den Geschäftssitzen der Beigeladenen nicht als Argument zur Widerlegung der Vermutung einer wettbewerbsverletzenden Abrede geeignet sei.

Mit Verfügung vom 1.2.2022 wies die Vergabekammer daraufhin, dass bei der Durchsicht der Angebote der Verfahrensbeteiligten aufgefallen sei, dass die Beigeladene 1) im Angebot der Beigeladenen 2) für die Position 1.7.60 im Leistungsverzeichnis als Entsorgungsstelle und damit als Nachunternehmerin aufgeführt sei. Da in der Bekanntmachung sowie im Leistungsverzeichnis ausdrücklich verlangt war, dass Erklärungen der Entsorgungsstellen mit Angebotsabgabe vorgelegt werden müssen, wonach die jeweilige Entsorgungsstelle erklärt, die zu entsorgenden Abfallmengen zeitnah aufnehmen zu können, jedenfalls die- von der Beigeladenen-1) vorgetragene Unkenntnis der Angebotsabgabe durch die Beigeladene 2) zweifelhaft erscheine.

Die Beigeladene 1) führte dazu mit Schriftsatz vom 4.2.2022 aus, dass sie keinerlei Kenntnis darüber habe, dass sie von der Beigeladenen 2) als Entsorgungsstelle benannt worden sei. Sie habe bislang auch keine Erklärung, Abfallmengen aufnehmen zu können, abgegeben. Selbstwenn die Beigeladene 2) die Beigeladene 1) als Entsorgungsstelle im Leistungsverzeichnis benannt, haben sollte, stehe dies dem bisherigen Sachvortrag nicht entgegen. Das Zertifikat der Beigeladenen 1), ein Entsorgungsfachbetrieb zu sein, ist für jedermann im Internet auf der eigenen Homepage zum Download verfügbar. Es werde daher sogar davon ausgegangen, auch in Angeboten anderer Beteiligter Unternehmen als Entsorgungsstelle benannt zu sein.

Neben der Beigeladenen 1) sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die EGN als Entsorgungsstelle benannt worden. Ggf. habe die EGN eine entsprechende Erklärung abgegeben, was aber bei der Beigeladenen 1) nicht bekannt sei. Im Hinblick auf die vorhandenen Kapazitäten sei den beteiligten Bietern aus zum Teil jahrelanger Geschäftsbeziehung hinlänglich bekannt, dass beide Unternehmen über ausreichende Kapazitäten verfügten und grundsätzlich als Entsorgungsfachbetriebe angegeben werden können, ohne dass im Vorfeld eine entsprechende Kommunikation zwischen den Unternehmen erforderlich sei.

Die Beigeladene zu 1) beantragte

Akteneinsicht.

Die Antragsgegnerin erläuterte mit E-Mail vom 4.2.2022, dass die im Leistungsverzeichnis vorgesehene Erklärung bislang nicht vorliege, die Vergabestelle diese aber nunmehr einhole.

Die Beigeladene 2) teilte mit Schriftsatz vom 4.2.2022, dass zwar zutreffend sei, dass die Beigeladene 1) als Entsorgungsstelle in ihrem Angebot für die Ziffer 1.7.60 aufgeführt sei. Die Vergabekammer gehe aber unzutreffend davon aus, dass die Beigeladene 1) damit auch Nachunternehmerin sei, was sich aus dem Formblatt 235 ergebe.

Die mit dem Angebot vorgelegte EFB-Bescheinigung der Beigeladenen 1) habe die Beigeladene 2) frei von der Homepage der Beigeladenen 1) heruntergeladen. Diese Download-Möglichkeit stehe jedermann offen. Eine persönliche Kontaktaufnahme sei nicht erfolgt.

Es sei zudem zutreffend aber auch unschädlich, dass die Beigeladene 2) die Erklärung der Beigeladenen 1) zur Position 1.7.60 bislang nicht vorgelegt habe, da das Leistungsverzeichnis insoweit nicht ganz klar formuliert sei.

Da die Beigeladene 1) keine Annahmeerklärung vorgelegt habe und auch nicht vorlegen musste, fehle die Grundlage für die von der Kammer geäußerten Zweifel am bisherigen Vortrag der Beigeladenen, keinerlei Kenntnis von der Angebotsabgabe des jeweils anderen gehabt zu haben.

Der Beigeladenen 1) wurde antragsgemäß Akteneinsicht gewährt.

Die Antragstellerin erläuterte mit Schriftsatz vom 9.2.2022 ihre Auffassung, dass der Vortrag der Beigeladenen dazu, dass die Beigeladene 1) ohne ihr Wissen von der Beigeladenen 2) als Entsorgungsstelle im Angebot angegeben worden sei, unglaubwürdig sei. Sollte – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – die Beigeladene 2) tatsächlich keinen Kontakt zur Beigeladenen 1) wegen der Annahmebereitschaft gehabt haben, sei daraus wiederum die engste Verbundenheit beider Unternehmen erkennbar, was die Annahme verstärke dass beide Unternehmen gerade keine strukturellen Vorkehrungen zur Sicherstellung des Geheimwettbewerbs getroffen haben.

Mit Schreiben vom 14.2.2022 legten die Beigeladene 2) und die Antragsgegnerin die fehlende Annahmeerklärung der Beigeladenen 1) vor.

In der mündlichen Verhandlung am 15.2.2022 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die mündliche Verhandlung wurde im Einverständnis mit den Verfahrensbeteiligten im Wege einer Videokonferenz durchgeführt.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie die Vergabeakte der Vergabestelle, soweit diese der Vergabekammer vorgelegt wurde, ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1. Die Vergabekammer Rheinland ist gemäß §§ 155, 156 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit § 2 Abs. 2 der VO über Einrichtung und Zuständigkeit der Vergabekammern NRW (VK ZuStV NRW) vom 02.12.2014 (SGV.NRW.630), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.11.2018 (GV.NRW.S.639) für die Entscheidung zuständig.

2. Der gemäß § 2 VgV maßgebliche Schwellenwert wird ausweislich der Auftragswertschätzung im Vergabevermerk vom 18.5.21 überschritten.

3. Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat durch Abgabe ihres Angebotes ihr Interesse am Auftrag dokumentiert und eine Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB geltend gemacht. Namentlich macht sie eine Verletzung von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB geltend, in dem sie vorträgt, die Angebote der Beigeladenen 1) und 2) seien trotz Verletzung des Grundsatzes des Geheimwettbewerbs vergaberechtswidrig nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden.

Die Antragstellerin macht auch einen drohenden Schaden geltend, da sie nach ihrem Vortrag bei Ausschluss der beiden Angebote den Zuschlag für den ausgeschriebenen Auftrag erhalten müsse.

4. Auch ihrer Rügepflicht aus § 160 Abs. 3 GWB ist die Antragstellerin fristgemäß nachgekommen.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und der Antragsgegnerin ist der Antrag nicht wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB unzulässig.

Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, wann die Antragstellerin positive Kenntnis im Sinne dieser Regelung hatte. Vor der am 3.8.2021 ausgesprochenen Rüge fehlte es jedenfalls an einem rügefähigen Verhalten seitens der Antragsgegnerin.

Nach der Rechtsprechung setzt die positive Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß im Sinne von § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB einen bereits geschehenen Vergaberechtsverstoß voraus, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.6.2011 – Verg 25/11.

Genau daran fehlt es vorliegend. Die Antragstellerin konnte zu diesem Zeitpunkt (vor dem 3.8.21) nicht wissen, wie die Antragsgegnerin sich zu der gerügten Problematik verhält. Die Antragsgegnerin hat selbst vorgetragen, sich vor der Rüge am 3.8.21 der streitgegenständlichen Problematik nicht bewusst gewesen zu sein, da ihr die Konzernverbundenheit der Beigeladenen nicht bekannt gewesen sei. Damit ist offensichtlich, dass Antragsgegnerin bis zum Abschluss der mit der Rüge vom 3.8.21 in Gang gesetzten Prüfung auch keine Entscheidung getroffen hat, die einen zu rügenden Vergaberechtsverstoß hätte darstellen können.

III.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat weder einen Anspruch darauf, der Antragsgegnerin zu untersagen, das streitgegenständliche Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen, noch hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung im streitgegenständlichen Vergabeverfahren unter Ausschluss der Angebote der Beigeladenen 1) und Beigeladenen 2) durchzuführen.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Angebote der Beigeladenen nicht wegen Verletzung des Geheimwettbewerbs gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auszuschließen, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB.

1. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann der öffentliche Auftraggeber einen Bieter vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die u. a. eine Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.

a) Die Vorschrift räumt dem öffentlichen Auftraggeber einen Beurteilungs-/Ermessensspielraum ein, der sowohl im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung als auch auf die Ausschlussentscheidung besteht (BT Drucksache 18/6281, Besonderer Teil, S. 104, Begründung zu § 124; VK Westfalen, Beschlüsse vom 5.5.2021 – VK 1-11/21 und VK 1-12/21, Rdnr. 55; Hausmann/von Hoff in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Auflage 2020, § 124, Rdnr. 95).

Daraus folgt, dass die Vergabenachprüfungsinstanzen die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Angebote der Beigeladenen nicht auszuschließen, lediglich dahingehend eingeschränkt überprüfen können, dass die Grenzen des Beurteilungs/Ermessensspielraums dadurch nicht überschritten werden.

Die Grenzen des Beurteilungs-/Ermessensspielraums sind eingehalten, wenn von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist, allgemeine Wertungsgrundsätze beachtet worden sind und keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung eingeflossen sind, siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2009 – Verg 65/08.

Nicht eingehalten sind die Grenzen des Beurteilungs/Ermessensspielraums, wenn dem öffentlichen Auftraggeber Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO unterlaufen, die sich insbesondere in Form von Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch zeigen können, Kaufmann in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, 5 124 GWB, Rdnr. 102.

b) Die Tatbestandsmerkmale der „hinreichenden Anhaltspunkte“ für eine „wettbewerbsbeschränke Vereinbarung“ sind bislang nicht allgemein definiert.

Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung wird weit ausgelegt. Gemeint sind damit nicht nur gesetzeswidriges Verhalten, sondern auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz nicht vereinbar sind, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.4.2011 – Verg 4/11 m.w.N.

Es ist keine ausdrückliche Verständigung zwischen Unternehmen darüber erforderlich, welche Leistungen zu welchen Preisen angeboten wird, OLG Düsseldorf, a.a.O.

Ausreichend ist in der Regel vielmehr, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen der Konkurrenz erstellt wird, Opiz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar zum GWB, 3. Auflage, § 124 GWB, Rdnr. 62 ff; VK Westfalen, a.a.O., Rdnr. 56, 57.

Hinreichenden Anhaltspunkte“ liegen nach Auffassung des OLG Düsseldorf erst vor, wenn aufgrund objektiver Tatsachen die Überzeugung gewonnen werden kann, dass dieses Tatbestandsmerkmal mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die Tatsachen bzw. Anhaltspunkte Müssen so .konkret und aussagekräftig sein, dass die Verwirklichung eines Kartellverstoßes zwar noch nicht feststeht, jedoch hierüber nahezu Gewissheit besteht, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.1.2018 – Verg 39/17, Leitsatz.

Es müssen zwar einerseits hohe Anforderungen für den Ausschluss des Bieters erfüllt sein, andererseits muss aber aufgrund des im Vergabeverfahren grundsätzlich geltenden Beschleunigungsgrundsatzes gerade keine Gewissheit über die Ausschlussgründe bestehen, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.1.2018 – Verg 39/17, Rdnr. 65.

Der EuGH hat entschieden, dass der Nachweis für einen Vergaberechtsverstoß nicht nur durch unmittelbaren Beweis, sondern auch durch Indizien erbracht werden kann, sofern diese objektiv und übereinstimmend sind, EuGH, Urteil vom 17.5.2018 – Rs. C-531/16, Rdnr. 37; ebenso VK Westfalen, a.a.O., Rdnr. 56, 57 m. w. N.

c) Grundlegend hat der EuGH bereits 2009 entschieden, dass verbundene Unternehmen nicht per se von einer Teilnahme an öffentlichen Auftragsvergaben wegen der Konzernverbundenheit ausgeschlossen werden dürfen. Vielmehr muss den Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, nachzuweisen, dass sich der Umstand der Konzernverbundenheit nicht auf das jeweilige Verhalten im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ausgewirkt hat, EuGH, Urteil vom 19.5.2009 – Rs. C-538/07, Leitsatz, Ziffer 28 f.

In einer nachfolgenden Entscheidung des EuGH ist zudem ausgeführt, dass

der öffentliche Auftraggeber, wenn er über Anhaltspunkte verfügt, die Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der von bestimmten Bietern eingereichten Angebote aufkommen lassen, zur Nachprüfung verpflichtet ist, ob deren Angebote tatsächlich eigenständig und unabhängig sind, und zwar ggf. dadurch, dass er zusätzliche Informationen von diesen Bietern anfordert. Stellt sich heraus, dass die Angebote nicht eigenständig und unabhängig sind, steht Art. 2 der Richtlinie 2004/2018 einem Zuschlag des Auftrags an die Bieter, die ein solches Angebot abgegeben haben, entgegen.“ (EugH, Urteil vom 17.5.2018 Leitsatz; Rdnr. 40)

2. Gemessen an den vorstehenden Ausführungen ist die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung, die Angebote der Beigeladenen nicht wegen Verletzung des Geheimwettbewerbs gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen, vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Antragsgegnerin hat gemäß der zuvor ausgeführten Rechtsprechung des EuGH nach Bekanntwerden der Problematik der Konzernverbundenheit der Beigeladenen und deren Auswirkungen durch die Rüge vom 8.3.2021 Aufklärung betrieben. Dazu hat die Antragsgegnerin zunächst beide Beigeladenen mit dem Vortrag aus der Rüge konfrontiert und zur Stellungnahme aufgefordert.

In einem weiteren Schritt hat die Antragsgegnerin eigene Nachforschungen angestellt und die Beigeladenen zu einer weitergehenden Stellungnahme aufgefordert.

In der Vergabeakte ist durch interne Dokumente der Antragsgegnerin dokumentiert, welche internen Stellen sie (die Antragsgegnerin) zur Aufklärung einbezogen hat und welche rechtlichen Erwägungen sie der Problematik zugrunde gelegt hat.

Im Vergabevermerk vom 8.11.2021 erfolgte schließlich eine umfassende Wertung und Würdigung der im Rahmen der Aufklärung gewonnenen Erkenntnisse. Die Antragsgegnerin hat sich mit den gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und diese nach ihrer Glaubwürdigkeit und Aussagefähigkeit zur streitgegenständlichen Problematik bewertet. Auf Grundlage all dieser Ausführungen hat sie schließlich ihre Entscheidung getroffen, die Beigeladenen nicht vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.

Dieses Vorgehen entspricht sowohl formal als auch inhaltlich dem, was in der zuvor zitierten Rechtsprechung in dieser Situation für notwendig angesehen wird.

b) Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hat. Die personellen sowie die gesellschaftsrechtlichen Verbindungen, die auch die ### umfasste, wurden aufgedeckt und von den Beigeladenen bereits vor Einleitung dieses Nachprüfungsverfahrens umfassend erläutert. Die tatsächliche Nähe im Hinblick auf das Auftreten beider Unternehmen im Internet und in der Presse wurde erörtert. Verbindungen im Rahmen der zum Einsatz kommenden IT wurden ebenfalls aufgeklärt.

Die Antragsgegnerin hat die Erkenntnisse aus der Rüge vom 3.8.2021 verwertet und darüber hinaus eigene Ermittlungen, u.a. im Internet, angestellt und ist den daraus ermittelten Informationen jeweils nachgegangen. Weitergehende Ermittlungen darüber hinaus waren der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund des bestehenden Beschleunigungsgrundsatzes sowie der Tatsache, dass eine Vergabestelle in der Regel keine speziellen Kenntnisse über Unternehmensinterna hat, nicht zuzumuten, VK Westfalen, a.a.O., Rdnr. 70; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.5.2011 – Verg 8/11.

c) Auch ist für die Kammer nicht erkennbar, dass die einzelnen Aspekte, die die Antragsgegnerin gewertet hat und die Rückschlüsse, die sie daraus gezogen hat, willkürlich oder sachfremd sind.

aa) Die Antragsgegnerin ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus den Angeboten selbst keine Anzeichen ergeben, die auf eine abgestimmte Verhaltensweise hindeuten.

Dieses Ergebnis ist nicht zu beanstanden, da auch die Kammer keine entsprechenden Anzeichen (auffällige Preisgestaltung, inhaltlich widersprüchliche Erklärungen, Auffälligkeiten bei den vorgelegten Formularen o.ä.) gefunden hat.

Die Tatsache, dass die Beigeladene 2) die Beigeladene 1) als Entsorgungsstelle in ihrem Angebot benannt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beigeladene 2) hätte zwar ausweislich des Leistungsverzeichnisses und der Bekanntmachung eine Erklärung über die Annahmebereitschaft des Entsorgungsguts von der Beigeladenen 1) mit Angebotsabgabe vorlegen müssen. Tatsächlich vorgelegt wurde diese Erklärung jedoch erst am Tag der mündlichen Verhandlung.

Zur Erklärung haben die Beigeladenen für die Kammer glaubhaft vorgetragen, dass aufgrund der grundsätzlich vorhandenen Entsorgungskapazitäten bei der benannten Entsorgungsstelle grundsätzlich keine vorherige Absprache zur Annahmebereitschaft erfolgen müsse und dass das nicht nur bei der Beigeladene 2) sei, sondern auch bei vielen anderen Unternehmen der Branche. Bestätigt sieht die Kammer diesen Vortrag, da der überwiegende Teil der eingereichten Angebote nicht für jede benannte Entsorgungsstelle die geforderte Erklärung vorgelegt hat. Aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene 1) als Entsorgungsstelle der Beigeladenen 2) genannt ist, folgt daher entgegen der Einschätzung der Antragstellerin nicht zwangsläufig, dass die Beigeladenen 1) vom Angebot der Beigeladenen 2) Kenntnis hatte.

Auch die Argumentation der Antragstellerin, dass dieser Vortrag der Beigeladenen, so er denn stimme, im Ergebnis wiederum die tatsächliche Nähe zum Ausdruck bringe, da die Beigeladene 2) ohne vorherige Absprache die Kapazitäten der Beigeladenen 1) in Anspruch nehmen kenne, was ein weiteres Indiz für die Verletzung des Geheimschutzes zu werten sei, überzeugt die Kammer nicht. Dass es eine tatsächliche Nähe zwischen den Unternehmen gibt, wird in keiner Weise in Abrede gestellt. Im Gegenteil haben die Beigeladenen die personellen und tatsächlichen Verflechtungen vollumfänglich eingeräumt. Daraus kann jedoch nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass bei der Angebotserstellung der Geheimschutz verletzt wurde.

bb) Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob aufgrund der sonstigen Verflechtungen von einer Verletzung des Geheimwettbewerbs ausgegangen werden musste.

Dazu hat die Antragsgegnerin sich inhaltlich zutreffend mit allen aufgeworfenen Aspekten und Argumenten auseinandergesetzt.

Diese umfasste sowohl die personellen und gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten, Überschneidungen in der IT, bei gemeinsam erledigten Aufträgen, gemeinsamen Auftritten im Internet und in der Presse. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin dabei sachfremde oder willkürliche Erwägungen angestellt hat.

So ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Erklärung zu den gemeinsamen Auftritten im Internet und bei verschiedenen Bauvorhaben nicht als belastbares Indiz für eine Verletzung des Geheimschutzes bei Angebotsabgabe gewertet hat. Seitens der Beigeladenen wurde dazu mitgeteilt, dass es sich jeweils um Aufträge handelt, für die die Beigeladenen unabhängig voneinander jeweils Zuschläge erhalten haben bzw. die Zuschlagserteilung im Wege eines Nachunternehmerbieterverfahrens zustande gekommen ist. Diese Situation könnte so dann auch mit jedem übrigen Mitbewerber entstehen, würde jedoch sicherlich nicht dokumentiert, da ein Werbeeffekt auf die Konzernverbundenheit zurückzuführen ist.

Zudem haben die Beigeladenen auch umfassend die Gründung der ### erläutert, welche Aufgaben von diesem Tochterunternehmen erledigt werden und wie die Beauftragung abläuft und dass auch im übrigen Baufahrzeuge zwischen den Unternehmen vermietet werden. Zum Beleg wurde eine entsprechende Rechnung über die Anmietung eines Baufahrzeugs, der Unternehmen untereinander vorgelegt. Dieser Vortrag ist insgesamt inhaltlich stimmig und klärt den Anschein, dass die Unternehmen beliebig auf Fährzeuge des jeweils anderen zurückgreifen können, auf. Dass die Antragsgegnerin diesem Vortrag Glauben schenkt, ist nicht willkürlich.

Ebenso ist nicht willkürlich, wenn die Antragsgegnerin aus der Schilderung der Beigeladenen zur getrennten IT-Infrastruktur (getrennte Serverlandschaften und getrennter Einsatz von Softwarelösungen) keine Rückschlüsse zieht, die für die Verletzung des Geheimwettbewerbs bei Angebotsabgabe sprechen. Objektiv betrachtet spricht eine getrennte IT-Infrastruktur gegen eine Weitergabe von Informationen zwischen den Unternehmen.

Dass die Antragsgegnerin aus dem Einsatz der identischen Software in den Unternehmen nicht zwangsläufig schließt, dass die IT-Infrastruktur verbunden ist, ist bereits vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die eingesetzte Software auch bei anderen Kunden, die in keiner Beziehung zu den Beigeladenen stehen, zum Einsatz kommen wird, da die Softwarefirma sicherlich auch andere Kunden als die Beigeladenen hat.

In Bezug auf die Trennung- der Serverlandschaft kommt selbstverständlich, wie es auch die Antragstellerin vorträgt, die Personenidentität eines der Geschäftsführer ins Spiel, bei dem aufgrund seiner Stellung zunächst einmal davon auszugehen ist, dass dieser Zugang zu beiden IT-Systemen in beiden Unternehmen hat. Wäre dieser Umstand jedoch allein schon durchschlagend, würde das letztlich dazu führen, dass alle verbundenen Unternehmen mit personenidentischen Geschäftsführer von Vergabeverfahren auszuschließen wären, da es bereits allein aus haftungsrechtlichen Gründen lebensfremd wäre, wenn ein Geschäftsführer vom Zugang zur IT-Infrastruktur ausgeschlossen wäre. Dies würde der zuvor zitierten Rechtsprechung des EuGH, wonach ein genereller Ausschluss von konzernverbundenen Unternehmen von Vergabeverfahren gerade nicht zulässig ist.

Die Antragsgegnerin hat daher nach Auffassung der Kammer zu Recht die Problematik der personellen Überschneidung in Gestalt des gemeinsamen Geschäftsführers in Verbindung mit der unbestrittenen Konzernverflechtung als weiteres zentrales Entscheidungskriterium angesehen. Diesbezüglich, hat die Antragsgegnerin die von den Beigeladenen vorgetragenen Argumente, insbesondere, dass der personenidentische Geschäftsführer ausschließlich an strategischen Entscheidungen, nicht aber am operativen Geschäft beteiligt sei, erfasst und kritisch, auch auf ihre Glaubwürdigkeit im Hinblick auf den übrigen Vortrag, geprüft.

Sie hat die Argumente abgewogen, einander gegenübergestellt und ihre Rückschlüsse daraus gezogen.

Dabei sind bei der Antragsgegnerin augenscheinlich Zweifel geblieben, da sie selbst ausführt, dass die Argumentation der Beigeladenen in diesem Punkt nicht in jeder Hinsicht restlos überzeugt. Sie hat aber auch nachvollziehbare Aspekte gefunden (z.B. unterschiedlicher Einsatz in den unterschiedlichen Unternehmen), die sie durch den Vortrag der Beigeladenen gestützt sieht und als nachvollziehbar einstuft.

Diese Aspekte hat die Antragsgegnerin inhaltlich zutreffend erfasst und weder sachfremd noch willkürlich gewertet. Im Ergebnis ist sie letztlich auch aufgrund des geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu dem Ergebnis gekommen, dass keine im Sinne von „hinreichenden Anhaltspunkten“ hohe Wahrscheinlichkeit für einen vergaberechtlichen Verstoß vorliege.

Diese Schlussfolgerung ist von der Kammer aufgrund des bestehenden Beurteilungsspielraums vergaberechtlich nicht angreifbar. Der Weg, auf dem die Antragsgegnerin zu dieser Entscheidung kommt, ist nachvollziehbar und weist weder sachfremde oder willkürliche Aspekte auf. Die von der Antragsgegnerin getroffenen Entscheidung spiegelt vielmehr die ureigenste Freiheit, die dem öffentlichen Auftraggeber mit dem Beurteilungs-/Ermessensspielraum eingeräumt wird, wider.

Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass die Wertung im vorliegenden Fall auch anders hätte ausgehen können und womöglich vergaberechtlich zulässig ein Ausschluss der Angebote hätte entschieden werden können. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Beurteilungs- und Ermessensspielraum dem öffentlichen Auftraggeber genau diese Beurteilungsfreiheit einräumt und diese Freiheit gerade nicht durch Erwägungen der Kammer ersetzt werden kann.

cc) Zu keinem anderen Ergebnis führt nach Auffassung der Kammer jedenfalls, dass die Antragstellerin im Laufe des Vergabeverfahrens und auch des Nachprüfungsverfahrens weitere Verbindungen zwischen den Unternehmen aufgedeckt hat (z.B., dass Familienmitglieder in den Unternehmen unterschiedlich zum Einsatz kommen oder auch weitere personelle Verflechtungen auch im Hinblick auf die ###).

Die Nähe der Unternehmen ist und bleibt unbestritten, insbesondere die Tatsache, dass die Familie augenscheinlich in der gesamten Gruppe sehr präsent ist. Die Abwägung zur Personenidentität des Geschäftsführers und auch der Gesellschafter erfolgte bereits unter Annahme einer maximalen Verbundenheit. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Vergabevermerk vom 8.11.2021.

dd) Ebenfalls nicht ausschlaggebend ist nach Auffassung der Kammer, wenn ggf. einzelne Aspekte im Rahmen der Ausübung des Beurteilungsspielraums nicht ganz richtig gewertet wurden.

Selbstverständlich ist die Distanz zwischen Firmensitzen in Zeiten von Digitalisierung kein durchschlagendes Argument. Entscheidend ist insoweit aber, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung, die Angebote nicht auszuschließen, nicht allein auf der Grundlage dieses einen Aspekts getroffen hat, sondern eine Vielzahl von Erwägungen angestellt hat, die in ihrer Gesamtheit zur Entscheidungsgrundlage wurden.

Da für die Erwägungen im Übrigen die Tatsachengrundlagen sachlich richtig erfasst. wurden und keine sachfremden oder willkürlichen Rückschlüsse daraus gezogen wurden, fußt die Entscheidung insgesamt auf einer tauglichen Grundlage und bewegt sich in den Grenzen des, bestehenden Beurteilungs/Ermessensspielraums.

3. Die zuvor dargelegte Einschätzung der Kammer steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Vergabekammer Rheinland vom 19.05.2021 – VK 6/21-L. In diesem Beschluss hat die Kammer entschieden, dass in dem Fall der Beteiligung mehrerer konzernverbundener Unternehmen an einer Ausschreibung mit eigenen Angeboten zunächst einmal grundsätzlich eine widerlegbare Vermutung dafür besteht, dass der Geheimwettbewerb zwischen den Unternehmen nicht gewahrt ist und die Widerlegung dieser Vermutung den konzernverbundenen Unternehmen obliegt.

Zur Widerlegung dieser Vermutung reicht es nicht, dass die verbundenen Unternehmen versichern, sich im Rahmen der konkreten Ausschreibung wettbewerbskonform verhalten zu haben. Vielmehr obliegt den verbundenen Unternehmen anhand konkreter Ausführungen die Darstellung derjenigen strukturellen Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß bereits im Ansatz effektiv verhindern, VK Rheinland, Beschluss vom 19.5.2021 – VK 6/21-L.

Gestützt hat die Kammer sich bei dieser Entscheidung auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur damals geltenden Regelung des § 19 Abs. 3 lit, f VOL/A EG; In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass diese Rechtsprechung dem Inhalt nach auch nach der Neuregelung des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB Anwendung finde, da sich die grundlegende Problematik und Interessenlage im Hinblick auf die Schwierigkeiten für den öffentlichen Auftraggeber, seiner im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB bestehenden Darlegungs- und Beweislast nachzukommen, auch durch die Gesetzesänderung nicht geändert habe, VK Rheinland, Beschluss vom 19.09.2019 – VK 29/19; OLG München, Beschluss vom 23.11.2020 – Verg 7/20; Conrad in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, § 124 GWB, Rdnr. 87 ff; Friton in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, BeckOK Vergaberecht, 19. Edition 2020, § 124 GWB, Rdnr. 46d; Gabriel in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 17, Rdnr. 68 f.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass die damalige Entscheidung der erkennenden Kammer nicht im Widerspruch zur bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH steht. Die Tatsache, dass es sich bei den Bietern um verbundene Unternehmen handelt, ist bereits der Anhaltspunkt, der Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Angebotserstellung aufkommen lässt. Damit ist der öffentliche Auftraggeber in der Pflicht, Nachforschungen anzustellen und die Bieter sind verpflichtet, entsprechend vorzutragen und die Anhaltspunkte zu entkräften. Genau das sieht auch die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Problematik vor. Ein automatischer Ausschluss allein wegen der Verbundenheit der Unternehmen wird durch den Beschluss der VK Rheinland gerade nicht vorgegeben, da zwingend die Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung eingeräumt werden muss und erst unter Berücksichtigung dieses Vortrags die Ausschlussentscheidung zu treffen ist.

Es handelt sich bei der Vermutungswirkung um eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast auf die jeweils verbundenen Unternehmen. Diese Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ist auch sinnvoll, da gerade diese Unternehmen problemlos dazu in der Lage sind, die genauen Umstände der Angebotserstellung und der Verbindung der Unternehmen untereinander aufzuklären. Diese Möglichkeit hat der öffentliche Auftraggeber in der Regel naturgemäß nicht, da in der Regel sensible Bereiche in einem Unternehmen oder einem Unternehmensverbund betroffen sind, die regelmäßig nicht von außen einsehbar sind.

b) Das vorliegend zu entscheidende Verfahren unterscheidet sich zudem grundlegend von dem Verfahren, das durch den zuvor dargestellten Beschluss entschieden wurde. Daher können die im Verfahren VK 6/21-L dargelegten Erwägungen vorliegend nicht auf dieses Verfahren übertragen werden.

Grundlegend anders war zunächst, dass die Vergabestelle im damaligen Verfahren trotz einer unstreitigen Tatsachengrundlage (personenidentischer Geschäftsführer, identisches Geschäftsfeld, identischer IT-Dienstleister) die faktische Konzernverbundenheit der Unternehmen nicht erkannt hat und sich daher der rechtlichen Grenzen, in denen sie sich bei ihrer Entscheidung bewegt hatte, nicht bewusst war. Daher konnte sie zwangsläufig ihren Beurteilungs-/Ermessensspielraum nicht richtig ausfüllen. Dieser Fehler hatte massive Auswirkungen auf das gesamte Verfahren.

Auch war der Vortrag der betroffenen Unternehmen weder widerspruchsfrei noch umfassend. Es hat schlicht keine freiwillige Aufklärung durch die betroffenen Unternehmen gegeben, die die bestehenden Bedenken auch nur ansatzweise hätten entkräften können.

Darüber hinaus waren auch die sonstigen Bedingungen völlig andere: die damals betroffenen Unternehmen verfügten lediglich über einen Geschäftsführer, wobei gleichzeitig die Gesellschafter (eine Erbengemeinschaft) angeblich weder Kenntnisse noch sonstiges Interesse an der Tätigkeit der Firmen hatten. Es drängte sich daher die Frage auf, wer, wenn nicht der eine Geschäftsführer, die Kontrollfunktion in den Unternehmen erfüllte. Diesem Aspekt wurde von der damaligen Vergabestelle keinerlei Bedeutung zugemessen.

Der damals in Rede stehende Auftrag hatte eine ganz andere wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Es handelte sich um einen von wenigen großen Aufträgen für die Branche (Kampfmittelräumung) mit einer Laufzeit über mehrere Jahre. Es drängte sich der Eindruck auf, dass dieser Auftrag mehr als alles andere auch die strategische Ausrichtung der Unternehmen tangierte, was aber ebenfalls von der Vergabestelle an keiner Stelle berücksichtigt wurde.

Auch die Ausgestaltung des Auftrags mit verschiedenen Losen, Loslimitierung, Losen als Rahmenvereinbarung etc. war nicht vergleichbar.

c) Mit der Entscheidung im Verfahren VK 6/21-L hat die entscheidende Kammer aber auch keine Anforderungen aufgestellt, die im hiesigen Verfahren, das so anders gelagert ist, nicht auch erfüllt wurden.

Denn letztlich hat die Antragsgegnerin aufgrund der Erkenntnisse zur Verbundenheit der Beigeladenen mehrfach zu Stellungnahmen aufgefordert und eigene Nachforderungen angestellt. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass ihrerseits Zweifel an der Einhaltung des Geheimwettbewerbs bestanden, die aufgrund der Unternehmensverbundenheit und der offenkundigen Nähe der Unternehmen zueinander entstanden sind. Mit der Einholung der Stellungnahmen hat die Antragsgegnerin nichts Anderes gemacht, als die Beigeladenen zur Widerlegung der Vermutung aufgefordert.

Die abgegebenen Stellungnahmen hat die Antragsgegnerin ausgewertet und alle Aussagen daraufhin überprüft, ob und welche Rückschlüsse sich daraus für die Erstellung der Angebote ziehen lassen. Anzumerken ist insoweit, dass die Beigeladenen (im Gegensatz zum Verfahren VK 6/21-L) durch ihren Vortrag, z.B. in Bezug auf die die zum Einsatz kommende Software, getrennte IT-Infrastruktur und auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten innerhalb der jeweiligen Geschäftsführerebene einen glaubhaften Vortrag geleistet haben, der darüber hinausgeht, lediglich die Wahrung des Geheimschutzes bei Angebotserstellung zu versichern. Da die von der Antragsgegnerin gezogenen Schlussfolgerungen inhaltlich nicht zu beanstanden sind, auch wenn eine andere Wertung durchaus möglich gewesen wäre, ist die Entscheidung der Antragsgegnerin vergaberechtlich nicht angreifbar. Gerade dieser Ausgang ist der Kern der Freiheit, die der in § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB bestehende Beurteilungs-/Ermessensspielraum vorsieht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.

1. Die Antragstellerin trägt gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, weil sie unterlegen ist.

a) Die Kosten des Verfahrens sind nicht gemäß dem Hilfsantrag der Antragstellerin wegen fehlerhafter/unzureichender Bieterinformation der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Gemäß § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB besteht zwar die Möglichkeit, die durch Verschulden eines Beteiligten entstandenen Kosten diesem aufzuerlegen. Dieser Fall ist vorliegend aber nicht gegeben. Die Antragstellerin ist nicht wegen einer unzureichenden Bieterinformation in das Nachprüfungsverfahren gedrängt worden. Selbst wenn die Bieterinformation vom 11.11.2021 darüber, dass die Antragsgegnerin der Rüge der Antragstellerin nicht abhilft, nicht sehr ausführlich war, hat diese Bieterinformation die Antragstellerin nicht in dieses Nachprüfungsverfahren gedrängt.

Denn wäre allein die fehlende Information der Grund für den Nachprüfungsantrag gewesen, hätte die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag nach erfolgter Akteneinsicht zurückgenommen. Das hat sie aber nicht, da sie bis zuletzt mit der Entscheidung der Antragsgegnerin nicht einverstanden ist. Ein Fall des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB liegt nicht vor.

b) Die Höhe der Gebühren für diesen Beschluss bestimmt, sich gem. § 182 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Nachprüfung. Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber für den Regelfall auf 2.500,00 Euro bis 50.000,00 Euro festgesetzt. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die die Vergabekammern der Länder im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernommen haben. Danach orientiert sich die Gebühr der Vergabekammer an der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin als dem für die Bewertung maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse am Rechtsstreit. Ausgehend von einem Angebotspreis von 4.190.468,31 Euro ergibt sich eine Gebühr von 5.349,48 Euro.

2. Die Erstattungspflicht notwendiger Aufwendungen der Antragsgegnerin folgt aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

3. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB erstattungsfähig, soweit die Vergabekammer sie aus Gründen der Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt.

Es entspricht billigem Ermessen, dass ein erfolgloser Antragsteller die notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen trägt, wenn dieser sich aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und ein Interessengegensatz zum Antragsteller besteht, ohne dass es dabei auf eine förmliche Antragstellung des Beigeladenen ankommt, siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2012, a.a.O., Rdnr. 7 f.

Hinsichtlich beider Beigeladenen liegt hier ein Interessengegensatz zur Antragstellerin, da die Antragstellerin behauptet, die Angebote der Beigeladenen seien wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen.

Beide Beigeladenen sind der Auffassung der Antragstellerin sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten und haben. einen entsprechenden Antrag auf Zurückweisung des Nachprüfungsantrags gestellt.

Da die Antragstellerin insoweit im Nachprüfungsverfahren jedoch unterlegen ist, ist die Belastung der Antragstellerin mit den notwendigen Aufwendungen beider Beigeladenen gerechtfertigt, siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011 – Verg 16/11.

4. Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die Antragstellerin sowie beider Beigeladenen war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. S 80 Abs. 2 VwVfG NRW notwendig.

Diese Entscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Düsseldorf nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierten Betrachtung des Einzelfalles zu treffen und zu begründen.

Für Bieter ist die Hinzuziehung von Bevollmächtigten in Vergabenachprüfungsverfahren wegen der Komplexität der Rechtsmaterie und der Ausgestaltung des Verfahrens als gerichtsähnliches Verfahren im Regelfall als notwendig anzuerkennen,

siehe Brauser-Jung in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Komm. zum GWB, 5. Auflage, § 182, Rdnr. 36; Krohn in: Burgi/Dreher, Beckischer Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 3. Auflage, § 182 Rdnr. 45, beck-online.

Gemessen an den vorstehenden Ausführungen war die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die Antragstellerin und die Beigeladenen angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles erforderlich.

V.

(…)