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OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer darf eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären. Das gilt insbesondere dann, wenn sich für ihn aus der Leistungsbeschreibung die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
2. Reichen die dem Auftragnehmer überlassenen Unterlagen für eine zuverlässige Kalkulation nicht aus, darf er nicht „ins Blaue hinein“ und mit der für ihn günstigsten Ausführungsvariante kalkulieren (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
3. Die Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B ist nicht anwendbar, wenn die (vermeintlich) geänderte Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist, etwa weil ein bestimmter vertraglicher Erfolg auf eine erkennbar kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung angeboten wurde (Anschluss an BGH, IBR 1992, 349).
4. Die Anordnung einer Änderung des Bauentwurfs kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen. Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das beschriebene Leistungssoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die geforderte Ausführung gehöre zur vertraglichen Leistung und sei mit den vereinbarten Preisen abgegolten.
5. Notwendig ist jedoch, dass der Auftragnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Auftraggeber bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.
6. Muss der Auftragnehmer erkennen, dass der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung anders versteht als er, hat er den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass er bei seiner Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist und durch die vorgesehene Ausführung ein Mehraufwand entstehen wird. Nur dann darf er in der Übergabe geänderter Pläne eine Änderungsanordnung sehen.
OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2022 – 1 U 29/21
vorhergehend:
LG Flensburg, 01.04.2021 – 2 O 373/13
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 247/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Schulgebäudes nebst Sporthalle aus (Anlage B 1, AB). Sie erteilte der Klägerin am 06.08.2009 den Auftrag unter Einbeziehung der VOB/B. Die Streithelfer waren planende und die Bauaufsicht führende Architekten. Nach Durchführung der Arbeiten und Abnahme stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung vom 09.11.2010 (Anlage K 1, AB). Nach Streit über die Abrechnung stützte sie sich zuletzt auf die Forderungsaufstellung vom 11.05.2011 (Anlage K 3, AB).

In verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses, zum Beispiel Position 4.1.2.150, war die Herstellung von Stahlbetonunterzügen nach der Statik vorgesehen. In verschiedenen Positionen, zum Beispiel Position 4.2.1.260, war das Mauern tragender Innenwände vorgesehen. In verschiedenen Positionen, unter anderem Position 4.2.1.290, war eine Zulage für das Mauern der letzten Schicht nach Ausschalen der Stahlbetondecke bzw. -balken vorgesehen. Aus der Statik ergab sich, dass es sich bei den Stahlbetonunterzügen überwiegend um nicht tragende obere Wandabschlüsse handeln sollte. Die Klägerin erstellte zunächst die sogenannten Unterzüge als nicht tragende Betonbauteile und stützte sie ab, bis die tragende Wand darunter aufgemauert war. Die Klägerin kündigte in einer Baubesprechung vom 18.11.2009 (Prot. Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) Mehrkosten an. Sie stellte mit Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage K 38.1, AB) eine Behinderungsanzeige und meldete Mehrkosten an. Sie verlangte schließlich eine Mehrvergütung von 250.687,38 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 17, AB und Bl. 588 d. A).

In der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis (S. 4, Anlage B 1, AB) war in einem Bauzeitplan der Beginn der Gesamtbaumaßnahme für die 33. Kalenderwoche 2009 vorgesehen. Die Rohbauarbeiten sollten von August 2009 bis März 2010 ausgeführt werden, der wesentliche Teil der Leistungen bis Dezember 2009. In detaillierten Bauzeitplänen, etwa vom 04.08.2009 und 09.09.2009 (Anlagen K 41.2, K 41.3, Bl. 267 – 268 d. A.) war der Abschluss der Betonarbeiten und der Verblendarbeiten bis Dezember 2010 vorgesehen.

Die Klägerin hat behauptet, bei einem Unterzug handele es sich um eine selbsttragende Konstruktion, die die Last der Decke aufnehme und einen Freiraum überbrücke. Aus dem Leistungsverzeichnis sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich tatsächlich um nicht tragende Balken als oberen Wandabschluss habe handeln sollen. Die Statik habe ihr bei der Erstellung des Angebots nicht vorgelegen. Sie sei erst an 27.08.2009 übergeben worden. Erst durch die Anweisung des Statikers vor Ort habe sich die danach vorgesehene Bauweise ergeben. Im Leistungsverzeichnis (etwa Position 4.2.1.290) sei vorgesehen gewesen, dass zunächst die Decken und die Balken herzustellen und erst dann die tragenden Wände aufzumauern gewesen seien. Sie habe in ihrer Kalkulation zunächst die Herstellung der Unterzüge und deren Notabstützung, dann die Herstellung der Decken vorgesehen. Stattdessen sei die Schalung für die Decken und die Unterzüge in einem Arbeitsgang herzustellen gewesen, was einen Mehraufwand bedeutet habe, da die Schalung länger habe vorgehalten werden müssen und kein Wechsel von einem Bauteil zum anderen möglich gewesen sei. Die Unterzüge hätten bis zur Aushärtung der Wände abgestützt werden müssen. Es habe sich eine bauzeitverlängernde Leistungsminderung ergeben. Unter anderem habe beim Mauern um die Stützen herum gearbeitet werden müssen. Die Arbeiten seien entgegen der Kalkulation in den strengen Winter 2009/10 gerückt.

In den später von der Beklagten übergebenen Bauzeitplänen liege eine Beschleunigungsanordnung gegenüber dem Bauzeitplan aus der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis. Die Beklagte habe eine Fertigstellung der Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 gefordert. Die Rohbauarbeiten seien nunmehr bis zur 51. KW 2009 abzuschließen gewesen. Ihr stehe deswegen eine Mehrvergütung von 51.470,58 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 18, AB) zu.

Die Klägerin hat die Zahlung von 497.132,05 Euro nebst Zinsen und Kosten verlangt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, im Leistungsverzeichnis sei von Stahlbetonunterzügen die Rede, weil die Bewehrung in die Decke einbinde, was bei Balken nicht immer der Fall sei. Es handele sich dabei um den Sprachgebrauch im Betonbau. Die gewünschte Bauweise habe sich neben der Statik auch aus Plänen ergeben. Die Statik habe der Klägerin bei Angebotsabgabe und Beauftragung vorgelegen, was ihr Geschäftsführer eingeräumt habe (Schreiben vom 05.05.2010, Anlage B 14, Bl. 505 – 506 d. A.). Es sei zunächst die Wand zu erstellen, dann die Decke und der Unterzug zu schalen gewesen. Ein zusätzlicher Leistungsaufwand sei nicht angefallen. Die Reihenfolge der Arbeiten ergebe sich auch aus den Bauzeitplänen der Beklagten und der Klägerin (Anlage B 13, Bl. 490 d. A., Anlagen B 16, B 17, Bl. 1039 – 1045 d. A.).

Aus dem Bauzeitplan in der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass der Rohbau bis Dezember 2009 so weit habe abgeschlossen sein sollen, dass die vorgesehenen Folgegewerke hätten tätig werden können. So sei ein Fenstereinbau ohne Verblendmauerwerk nicht möglich, für die Ausbaugewerke sei ein geschlossener Bau notwendig gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 427.021,46 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es, soweit es in der Berufungsinstanz noch darauf ankommt, ausgeführt, wegen der Herstellung der Balken stehe der Klägerin eine Mehrvergütung von 253.596,85 Euro netto zu. Es handele sich um eine geänderte Leistung. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ergebe als Leistungssoll selbsttragende Unterzüge, was sich aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe.

Geplant gewesen seien dagegen Balken. Es komme nicht darauf an, ob bei der Abgabe des Angebots die Statik vorgelegen habe. Das Leistungsverzeichnis sei eindeutig, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, die Statik heranzuziehen, um es zu überprüfen, auch wenn im Leitungsverzeichnis auf die Statik Bezug genommen werde. Das Risiko eines Widerspruches zur Statik trage die Beklagte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen habe das Leistungsverzeichnis eine bestimmte Reihenfolge der Leistungserbringung vorgesehen, wonach zunächst die Unterzüge und dann das Mauerwerk zu erstellen gewesen seien, was sich insbesondere aus den Positionen 4.2.1.290 und 3.2.1.240 ergebe. Dass eine andere Vorgehensweise nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro geführt hätte, sei unerheblich, weil sie dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses widersprochen habe.

Wegen einer Beschleunigung des Bauablaufes stehe der Klägerin ein Mehranspruch in Höhe von 44.720,78 Euro netto zu. In den Bauzeitplänen vom 04.08.2009 und 09.09.2009 hätten leistungsändernde Anordnungen gelegen. Nach dem Leistungsverzeichnis seien nur die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 fertigzustellen gewesen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen seien wesentlich die Hülle und das Innenmauerwerk. Nach den Bauzeitplänen habe die Klägerin aber auch das Verblendmauerwerk im Jahr 2009 herstellen sollen. Das sei nicht wesentlich, weil es für Folgegewerke nicht entscheidend gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Herstellung der Unterzüge verstoße die Auslegung des Leistungsverzeichnisses durch das Landgericht gegen die Grundsätze der Auslegung. Der Bauvertrag sei als sinnvolles Ganzes auszulegen, wobei alle Vertragsbestandteile einzubeziehen seien. Bei öffentlichen Vergaben komme es auf den objektiven Bieterhorizont an. Es gebe keinen Lehrsatz, dass Unklarheiten zu Lasten des Erstellers eines Leistungsverzeichnisses gingen.

Widersprüche seien nach Möglichkeit aufzulösen. Es seien die Umstände des Einzelfalls und die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen. Das Landgericht habe die Angaben in der Statik unberücksichtigt gelassen. Es habe nur Teile des Wortlauts des Leistungsverzeichnisses berücksichtigt. Es habe die Auslegung nicht der Sachverständigen überlassen dürfen. Nach den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen sei bei dem Ausschalen von Wand- und Deckenflächen zum Teil mit erheblichen Zeitverzögerungen zu rechnen gewesen. Im Leistungsverzeichnis sei jeweils Bezug auf die Position in der Statik genommen. Dies sei Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Für einen objektiven Bieter, der die Umstände gekannt habe, sei klar gewesen, dass es sich um nichttragende Bauteile handele, wenn tragende Wände darunter zu errichten gewesen seien. Es habe auch keine zu überspannenden Öffnungen gegeben.

Die Zulage sei nur für die letzte Steinschicht unter den Balken vorgesehen gewesen. Eine Änderung des Auftrags habe es nicht gegeben, da die Statik nicht vom Leistungsverzeichnis abgewichen sei und sie nach dem Schreiben vom 05.05.2010 der Klägerin vor Auftragserteilung vorgelegen habe.

Es fehle eine Anordnung zur Beschleunigung der Bauzeit. Diese liege nicht in der Übersendung des Bauzeitplans, denn die Architekten seien nicht berechtigt gewesen, für sie rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Die Betonarbeiten hätten ohnehin bis Weihnachten 2009 fertiggestellt werden müssen, da sie zu den wesentlichen Teilen des Rohbaus gehört hätten. Die Klägerin habe dagegen vorgetragen, es sei die Fertigstellung der Betonarbeiten entgegen des Vertrages gefordert worden. Der Nachtrag habe nichts mit Verblendarbeiten zu tun.

Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 (Bl. 1400 ff. d. A.) weist die Beklagte ergänzend auf Teile der Leistungsbeschreibung hin. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen heiße es, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handele, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht werde und die Ausschalung von Wänden und Decken zum Teil mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden könne und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen sei (S. 2, Anlage B 1, AB). Die Klägerin habe deswegen nicht mit der Wiederverwendung von Schalungen kalkulieren dürfen.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 gebe es keine Beschleunigungsanordnung. Nach dem Leistungsverzeichnis habe ein Gerüst für die Verblendarbeiten und die nachfolgenden Gewerke für 10 Wochen vorgehalten werden sollen (Pos. 1.2.1.010, Anlage B 1, AB). Die Verblendarbeiten hätten vor der Erstellung des Dachüberstandes beendet sein müssen. Die Zimmererarbeiten hätten nach dem Terminplan im Leistungsverzeichnis im November 2009 beginnen sollen.

Die Streithelfer tragen vor, das Leistungssoll sei nicht geändert worden. Die Leistung sei immer gleich beschrieben gewesen. Die Schalung sei von der Vergütung umfasst gewesen. Es fehle jedenfalls einer Abgrenzung der Mehrkosten zu den Kosten der ohnehin vorzuhaltenden Schalung. Wegen der global-funktionalen Beschreibung der Leistung habe die Klägerin die Statik einsehen müssen.

Der Mehraufwand sei bei einer anderen Reihenfolge der Bauausführung vermeidbar gewesen. Die Klägerin habe sich eigenmächtig für die aufwendigere Bauweise entschieden, entgegen der Vorgaben in der Ausführungsplanung und der Statik. Aus dem Leistungsverzeichnis habe sich diese Reihenfolge nicht ergeben.

Es fehle eine Mehrvergütungsankündigung. Die Klägerin habe gegen ihre Hinweispflicht verstoßen, indem sie nicht auf Mehrkosten hingewiesen habe.

Sie behaupten, die Statik sei der Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 01.04.2021 – 2 O 373/13 – zu ändern, die Klage in Höhe weiterer 355.407,82 Euro abzuweisen und sie zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen 123.724,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2011.

Die Streithelfer schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 tragen sie vor, die Statik sei nicht Teil der Ausführungsunterlagen gewesen. Erst der Statiker habe darauf hingewiesen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend hätten sein sollen. Einen konkreten Hinweis auf die dadurch längere Standzeit der Schalung habe sie den Architekten spätestens bei der Baubesprechung am 18.11.2022 gegeben. Der Vertreter der Beklagten, Herr B1, habe nur selten an Baubesprechungen teilgenommen. E habe sich von den Streithelfern vertreten lassen. Sie habe die Mitteilung von Mehrkosten in ihrem Schreiben vom 13.04.2010 an die Streithelfer und Herrn B1 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.) dargestellt, in dem es heiße, sie seien schon vor der Ausführung angezeigt worden. In ihrer Antwort vom 13.04.2010 (Anlage BB 7, Bl. 1431 – 1431R d. A.) hätten die Streithelfer die Kenntnis nicht bestritten. Zwar treffe es zu, dass die Betonarbeiten im Jahr 2009 abgeschlossen worden seien, aus dem Schreiben vom 13.04.2010 ergebe sich aber, dass Herr B1 bereits vor den Arbeiten Kenntnis von dem Mehraufwand gehabt habe. Die Beklagte habe von dem Mehraufwand auch Kenntnis erlangt, weil durch die zusätzlichen Abfangungsmaßnahmen ein „Stützenwald“ entstanden sei und die Arbeiten länger gedauert hätten.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs seien die Innenwände nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses zunächst ohne die letzte Schicht zu mauern gewesen. Erst später seien die letzten Schichten zu mauern gewesen. Nach den Bauzeitplänen der Parteien seien erst die Innenwände zu mauern gewesen, dann die Stahlbetonarbeiten auszuführen gewesen. Später hätten die Lücken geschlossen werden sollen. Das sei die übliche Reihenfolge. Sie habe darin kein Problem gesehen, weil sie von selbsttragenden Bauteilen ausgegangen sei. Die von ihr gewählte Reihenfolge sei bekannt gewesen. Sie habe mit Schreiben vom 14.04.2010 (Anlage BB 9, Bl. 1436 d. A.) Bedenken gegen das nachträgliche Aufmauern der Wände angemeldet, die von den Streithelfern mit Schreiben vom 15.04.2010 (Anlage BB 10, Bl. 1425 d. A.) zurückgewiesen worden seien.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 sei die Überschrift missverständlich. Sie beschreibe nicht den Inhalt des Nachtrages. Der Hintergrund der Beschleunigung ergebe sich aus dem Gutachten der Sachverständigen vom 21.02.2020, S. 21 – 23. Sie habe die gesamte Leistung erbringen sollen. Der Abbau des Krans bedeute das Ende der Rohbauarbeiten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen K1 und Vernehmung des Zeugen K2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 04.02.2022 (Bl. 1355 – 1360 d. A.) und vom 18.11.2022 (Bl. 1539 – 1546 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache bis auf einen geringen Teil in der Sache erfolgreich.

Der Klägerin steht kein Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB wegen der Nachträge 6 und 7 zu.

1. Der Klägerin steht kein Mehrkostenanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer Leistungsänderung bei der Herstellung der Unterzüge zu. Sie hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Änderungsanordnung erfolgt ist.

a) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B entsteht, wenn sich die Preisgrundlage für eine im Vertrag vorgesehene Leistung ändert, etwa weil die Leistung anders ausgeführt werden soll als ursprünglich vorgesehen (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3, 5, 6, 9). Dagegen liegt ein Fall des § 2 Abs. 6 VOB/B vor, wenn eine vertraglich noch nicht vorgesehene Leistung gefordert wird, der Leistungsinhalt also erweitert wird, ohne dass der bisherige Leistungsinhalt geändert wird (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 8). Das korrespondiert mit den Regelungen in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B, aus denen sich ergibt, wann der Auftragnehmer Anordnungen des Auftraggebers nachkommen muss, nämlich bei Änderungen des Bauentwurfs und bei Zusatzleistungen, die zur Ausführung der vereinbarten Leistung erforderlich werden (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 2, § 1 Abs. 4 VOB/B, Rn. 1, 3).

Ob die von den Streithelfern zitierte Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2021, 22 U 245/20) die Vorschriften anders auslegen will, wird nicht deutlich. Jedenfalls wäre eine Revision nicht wegen einer Abweichung von dieser Entscheidung zuzulassen, weil die Entscheidung nicht auf der Auslegung des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B beruht. Sie geht vielmehr davon aus, dass die VOB/B in dem zu beurteilenden Fall nicht wirksam in den Vertrag einbezogen war.

Danach ist die Vorschrift des § 2 Abs. 5 VOB/B einschlägig. Denn die Herstellung von Unterzügen war von Anfang an vorgesehen. Es geht allein darum, auf welche Weise sie hergestellt werden sollten.

b) Die Ausführung der Unterzüge, wie die Statik sie vorsah, wich von der Ausführung ab, von der die Klägerin nach dem Leistungsverzeichnis ausgehen durfte. Die Unterzüge sollten danach überwiegend nicht als freitragende Bauteile errichtet werden. Diese Abweichung ist als Änderung des Bauentwurfs i. S. d. § 2 Abs. 5 VOB/B zu werten.

aa) Bei einer öffentlichen Ausschreibung ist der Vertragsinhalt durch die Auslegung der Leistungsbeschreibung zu bestimmen. Eine Änderung der Preisgrundlage kommt nur in Betracht, wenn sich durch einen späteren Eingriff des Auftraggebers der vereinbarte Leistungsinhalt geändert hat (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 5).

(1) Der Inhalt einer öffentlichen Ausschreibung ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei es auf den objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen, mit der angefragten Leistung vertrauten Bieters ankommt (BGH, Beschluss vom 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Nach den allgemeinen Auslegungsgrundlagen ist bei der Auslegung von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen. Es sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger der Erklärung bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren (BGH, Beschluss vom 13.10.2011, VII ZR 222/10). Die Auslegung hat unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks zu verfolgen (BGH, Urteil vom 30.06.2011, VII ZR 13/10).

(2) Bei der Auslegung ist danach nicht allein auf den Wortlaut der Positionen des Leistungsverzeichnisses und dort allein auf die Bedeutung des Worts „Unterzüge“ abzustellen. Die Auslegung hat jedoch von der Bedeutung dieses Wortlauts auszugehen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen ist unter einem Unterzug ein selbsttragendes Bauteil zu verstehen. Konkrete Anhaltspunkte Zweifel an dieser Feststellungen i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zeigt die Berufung nicht auf.

(3) Die Statik kann nur dann zur Auslegung der Vereinbarung herangezogen werden, wenn sie der Klägerin bei Angebotserstellung bekannt war. Das hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

Die Statik war nicht Teil der Vergabeunterlagen. Sie ist nicht in den von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Unterlagen enthalten. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren einige Zeichnungen, von denen unklar geblieben ist, ob sich aus ihnen ergab, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten.

Das Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) allein ist nicht geeignet, den Beweis zu erbringen, dass die relevanten Teile der Statik übersandt worden sind. In dem Schreiben wird ein Satz statische Unterlagen nach einer Planliste erwähnt, ohne dass deutlich wird, welche Unterlagen das gewesen sind. Es kann sich auch nur um die erwähnten Schalpläne gehandelt haben. Zudem ist aus dem Schreiben allein nicht erkennbar, ob die Unterlagen tatsächlich beilagen.

Im Übrigen wäre die Übergabe zwar vor dem Vertragsschluss, aber nach dem Angebot erfolgt. Grundlage für die Kalkulation konnte die Statik damit nicht mehr werden. Sie wäre für die Auslegung des Leistungsverzeichnisses und damit für das Verständnis des Angebots der Klägerin vom 29.06.2009 unerheblich. Es kommt so auch nicht darauf an, ob sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 05.05.2010 (Anlage B 14, Bl. 504 – 506 d. A.) ergibt, dass ihr die Statik bei Auftragserteilung vorlag.

Auch dann wäre der Preis anzupassen. Es dürfte sogar so sein, dass bei einer Änderungsanordnung vor Vereinbarung einer Leistung nicht § 2 Abs. 5 VOB/B eingreift, sondern der übliche Preis heranzuziehen ist (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3).

(4) Dass in den die Unterzüge betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses (Pos. 3.1.1.480, 3.1.1.490, 3.1.1.500, 3.1.1.510, 3.1.1.520, 3.1.2.180, 3.1.2.190, 3.1.2.200, 3.1.2.210, 4.1.2.150 – 4.1.2.240, 4.1.2.420, 4.1.2.430) jeweils auf die Statik Bezug genommen wurde, bedeutet nicht, dass die Klägerin sie hätte anfordern müssen. Denn sie musste allein aufgrund dieses Hinweises keinen Anlass zu der Annahme haben, dass sich aus der für die Erstellung des Angebots nicht übergebenen Statik angebotsrelevante Umstände ergaben.

(5) Aus dem weiteren Inhalt der die Unterzüge betreffenden Positionen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich überwiegend nicht um selbsttragende Bauteile handeln sollte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen im Termin vom 04.02.2022 (Prot. S. 3, Bl. 1357 d. A.) sprechen weder die Maße noch die Anzahl der Unterzüge gegen die Annahme, dass selbsttragende Bauteile geplant waren.

(6) Aus dem Umstand, dass im Leistungsverzeichnis auch tragende Innenwände vorgesehen waren (Pos. 3.2.1.210, 3.2.1.270, 4.2.1.260, 4.2.1.320, 4.2.1.360), lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten. Es kann nach den Ausführungen der Sachverständigen bautechnisch Sinn ergeben, zum Schutz des Mauerwerks dieses erst nach Abschluss der Betonarbeiten aufzumauern. Auch müssen lange Unterzüge teilweise unterstützt werden, was auch durch tragende Innenwände möglich ist (Prot. v. 04.02.2022, S. 3, 5, Bl. 1357, 1359 d. A.).

Auch der Wortlaut der Zulagepositionen für das spätere Mauern der letzten Schichten unter der Stahlbetondecke bzw. dem Stahlbetonbalken nach dem Ausschalen der Stahlbetondecke (Pos. 3.2.1.240, 3.2.1.290, 4.2.1.290, 4.2.1.340, 4.2.1.380) weist nicht eindeutig auf nicht selbsttragende Bauteile hin.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen wird der Begriff Balken sowohl für selbsttragende als auch für nicht selbsttragende Betonbauteile verwendet (Prot. v. 04.02.2022. S. 5 f., Bl. 1359 f. d. A.).

bb) Auch wenn die Statik von Anfang an die Ausführung der Unterzüge weitgehend als nichttragende Bauteile vorsah, ist in der Ausführung nach der Statik eine andere Ausführung der Leistung zu sehen. Denn der Vertragsinhalt auf der Grundlage der dargestellten Auslegung des Leistungsverzeichnisses sah die Ausführung als tragende Bauteile vor.

Dass die Statik von Anfang an die Ausführung als nichttragende Bauteile vorsah, ist unstreitig. Die Klägerin hat nur bestritten, dass die Statik ihr bei der Erstellung des Angebots vorlag, aber nicht behauptet, dass sie nachfolgend geändert worden wäre. Sie hat nur von der Übergabe einer Nachtragsstatik gesprochen, ohne zu behaupten, dass die Änderung die hier relevante Leistung betraf oder dass sie der Angebotserstellung nachfolgte. Sie ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Statik wegen der Ausführung der Unterzüge nie geändert worden ist, nicht entgegengetreten. Sie ist auch den Feststellungen des Landgerichts nicht entgegengetreten, nach denen es einen Widerspruch zwischen der Statik und dem Text des Leistungsverzeichnisses gab. Zumindest hat die Klägerin keinen Beweis für eine nachträgliche Änderung angeboten.

Auch in der Berufungserwiderung macht die Klägerin nur geltend, dass die Statik erst am 27.08.2009 geprüft und ihr auf einer CD mit dem Datum 30.09.2009 übergeben worden sei. Sie bezieht sich dabei auf Statiken, die am 02.09.2008 bzw. 17.03.2009 aufgestellt worden sind (Anlage BB 3, Bl. 1250 – 1251 d. A.), und damit deutlich vor dem Angebot.

c) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Leistungsanordnung erfolgt ist.

aa) Für eine Leistungsanordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B notwendig ist eine rechtsgeschäftliche, mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung, in der der Bauherr die geänderte Bauweise anordnet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.10.2013, 22 U 21/13). Die Anordnung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Auftraggeber in Kenntnis geänderter Bedingungen die Arbeiten fortsetzen lässt (Ingenstau/ Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 20). Eine Anordnung kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen (KG, Urteil vom 21.04.2016, 27 U 81/15; Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340). Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das Bausoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die verlangte Ausführung sei vom Bausoll gedeckt (Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340).

Notwendig ist jedoch, wie bei jeder Willenserklärung, dass der Auftraggeber die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers nach dem objektiven Empfängerhorizont als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Bauherrn bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.

bb) Es ist danach nicht ausreichend, dass der Klägerin die Statik übergeben worden ist und sie unstreitig danach bauen sollte. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass aufseiten der Beklagten das Leistungsverzeichnis anders verstanden wurde als aufseiten der Klägerin. Es war für die Klägerin erkennbar, dass die Statik hinsichtlich der Ausführungsart der Unterzüge nie geändert worden war. Sie musste erkennen, dass die Streithelfer den Begriff anders verwendet hatten als er gemeinhin zu verstehen ist.

In dieser Situation musste die Klägerin einem Vertreter der Beklagten deutlich machen, dass sie bei ihrer Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen war und durch die vorgesehene Ausführung nunmehr erheblicher Mehraufwand entstehen werde. Nur dann durfte sie in der Übergabe der Statik oder in dem Zulassen der Fortsetzung der Arbeiten eine Änderungsanordnung sehen.

cc) Inwieweit die Streithelfer von diesen Umständen Kenntnis erhalten haben, kann dahinstehen. Denn sie hatten unstreitig keine Vertretungsmacht für die Beklagte. Sie konnten so keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen für diese abgeben.

Etwaige Kenntnisse der Streithelfer waren der Beklagten nicht analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen. Ein Geschäftsherr muss sich entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch die Kenntnis eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 26.05.2020, VI ZR 186/17).

Die Streithelfer waren nicht in eine solche Art und Weise in die Organisation der Beklagten eingebunden.

Sie waren allein damit betraut, das Bauvorhaben zu planen und zu überwachen, damit die Schulgebäude mangelfrei errichtet werden konnten. Dazu gehörte nicht die Kenntnisnahme und Weiterleitung von Informationen, die zu Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bauunternehmerin und der Bauherrin führen konnten.

Die Klägerin durfte zudem nicht davon ausgehen, dass die Streithelfer etwaige Kenntnisse von der Problematik an die Beklagte weiterleiten würden. Denn die Streithelfer hatten das Leistungsverzeichnis verfasst und waren damit für die Wahl des missverständlichen Begriffes „Unterzug“ verantwortlich. Sie hätten sich bei einer Weiterleitung der Informationen an die Beklagte selbst belastet. Sie zeigten sich auch nicht einsichtig, sondern waren mit der Geltendmachung von Mehrkosten nicht einverstanden. In einer solchen Situation muss sich der Unternehmer an den Bauherrn selbst wenden.

Diese Frage ist ebenso zu beurteilen wie bei der Erteilung eines Bedenkenhinweises nach §§ 13 Abs. 3, 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B. Auch mit einem Bedenkenhinweis muss sich der Unternehmer jedenfalls dann direkt an den Bauherrn wenden, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat (BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.10.1997, 2 U 178/97) oder der Architekt sich der Bedenkenanmeldung durch den Unternehmer verschließt (BGH, Urteil vom 19.01.1989, VII ZR 87/88; BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; Senat, Urteil vom 24.05.2019, 1 U 71/18; OLG Düsseldorf, Baurecht 1995, 244, 245; OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, 14 U 26/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, 23 U 185/11; Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 21. Aufl., § 13 Abs. 3 VOB/B, Rn. 78).

Ob der Beklagten ein Planungsverschulden der Streithelfer anzurechnen ist, ist unerheblich, weil die Klägerin nicht Schadensersatz geltend macht, sondern Werklohn.

dd) Auch Herr B1 war nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen für die Beklagte gegenüber der Klägerin bevollmächtigt. Die Klägerin durfte das auch nicht annehmen. In dem von dem Bürgermeister unterschriebenen Auftragsschreiben vom 06.08.2022 (Anlage B 1, AB) wird Herr B1 als Mitarbeiter im Gebäudemanagement bezeichnet. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist mit einer solchen Position regelmäßig nicht verbunden.

Ob Wissen von Herrn B1 der Beklagten analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen wäre, kann offenbleiben.

Denn es steht nicht fest, dass er von den oben bezeichneten Umständen Kenntnis hatte.

ee) Schriftverkehr mit der Beklagten – oder auch nur mit den Streithelfern – aus dem Jahr 2009 legt die Klägerin nicht vor. Als einzige schriftliche Unterlage aus dem fraglichen Zeitraum legt sie das Protokoll der Baubesprechung vom 18.11.2009 (Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) vor, in der Mehrkosten wegen längerer Schalungszeiten angekündigt wurden. Ob das Protokoll einem Vertreter der Beklagten zur Kenntnis gelangt ist, ist unbekannt. Das folgt nicht allein daraus, dass Herr B1 im Verteiler genannt wird.

Nach dem Vortrag der Klägerin sollen Mehrkosten dabei zum ersten Mal zur Sprache gebracht worden sein.

Das wäre erheblich nach dem Beginn der Betonarbeiten gewesen. Auch die Höhe der Mehrkosten wird in dem Protokoll nicht näher dargelegt. Es soll nachfolgend eine erste Kostenzusammenstellung vom 15.12.2009 gegeben haben. Auch eine solche legt die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf ihr Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.), in dem angeführt wird, der Mehrbedarf und die Gründe dafür seien „Ihnen“ vor Ausführung der Arbeiten bekannt gemacht worden. Das Schreiben ist als solches nicht zum Beweis geeignet, weil es unstreitig nach dem Abschluss der Betonarbeiten verfasst worden ist. Ob und auf welche Weise die Vertreter der Beklagten Kenntnis erhalten haben sollen, ergibt sich daraus zudem nicht. Ob die Streithelfer die Darstellung bestritten haben, ist unerheblich. Auf solche vorprozessualen Vorgänge sind die prozessualen Regeln nicht anzuwenden.

ff) Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 04.02.2022 (insoweit nicht protokolliert) soll über die Frage gesprochen worden sein, nachdem die Anforderungen aus der Statik bekannt geworden waren. Es ist aber offengeblieben, mit wem gesprochen worden ist und wie genau die Angaben dabei waren.

gg) Es reicht nicht aus, wenn durch den Mehraufwand nunmehr ein „Stützenwald“ entstand, oder, dass die Dauer der Arbeiten sich verlängerte. Die Vertreter der Beklagten mussten keine Vorstellung davon haben, auf welche Weise oder mit welchem Aufwand die Klägerin die Unterzüge herstellen wollte. Sie konnten so nicht erkennen, ob sich etwas geändert hatte.

hh) Der Senat ist nach der Aussage des Zeugen K2 nicht überzeugt, dass Vertreter der Beklagten die notwendigen Informationen erhalten haben.

Der Zeuge K2 hat bekundet (Prot. v. 18.11.2022, S. 2 ff., Bl. 1540 ff. d. A.), es sei gegenüber dem bauleitenden Architekten Herrn F1 dargelegt worden, dass es zu Mehrkosten komme. Nach seiner Erinnerung sei Herr B1 auch im Thema gewesen. Herr B1 habe an Baubesprechungen teilgenommen und die Protokolle erhalten. Überwiegend sei mündlich gesprochen worden, es habe aber auch jede Menge Schriftverkehr gegeben. Mehrkosten sei widersprochen worden. Eine genaue Situation könne er nicht mehr erinnern. Das Schreiben vom 13.04.2010 habe er verfasst. Herr F1 habe einmal handschriftlich eine Zahl notiert, die zur Lösungsfindung habe dienen sollen. Das habe aber nicht zu einer Einigung geführt.

Die Aussage ist weder für sich noch im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 13.04.2010 glaubhaft. Es fehlen Realkennzeichen für die Aussage, dass Herr K2 oder ein anderer Vertreter der Klägerin mit Herrn B1 über die Mehrkosten und deren Ursachen gesprochen haben. Herr K2 konnte keine konkrete Situation schildern, in der es zu einem solchen Gespräch gekommen sein soll.

Herr K2 schränkte seine Aussage teilweise dahin ein, dass er aufgrund des Schriftverkehrs davon ausgehe, Herr B1 sei informiert gewesen, Herr B1 sei verschiedentlich auf der Baustelle gewesen und habe das Thema wahrgenommen oder man sei zwar bei Baubesprechungen teilweise in verschiedenen Gruppen über die Baustelle gegangen, er gehe aber davon aus, dass das Thema unter anderem Herrn B1 bekannt gewesen sei (Prot. v. 18.11.2022, S. 2, 3, Bl. 1540, 1541 d. A.). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass Herr K2 nur aufgrund der auf der Baustelle geführten Gespräche darauf schließt, dass auch Herr B1 informiert gewesen sei. Im Übrigen ist nicht glaubhaft, dass es eine große Anzahl von Schreiben aus dem Jahr 2009 zu dem Problem gab. Die Klägerin hat solche Schreiben, wie gesagt, nicht vorgelegt.

Die Aussage wird nicht dadurch glaubhaft, dass Herr K2 bekundet hat, er habe das Schreiben vom 13.04.2010 verfasst und die darin aufgeführten Punkte seien seinerzeit angesprochen worden. Das ersetzt nicht die fehlende Erinnerung daran, in welcher Situation mit wem ein solches Gespräch geführt worden sein soll.

Ob der Streithelfer Herr F1 einmal mit dem Ziel einer Einigung eine Zahl notiert hat, ist unerheblich. Ihm fehlte jedenfalls die Vertretungsmacht für die Beklagte. Im Übrigen fehlt zu einem solchen Vorgang Vortrag der Klägerin.

d) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht nach den Regelungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Sie hat nicht dargelegt, jedenfalls nicht bewiesen, dass ein Vertreter der Beklagten die geänderte Leistung anerkannt hat oder die geänderte Leistung einem Vertrete der Beklagten unverzüglich angezeigt worden ist.

Das würde wiederum ein Bewusstsein einer geänderten Leistung bei einem Vertreter der Beklagten voraussetzen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

e) Abgesehen von dem fehlenden Anspruchsgrund hat die Klägerin auch die Höhe des Anspruchs nicht plausibel dargelegt.

aa) Ein erheblicher Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass die Klägerin die Schalungen für die Unterzüge nicht mehrmals verwenden konnte, weil die nicht selbsttragenden Unterzüge abgestützt werden mussten. Die Klägerin durfte bei ihrer Kalkulation allerdings nicht von einer mehrfachen Verwendung der Schalung ausgehen.

In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen ist geregelt, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handelt, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht wird und die Ausschalung von Wänden und Decken z. T. mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden kann und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen ist (S. 2, Anlage B1, AB). Die Klägerin musste danach damit rechnen, dass die Schalung länger vorgehalten werden musste, nämlich bis der Statiker das Ausschalen genehmigte.

Es handelt sich dabei nicht vornehmlich um eine technische Frage, sondern um die Auslegung der Vertragsbedingungen. Es ist deswegen nicht erheblich, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 ausgeführt hat, bei normalen Abbindezeiten habe die Schalung öfter verwendet werden können. Ein früheres Ausschalen sei mit Zustimmung des Statikers möglich. Nach der Abbindezeit sei die Zustimmung nicht notwendig (Prot. S. 6 f, Bl. 1543 f. d. A.). Die Sachverständige hat damit nur ein übliches Vorgehen auf einer Baustelle geschildert. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen wurde aber gerade klargestellt, dass mit Zeitverzögerungen zu rechnen war. Die Klägerin hätte deswegen nicht ohne Nachfrage den üblichen Bauablauf ihrer Kalkulation zugrunde legen dürfen. Das gilt auch dann, wenn der Begriff des Raumtragewerks im Betonbau nicht üblich ist (Prot. v. 18.11.2022, S. 7, Bl. 1545 d. A.). Ein solcher erkennbarer Widerspruch hätte erst recht zu der Nachfrage führen müssen, was gemeint war.

Nach der Aussage des Zeugen K2 gibt es sogar einen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Klägerin geltend gemachte Problematik ihre Ursache darin hatte, dass sie den Hinweis in den besonderen technischen Vertragsbedingungen nicht beachtet hat. Er hat bekundet, es habe sich herausgestellt, dass die Tragfähigkeit nur durch das Gesamtwerk, nämlich die Unterzüge und das Dach, habe hergestellt werden können (Prot. v. 18.11.2022, S. 4, Bl. 1542 d. A.). Das deutet auf den in den Vertragsbedingungen beschriebenen Umstand, hin, dass die Tragkraft erst nach Fertigstellung und Abbindezeit des gesamten Raumtragewerks erreicht wird.

bb) Ein Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass das Aufmauern der tragenden Wände zwischen der Abfangung der Unterzüge erschwert gewesen sei und sich unter anderem dadurch eine Bauzeitverzögerung ergeben habe. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen, wenn vor der Herstellung der Unterzüge die Wände gemauert worden wären. Nach den Ausführungen der Sachverständigen hätte das Vorgehen in anderer Reihenfolge auch bei der Annahme, dass die Klägerin zunächst von freitragenden Bauteilen ausgehen durfte, nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro netto geführt (EGA v. 11.02.2020, S. 14).

Die von der Klägerin gewählte Reihenfolge war nicht im Leistungsverzeichnis vorgeschrieben. Aus ihm ergibt sich keine bestimmte Reihenfolge der Arbeiten. Eher ergibt sich, dass die Wände größtenteils vor der Erstellung der Decken hergestellt werden sollten. Auf die gegenteiligen Ausführungen der Sachverständigen (Prot. v. 12.02.2021, S. 3 f., Bl. 1021 f. d. A.) kommt es nicht an, weil es sich nicht um technische Fragen handelt. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist eine Rechtsfrage. Es kommt für die Auslegung auch nicht darauf an, ob die Rechtsanwälte der Beklagten im Nachhinein geäußert haben, die Vorgehensweise der Klägerin sei richtig gewesen.

Für die Positionen, die die Herstellung der tragenden Innenwände vorsahen, war jeweils eine Zulage für das spätere Mauern der letzten Schichten vorgesehen (Pos. 3.2.1.210 und 3.2.1.240, 3.2.1.270 und 3.2.1.290, 4.2.1.260 und 4.2.1.290, 4.2.1.320 und 4.2.1.340, 4.2.1.360 und 4.2.1.380 des LV). Bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergab sich daraus, dass die tragende Innenwand bereits mit Ausnahme der letzten Schichten hergestellt sein sollte, bevor die Stahlbetondecke hergestellt wurde, denn sonst hätte es nicht der Beschreibung „später“ bedurft, die eine Unterbrechung der Arbeiten nahelegt.

Hätten erst die Decken und danach die Wände hergestellt werden sollen, hätte es keines Zusatzes, der auf eine Unterbrechung der Arbeiten hinweist, bedurft.

Dass das Aufmauern der Wände vor den Betonarbeiten geplant war, ergibt sich aus den Bauzeitplänen. So sah etwa der Plan der Beklagten (Anlage B 13, Bl. 490 d. A.) das Aufmauern von Wänden im Untergeschoss für die 37./38. Kalenderwoche, das Herstellen der Stahlbetondecke jedoch erst für die 38./39. Kalenderwoche vor. Im Erdgeschoss sollte das Aufmauern der Wände in der 40./41. Kalenderwoche erfolgen, das Herstellen der Decken in der 42. Kalenderwoche. Ähnliches ergibt sich aus dem von der Klägerin erstellten Bauzeitplan vom 21.09.2009 (Bl. 1039 ff. d. A.). Danach hätte etwa das Aufmauern der Wände im Untergeschoss bis zur 39. Kalenderwoche dauern sollen, das Herstellen der Decke hätte in der 38./39. Kalenderwoche geschehen sollen. Der Ablauf der Herstellung von Mauerwerk und Decke im Erdgeschoss hätte nicht verändert werden sollen. Außerdem war zu einem späteren Zeitpunkt die Herstellung restlichen Ziegelmauerwerks vorgesehen, wobei es sich um das Aufmauern der letzten Schichten handeln dürfte.

Dieser Auslegung des Leistungsverzeichnisses und der Bauzeitpläne hat die Klägerin in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 ausdrücklich zugestimmt. Soweit sie geltend gemacht hat, die von ihr – danach frei gewählte – Vorgehensweise sei der Beklagten bekannt gewesen, ist das unerheblich.

Abgesehen davon, dass unklar geblieben ist, ob für die Beklagte Vertretungsberechtigte Kenntnis hatten, kann aus dem bloßen Umstand, dass dem Bauherrn eine vom Unternehmer frei gewählte Reihenfolge der Arbeiten bekannt ist, kein Mehrkostenanspruch erwachsen.

Die Klägerin hat auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 nicht dargelegt, welche Mehrkosten entstanden wären, wenn sie zunächst die Wände gemauert hätte, oder, aus welchem Grund eine solche Reihenfolge nicht möglich gewesen sein soll, als ihr die Anforderungen aus der Statik bekannt wurden. Dabei ist von Bedeutung, dass bereits im Untergeschoss der Sporthalle (Titel 3.1.1) Unterzüge vorgesehen waren und aus den Anforderungen der Statik an sie Rückschlüsse für die Ausführung der Unterzüge jedenfalls im Obergeschoss der Sporthalle hätten gezogen werden müssen.

Die Klägerin hat nur geltend gemacht, dass sich die Mehrkosten auf das Mauern der letzten Schichten bezögen. Eine solche Einschränkung geht weder aus dem Nachtrag 6 noch aus ihrem Vortrag in diesem Rechtsstreit hervor. Im Gegenteil geht die Vorbemerkung des Nachtrags (Ziff. 3 der Beschreibung des Mehraufwands, S. 2) offensichtlich von der Herstellung des gesamten unter den Unterzügen angeordneten Mauerwerks aus. Außerdem ist unstreitig, dass die Klägerin die gesamten Wände erst nach der Herstellung der Unterzüge aufgemauert hat. Sie selbst spricht von einem „Stützenwald„, der auf der Baustelle entstanden sei.

2. Mehrkosten nach dem Nachtrag 7 für eine Beschleunigung des Bauablaufes stehen der Klägerin nicht zu.

Tatsächlich ist eine relevante Beschleunigung des Bauablaufes nicht erfolgt. Zumindest fehlt es an einer der Beklagten zurechenbaren Beschleunigungsanordnung.

a) Die Klägerin macht mit dem Nachtrag 7 Mehrkosten dafür geltend, dass die Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 fertigzustellen waren. Das war zwischen den Parteien indes bereits im Vertrag vom 06./20.08.2009 vereinbart worden.

aa) Das dem Vertrag zugrunde liegende Leistungsverzeichnis enthielt in der Vorbemerkung bereits einen groben Bauzeitplan, nach dem die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 beendet sein sollten (S. 4 der Vorbemerkungen, Anlage B 1, AB). Aus dem für die Ausbaugewerke vorgesehenen Leistungsbeginn ist zu erkennen, dass das Bauwerk zu diesem Zeitpunkt bereit für den Einbau der Fenster und ab da geschlossen für den Beginn des Innenausbaus sein musste. Nach den Ausführungen der Sachverständigen (1. EGA v. 11.02.2020, S. 22) ist daraus jedenfalls zu schließen, dass die Betonarbeiten abgeschlossen sein mussten. Die Herstellung der Sohle, der Außenwände sowie der Decken war notwendig, um einen geschlossenen Bau zu erreichen.

bb) Die Überschrift des Nachtrags ist nicht missverständlich. Er enthält das, was mit der Überschrift angekündigt wird, nämlich Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis Dezember 2009, die indes bereits ursprünglich vertraglich geschuldet war. Die beiden Positionen weisen Schalarbeiten und die Zuteilung eines zweiten Poliers jeweils bis zum 18.12.2009 aus. Es ging somit nicht um die Fertigstellung der Betonarbeiten innerhalb eines verkürzten, vor Dezember 2009 endenden Zeitraums. Das entspricht auch dem durchgehenden Vortrag der Klägerin.

Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Ausführungen der Sachverständigen in dem Ergänzungsgutachten vom 11.02.2020 (S. 21 – 23) stützen. Zwar heißt es dort, nach einem geänderten Bauzeitenplan hätten die Betonarbeiten bis Oktober 2009 statt bis Weihnachten fertiggestellt sein sollen.

Der Senat verkennt auch nicht, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 erklärt hat, aufgrund einer Verkürzung des Zeitraums für die Betonarbeiten auf den 04.11.2009 habe schneller gearbeitet werden müssen (Prot. S. 6, Bl. 1544 d. A.). Das entspricht nicht dem Vortrag der Klägerin. Sie hat in dem Nachtrag keine Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis zum 04.11.2009 kalkuliert.

cc) Eine Verkürzung des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Leistungszeitraums scheidet auch wegen des in dem in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis enthaltenen Bauzeitplan vorgesehenen Beginns der Zimmerer- und Dacharbeiten im November 2009 aus. Die Klägerin musste erkennen, dass die Wände und Decken bis dahin fertiggestellt sein mussten.

Die Klägerin hatte nach dem Leistungsverzeichnis (Pos. 1.2.1) ein Gerüst für die Folgegewerke nach Erstellung der Rohbauarbeiten zu erstellen. Das Gerüst war unter anderem für Arbeiten am Dach notwendig. Die Aufstellung des Gerüsts setzte voraus, dass der Rohbau bereits stehen musste, jedenfalls die Wände, an denen das Gerüst aufzustellen war.

Der Beginn der Arbeiten an dem Dachstuhl und dem Dach setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Rohbau soweit steht, dass das Dach darauf errichtet werden kann. Auch das setzt die Fertigstellung der Wände und der Decken voraus.

b) Im Übrigen fehlte selbst im Falle einer relevanten Baubeschleunigung für einen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B eine rechtsgeschäftliche Anordnung eines Vertreters der Beklagten. Die von der Klägerin herangezogenen Bauzeitpläne sind ihr von den Streithelfern übergeben worden. Diese waren nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt.

3. Das Urteil des Landgerichts ist in Höhe von 71.613,64 Euro rechtskräftig geworden. Insoweit hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen. In Höhe von insgesamt 354.997,98 Euro war die Klage abzuweisen. In Höhe der Differenz von 409,84 Euro zu dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 427.021,46 Euro war die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der von der Beklagten angegebene Zahlbetrag von 123.724,23 Euro beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den von der Beklagten angegriffenen Betrag von 355.407,82 Euro von der ursprünglichen Klagesumme von 479.132,05 Euro abzieht. Tatsächlich ist von der Höhe der Verurteilung auszugehen. Der Antrag der Beklagten ist dahin auszulegen, dass sie in erster Linie die Klagabweisung in Höhe von 355.407,82 Euro anstrebt, nicht die Verurteilung zur Zahlung von 123.724,23 Euro.

Im Übrigen käme eine Verurteilung in dieser Höhe nicht in Betracht, weil die Klägerin die teilweise Klageabweisung durch das Landgericht nicht angegriffen hat.

Die Klage ist in Höhe von 301.780,25 Euro brutto (253.596,85 Euro netto) abzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 6 zusteht. Diesen Betrag hat das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt. Das Landgericht hat sich für die Höhe des Betrages auf das Gutachten der Sachverständigen gestützt (Urt. S. 42, 44), die diesen Betrag ermittelt hatte (GA v. 07.03.2017, S. 97). Bei dem vom Landgericht auch genannten Betrag von 253.941,25 Euro netto (Urt. S. 43) handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.

Die Beklagte ist bei der Berechnung des angegriffenen Betrages von dem letzteren Betrag ausgegangen.

Der Angriff ist daher um 409,84 Euro brutto (344,40 Euro netto) zu hoch. In dieser Höhe ist ihre Berufung unbegründet. Sie war entsprechend zur Zahlung weiteren Werklohns nebst Zinsen zu verurteilen. Wegen der Verurteilung zur Zinszahlung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das von der Beklagten insoweit nicht angegriffen worden ist.

Die Klage ist in Höhe weiterer 53.217,73 Euro brutto (44.720,78 Euro netto) zurückzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 7 zusteht. Das Landgericht hat diesen Betrag seiner Verurteilung zugrunde gelegt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO („kann“) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).

BGH, Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22
vorhergehend:
OLG Koblenz, 29.12.2021 – 5 U 1484/21
LG Koblenz, 29.07.2021 – 1 O 363/18

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten vom 5. Juli 2020 im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 mündlich erläutert. Die Klägerin hat den Sachverständigen im Termin als befangen abgelehnt und dies anschließend in einem Schriftsatz begründet. Mit Schreiben vom 18. April 2021 hat der Sachverständige dazu Stellung genommen. Daraufhin hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch mit einem neuen Schriftsatz auch darauf gestützt, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 in unangemessener Weise Kritik am Befangenheitsantrag sowie an ihrem Prozessbevollmächtigten und dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung geübt habe. Das Landgericht hat das Gesuch der Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Es hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die zunächst geltend gemachten Gründe rechtzeitig angebracht worden seien, da es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Jedoch habe der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 die Grenzen der gebotenen Neutralität und Sachlichkeit überschritten, indem er das Prozessverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des Klägervertreters analysiert und negativ bewertet habe.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4

Das Berufungsgericht hat – soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant – ausgeführt, dass die Klägerin einen Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung nicht nachgewiesen habe. Das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 und das Ergebnis der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vom 4. Februar 2021 seien weiterhin verwertbar. Das Landgericht sei nicht verpflichtet gewesen, ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, bestehe auch aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aus dem Prozessverlauf ersichtlich.

5

Ein neues Sachverständigengutachten müsse nicht deshalb eingeholt werden, weil der Sachverständige die Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen verweigert habe oder dessen angeblich widersprüchliche Aussagen hätten aufgeklärt werden müssen. Der Sachverständige müsse auch nicht erneut zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden. Ein Behandlungsfehler sei nicht nachgewiesen.

II.

6

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet (§ 412 Abs. 2 ZPO) und seine Entscheidung auf die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen gestützt hat.

7

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO („kann“) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden (vgl. Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8, § 412 Rn. 29; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 412 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 406 Rn. 18, § 412 Rn. 2; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 66; BeckOK ZPO/Scheuch, 50. Ed. 1.9.2023, § 406 Rn. 39; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16, § 412 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15, § 412 Rn. 3; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 412 Rn. 2).

8

2. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel liegen nicht vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat nicht annehmen dürfen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin unzulässig sei.

10

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke sei aus dem Prozessverlauf ersichtlich. In ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten habe sich die Klägerin noch einige seiner Aussagen zu eigen gemacht und lediglich die fehlerhafte Zugrundelegung eines falschen Sachverhalts gerügt. Als der Sachverständige jedoch bei seinen der Klägerin ungünstigen Feststellungen geblieben sei, sei der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit angebracht worden. Danach sei offensichtlich, dass die Klägerin die ihr unliebsame Folge der Beweisaufnahme dadurch zu umgehen versucht habe, durch die Ablehnung des Sachverständigen die Einholung eines neuen Gutachtens zu erreichen. Diese unzulässige, weil rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik bzw. dieses Ziel ergebe sich schließlich auch aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin mitgeteilt habe, sie hätte ein eigenes Gutachten eingeholt, wenn das Landgericht – statt direkt die Klage abzuweisen – darauf hingewiesen hätte, dass es das Sachverständigengutachten verwerten wolle.

11

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspricht der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Diese Entscheidung unterliegt gemäß § 512, § 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, das an sie gebunden ist.

12

cc) Im Übrigen trägt der Verfahrensablauf nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Prozessverhalten der Klägerin stellt entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik dar, um eine unliebsame Folge der Beweisaufnahme zu umgehen, sondern die Wahrnehmung eines prozessualen Rechts. Denn es steht einer Partei frei, vom Ablehnungsrecht (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) in den durch § 406 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO bestimmten zeitlichen Grenzen Gebrauch zu machen.

13

b) Zwar steht die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 12; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15). Die Entscheidung über die Frage der weiteren Verwertbarkeit ist nicht mehr Teil des Ablehnungsverfahrens. Ein Ablehnungsgesuch ist ein einheitlich zu behandelnder Antrag, der entweder insgesamt zurückzuweisen ist oder zur Feststellung der Befangenheit des Abgelehnten führt. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung insbesondere im Hinblick auf die bisherige Mitwirkung des abgelehnten Sachverständigen hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 11).

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aa) Allerdings hat das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat.

15

bb) Zudem hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es bestehe kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei.

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(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst weder in der Vorbereitung oder in der Begutachtung an sich noch in der schriftlichen Ausarbeitung des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 einen Ablehnungsgrund gesehen. Ein Ablehnungsgesuch sei erst nach der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 angebracht worden. Zwar habe ein anderer Senat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt. Allerdings habe dieser eindeutig zwischen dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung und seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 2021 zum Befangenheitsantrag differenziert und ausgesprochen, dass ein Befangenheitsgrund erst mit seiner Stellungnahme gegeben sei. Er habe herausgearbeitet, dass es zum Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Daraus ergebe sich, dass Fehlverhaltensweisen des Sachverständigen bei der Vorbereitung der Begutachtung oder der Begutachtung selbst, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, hier nicht vorlägen. Es sei folglich nicht rechtsfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung verwertet habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten vor dem 18. April 2021 gelegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre eine Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr hinnehmbar gewesen, weil er sich dem Prozessbevollmächtigten gegenüber unsachlich geäußert habe. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, worauf allein der Befangenheitsgrund im weiteren Schriftsatz der Klägerin gestützt sei, bestehe auch aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei.

17

(2) Aus diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich zunächst nur, was die Klägerin im Sinne von § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO als Grund, der geeignet gewesen ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (Befangenheitsgrund), geltend gemacht hat und was als Befangenheitsgrund angenommen worden ist. Soweit das Berufungsgericht anschließend meint, es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei, beschränkt es sich auf den Hinweis, dass der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren. Das Berufungsgericht verhält sich jedoch nicht näher dazu, ob die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat. Die zur Befangenheit des Sachverständigen führende Kritik am klägerischen Prozessbevollmächtigten betraf insoweit hier gerade auch dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung, anlässlich derer sich der Sachverständige gutachterlich geäußert hatte. Deshalb ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis bestand, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen könne schon bei seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung beeinträchtigt gewesen sein.

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c) Schließlich kann offenbleiben, ob – wie die Revisionserwiderung meint – trotz erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen die Verwertbarkeit seines Gutachtens auch dann in Betracht kommt, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat. Denn auch dann käme die Verwertung des Gutachtens jedenfalls nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

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3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das Schweigen des Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot des Auftragnehmers gilt – auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – nicht als Annahme des Nachtragsangebots.
2. Die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B bemisst sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge, wenn sich die Parteien nicht über die Nachtragshöhe einigen können.
3. Der Auftragnehmer muss substanziiert zu den tatsächlich angefallenen Mehrkosten vortragen. Das gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer mit seinem einen Nachunternehmer einen Pauschalpreisvertrag geschlossen hat, der auch andere Arbeiten umfasst.
OLG München, Beschluss vom 03.02.2023 – 28 U 5927/22 Bau
vorhergehend:
OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 28 U 5927/22 Bau
LG München II, 31.08.2022 – 3 O 860/20 Bau
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 44/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 29.084,11 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v.1.141,90 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (die Klägerin hatte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zu einer Zahlung i.H.v. 165.931,97 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.039,50 Euro beantragt).

Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt I. Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Verurteilung der Beklagten, soweit ihrer Klage nicht in erster Instanz stattgegeben wurde, weiter. Wegen der Berufungsrügen der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt II. Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere 136.847,97 EUR nebst Zinsen aus 132.507,21 EUR i.H.v. 8%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 20.10.2019, sowie Zinsen aus 4.340,65 Euro i.H.v. 8%-Punkten über den Basiszinssatz ab 18.07.2018 zu zahlen.

2. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgericht München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.897,60 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der Stellungnahme der Beklagten zur Berufung der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt III. Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 19.12.2022 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hierzu ging fristgemäß eine Gegenerklärung der Klägerin vom 16.01.2023 ein.

Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022, Aktenzeichen 3 O 860/20 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.12.2022 Bezug genommen.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 16.01.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

1. Vergütung für die Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 (94.714,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in ihrer Gegenerklärung haben die Berufungsrügen der Klägerin, mit denen diese sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr keine Vergütung für Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 zugesprochen hat, keine Aussicht auf Erfolg.

a) Nachdem die Parteien im vorliegenden Fall keinen BGB-Vertrag, sondern einen VOB-Vertrag geschlossen haben, gehen die Ausführungen in der Gegenerklärung, wonach sich die Höhe der Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB an der taxmäßigen Vergütung und in Ermangelung einer solchen an der üblichen Vergütung bemesse, ins Leere.

Die Parteien haben sich durch die Vereinbarung der VOB vertraglich auf die Geltung der Preisanpassungsregelungen der VOB im Falle geänderter und zusätzlicher Leistungen geeinigt.

Ein Rückgriff auf § 632 Abs. 2 BGB scheidet deshalb aus.

b) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin einen Vergütungsanspruch für die Arbeiten aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 gem. § 2 Abs. 6 VOB/B nicht schlüssig dargelegt hat.

aa) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch auf zusätzliche Vergütung darlegungs- und beweispflichtig.

bb) Der Ausgangspunkt, § 2 Abs. 6 VOB/B, lautet:

1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.

2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren.

cc) Dem klägerischen Sachvortrag ist bereits keine schlüssige Darstellung zu entnehmen, inwiefern es sich bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags überhaupt um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen – in Abgrenzung zu Arbeiten, welche der Beseitigung eigener Mängel dienten – handelte.

Der diesbezügliche Sachvortrag ist in sich widersprüchlich. Die Klägerin hatte Arbeiten in den 256 Hotelzimmern mit 15. Nachtrag vom 26.07.2018 (Anlage K 09) angeboten. Auf Seite 1 des Nachtrags ist davon die Rede, dass sämtliche von der Klägerin verursachten Mangelpunkte beseitigt werden und sämtliche zusätzlichen Punkte, die nicht unter einen Mangelpunkt fallen, nochmals nachgearbeitet werden.

Unstreitig haben sich die Parteien über die Höhe der Vergütung für die Leistungen der Klägerin in den 256 Hotelzimmern nicht geeinigt. Die Beklagte hat den von der Klägerin erstellten Nachtrag gerade nicht unterzeichnet. Ebenso unstreitig hat die Beklagte die Arbeiten der Klägerin aber ausführen lassen.

In der Schlussrechnung vom 20.12.18 (Anlage K 18) rechnet die Klägerin gegenüber der Beklagten „Besondere Zusatzleistungen für Hotel- und Boardinghaus“ ab und zwar lt. Pos. NA 15.01 betreffend „Fremdmängel- und Zusatzleistungen“ bzw. „Ausbesserungsarbeiten“ in 284 Zimmern mit einem Pauschalpreis pro Zimmer.

Hinsichtlich sämtlicher 284 Zimmer, für deren Bearbeitung die Klägerin Vergütung beansprucht, fehlt es somit an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin, dem sich entnehmen ließe, dass bzw. inwieweit es sich bei den nun abgerechneten Arbeiten um im Vertrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistungen i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B und nicht um die Beseitigung eigener Mängel handelte.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (dort Seite 3, 4) trug die Klägerin vor, dass es bei dem 15. Nachtrag um „Verschönerungsarbeiten und Mangelbeseitigungen“ gegangen sei und „dass sowohl die Beseitigung von Mängeln als auch zusätzliche Leistungen zusammen abgearbeitet werden und man dafür eine günstigere Pauschale vereinbart“ Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.03.2022 ging es bei den mit dem 15. Nachtrag angebotenen Leistungen „nur um weitere Verschönerungarbeiten„, wobei „aber eine Stunde für weitere Mängelbeseitigung auf unsere Kappe geht„.

Demgegenüber wurde mit Schriftsatz vom 25.04.2022 behauptet, dass es nicht um Mängel des Werks der Klägerin gegangen sei, sondern Leistungen aufgrund eines höheren, vom Bauherr geforderten Standards.

Ebenso argumentierte die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 01.08.2022 (dort Seite 2).

Die Beklagte hatte daher auch mehrfach eingewandt, dass es sich bei den Leistungen des 15. Nachtrags teilweise um die Beseitigung der eigenen Mängel der Klägerin gehandelt habe und bestritten, dass der 15. Nachtrag nur Arbeiten umfasst habe, die auf das hohe Qualitätsniveau des Bauherrn zurückzuführen seien, so mit Schriftsatz vom 03.03.2022 (dort Seite 3), Schriftsatz vom 25.05.2022 (dort Seite 2) und im Schriftsatz vom 09.08.2022 unter Verweis auf die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 2).

Schon das Landgericht hatte die Klägerin mit Verfügung vom 03.02.2022 (dort Seite 2 oben) darauf hingewiesen, dass diese die Beweislast für ihre Behauptung trage, dass zusätzlich zur Pauschale Leistungen beauftragt und ausgeführt worden seien. Die Klägerin hat ihren Sachvortrag dennoch nicht derart ergänzt, dass ihm zu entnehmen wäre, inwiefern es bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags um zusätzlich beauftragte Arbeiten und nicht um die Beseitigung eigener Mängel ging.

Soweit die Klägerin in ihrer Schlussrechnung und mit ihrer Klage Vergütung für Arbeiten an mehr als 256 Zimmern geltend macht, dies betrifft 28 Zimmer, hat sie darüber hinaus nicht vorgetragen, welche gegenüber ihrem Nachtragsangebot zusätzlichen Zimmer sie bearbeitet haben will. Der durch die Klägerin vorgelegten Stundenaufstellung nach Bautagesberichten (Anlage 60) bzw. den Bautagesberichten (Anlage K 61) ist dies ebenso wenig zu entnehmen.

dd) Die Beklagte hat das Nachtragsangebot Nr. 15, was die Vergütungsabrede angeht, auch nicht nach dem Grundsatz des § 362 Abs. 1 BGB angenommen.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt IV. 1. a) ausführlich dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass § 362 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Soweit sich die Klägerin in ihrer Gegenerklärung auf ein Urteil des OLG München vom 07.02.2017, Az. 9 U 2987/16 bezieht, welches einen Projektsteuerungsvertrag mit werkvertraglichem Schwerpunkt als Geschäftsbesorgungsvertrag gewertet habe, kann die dortige Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In dem vom 9. Senat des OLG München entschiedenen Fall ging es um einen Projektsteuerungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter. Diesen Vertrag stufte der 9. Senat nicht als Werkvertrag ein. Demgegenüber geht es bei dem zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits geschlossenen Vertrag über die Ausführung verschiedener Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks und auch bei den Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 ihrem Schwerpunkt nach unzweifelhaft um den Austausch Werkleistung gegen Werklohn.

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit dem vom OLG Brandenburg mit Urteil vom 04.10.2012, Az. 12 U 39/12 entschiedenen Fall eines Winterdienstvertrages vergleichbar, der im Hinblick auf die Übernahme der ansonsten dem Eigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflicht als Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter qualifiziert wurde. An einer derartigen Übernahme von Pflichten des Auftraggebers fehlt es bei der Ausführung von Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks ersichtlich. Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 mitgeteilten Ansicht fest, dass insbesondere aus der Auftraggeberhaftung für Nachunternehmer in Bezug auf den Mindestlohn nicht folgt, dass der Nachunternehmer, der seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn bezahlt, hiermit ein Geschäft des Hauptunternehmers besorgen würde.

Es kann dahingestellt bleiben, ob jeder Werkvertrag auch eine Geschäftsbesorgung beinhaltet. Selbst wenn das so wäre, würde dies einen Vertrag über die Ausführung von Werkleistungen aus dem Bereich des Malerhandwerks seinem eindeutigen Schwerpunkt nach nicht zu einem Geschäftsbesorgungsvertrag machen.

ee) Nachdem die Klägerin bereits das Vorliegen von Zusatzarbeiten i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B nicht substantiiert vorgetragen hat, erfolgen die Ausführungen zur Höhe der Vergütung gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B lediglich hilfsweise.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass und warum das Landgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B zu Recht verneint hat.

Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ergangene Urteil des BGH vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18, in welchem der BGH eine Abkehr vom Prinzip der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung vorgenommen hat und für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen i.S. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt hat, auf § 2 Abs. 6 VOB/B übertragbar ist.

Denn die im Falle von zusätzlichen Leistungen vorzunehmende Preisanpassung steht in jedem Fall unter der Prämisse der Wahrung des Äquivalenzprinzips. Es soll vermieden werden, dass keine Vertragspartei durch die zusätzlichen Arbeiten einen nicht gerechtfertigten Vorteil erhält oder einen nicht gerechtfertigten Nachteil erleidet. Genau dies wäre aber der Fall, wenn der Unternehmer, unabhängig davon, ob ihm für die Ausführung der zusätzlichen Arbeiten überhaupt Kosten entstehen, dennoch hierfür einen Vergütungsanspruch realisieren könnte. Für den hier vorliegenden Fall, dass der Unternehmer die zusätzlichen Leistungen durch einen Nachunternehmer ausführen lässt, ist sein Vergütungsanspruch der Höhe nach daher maximal durch die an seinen Nachunternehmer gezahlte Vergütung, evtl. zzgl. Wagnis und Gewinn, begrenzt.

Soweit die Klägerin meint, dass die Kosten der zusätzlichen Leistung für die Preisfindung nicht relevant wären, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B, dass dies nicht zutrifft. Im Übrigen sind auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen, ebenso im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B und für ab dem 01.01.2018 abgeschlossene Bauverträge auch im Rahmen des § 650 c Abs. 1 BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Auch der BGH hat in seinem vorgenannten zu § 2 Abs. 3 VOB/B ergangenen Urteil „auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten“ (Tz. 30), die im dortigen Fall, anders als im vorliegenden Fall, unstreitig waren, zurückgegriffen und dies u.a. damit begründet, „dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen“ (Tz. 32).

Das in der Gegenerklärung angeführte Urteil des BGH vom 14.03.2013, Az. VII ZR 142712 ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zum einen erging das Urteil zu § 2 Abs. 5 VOB/B, zum anderen verhält sich das Urteil nicht zu der im vorliegenden Fall vorliegenden Fallkonstellation, dass der Unternehmer die zusätzlichen Arbeiten durch einen Nachunternehmer ausführen lässt.

Nachdem die Klägerin trotz eines Hinweises des Landgerichts nicht zu den ihr für die Ausführung des 15. Nachtrags durch den Nachunternehmer entstandenen Kosten vorgetragen hat, stellt sich die insoweit erfolgte Klageabweisung durch das Landgericht als zutreffend dar.

Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der klägerische Sachvortrag zu den für die Ausführung des 15. Nachtrags entstandenen Kosten bereits in sich widersprüchlich ist. Einerseits behauptet die Klägerin im Schriftsatz vom 05.07.2022 (dort Seite 3), dass ihr nachweisbar Kosten in Höhe von 97.332,48 Euro entstanden seien, von denen sie lediglich 94.714,00 Euro geltend mache.

Andererseits behauptet sie im Schriftsatz vom 01.08.2022, dass es ihr aufgrund des mit ihrer Nachunternehmerin geschlossenen Vertrages und des Abrechnungsverhaltens ihrer Nachunternehmerin eine detaillierte Zuordnung der Arbeiten zu den Leistungspositionen des 15. Nachtrags nicht möglich sei. Trotz des durch das Landgericht erteilten Hinweises vom 22.06.2022 hat die Klägerin weder zu den ihr tatsächlich entstandenen Kosten vorgetragen noch eine Rechnung ihrer Nachunternehmerin bzw. einen Zahlungsbeleg vorgelegt.

ff) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B.

Nach dieser Vorschrift steht dem Auftragnehmer, der eine Leistung ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abwendung vom Auftrag ausgeführt hat, dann eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an derartigen eigenmächtigen Leistungen, da die Arbeiten des 15. Nachtrags mit Wissen und Billigung der Beklagten ausgeführt wurden und sich die Parteien lediglich nicht über die Vergütung geeinigt hatten.

gg) Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten Auffassung fest, wonach sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht aus Bereicherungsrecht ergibt.

Rechtsgrund für eine etwaige Vergütung, hätte die Klägerin substantiiert das Vorliegen von Zusatzarbeiten und ihr durch den Einsatz des Nachunternehmers vorgetragene Kosten vorgetragen, wäre der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Es liegt somit nicht der Fall vor, dass die Arbeiten des 15. Nachtrags ohne Rechtsgrund erfolgt wären. Indem die Klägerin der Beklagten die Ausführung der Arbeiten angeboten hat und die Beklagte damit einverstanden war, dass die Klägerin die Arbeiten ausführt und die Arbeiten entgegengenommen hat, haben die Parteien einen Rechtsgrund für die Arbeiten der Klägerin geschaffen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung für den Nachtrag geeinigt haben.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1481 meint, dass die Beklagte das Nachtragsangebot der Klägerin konkludent angenommen habe, weshalb auch die Preise des Nachtragsangebots gelten würden, überzeugt auch dies nicht. Dem steht im vorliegenden Fall schon entgegen, dass die Parteien, nachdem die Beklagte sich mit der von der Klägerin im 15. Nachtrag geforderten Vergütung nicht einverstanden erklärt hatte, Verhandlungen über die Vergütung geführt hatten, welche jedoch zu keiner Einigung führten. Der Senat verweist hierfür auf das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2018 (Anlage K 27) sowie die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 4).

Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung einen möglichen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in den Raum stellt, verfängt dies ebenso wenig. Die Leistungen der Klägerin auf den 15. Nachtrag erfolgten gerade nicht auftragslos, sondern auf der Grundlage dessen, dass sich die Parteien darüber geeinigt hatten, dass die Klägerin die Arbeiten des 15. Nachtrags ausführt. Der Umstand, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung geeinigt haben, qualifiziert die Ausführung der Arbeiten der Klägerin nicht als auftragslos.

Der Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1482, 1483 ist nicht zu entnehmen, dass der Auftragnehmer, wenn trotz Ankündigung der Mehrkosten eine Preisvereinbarung nicht zustande kommt, bereicherungrechtliche Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen könnte. In Anbetracht der speziellen Vorschriften der VOB/B für die Geltendmachung von Mehr- oder Minderleistungen ist, anders als beim BGB-Vertrag ein Rückgriff auf bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht möglich. (siehe hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1393).

2. Vergütung für die Überarbeitung der Flure („Beschädigung Flure„, 30.000,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der in ihrer Gegenerklärung vorgebrachten Argumente der Klägerin stellt sich die Entscheidung des Landgerichts, dass der Klägerin die in ihrer Schlussrechnung vom 20.12.2018 (Anlage K 18) auf Seite 6 unter „Leistungsmehrungen zur Pauschale“ „Beschädigungen Flure“ geltend gemachte Vergütung nicht zuzusprechen sei, als zutreffend dar.

Die Klägerin hat bereits nicht substantiiert zu einer Beauftragung dieser Leistungen vorgetragen.

Ausweislich der Schlussrechnung der Klägerin geht es bei dieser Position um die „Entfernung der Beschädigungen in den Fluren vor Erstellung des Anstrichs„, wobei sich die Klägerin auf eine „Vereinbarung Mail vom 05.02.2018“ bezieht.

Das Landgericht hat daher zutreffend gesehen, dass die Parteien im Mai 2018 unstreitig eine Gesamtpauschale vereinbart hatten, von der auch diese Arbeiten umfasst waren.

Ein Beauftragung dieser Leistung zusätzlich zur Gesamtpauschale hat die Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen.

Soweit sich die Klägerin zur Darlegung einer solchen über die Gesamtpauschale hinausgehenden Beauftragung im Schriftsatz vom 14.05.2020 (dort Seite 6) auf eine Verzugsanzeige der Beklagten vom 30.08.2018 (Anlage K 28) bezieht und meint, dass sich hieraus eindeutig eine Aufforderung an die Klägerin ergebe, die Flure auszubessern, überzeugt dies nicht.

Tatsächlich handelt es sich bei der vorgelegten Anlage K 28 um eine an die Klägerin gerichtete E-Mail vom 25.06.2018 mit dem Betreff „Stand Mängelbeseitigung Malerarbeiten„, mit dem die Beklagte der Klägerin ein Verzugsschreiben ihres Bauherrn übermittelt und einen Terminplan für die noch durchzuführenden Arbeiten, u.a. die Reinigung des Flurs und Malerarbeiten. Aus dem Inhalt der vorgelegten Anlage ergibt sich, wie das Landgericht richtig bewertet hat, bereits nicht, ob es sich bei den geforderten Arbeiten um Mängelbeseitigung oder um zusätzliche Malerarbeiten handelt, wobei der Betreff der Anlage eher für Ersteres spricht. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Anlage K 28 jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagte die Klägerin einen neuen Auftrag erteilt hätte, Beschädigungen in den Fluren zu beseitigen. Aus der Anlage K 28 ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte mit dieser E-Mail eine neue, von der Gesamtpauschale nicht erfasste Leistung der Klägerin auslösen wollte. Hierfür fehlt es auch an einer näheren Spezifikation dieser Leistung, z.B. welche Flure bearbeitet werden sollten. Von einer zusätzlichen Vergütung für die Leistung ist in der Anlage K 28 ebenso wenig die Rede. Nachdem die Klägerin für die Beauftragung einer Zusatzleistung darlegungs- und beweispflichtig ist, gehen solche Unklarheiten zu ihren Lasten.

Im Übrigen hat die Klägerin auch eine Ausführung der abgerechneten Arbeiten in den Fluren nicht nachgewiesen. Das Landgericht hat sich für diese Bewertung zutreffend auf die Aussage des Zeugen H. bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2022 (dort Seite 3) gestützt. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Flure nach den Arbeiten des Schreiners nachgearbeitet werden sollten, aber dann eine Umstellung auf Tapete erfolgte, so dass es nicht zu einer Ausführung der ursprünglich vorgesehenen Arbeiten der Klägerin kam. Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung meint, dass sich aus der Aussage des Zeugen H. ergebe, dass die Klägerin durchaus dort Arbeiten ausgeführt habe, verfängt dies nicht. Der Äußerung des Zeugen: „Es war so, dass es zunächst auch Ausführungen der Klägerin in den Fluren gab, jedoch waren diese nicht in der Form erfolgt, dass eine Abnahme hätte erfolgen können, daher wurde dann auf die Tapete umgestellt.“ ist klar zu entnehmen, dass die durch die Klägerin zunächst in den Fluren ausgeführten Arbeiten nicht abnahmefähig waren. Gleiches gilt für die weitere Äußerung des Zeugen zu dieser Thematik auf Seite 7 unten, Seite 8 oben des Protokolls. Aus den Angaben des Zeugen H. ergibt sich in der Gesamtschau gerade nicht, dass die Klägerin an den Fluren Arbeiten, die über die Beseitigung eigener Mängel hinausgingen, durchgeführt hätte. Hinzu kommt, dass jeglicher substantiierter Sachvortrag der Klägerin dazu fehlt, welche gegenüber dem ursprünglichen Auftrag zusätzlichen Leistungen sie trotz Umstellung des Bauherrn auf Tapete in den Fluren überhaupt noch durchgeführt hat.

Entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die Überarbeitung der Flure auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Die Vorschrift regelt einen Vergütungsanspruch für Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausführt, die jedoch nachträglich vom Auftraggeber anerkannt werden. Die Vorschrift ist, auch unter Zugrundelegung des eigenen Sachvortrags der Klägerin, wonach ihr für diese Arbeiten ein zusätzlicher Auftrag erteilt worden sei, nicht einschlägig. Im Übrigen hat die Klägerin, wie oben dargelegt, auch die Ausführung der von ihr abgerechneten Arbeiten weder dargelegt noch nachgewiesen.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO 47, 48 GKG bestimmt.

Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen

Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen

von Thomas Ax

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt hohe Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Danach hat sich der Tiefbauunternehmer Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden zu verschaffen, weil öffentliche Verkehrsflächen regelmäßig auch dazu genutzt werden, im öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienende Leitungen dort zu verlegen. Da durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen unverhältnismäßig große Gefahren drohen, ist mit „äußerster Vorsicht“ vorzugehen, insbesondere beim Einsatz von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät. So muss sich der betreffende Tiefbauunternehmer dort, wo entsprechend zuverlässige Unterlagen vorhanden sind, über den Verlauf von Versorgungsleitungen erkundigen; im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung hat er sich die Kenntnisse zu verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. Eine Erkundigung bei den kommunalen Bauämtern genügt nicht, vielmehr besteht im Allgemeinen eine Erkundigungspflicht gegenüber den zuständigen Versorgungsunternehmen. Wenn das nicht weiterhilft, hat der Tiefbauunternehmer sich die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand (BGH, Urt. v. 20.12.2005, Az: VI ZR 33/05, BauR 2006, 829; Urt. v. 21.11.1995, Az: VI ZR 21/95, Fundstelle juris; Urt. v. 09.08.1985, Az: VI ZR 118/84, Fundstelle juris; Urt. v. 09.11.1982, Az: VI ZR 129/81, VersR 1983, 152; Urt. v. 20.04.1971, Az: VI ZR 232/69, NJW 1971, 1313; für viele Oberlandesgerichte OLG Köln, Urt. v. 07.05.2014, Az: 16 U 135/13, Fundstelle juris; Staudinger/Haferkorn, BGB, Stand 2009, unter bb) zu Tiefbauarbeiten E 253 ff).

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten wegen Mängeln der Leistung vor der Abnahme setzt im VOB/B-Vertrag voraus, dass er dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und die Kündigung angedroht hat und nach fruchtlosem Ablauf der Frist der Vertrag gekündigt wurde.
2. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedarf es nicht, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags ernsthaft und endgültig verweigert.
3. Das Verlassen der Baustelle allein ist (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Das Kooperationsgebot erfordert, dass sich der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer wegen ausstehender Restleistungen in Verbindung setzt, statt die Arbeiten ohne Rücksprache zu halten selbst fertigzustellen.
OLG München, Urteil vom 26.07.2022 – 9 U 7532/21 Bau
vorhergehend:
LG München I, 30.09.2021 – 8 O 20798/15
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 16.08.2023 – VII ZR 160/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Bezahlung restlichen Werklohns für Kabeltiefbauarbeiten einschließlich dem zugehörigen Projektmanagement aus zwei Bauvorhaben „Glasfasererschließung H……“ und „S………….“ aus insgesamt 6 Einzelrechnungen in Anspruch. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az.: 8 O 20798/15, Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage – nach Zeugenbeweis nur hinsichtlich 3 Rechnungen (Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4) stattgegeben, im Übrigen die Forderungen zurückgewiesen. Bei den Rechnungen Nr. 3 und Nr. 5 fehle es an der Abnahme bzw. einem Vortrag dazu, der Anspruch aus Rechnung Nr. 6 sei verjährt. Eine Aufrechnung der Beklagten mit Ersatzvornahmekosten wies das Landgericht zurück, da keine Aufforderung zur Nachbesserung unter Fristsetzung erfolgt sei. Auch weitere Gegenansprüche der Beklagten (Mietzins für die Anmietung von Baustellengeräten; Erstattung verauslagter Kosten wegen der Beschädigung fremder Kabelanlagen) wies das Landgericht ebenfalls zurück.

Gegen dieses dem Klägervertreter nach eigener Auskunft (Bl. 369 d.A.) am 30.09.2021 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 29.10.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 01.11.2021 (Bl. 368 d.A.), fristgerecht Berufung ein (Bl. 362/364 d.A.), die er jedoch nicht fristgerecht begründete. Hierauf wurde der Kläger mit Verfügung des Vorsitzenden des 9. Senats vom 19.01.2022 (Bl. 395 d.A.) aufmerksam gemacht. Ein Schriftsatz des Klägers vom 16.12.2021 ist bei Gericht nicht eingegangen. Daraufhin erklärte der Klägervertreter im Rahmen seiner zur Berufung der Beklagten fristgerecht eingegangenen Berufungserwiderung vom 17.01.2022 (Bl. 388/394 d.A.), dass „der Schriftsatz vom 29.11.2021 [gemeint war der 29.10.2021] als Anschlussberufung weiterverfolgt wird„. Eine Begründung der Anschlussberufung erfolgte jedoch weder in der Berufungserwiderung noch in einem sonstigen Schriftsatz. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 regte der Einzelrichter die Rücknahme der Anschlussberufung an, da diese offenkundig unzulässig ist, vgl. §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 und 4 ZPO. Mit Schriftsatz vom 05.07.2022 nahm der Klägervertreter die Anschlussberufung des Klägers zurück.

Auch der Beklagtenvertreter legte gegen das ihm am 05.10.2021 zugestellte Endurteil fristgerecht mit Schriftsatz vom 22.10.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (Bl. 360/361 d.A.), Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 23.12.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 28.12.2021 (Bl. 373/385 d.A.), begründete.

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Sie rügt, dass hinsichtlich der vereinbarten Sicherheitseinbehalte keine Verzugszinsen hätten zugesprochen werden dürfen und dass die Aufrechnungslage und das Zurückbehaltungsrecht wegen der eigenen Restfertigstellungskosten im Hinblick auf das Bauvorhaben S…….. und die insoweit zugesprochene Vergütung von 48.061,90 Euro (Rechnung Nr. 4) nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem sei der angebotene Zeuge ….. [damalige technische Leiter der Beklagten, Bl. 217 d.A.] nicht gehört worden. Der Kläger habe die Baustelle verlassen, sämtliche Mitarbeiter abgezogen, seine Arbeiten nicht fortgesetzt und letztlich die Kommunikation komplett eingestellt. Der Kläger habe keinerlei Interesse gezeigt, die ihm obliegende Fertigstellung mittels Einbau einer Asphalttragschicht zu bewirken. Als Fertigstellungstermin sei der 30.08.2014 vereinbart worden. Hierbei handle es sich um einen Fixtermin. Die fehlende Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung der Frist sei kein gegen die Annahme eines Fixtermins sprechendes Indiz. Eine Fristsetzung sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger die Leistungserfüllung endgültig verweigert habe und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gerechtfertigt sei. Die Beklagte könne die Fertigstellungskosten in Höhe von 39.776,18 Euro als Schaden gegen den Werklohnanspruch des Klägers gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB in Verrechnung bringen. Der Zeuge ……. habe bestätigt, dass die Baustelle verlassen war und dass man mit den Fertigstellungsarbeiten so lange gewartet habe, wie man das vertreten konnte, nämlich 2-3 Wochen. Unerheblich sei der vom Landgericht hervorgehobene Aspekt, ob mit dem Kläger über die nicht fertiggestellten Arbeiten gesprochen worden sei. Dies sei nicht möglich gewesen, da der Kläger nicht mehr erreichbar war bzw. nicht reagierte. Zudem macht die Beklagte unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG München, Az. 9 U 6562/20, in welcher von einer 10-jährigen Verjährungsfrist als Höchstfrist ausgegangen wurde, ein Zurückbehaltungsrecht wegen der möglichen In-Haftungsnahme nach § 14 AEntG durch die S…….. in Höhe von mindestens 35.000,00 Euro geltend. Der Kläger tritt dem allem entgegen und verteidigt das Ersturteil. Seinen Pflichten zur Anmeldung gegenüber der S…… sei er nachgekommen.


Die Beklagte beantragt daher zuletzt (Bl. 373 d.A.),

das Urteil des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az: 8 O 20798/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin (Bl. 388 d.A.) und verteidigt im Übrigen das Ersturteil.


Im Übrigen wird auf die Hinweise des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 (Protokoll S. 2, Bl. 403 d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.


II.

A.

Anschlussberufung des Klägers:

Über die Anschlussberufung des Klägers war infolge Rücknahme nicht mehr zu entscheiden. Die Anschlussberufung des Klägers wäre andernfalls mangels Begründung gemäß §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 ZPO als unzulässig zu verwerfen gewesen.

B.

Berufung der Beklagten:

Die Berufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil bei den Nebenentscheidungen (Verzugszinsen bei den beiden Sicherheitseinbehalten in Rechnung 1 und 2 erfolgreich. Ansonsten sind Rechtsfehler des Ersturteils nicht erkennbar. Der Senat folgt im Übrigen inhaltlich dem ausführlich und zutreffend begründeten Ersturteil des Landgerichts. Die Berufungsbegründung der Beklagten vermag das Ersturteil im Übrigen nicht zu erschüttern.

1. Verzugszinsen hinsichtlich der Sicherheitseinbehalte: Die Sicherheitseinbehalte stehen den Vergütungsansprüchen des Klägers nicht mehr entgegen, da die vertraglich vereinbarte Gewährleistung von 5 Jahren 1 Monat gemäß 7.2. WV (Anlagen K 1 und B 8) jedenfalls zwischenzeitlich abgelaufen ist. Richtig ist aber der Einwand der Beklagten, dass wegen des vereinbarten 5 %-igen Sicherheitseinbehalts bei den Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 Verzugszinsen erst nach Ablauf der Gewährleistungsfristen anfallen können. Dies wurde im Tenor korrigiert. Erfolgversprechende weitere Einwände gegen die Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 bestehen nicht.

2. Gegenansprüche wegen der Restfertigstellung bei Rechnung Nr. 4:

a) Bei der mit Anlage K 4 geltend gemachten Rechnung Nr. 4 nahm das Erstgericht zutreffend ein Abrechnungsverhältnis an. Mit dem Schreiben vom 16.04.2015 (Anlage B 1) und der Klageerwiderung vom 27.01.2016 hat die Beklagte Sekundäransprüche geltend gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie an der Erfüllung des Vertrags kein Interesse mehr hat.

b) Gegenansprüche wegen der Nichtfertigstellung der Asphalttrageschicht Hauptstreitpunkt der Parteien kommen nicht in Betracht. Ansprüche der Beklagten aus § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB, bzw. §§ 634 Nr. 2, 637, 280, 281 BGB bestehen nicht.

aa) Die Positionen der Parteien zu den Ursachen, weshalb die Klägerin die von ihr geschuldete Leistung „Einbau einer Asphalttragschicht“ nicht mehr erbracht hat, gehen konträr auseinander, ohne dass die Beklagte durch die durchgeführte Beweisaufnahme ihre Sicht der Dinge hätte belegen können. So behauptet der Kläger, dass er die Böden für die Asphaltverlegung fertig vorbereitet habe und dann auf die Entscheidung der Beklagten gewartet habe, ab wann mit der Asphaltverlegung begonnen werden sollte (Bl. 27/28; 65 d.A.). Anfragen des Klägers, wann er weiter seine Dienste erbringen könne, seien seitens der Beklagten schlicht ignoriert worden (Bl. 390 d.A.). Die Fortsetzung der Arbeiten seien dem Kläger unmöglich gemacht worden. Die hierzu von der Klagepartei angebotenen Zeugen wurden erstinstanzlich zwar nicht vernommen. Es konnte aber durch die durchgeführte Beweisaufnahme die durchaus plausible Version der Klagepartei nicht widerlegt werden.

bb) Demgegenüber behauptet die Beklagte, der Kläger habe die Werkleistungen grundlos eingestellt, die Baustelle verlassen und sei nicht mehr erreichbar gewesen bzw. habe nicht mehr reagiert (Berufungsbegründung S. 5/7).

cc) Durch die Einvernahme des von der Beklagten angebotenen Zeugen ……., der damals der Bauleiter vor Ort war, konnte lediglich belegt werden, dass die Baustelle verlassen war, aber nicht, dass die Klagepartei im Hinblick auf die Erfüllung ihrer ausstehenden Arbeiten angesprochen bzw. dazu angehalten wurde. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts hierzu (LG UA. S. 11) ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

dd) Auch im Hinblick auf eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Klagepartei ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger sei nicht mehr erreichbar gewesen, ist dies schon nicht glaubhaft, nachdem die Klagepartei eine E-Mail der Beklagten vom 21.08.2014 (Anlage K 22) vorgelegt hat (Bl. 125 d.A.), aus der sich ergibt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres erreichbar war, weil er zu diesem Zeitpunkt eine Auftragsofferte der Beklagten für das Bauvorhaben F……. erhalten hat. Es erschließt sich daher schon nicht, weshalb die Beklagte in keiner Weise versucht hat, mit dem Kläger in Kontakt zu treten und diesen zur Erbringung seiner Restleistung (Einbau der Asphalttragschicht) anzuhalten, sondern stattdessen 2-3 Wochen zugewartet hat und dann ohne Rücksprache mit dem Kläger die fehlenden Arbeiten selbst fertiggestellt hat. Schon das Kooperationsgebot hätte erfordert, sich mit dem Kläger wegen der ausstehenden Restleistung in Verbindung zu setzen, anstatt ohne Rücksprache mit diesem die Arbeiten selbst fertigzustellen. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass sie überhaupt versucht hat, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen bzw. dass diese Bemühungen vergeblich waren.

ee) In rechtlicher Hinsicht ist der Ausgangspunkt des Erstgerichts völlig zutreffend, dass ohne Nachfristsetzung, die nicht nachgewiesen ist, Ersatzvornahmekosten nicht verlangt werden können, einerlei auf welche Anspruchsgrundlage diese gestützt werden (§§ 634 Nr. 2, 637; 280, 281, 286 BGB, § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B).

ff) Eine entsprechende Frist zur Nachbesserung konnte nicht nachgewiesen werden und war entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht entbehrlich. Eine Beweiserhebung zu den hierfür von der Beklagten aufgewandten Ersatzvornahmekosten in Höhe von 39.776,18 Euro durch Sachverständigenbeweis, obwohl von der Einzelrichterin im Hinweisbeschluss vom 16.07.2020, S. 2 (Bl. 253 d.A.) angedacht, unterblieb daher zu Recht. In der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 (Bl. 267 d.A.) hat die Erstrichterin darauf hingewiesen, dass es eine offene Frage sei, ob es einer Nachfristsetzung bedurfte oder nicht und ein Sachverständigengutachten nur zu erholen wäre, wenn es einer Fristsetzung durch die Beklagte nicht bedurft hätte. Mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2021, S. 4 (Bl. 272 d.A.) hat die Einzelrichterin dann darauf hingewiesen, dass sie nicht von einem relativen Fixgeschäft ausgeht und hat diese Rechtsauffassung dann auch in ihrem Urteil zugrunde gelegt. Die Ausführungen erscheinen überzeugend und werden durch die Ausführung in der Berufungsbegründung nicht erschüttert. Die bloße Vereinbarung eines Fertigstellungstermins genügt für die Annahme eines relativen Fixgeschäftes nicht. Auch aus den Besonderheiten des öffentlichen Straßenbaus und den dabei erforderlichen zeitlich befristeten Straßensperrungen er-gibt sich nichts anderes.

gg) Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die Parteien vertraglich die Geltung der VOB/B in der aktuellen Fassung, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gültigkeit haben, vereinbart haben (vgl. Anlage B 8). Daraus ergibt sich, dass Ersatzvornahme-Kostenansprüche der Beklagten an §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B zu messen sind, d.h. es müsste also auch vor der Ersatzvornahme die (Teil-)Kündigung ausgesprochen und noch dazu davor angedroht gewesen sein, was jedoch nicht erfolgt ist.

hh) Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag (Anlage B 8) in Ziffer 7.5 eine Spezialregelung vorsieht, wenn „aus wichtigen betrieblichen Gründen ein Mangel, den der AN zu vertreten hat, nach Rücksprache mit dem AN in kürzester Frist beseitigt werden [muss]„. Auch hier hat der Auftraggeber nach dem vorgesehenen Regime Rücksprache mit dem Auftragnehmer zu halten und sich mit ihm ins Benehmen zu setzen, bevor er sein eigenes Instandhaltunspersonal oder Drittfirmen einsetzen darf. Auch dies ist nicht geschehen.

ii) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen scheidet eine Aufrechnung bzw. Verrechnung der Werklohnforderung für die Rechnung Nr. 4 mit Ersatzvornahmekosten der Beklagten schon deshalb aus, weil die Klagepartei diese Arbeiten gegenüber der Beklagten nicht abgerechnet hat. Die rechnerische Richtigkeit der Werklohnforderung in Höhe von 48.061,90 Euro ist zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig bzw. wurde von der Beklagten anerkannt. Bei den geltend gemachten Ersatzvornahmekosten handelt es sich rechtlich um Sowieso-Kosten, die für die Beklagte immer angefallen wären, auch wenn der Kläger diese Leistungen erbracht und abgerechnet hätte. Allenfalls vorstellbar wären daher sog. Restfertigstellungsmehrkosten. Diese macht die Beklagte aber nicht geltend, sondern glaubt zum vollem Ersatz der gesamten Fertigstellungskosten berechtigt zu sein (Berechnung im Schriftsatz vom 06.12.2016, S. 2, Bl. 58 d.A.), ohne mit einer nachvollziehbaren Berechnung die bloßen Mehrkosten auszuweisen.

c) Den Zeugen Dipl. Ing. ……., angeboten mit Schriftsatz vom 23.04.2020, S. 2, Bl. 247 d.A., hat das Erstgericht zu Recht nicht gehört, da er ohnehin nur für die unstreitige Tatsache, dass die Arbeiten vom Kläger nicht fertiggestellt wurden und keine Behinderungsoder Bedenkenanzeige vorlag, angeboten wurde und damit lediglich eine Untätigkeit des Klägers unter Beweis gestellt werden sollte, die ohnehin unstreitig ist, aber nicht, dass der angebotene Zeuge versucht hätte, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen und ihn zur Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflicht anzuhalten.

3. Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz: Ein Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz besteht schon laut Vertrag nicht mehr, da ein Einbehalt längstens 5 Jahre nach § 10.4 der Bauverträge vom 10.01.2014 bzw. 25.06.2014 (Anlagen K 1 und B 8) möglich ist.

a) Richtig ist zunächst, dass der Kläger anders als beim Bauvorhaben „H……“ beim Bauvorhaben „S……“ die Namen der eingesetzten Mitarbeiter oder für ihn angeblich freiberuflich tätigen Arbeiter der S….. nicht mitgeteilt hat und daher grundsätzlich eine Inhaftungnahme der Beklagten für ausstehende Zahlungen auf Mindestlohn und Urlaubsgeld wie bei einer Bürgenhaftung nach § 14 AEntG bis zur Verjährung derartiger Ansprüche in Betracht kommt. Soweit das Erstgericht von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausging, ist allerdings zu bemerken, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst ab Kenntniserlangung von der Beschäftigung zu laufen beginnt. Bislang hat die S…. nur Kenntnis von der Existenz des Bauvorhabens, aber nicht von den konkret vor Ort eingesetzten Mitarbeitern des Klägers, weshalb grundsätzlich die zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 BGB mit Abschluss der Baustelle gilt, die an sich noch nicht abgelaufen ist.

b) In seinem Urteil vom 21.09.2021, Az.: 9 U 6562/20 Bau, ist der auch hier entscheidende 9. Senat des OLG München von diesen Grundsätzen und insbesondere gemäß § 199 BGB von einer 10-jährigen Verjährungsfrist eines Haftungsanspruchs nach § 14 AEntG ausgegangen, hat jedoch im Ergebnis den Fall anders beurteilt, da er lediglich vom Nichtablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist, solange die S…… keine Kenntnis von den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern hat.

c) Dabei wurde aber offenbar die Bedeutung und Tragweite der vertraglichen Regelung in § 10.4 des Vertrages vom 25.06.2014 (Anlage B 8) verkannt, die eine Sonderregelung der Parteien hinsichtlich der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung zur Regelung der Auftraggeberhaftung im Sinne des § 14 AEntG enthält und lediglich einen 5 %-igen Einbehalt von der Gesamtauftragssumme für einen Zeitraum von längstens 5 Jahre bzw. ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht. Dies schließt nach Auffassung des Senats die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen einer Inhaftungnahme wegen § 14 AEntG über einen Zeitraum von 5 Jahren hinaus aus, der bei einer Beauftragung im Jahr 2014 längst abgelaufen ist, da es sich um eine vorrangige vertragliche Regelung handelt, die das Recht auf einen etwaigen 5 %-igen Einbehalt nach 5 Jahren entfallen lässt. Da es sich bei den vertraglichen Regelungen um von der Beklagten gestellte „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ handelt, welche auch schon dem vom Senat am 21.09.2021 entschiedenen Fall, Az.: 9 U 6562/20 Bau, zugrunde lagen, ist § 305c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Hier kann die Klausel bei laiengünstiger Auslegung nur so verstanden werden, dass sich die Beklagte damit verpflichten wollte, den Sicherheitseinbehalt nach einem Zeitraum von 5 Jahren freizugeben und wegen der möglichen Inhaftungnahme nach § 14 AEntG kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben zu wollen. Es sollte gerade nicht die Möglichkeit bestehen, noch über einen Zeitraum von insgesamt 10 Jahren also bis zur Verjährungshöchsfrist ein sich aus § 14 AEntG ergebendes Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, weil die sich aus der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung ergebenden Rechtsfolgen abschließend in § 10.4 geregelt wurden. Die Regelung in § 10.4 bewirkt daher nach einem Ablauf von 5 Jahren nach Abschluss der Baustelle eine Aufhebung der Undurchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs nach §§ 320 oder 273 BGB. Im Falle einer Inanspruchnahme der Beklagten nach mehr als 5 Jahren gemäß § 14 AEntG, steht die Beklagte auch nicht schutzlos. Der so in Anspruch genommene Auftraggeber kann den Auftragnehmer in Regress nehmen, und zwar über die Rückgriffsansprüche des Bürgen oder wegen Verletzung der bauvertraglichen Nebenpflichten aus § 14 AEntG, bei denen es sich um selbständige Nebenpflichten handelt (vgl. Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 4. Auflage 2022, Rn. 76 f.).


III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auch in der Berufungsinstanz ergibt sich dieselbe Quote wie in der ersten Instanz, da in der Hauptsache weder die Berufung der Beklagten noch die Anschlussberufung des Klägers erfolgreich waren. Die Beklagte hat nur in einem geringen Umfang wegen der Nebenkosten (Zinsen) obsiegt. Mit seiner Anschlussberufung verfolgte der Beklagte die Bezahlung zweier Rechnungen (Nr. 3 und Nr. 5) weiter (19.400,00 Euro und 8.000,00 Euro nebst Zinsen), worüber infolge der Rücknahme der Anschlussberufung nicht mehr zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchstund obergerichtlichen Rechtsprechung.

Verkündet am 26.07.2022

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Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

1. Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden; beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, kann hierin eine prozessual zulässige Genehmigung liegen, da im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung eine Anschlussberufung verbunden mit einer – noch in der Berufungsinstanz möglichen – Klageerweiterung zu sehen sein könnte.

2. Ein Architekt kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen.

G r ü n d e :

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz infolge einer vor Ausführung eines Bauvorhabens unterlassenen Kampfmittelüberprüfung.

Die Klägerin beabsichtigte, auf dem mit notariellem Kaufvertrag vom 28.06.1980 von ihr erworbenen Grundstück an der A-Straße in B den Neubau einer Studentenwohnanlage zu realisieren. In dem am 29.11.1974 in Kraft getretenen und für diesen Bereich geltenden Bebauungsplan (Anlage B3, Bl. 72 d.A.) findet sich keine Kennzeichnung hinsichtlich etwaiger Kampfmittelverdachtspunkte.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte – damals noch als C GmbH firmierend – auf Grundlage des Architektenvertrages vom 6./09.09.2010 (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) mit der Erbringung von Architektenleistungen für das Bauvorhaben Studierendenwohnanlage der A-Straße in B (im Folgenden: das Bauvorhaben, Bl. 5 d.A.).

Der Architektenvertrag (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4 Leistungen des AN

4.1 Der AN ist verpflichtet, für das in § 1 dieses Vertrages genannte Bauvor

haben sämtliche beauftragte Leistungen und die darin enthaltenen und dafür erforderliche Leistungs- bzw. Arbeitsschritte zu erbringen. Er hat dabei alle Pflichten zu erfüllen, die sich aus den beauftragten Leistungsinhalt und -umfang, den vereinbarten Vertragszielen und den Bestandteilen dieses Vertrages ergeben und die für die Herbeiführung der geschuldeten Teilerfolge und des geschuldeten (Gesamt-)Werkerfolges erforderlich sind. Hierbei hat der AN insbesondere die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen mangelfrei und vollständig zu erbringen, die als wesentliche Arbeitsschritte selbständigen Teilerfolge des Gesamtwerkerfolgs sind.

4.3 Der AG überträgt dem AN mit Vertragsschluss zunächst als Beauftragungsstufe 1 die Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2 (Grundlagenermittlung und Vorplanung).

Die Beauftragung der weiteren Leistungen der Leistungsphasen 3 (Entwurfsplanung) in einer 2. Beauftragungsstufe sowie 4 (Genehmigungsplanung) und 5 (Ausführungsplanung) in einer 3. Beauftragungsstufe sind dem Grunde nach vorgesehen, soweit der AN die Einhaltung der Vertragsziele nach § 3 nachweislich einhalten kann und das Studentenwerk die Refinanzierungszusagen der Fördermittelgeber hierfür jeweils erhält. Sollte der AN die Vertragsziele, insbesondere die gemäß § 3.2 nach Beauftragungsstufe 1 und 2 nicht einhalten, ist der AG berechtigt, vom AN eine Überarbeitung zu verlangen oder diese und die Planungsleistungen der weiteren Leistungsphasen einem anderen Anbieter zu übertragen. Auch besteht kein Anspruch auf Beauftragung der Leistungsphasen 3-5 wenn der AG die Weiterverfolgung des Bauvorhaben[s] aus anderem wichtigem Grunde aufgibt

In der Beauftragung der weiteren Beauftragung 4 (Leistungsphasen 6 und 7 (Vorbereitung der Vergabe und Mitwirkung bei der Vergabe), sowie 5 (Leistungsphase 8 / Objektüberwachung) und 6 (Leistungsphase 9 / Objektbetreuung und Dokumentation) oder einzelner Leistungen oder Teilleistungen ist der AG generell frei. Ein Anspruch des AN auf Beauftragung weiterer, über die ersten 3 Beauftragungsstufen hinausgehende Stufen oder Leistungsphasen oder (Teil-)Leistungen besteht generell nicht. Die Beauftragung dieser weiteren Leistungsphasen an den AN ist aber seitens des AG grundsätzlich beabsichtigt, soweit sich die Wirtschaftlichkeit der Umsetzung der Gesamt- oder einzelner Teilmaßnahmen darstellen lässt. Maßgeblich ist hierbei die Einschätzung des AG.                            …

Weitere Beauftragungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer schriftlichen Mitteilung durch den AG. Der AN verpflichtet sich die weiteren übertragenen Leistungen zu dem gemäß § 9 vereinbarten Honorar [zu] erbringen, sofern sie ihm spätestens 6 Monate nach der Fertigstellung und Freigabe der letztbeauftragten Stufe durch den AG beauftragt werden. Dies gilt auch dann, wenn der AG dem AN nur einzelne Leistungen oder Teilleistungen auf den der Beauftragung vorbehaltenen Leistungsphasen übertragen sollte.

4.5 Die Leistungsphasen beinhalten folgende Leistungsinhalte, die durch die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen konkretisiert werden und die als jeweils geschuldeten Teilerfolge vereinbart werden:

(1) Grundlagenermittlung

Ermitteln der Voraussetzungen und Klären aller planerischen, organisatorischen und sonstigen relevanten Rahmenbedingungen für die Lösung der Planungs- und Bauaufgabe.

(2) Vorplanung

Erarbeiten eines Planungskonzeptes in seinen wesentlichen Teilen und Kostenschätzung nach DIN 276, Fassung Dezember 2008, sowie Zusammenfassung der Vorplanungsergebnisse.

§ 5 Pflichten des AN

5.1 Der AN verpflichtet sich, die Interessen des AG wahrzunehmen und seine Leistung vorrangig nach dem vom AG vorgegebenen Anforderungen an die Planung und an die Ausführung unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und den Grundsätzen der Funktionalität und der Wirtschaftlichkeit – auch hinsichtlich der Unterhaltungs- und Betriebskosten in der Nutzungsphase – zu erbringen.

Der AN hat dabei den AG umfassend bauliche und gestalterisch zu beraten und unter Berücksichtigung der Vertragsziele sinnvolle Alternativvorschläge zu unterbreiten.

5.2 Der AN ist verpflichtet, den AG über alle bei der Durchführung seiner Aufgaben wesentlichen Angelegenheiten Umstände unverzüglich schriftlich zu unterrichten.

Auf eventuelle Bedenken hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der Planungswünsche und der Erfüllung der Planungsvorgaben des AG hat der AN frühzeitig hinzuweisen und Gegenvorschläge zu unterbreiten. Der AN hat sich rechtzeitig zu vergewissern, ob seiner Planung öffentlich-rechtliche Hindernisse und Bedenken entgegenstehen und diese dem AG unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

5.4 Der AN hat den AG über die Notwendigkeit der Einschaltung von Fachingenieuren und Sonderfachleuten (z.B. Baugrund, Statik, Brandschutz, Haustechnik, Bauphysik, vgl. auch Ziff. 7.3 des Vertrages) so rechtzeitig zu beraten und zu informieren, dass die Sonderfachleute ohne Planungsverzögerungen beauftragt werden können. Der AN hat die Leistungen der Sonderfachleute zeitlich zu koordinieren, zu steuern, mit seinen Leistungen abzustimmen und auf Plausibilität und Konformität zu seinen Leistungen zu prüfen. Forderungen und Bedingungen der Fachplaner hat der AN bei seinen Leistungen zu berücksichtigen und in seine Planung einzuarbeiten und dort übersichtlich zu integrieren. Hat der AN Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Leistungen, hat er den AG darauf schriftlich hinzuweisen und einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

Der AN hat seine Leistungen vor der Integration der Planungsbeiträge der Fachingenieure und Sonderfachleute…mit den jeweils fachlich Beteiligten abzustimmen und bei Übergabe der genehmigungsfähigen Entwurfslösung und der jeweils ausführungsreifen Planungslösung mit dem AG abzustimmen und zu erörtern.

7.3 Die weiteren erforderlichen Fachingenieuren Sonderfachleute:

Baugrundgutachten

hat der AG noch nicht beauftragt, beabsichtigt dies aber nach Vertragsschluß mit dem AN vorzubereiten. Der Architekt (AN) erhält diesbezüglich ein Vorschlagsrecht für mögliche Wettbewerbsteilnehmer.“

Am 03.09.2010 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit den Leistungsphasen 1 und 2; am 14.10.2011 mit den Leistungsphasen 3 und 4, am 30.03.2012 mit den Leistungsphasen 5-7 und am 31.08.2012 mit den Leistungsphasen 8 und 9.

Die Klägerin holte die gutachterliche Stellungnahme Nr. 1 des Erdbaulabors D vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.; im Folgenden: Baugrundgutachten) ein.

Die Beklagte stellte den Bauantrag am 09.10.2011, der beim Bauordnungsamt am 28.10.2011 einging. Die Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) wurde am 19.09.2012 erteilt. Die Beklagte stellte hinsichtlich der Bestandsbauten den Abbruchantrag am 08.05.2012, der am 10.06.2012 genehmigt wurde. Das sich ursprünglich auf dem Grundstück bereits befindliche Haus mit Kellergeschoss sollte seitens der Klägerin zur Vorbereitung des Bauvorhabens abgerissen und eine glatte, plane Fläche hergestellt werden. Der Abriss gehörte nicht zum Leistungsumfang der Beklagten; inwieweit die Beklagte Leistungen im Zusammenhang mit dem Abbruch erbrachte, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Parteien schlossen am 13./21.05.2014 eine Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag.

Der Neubau wurde bis Mai 2014 errichtet.

Die Klägerin erhielt in der Folgezeit ein Schreiben der Feuerwehr der Streithelferin vom 12.12.2017 (Anlage K2, Bl. 22-23 d.A.), in welchem ausgeführt wurde, dass die Klägerin es versäumt habe, bei der Planung der Baumaßnahmen einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen und anlässlich einer anderen Baumaßnahme – der Herstellung einer Busspur – nach der Stellungnahme des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg vom 10.11.2017 sich Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung und ein spezifischer Hinweis auf eine Bombenblindgänger-Einschlagstelle gemäß dem beigefügten Lageplan ergeben hätten. Mit Schreiben vom 15.03.2018 (Anlage K3, Bl. 24-25 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Äußerung und Mitwirkung an der angekündigten Maßnahme mit dem Hinweis auf, dass nach Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg grundsätzlich keine telefonischen Auskünfte zu Kampfmittelverdachtspunkten erteilt würden. Die Beklagte antwortete mit E-Mail, dass sie im Rahmen ihrer Planungsarbeiten bei dem Bauordnungsamt telefonisch die Auskunft erhalten habe, es handele sich bei dem Grundstück nicht um eine Verdachtsfläche.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte wäre nach § 4 und § 5 des Architektenvertrages und nach dem Nachtrag vom 13./21.05.2014 verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen, um mögliche Verdachtspunkte auf dem Grundstück zu ermitteln. Planung und Baugrunduntersuchung stellten eine Pflicht des Architekten dar, die sich aus verschiedenen Vorschriften ergebe. Zwar liege das Baugrundgutachten vor; die Beklagte könne sich jedoch nicht auf dessen Inhalt berufen, da sie selbst – wie der E-Mail-Verkehr (Anlage K5, Bl. 104-109 d.A.) und die Rechnungsprüfung vom 13.03.2015 (Anlage K7, Bl. 113-120 d.A.) belege – mehrfach Nachträge damit begründet habe, dass das Gutachten nicht ausreichend gewesen sei. Insofern verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits zur Begründung höherer Ansprüche auf unklare Bodenverhältnisse abstelle, andererseits aber geltend mache, der Boden sei gründlichst und hinlänglich untersucht worden, worauf sie habe vertrauen dürfen. Überdies habe sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt eine Kampfmittelsondierung durchführen müssen, da eine solche bei dem bloßen Abbruch des Gebäudes nicht erforderlich sei, was sich auch aus den Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45, 103 d.A.) ergebe. Das von der Beklagten behauptete Telefonat habe nicht stattgefunden. Die Zeugin E sei gar nicht die zuständige Sachbearbeiterin. Telefonische Auskünfte dürften zu solchen Fragen ohnehin nicht erteilt werden. Außerdem sei kein Aktenvermerk gefertigt worden. Wäre sie, die Klägerin, ordnungsgemäß durch die Beklagte auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Klärung der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden, hätte sie nach dem Grundsatz des beratungskonformen Verhaltens die Kampfmittelüberprüfung durchgeführt.

Die Kosten eines Kampfmittelfundes würden zum großen Teil ihr, der Klägerin, zur Last gelegt. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich bereits aus der drohenden Verjährung. Der Schaden sei nicht bezifferbar, da die entsprechenden Prüfungen liefen und ein Kampfmittelfund derzeit nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Streithelferin hat gemeint, dass zwar grundsätzlich die Kampfmittelüberprüfung Aufgabe des Bauherrn sei; bediene sich dieser aber eines Architekten, der mit sämtlichen Planungsleistungen beauftragt sei, hafte der Architekt für die Mehrkosten die dadurch entstünden, dass eine Kampfmittelsondierung (zunächst) nicht veranlasst worden sei. Dies räume auch die Beklagte ein, weil sie behaupte, dass ihr Projektleiter, der Zeuge G, sich mit der zuständigen Baubehörde im Hinblick auf einen möglichen Kampfmittelverdacht in Verbindung gesetzt habe, da dieser anderenfalls keine Veranlassung gehabt hätte, dies zu tun. Das von der Beklagtenseite behauptete Telefongespräch habe jedoch nicht stattgefunden. Die Zeugin E hätte auch gar nicht beurteilen können, ob für das fragliche Grundstück ein Kampfmittelverdacht bestehe, weil diese Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich der Feuerwehr falle. Ungeachtet dessen sei der Inhalt dieses behaupteten Telefonats nicht hinreichend substantiiert dargetan. Eine solche Frage könne überdies nicht so einfach am Telefon beantwortet werden. Der zuständige Ansprechpartner sei auch nicht die Zeugin E, die im Bauordnungsamt tätig sei, sondern die städtische Feuerwehr gewesen, wie die Beklagte aus dem der Baugenehmigung beigefügten Merkblatt (Anlage E1, Bl. 138-139 d.A.) habe entnehmen können. Diesen Hinweis habe die Beklagte als Sachwalter des Bauherrn nicht beachtet. Ungeachtet dessen handele es sich überdies um Standardwissen eines Architekten und angesichts der Lage – die Entfernung zur Altstadt betrage nur 4 km – sei ohne weiteres mit entsprechenden Blindgängern in dem streitgegenständlichen Bereich zu rechnen gewesen. Richtiger Ansprechpartner sei demgemäß die Feuerwehr gewesen, mit der sich die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht in Verbindung gesetzt habe. Hätte sich die Beklagte mit ihr, der Streithelferin, in Verbindung gesetzt, hätte sie die Bezirksregierung Arnsberg kontaktiert, welche wiederum mitgeteilt hätte, dass ein Blindgängerverdacht bestehe. Soweit der Bebauungsplan betroffen sei, sei im Zeitpunkt des Erlasses eine Kennzeichnung von Verdachtsflächen noch nicht erforderlich gewesen, da eine solche Verpflichtung als „Soll-Vorschrift“ erst zum 01.07.1987 eingeführt worden sei. Im Jahre 2010 habe es ebenfalls noch keine Erkenntnisse zu etwaigen Blindgängern gegeben, obgleich sie, die Streithelferin, vor dem Hintergrund einer Entscheidung des OVG NRW in alle Bebauungspläne zur Rechtssicherheit den Hinweis darauf aufgenommen habe, dass die der Planung zu Grunde liegenden Vorschriften eingesehen werden könnten, was sich auch aus dem verwaltungsinternen Schreiben (Anlage G2, Bl. 150 d.A.) ersehen lasse. Soweit die Beklagte sich auf das Baugrundgutachten berufe, sei beachtlich, dass hiermit nicht der Zweck verfolgt worden sei, das Baugrundstück auf Kampfmittelfreiheit zu untersuchen. Inzwischen sei zwar die Busspur, die Anlass für den Hinweis der Bezirksregierung Arnsberg gewesen sei, ausgeführt worden; mit der Herstellung der Busspur sei aber keine energetische Einwirkung aufgetreten, so dass diese Maßnahme habe durchgeführt werden können. Indes sei der Gefahrenpunkt noch nicht beseitigt und es könne theoretisch jederzeit zu einer Detonation kommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu ersetzen, der aus der unterlassenen Kampfmittelsondierung bezüglich der Studierendenwohnanlage A-Straße erwächst.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Klägerin keine Ansprüche zustünden. Soweit die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag auf die unterlassene Kampfmittelsondierung abstelle, habe schon keine vertragliche Pflicht zur Kampfmittelsondierung bestanden.

Die Baugenehmigung vom 19.09.2012 (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A.) sei – unstreitig – ohne Auflagen und Bedingungen hinsichtlich einer notwendigen Kampfmittelsondierung erteilt worden und bestätige damit die Kampfmittelfreiheit, da ansonsten mittels Nebenbestimmung angeordnet worden wäre, dass mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden dürfen, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben würden. Überdies fänden sich im Bebauungsplan der Streithelferin keine Hinweise auf etwaige Kampfmittel; derartige Hinweise seien jedoch nach § 9 Abs. 5 BauGB verpflichtend, so dass mithin feststehe, dass keine Erkenntnisse über das Vorhandensein von Kampfmitteln im fraglichen Bereich vorgelegen hätten. Dementsprechend habe sie, die Beklagte, davon ausgehen können, dass eine Kampfmittelüberprüfung bei der Erstellung und Aktualisierung des Bebauungsplanes erfolgt sei, zumal sie sich auf die fernmündlich erteilte Auskunft der Bauaufsichtsbehörde habe verlassen dürfen.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin hinsichtlich der Einschaltung von Sonderfachleuten nach § 5 Abs. 4 des Architektenvertrages aufzuklären; Behörden seien nicht als Sonderfachleute anzusehen und bei Sonderfachleuten handele es sich um Fachleute bezüglich Fachplanungen oder Baugrundgutachten und Ähnliches, wie sich unter anderem aus § 7 Abs. 3 des Architektenvertrages ergebe. Soweit solche Sonderfachleute betroffen seien, habe sie ein Baugrundgutachten – unstreitig – eingeholt. Im Rahmen der Begutachtung seien – unstreitig – unter anderem 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden; deswegen habe sie auch ein berechtigtes Vertrauen auf die Kampfmittelfreiheit bilden können. Sofern die Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag betroffen sei, habe dem der erhebliche Mehraufwand im Leistungsbereich der Freianlagen zugrunde gelegen; mit unklaren Bodenverhältnissen habe dies nichts zu tun gehabt.

Auf dem kompletten Baugelände seien im Rahmen des Abbruchs umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden. Bei diesen umfangreichen Arbeiten habe es jedoch keinerlei Anzeichen von Kampfmitteln gegeben.

Zudem sei beachtlich, dass sich die Methodik und Genauigkeit entsprechender Untersuchungen in den letzten Jahren geändert habe und zur Zeit der Planung keine Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe und damit eine andere Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nur daraus resultieren könne, dass sich die Untersuchungsmöglichkeiten verbessert hätten. Entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg hätten im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen. Beachtlich sei auch, dass die Erschließungsstraßen in der Nachkriegszeit erstellt worden seien und bei der Planung und Errichtung dieser Straßen eine Kampfmittelüberprüfung hätte erfolgen müssen, so dass sie darauf habe vertrauen dürfen, dass eine weitere Kampfmittelüberprüfung nicht erfolgen müsse. Das Bauvorhaben habe sich überdies am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befunden und die größten Zerstörungen hätten die B Altstadt betroffen.

Eine Verpflichtung zu weitergehenden Erkundigungen ergebe sich nicht aus dem Architektenvertrag, da die Durchführung der Kampfmittelerkundung nicht erforderlich gewesen sei und es sogar ihren Pflichten nach § 5 des Architektenvertrages widersprochen hätte, wenn sie kostenauslösende, aber überflüssige Maßnahmen beauftragt hätte.

Das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt sei ihr, der Beklagten, nicht zugeleitet worden; die Baugenehmigung sei von der Baugenehmigungsbehörde direkt an die Klägerin geschickt worden und sie, die Beklagte, habe lediglich von der Klägerin eine Kopie der Baugenehmigung erhalten, der das Informationsblatt nicht beigelegen habe.

Überdies habe sie – überobligatorisch – durch den Zeugen G, ihrem Projektleiter, bei der zuständigen Bauordnungsbehörde an einen datumsmäßig nicht exakt erinnerlichen Telefonat im Herbst 2012 mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Bauordnungsamtes der Streithelferin, der Zeugen E, die auch in der Baugenehmigung (Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) als zuständige Sachbearbeiterin genannt werde und die die Baugenehmigung bearbeitet und bis zur Fertigstellung begleitet habe, telefoniert. Dem Zeugen G sei mitgeteilt worden, dass es sich nicht um eine Verdachtsfläche handele und ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass sich aus den Luftbildern die Vermutung des Einschlags eines Blindgängers ergeben könne. Es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die telefonisch erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei. Ob daher die Bezirksregierung Arnsberg keine telefonischen Auskünfte erteile, sei insofern unbeachtlich. Denn Ansprechpartner für einen Bauherrn sei nicht die Bezirksregierung Arnsberg, sondern die Bauaufsichtsbehörde, was sich zweifelsfrei aus der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigung vom 08.05.2006 (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.; im Folgenden: Richtlinie) ergebe. Denn den örtlichen Ordnungsbehörden sei in der Regel bekannt, wo Kriegshandlungen stattgefunden hätten und eine Kampfmittelbelastung existiere, so dass sie, die Beklagte, die erteilte Auskunft nicht habe hinterfragen müssen. Zu einer Nachfrage bei der Feuerwehr sei sie, die Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, da auch die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei. Insofern sei es auch nicht Aufgabe des Bauherrn bzw. des Architekten, die Zuständigkeiten innerhalb der Behörde in Frage zu stellen. Es sei mithin Aufgabe der Streithelferin gewesen, mit Eingang des Antrags auf Erteilung der Baugenehmigung mit den zuständigen Stellen die Frage der Kampfmittelfreiheit abzustimmen. Auch wenn richtig sei, dass der Bauherr bzw. Architekt nicht ohne Klärung der Fragen zu Kampfmitteln los bauen dürfe, habe sie auf die ihr erteilte Auskunft vertrauen dürfen. Aber selbst, wenn sie sich bei der Feuerwehr erkundigt hätte, wäre ihr auch dort mitgeteilt worden, dass keine Kampfmittelverdachtsflächen vorlägen.

Eine Bombenblindgänger-Verdachtsüberprüfung sei überdies nicht erforderlich und nicht beabsichtigt. Aber selbst, wenn dies erforderlich und beabsichtigt sei, sei es rechtlich und tatsächlich nicht möglich, die Klägerin mit derartigen Kosten zu belassen, da die Kosten der Kampfmittelbeseitigung zulasten der öffentlichen Hand gingen, was sich auch aus der Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf auf deren Homepage vom 02.11.2017 (Anlage BLD1, Bl. 91-92 d.A.) ersehen lasse. Die mit der Kampfmittelerkundung einhergehenden Kosten seien solche, die der Klägerin ohnehin entstanden wären, da gerade keine Mehrkosten deswegen anfielen, weil das Grundstück teilweise überbaut sei und davon auszugehen sei, dass die Verdachtsflächen auch kostengünstig ohne Rückbaumaßnahmen überprüfbar seien. Ungeachtet dessen hätte die Klägerin bereits beim Abriss entsprechende Kosten tragen müssen.

Aber selbst eine entsprechende Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach unterstellt, sei der Klägerin ein derart überwiegendes Mitverschulden anzulasten, dass ein Anspruch nicht bestünde, da die Klägerin bereits bei Beantragung der Abrissgenehmigung eine Kampfmittelanfrage hätte stellen und im Rahmen der eigenständig durchgeführten vorherigen Abbrucharbeiten selbst eine Kampfmittelsondierung hätte durchführen lassen müssen. Dies sei ein weiterer Gesichtspunkt, aufgrund dessen sie, die Beklagte, davon habe ausgehen dürfen, dass der Boden kampfmittelfrei sei.

Überdies bestehe kein Feststellungsinteresse.

Das Landgericht hat nach Einholung einer amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg, Kampfmittelbeseitigungsdienst, vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) zur Frage, ob auch im Jahr 2012 bereits ein Blindgängerverdacht festgestellt worden wäre, der Klage vollumfänglich mit der Maßgabe stattgegeben, dass sich die Feststellung nicht auf die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern auf die unterlassene Kampfmittelüberprüfung beziehe. Der Antrag sei zunächst dahingehend auszulegen gewesen, dass es nicht um die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern um eine unterlassene Kampfmittelüberprüfung gehe. Das Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung und der Sachverhalt sei noch nicht abgeschlossen, weil der Gefahrenpunkt weiterhin bestehe und selbst bei Abschluss der durchgeführten Bauarbeiten an der Bushaltestelle die Klägerin als Grundstückseigentümer weitere Maßnahmen zur Sondierung ergreifen müssen.

Die Beklagte habe eine ihr obliegende Pflicht aus dem Architektenvertrag schuldhaft verletzt, da sie keine ausreichende Überprüfung auf möglicherweise vorhandene Kampfmittel vorgenommen habe. Sie sei zu einer derartigen Überprüfung verpflichtet gewesen. Zwar treffe grundsätzlich eine solche Pflicht den Eigentümer bzw. Bauherren als Zustandsstörer gemäß § 18 Abs. 1 OBG NRW. Indes habe die Klägerin diese Pflicht auf die Beklagte als beauftragte Architektin übertragen und die Beklagte habe in § 4 Nr. 1 und 5 des Architektenvertrages diese Verpflichtung ausdrücklich übernommen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen, auch wenn unterstellt werde, dass sie den streitigen Anruf bei der Bauordnungsbehörde der Streithelferin getätigt habe. Denn zuständig für die Kampfmittelbeseitigung seien die örtlichen Ordnungsbehörden; diese würden durch die Kampfmittelbeseitigungsdienste bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf unterstützt. Ansprechpartner für den Bauherren bleibe die örtliche Ordnungsbehörde, mithin nach § 3 OBG NRW die kreisfreien Städte, also die Streithelferin. Diese habe jedoch überzeugend dargetan, dass bei ihr die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde für den Bereich der Kampfmittelbeseitigung zuständig sei. Die Feuerwehr sei von der Beklagten unstreitig nicht kontaktiert worden. Bei der Bauordnungsbehörde und der Feuerwehr handele es sich um zwei unterschiedliche Sonderordnungsbehörden. In der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.) werde lediglich das Innenverhältnis zwischen den Behörden untereinander geregelt, so dass die Richtlinie keinerlei Außenwirkung entfalte. Die Richtlinie bestimme damit auch nicht, dass die Bauaufsichtsbehörden zuständig zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Bauherren seien. Gleiches gelte sinngemäß für das der Baugenehmigung beigefügte Merkblatt „Wichtige Informationen zu ihrem Bauvorhaben“; daraus gehe eindeutig hervor, dass der Bauherr sich zur Gefahrenabwehr an die Feuerwehr und gerade nicht an die Bauordnungsbehörde zu wenden habe. Unerheblich sei, ob die Klägerin als Bauherrin dieses Merkblatt an die Beklagte weitergeleitet habe. Als erfahrene Architektin hätte die Beklagte sich nicht auf etwaig erteilte telefonische Auskünfte der Bauordnungsbehörde verlassen dürfen, sondern vielmehr wissen müssen, dass eine Anfrage bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die zuständige Ordnungsbehörde erforderlich sei. Gerade für Großprojekte öffentlicher Auftraggeber sei es nicht ungewöhnlich, dass solche Verdachtsflächen bestünden und untersucht werden müssten. Demgemäß komme es auch nicht darauf an, ob es ein Telefonat mit dem beklagtenseits behaupteten Inhalt gegeben habe, zumal unplausibel sei, dass keine schriftlichen Vermerke hinsichtlich dieses Telefonats hätten beigebracht werden können.

Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Auf das Fehlen von Verdachtsflächen im Bebauungsplan könne sie sich nicht berufen, da die Kennzeichnung solcher Flächen erst ab 1987 erforderlich sei; vorliegend stamme der Bebauungsplan indes aus 1974. Ungeachtet dessen handele es sich bei § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB um eine Sollvorschrift, sodass keine umfassende Überprüfung aller Bebauungspläne mit der Einführung der Vorschrift habe stattfinden, sondern vielmehr gewonnene Erkenntnisse bei Änderungen der Bebauungspläne hätten berücksichtigt und kenntlich gemacht werden sollen. Dass das Grundstück sich nicht in der Nähe der Altstadt befinde, entlaste die Beklagte ebenfalls nicht, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass in diesem Bereich Blindgänger lägen. Auch der Umstand, dass man bei umfassenden Erdarbeiten nicht auf Blindgänger gestoßen sei, entlaste die Beklagte nicht, da es sich hierbei um Glück bzw. Zufall gehandelt haben könne. Soweit das Baugrundgutachten (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) betroffen sei, sei beachtlich, dass hierbei der Boden geologisch untersucht werde und auch Altlasten aufgedeckt würden; hierunter fielen jedoch in der Regel keine Blindgänger, da sie nur in einem kleinen Punkt im Boden vorhanden seien, während sich Giftstoffe im ganzen Boden verteilten und durch die chemische Zusammensetzung im Boden ermittelt werden könnten. Ungeachtet dessen werde für das Baugrundgutachten nicht der gesamte Boden gescannt, sondern mithilfe von einzelnen Kernbohrungen an unterschiedlichen Punkten ein Querschnitt der einzelnen Bodenschichten ermittelt.

Die Pflichtverletzung sei auch kausal für den entstandenen Schaden, da nach der amtlichen Auskunft feststehe, dass bei Nachfragen im Jahr 2012 der Verdachtspunkt mitgeteilt worden wäre, da der Verdachtspunkt auf mehreren Luftbildern eindeutig zu erkennen sei und sich die Methodik seither nicht verändert habe.

Dass die Klägerin ohnehin die Kosten der Kampfmittelsondierung zu tragen habe, führe nicht zur Verneinung einer Schadensersatzpflicht. Die Kosten für die eigentliche Entfernung von Blindgängern würden zwar von der öffentlichen Hand übernommen; hiervon seien jedoch nicht die Kosten für vor- und nachbereitenden Maßnahmen umfasst, da diese nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 09.11.2007 der Zustandsstörer selbst zu tragen habe. Soweit die Beklagte auf eine Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf (Anlage BLD, Bl. 91 d.A.) abstelle, werde darauf hingewiesen, dass Kosten für vorbereitende Maßnahmen nicht vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen würden. Hierin würden Maßnahmen, wie das Abschieben des Bodens bis auf das Niveau von 1945, freie Zufahrtsmöglichkeit für Bagger und Baugeräte, Entfernen des Bewuchses usw. genannt.

Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten. Zwar habe diese die Abbrucharbeiten eigenständig durchgeführt; aus Nr. 4 der Richtlinie ergebe sich indes, dass die Ordnungsbehörden bei Abbrucharbeiten nicht verpflichtet seien, Anträge an den Kampfmittelbeseitigungsdienst zu stellen, da bei derartigen Abbrüchen der zuvor umbaute Raum nicht ausgeweitet werde. Zwar gelte dies im Innenverhältnis zwischen einzelnen Behörden; indes könne hier für die Klägerin nicht anders gelten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe gegen § 308 ZPO verstoßen, weil es keinen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelsondierung, zu deren Durchführung sie keinesfalls verpflichtet gewesen sei, getroffen habe, sondern unter Überschreitung der Grenzen zulässiger Auslegung einen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelüberprüfung tenoriert habe, obgleich kein missverständlicher oder unklar gefasster Antrag vorgelegen habe und das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, nach § 139 ZPO auf die Notwendigkeit einer Klarstellung hinzuweisen, zumal die Klägerin selbst nach ihrem, der Beklagten, Vorhalt ihren Antrag nicht umgestellt habe. Insofern hätte das Landgericht den unmissverständlich formulierten und keiner Auslegung zugänglichen Antrag als unbegründet abweisen müssen.

Verkannt habe das Landgericht zudem, dass die der Klägerin obliegende Pflicht, für Kampfmittelfreiheit zu sorgen, nicht auf sie, die Beklagte, übertragen worden sei. In § 4 und § 5 des Architektenvertrages finde sich hierzu nichts. Unzutreffend sei auch, dass der Architekt im Rahmen der Grundlagenermittlung und Vorplanung generell die Aufgabe habe, Bodenrisiken zu ermitteln, da dies nicht zu den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 oder 2 gehöre; vielmehr sei die „Standortanalyse“ als „Besondere Leistung“ umschrieben, die damit explizit beauftragt werden müsse, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Auch das „Erarbeiten und Erstellen von besonderen bauordnungsrechtlichen Nachweisen“ stelle eine besondere Leistung der Leistungsphase 2 der. Die sie treffende Pflicht zur Grundlagenermittlung habe sie durch die Beauftragung und Einholung des Baugrundgutachtens erfüllt. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, hätten keine objektiven Anhaltspunkte vorgelegen, die eine Pflicht zur Prüfung ausgelöst hätten. Ungeachtet dessen habe das Landgericht selbst bei Annahme einer entsprechenden Pflicht verkannt, dass sie, die Beklagte, dieser Pflicht durch die fernmündliche Nachfrage bei der Bauordnungsbehörde, der Zeugin E, nachgekommen sei, da der Zeuge G im Herbst 2012 telefonisch von der Zeugin E die Auskunft erhalten habe, dass eine Kampfmittelverdachtsfläche nicht vorliege; ihr entsprechendes Beweisangebot habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft übergangen. Das Landgericht sei offenbar in vorweggenommener Würdigung dem Einwand der Streithelferin gefolgt, dass ein solches Telefonat nicht stattgefunden habe mit dem Hinweis, dass ein Telefonvermerk nicht vorgelegt worden sei, obgleich die Annahme, dass über solche Telefonate stets ein Vermerk erstellt werde, einer tragfähigen Grundlage entbehre.

Fehlerhaft habe das Landgericht zudem angenommen, dass sie, die Beklagte, sich selbst und originär bei der Feuerwehr hätte erkundigen müssen, da die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei und ebenso wie die Bauordnungsbehörde Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren wahrnehme. Da sie, die Beklagte, sich bei der Streithelferin selbst erkundigt habe, sei eine gesonderte Nachfrage bei der Feuerwehr nicht notwendig geworden; ungeachtet dessen verkenne das Landgericht, dass ein Außenstehender den Behördenaufbau nicht kennen müsse und auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft habe vertrauen dürfen. Die Frage der Kampfmittelfreiheit sei allein Sache der Behörde, also der Streithelferin, und der Bauherr könne darauf vertrauen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit seitens der Behörde geklärt worden sei, zumal diese Frage schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu beachten sei. Hierbei sei auch beachtlich, dass im Bebauungsplan das Baufeld nicht als Verdachtsfläche gekennzeichnet gewesen sei. Das Landgericht verkenne auch die Bedeutung der Richtlinie; es gehe darum, dass schon aus dem Bebauungsplan folge, dass sich die Behörde auch unter Einbeziehung der Sonderordnungsbehörden um die Kampfmittelfreiheit aus Sicht des Bauherrn bzw. Architekten gekümmert habe.

In der unterlassenen Kontaktaufnahme zu Feuerwehr könne ohnehin keine Pflichtverletzung gesehen werden, da in dem nur an die Klägerin gerichteten Merkblatt, welches sie, die Beklagte gerade nicht erhalten habe, allein die Rede davon sei, dass Kontakt bei „Entfernung gegebenenfalls vorhandener Kampfmittel“ aufzunehmen sei. Eine Kontaktaufnahme erübrige sich aber, wenn schon aus dem Bebauungsplan eine Gefahrenstelle überhaupt nicht ersichtlich sei. Dies gelte hier erst recht, da die Zeugin E bestätigt habe, dass kein Verdacht auf Kampfmittel bestehe.

Aber selbst eine Pflichtverletzung unterstellt, sei von einem fehlenden Verschulden ihrerseits auszugehen, da der Bebauungsplan keine negative Aussage zu Kampfmittelfreiheit treffe, zur Stellung des Baugrundgutachtens Rammkernsondierungen auf dem Baugrundstück durchgeführt worden seien und ein Architekt davon ausgehen dürfe, dass solche Sondierungen nicht ohne Erkundigung zur Kampfmittelbeseitigung durchgeführt würden und die Klägerin selbst den Abriss übernommen und das Baufeld hergerichtet habe. Warum beim Abriss keine Sondierung durchzuführen sei, erschließe sich nicht, da auch dort gleichermaßen tief und mit höheren Erschütterungen auf den Boden eingewirkt werde.

Überdies fehle es an der Kausalität zwischen vermeintlicher Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, da die Zeugin E die Auskunft erteilt habe, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege; diese Auskunft hätte sie, die Beklagte, auch dann erhalten, wenn sie sich an die Feuerwehr gewandt hätte. Das Landgericht habe insofern die eingeholte amtliche Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg fehlerhaft gewürdigt und unterstellt, dass bei der Bezirksregierung im Jahre 2012 eine Einstufung der Fläche als Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe, obgleich sich aus der Auskunft ergebe, dass 2012 eine solche Einstufung gar nicht vorgelegen habe.

Überdies habe das Landgericht fehlerhaft ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Soweit noch unberücksichtigten Beweisangeboten nachzugehen sei, müsse der Senat das Verfahren an das Landgericht zurückverweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) an das Landgericht Münster zurück zu verweisen und

vorsorglich für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt – unter Neufassung ihres Feststellungsantrags, festzustellen dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden in Form der ihr entstehenden Mehrkosten zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte – sinngemäß

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil; sie rügt den neuen Sachvortrag der Beklagten als verspätet und meint, dass kein Verstoß gegen § 308 ZPO vorliege, da sie ihren Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung soweit konkretisiert habe, dass das Landgericht in zulässiger Weise eine Auslegung vorgenommen habe; hätte das Landgericht überdies einen Hinweis gegeben, wäre auch ein sachdienlicher Antrag gestellt worden. Ungeachtet dessen sei die fehlende Kampfmittelüberprüfung auf das Verschulden der Beklagten zurückzuführen, so dass der ursprünglich angekündigte Antrag zwar unpräzise, aber sachlich nicht falsch gewesen wäre.

Bereits bei Einreichung des Bauantrages, welcher vor dem Abbruchantrag gestellt worden sei, hätte die Kampfmittelüberprüfung seitens der Beklagten beantragt werden müssen. Nach dem Architektenvertrag seien alle Leistungsphasen geschuldet gewesen. Die Beklagte habe sie, die Klägerin, nicht über die Problematik aufgeklärt; wäre eine entsprechende Aufklärung erfolgt, hätte sie, die Klägerin, – was sich auch aus der tatsächlichen Vermutung beratungskonformen Handelns ergebe – entsprechend gehandelt.

Eine telefonische Auskunft dahingehend, dass es sich bei dem Grundstück nicht um eine Kampfmittelverdachtsfläche handele, habe die Streithelferin der Beklagten nicht erteilt, zumal hierüber ein Vermerk gefertigt worden wäre. Die Zeugin E sei zudem unzuständig zur Erteilung einer Auskunft gewesen sei. Eine Nachfrage bei der zuständigen Feuerwehr sei nicht erfolgt; dass es sich um eine Verdachtsfläche gehandelt habe, sei als allgemeinkundig anzunehmen, da das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg gelegen habe und B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört worden sei, so dass ausnahmslos bei jedem neuen Bau die Möglichkeit von Blindgängern zu hinterfragen gewesen sei. Überdies habe sich am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befunden, das sogar erklärtes Ziel der Alliierten gewesen sei.

Die Pflichtverletzung der Beklagten in Form der fehlenden Aufklärung und Antragstellung sei kausal geworden für die fehlende Kampfmittelüberprüfung. Inzwischen liege die Kalkulation der Gesamtkosten (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) hinsichtlich der Nachholung der fehlenden Kampfmittelüberprüfung durch Abbruch des Gebäudeteils vor.

Die Streithelferin meint, dass die behauptete Nachfrage bei der Zeugin E unbeachtlich sei, da diese beim Bauordnungsamt, nicht aber bei der für Auskünfte zur Kampfmittelfreiheit und Kampfmittelverdachtsfällen zuständigen Feuerwehr beschäftigt sei. Ungeachtet dessen habe die Zeugin E eine solche Auskunft auch nicht erteilt.

Der Senat hat die Parteivertreter der Klägerin und den Parteivertreter der Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin E und des Zeugen G in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2021. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls vom 18.05.2021 und den die wesentlichen Ergebnisse der persönlichen Anhörungen und der Zeugenvernehmungen zusammenfassenden Vermerk des Berichterstatters vom 18.05.2021 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet und führt allein zur klarstellenden Neufassung des Tenors.

1.

Ob das Landgericht den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag abweichend vom Wortlaut in der vorgenommenen Weise auslegen durfte, kann letztlich dahinstehen, da ein – unterstellter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO – dadurch geheilt worden ist, dass die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlichen Prozessverhalten deutlich gemacht hat, dass sie den Antrag jedenfalls nunmehr mit dem vom Landgericht tenorierten Inhalt stellen will.

a)

Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 07. Dezember 1988 – IVb ZR 23/88 – FamRZ 1989, 483; BGH, Urteil vom 16-11-1989 – I ZR 15/88 – NJW-RR 1990, 997; OLG München, Urteil vom 08. Juni 2004 – 13 U 5690/03 – zitiert nach juris; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 308 ZPO Rn. 14; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 2).

Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass dann, wenn ein Klageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, dieser im Regelfall keiner Auslegung zugänglich ist. Indes ist bereits zweifehlhaft, ob eine derartige Bestimmtheit vorliegt. Zwar ist der Antrag seinem Wortlaut nach auf das Unterlassen der „Kampfmittelsondierung“ gerichtet. Indes werden Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519). Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 308 ZPO Rn. 5a). Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; BGH, Versäumnisurteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 152/15 – NJW-RR 2016, 1107).

Ob zwischen der beantragten Kampfmittelsondierung und der tenorierten Kampfmittelüberprüfung überhaupt ein wesentlicher Unterschied besteht, ist bereits zweifelhaft. Bei einer Kampfmittelbeseitigung handelt es sich um die Beseitigung von Kampfmitteln, also nach § 1 Abs. 2 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung) vom 12.11.2003, gewahrsamslos gewordener Gegenstände militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände, die Explosivstoffe enthalten oder aus Explosivstoffen bestehen oder Kampfstoffe enthalten. Nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen überprüft der Kampfmittelbeseitigungsdienst den hinreichenden Indikator der Kampfmittelbelastung durch Erkundung, Detektion und feststellenden Bodeneingriff vor Ort (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Die Kampfmitteluntersuchung erfolgt mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächendetektion (vgl. Ziffer 2.2.6 Satz 6; 6.2.4 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen), Bohrlochdetektion (Ziffer 6.2.7 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) oder Tiefensondierung über Geomagnetik, Elektromagnetik, Georadar oder Bodenradar, oder aus einer Kombination der vorgenannten Maßnahmen. Insofern mag ein inhaltlicher Unterschied zwischen den Begriffen der Kampfmittelsondierung einerseits und der Kampfmittelüberprüfung andererseits in der Form anzunehmen sein, dass die Kampfmittelsondierung der engere Begriff ist, weil diese durch die oben beschriebenen Detektionsmaßnahmen erfolgt, während die Kampfmittelüberprüfung als Oberbegriff neben der Kampfmitteldetektion nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen auch die Erkundung und den feststellenden Bodeneingriff vor Ort erfasst. Ob damit das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, kann aber letztlich dahinstehen.

b)

Ist nämlich anzunehmen, dass das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, ist der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO durch nachträgliche Genehmigung geheilt worden.

Beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, so wird durch die darin liegende Genehmigung der Mangel geheilt, denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung liegt eine – noch in der Berufungsinstanz mögliche – Klageerweiterung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 – VII ZR 174/03 – MDR 2005, 645; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 7). Die Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig. Die Voraussetzungen des § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO liegen vor. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 533 ZPO Rn. 11). Auch die weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit von im Berufungsrechtszug erstmalig geltend gemachten Ansprüchen gemäß § 533 Nr. 2 ZPO liegt vor, denn diese können hier auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2019 – 4 U 8/17 – zitiert nach juris).

2.

Für den Senat bestand aber Anlass, nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Stellung eines sachdienlichen Feststellungsantrag anzuregen.

a)

Unstreitig schuldete die Beklagte persönlich weder einer Kampfmittelsondierung noch eine Kampfmittelüberprüfung. Denn hierzu ist ausschließlich der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Die Beklagte ist hierzu weder vertraglich verpflichtet noch in der Lage, da die Durchführung von jeglichen Erkundungsarbeiten nach Kampfmitteln nur speziell geschulten und zugelassenen Fachunternehmen nach §§ 7, 20 SprengG gestattet ist und § 3 der Kampfmittelverordnung das Suchen von Kampfmitteln sowie deren Besitz nur den Stellen gestattet, die durch die Bezirksregierung mit der Beseitigung der Kampfmittel beauftragt sind, hier also nach § 1 Abs. 2 der Kampfmittelverordnung dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf. Auch die Klägerin stellt nicht darauf ab, dass die Beklagte die Kampfmittelüberprüfung selbst vorzunehmen hätte, sondern meint, dass die Beklagte den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung hätte stellen bzw. sie jedenfalls über die Notwendigkeit eines derartigen Antrages hätte aufklären müssen.

b)

Diesem Anliegen der Klägerin entspricht die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nicht, so dass der Senat auf die Stellung eines sachdienlichen Antrages, der diesem Anliegen der Klägerin entspricht, hinzuwirken hatte. Da hiermit kein Hinweis auf neue, im Vortrag der Parteien noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe verbunden war (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 – NJW-RR 2004, 495; BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04 – NJW 2007, 2414 Rn. 22), hat die Klägerin in zulässiger Weise auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren Feststellungsantrag klarstellend formuliert und klargestellt, dass sie eine Feststellung allein hinsichtlich der Mehrkosten begehrt, die nun auf sie zukommen, weil die Kampfmittelüberprüfung nicht schon vor Erstellung des Neubaus im Jahre 2012 veranlasst worden ist.

3.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a)

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist zu bejahen, da damit eine mögliche Verjährung verhindert werden soll (vgl. OLG München, Urteil vom 06. Dezember 2016 – 28 U 2388/16 Bau – BauR 2017, 1041). Es kommt in Betracht, dass auf die Klägerin als Zustandsstörerin Kosten im Zusammenhang mit der nachträglichen Kampfmittelüberprüfung zukommen werden, da nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung Erstattung der anfallenden Kosten) bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte, dass sich auf einem Grundstück bislang verborgen gebliebene Kampfmittel befinden und von dem Grundstück selbst eine Gefahr ausgeht, der Eigentümer des Grundstücks als Zustandsstörer iSd §§ 14, 18 OBG NRW verantwortlich ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03. Juni 1997 – 5 A 4/96 – zitiert nach juris). Die Klägerin ist als Grundstückseigentümerin Störerin und damit gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Übernahme der entstehenden Kosten verpflichtet, wobei nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 die Ordnungsbehörde im Ermessenswege darüber entscheidet, wie der Verpflichtung nachzukommen ist.

Beachtlich ist zwar, dass die Kosten der Kampfmittelbeseitigung als solche von der öffentlichen Hand – der örtlichen Ordnungsbehörde (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2015 – 6 K 7535/13 – zitiert nach juris) – getragen werden. Nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB tragen der Bund und die Länder als staatliche Stellen aber nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung, d. h. nur die Kosten, die zur Beseitigung einer „unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben“ erforderlich sind. Die Gefahrenerforschung wird von den zuständigen Stellen (Land, Kommunen) grundsätzlich kostenfrei wahrgenommen. Die aus der Kampfmittelbeseitigung entstehenden Kosten trägt das Land NRW.

Aber alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB von der örtlichen Ordnungsbehörde bzw. vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Hier kommen insbesondere die Kosten für den Abbruch bereits erstellter Gebäudeteile und deren Wiederherstellung oder Bohrungen durch die Bodenplatte eines Gebäudes in Betracht.

b)

Dass die Klägerin – gestützt auf ihre eigene Berechnung (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) – nunmehr eine Leistungsklage erheben könnte, steht der Zulässigkeit des Feststellungantrags nicht entgegen.

Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine teilweise Bezifferung möglich ist, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 – zitiert nach juris); der Geschädigte kann zwar hinsichtlich des bereits bezifferbaren Teils des Schadens Leistungsklage und im Übrigen Feststellungsklage erheben (vgl. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 256 ZPO Rn. 7a). Er muss dies aber nicht.

Ist – wie hier – die Feststellungsklage nach diesen Grundsätzen zulässig erhoben worden, braucht der Kläger auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 − VIII ZR 212/08 – NJW 2011, 3361; BGH, Urteil vom 4. 11. 1998 – VIII ZR 248/97 – NJW 1999, 639; Bacher, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 256 ZPO Rn. 27).

4.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der der Klägerin entstehenden Mehrkosten, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte, zu.

a)

Die Planungsleistung der Beklagten ist bereits deswegen mangelhaft, weil ein Kampfmittelverdacht hinsichtlich der mit den Neubauten überbauten Grundstücksflächen besteht.

aa)

Die Beklagte war auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Hinblick auf die Kampfmittelfreiheit verpflichtet, das Problem der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen. Insofern kann dahinstehen, ob die Beklagte letztlich für die Leistungsphase 1, in deren Umfang sie unter anderem den Baugrund abzuklären hatte (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 03. März 2010 – 2 U 68/07 – zitiert nach juris), ein Honorar berechnet oder insofern diese Leistungsphase in ihrer Schlussrechnung „auf Null“ gesetzt hat. Denn spätestens mit der Baugenehmigungsantragstellung – Leistungsphase 4 – hätte die Beklagte die Klägerin auf die Nachweispflicht des § 16 BauO NRW a.F. bzw. auf die Notwendigkeit zur Feststellung der Kampfmittelfreiheit durch die zuständige Stelle gemäß den dargestellten gesetzlichen Vorgaben hinweisen müssen.

Denn die Berücksichtigung der Kampfmittelproblematik durch die Beklagte war erforderlich, da dies aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zur sachgerechten Umsetzung des Bauvorhabens aus dem Pflichtenkreis der Klägerin als Bauherrin erforderlich erschienen ist und die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass die Kampfmittelprüfung bereits stattgefunden hatte. Dies gilt insbesondere deswegen, weil es sich um ein Großprojekt mit zahlreichen Wohnungen handelt und eine große Personenzahl gefährdet sein kann.

(1)

Der Einwand der Beklagten, dass es sich um eine mangels gesonderter Vereinbarung nicht geschuldete „Besondere Leistung“ der Standortanalyse gehandelt habe, verfängt nicht.

Besondere Leistungen sind solche, die erforderlich sind, um besonderen Anforderungen des Auftrags gerecht zu werden, für deren Erfüllung der Katalog der Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, nicht ausreicht (vgl. Wirth, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, 8. Auflage 2013, § 3 HOAI Rn. 46). Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass die Standortanalyse (Ziffer 2.6.1 der Anlage 2 § 3 Abs. 3 in der hier vom 18.08.2009 bis 16.07.2013 geltenden und damit maßgeblichen HOAI 2009, so auch Ziffer 10. 1 LPH 1 Grundlagenermittlung der Anlage 10 zu §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 7 HOAI 2013) eine „Besondere Leistung“ ist. Eine „Standortanalyse“ stellt indes eine betriebswirtschaftliche Aufgabe dar; sie steht im Zusammenhang mit der Standortplanung und Standortsuche (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Zum einen können darunter immobilienwirtschaftliche Untersuchungen zur Frage der Vermarktungsmöglichkeiten durch Verkauf, Vermietung oder Verpachtung an einem angedachten oder noch zu findenden Standort zu verstehen sein; es kann aber auch darum gehen, den idealen Standort für ein Unternehmen herauszufinden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Dafür müssen zunächst Kriterien für Standortfaktoren gebildet und ein Anforderungsprofil definiert werden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Ist – wie hier – ein Grundstück bereits gefunden, kann analysiert werden, ob dieses den gestellten Anforderungen genügt (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48).

Hieraus aber folgt, dass es sich bei der Frage der Kampfmittelfreiheit gerade nicht um eine „Standortanalyse“, sondern um die Beurteilung der Frage handelt, ob das bereits ausgewählte Grundstück erst nach Abklärung der Kampfmittelbelastung bebaubar ist; damit aber handelt es sich jedenfalls um eine Grundleistung der Leistungsphase 2. Nach § 5.2 Satz 3 des Architektenvertrages war die Beklagte zudem ausdrücklich verpflichtet, auf Bedenken gegen die Umsetzbarkeit der Planung hinzuweisen.

(2)

Nach den konkreten Umständen bestand die Pflicht des Bauherren und damit der Beklagten, eine Kampfmittelbelastung abklären zu lassen.

Nach § 16 Abs. 1 BauO NRW in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung (im Folgenden a.F., entspricht § 13 Abs. 1 BauO NRW n.F.) muss der Bauherr vor Beginn eines Bauvorhabens die Kampfmittelfreiheit nachweisen. § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. fordert, dass Baugrundstücke für die jeweiligen baulichen Anlagen entsprechend geeignet sein müssen. Das betrifft neben der Beschaffenheit des Grund und Bodens (vor allem Ungeeignetheit wegen Altlasten, Lage im Überschwemmungsgebiet oder Strahlenbelastung) auch die vorgesehene Nutzung (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Auch nach Ziffer 2 Satz 1 der Richtlinie müssen Baugrundstücke im Hinblick auf ihre Kampfmittelfreiheit für bauliche Anlagen geeignet sein.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich – unwidersprochen – vorgetragen, dass das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg lag, B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört wurde und sich überdies am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befand, dass sogar erklärtes Ziel der Alliierten war. Soweit die Beklagte vorträgt, dass sich das Bauvorhaben am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befinde und die größten Zerstörungen die B Altstadt betroffen hätten, ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass wegen der erheblichen Mengen an abgeworfenen Bomben im gesamten Stadtgebiet mit Blindgängern zu rechnen ist. Dass nach Kriegsende eine Erschließung durch zwei Straßen erfolgte, führt ebenfalls nicht zur zwingenden Annahme, dass anlässlich der Planung und Errichtung dieser Straße eine Kampfmittelüberprüfung erfolgt war, zumal die festgestellte Bombenblindgängereinschlagsstelle VP #### sich auf dem Gelände, nicht aber auf den Erschließungsstraßen befindet.

(3)

Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war.

(a)

Aus der Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) konnte die Beklagte nicht entnehmen, dass die Kampfmittelfreiheit im Genehmigungsverfahren geprüft worden war. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) erhalten hat. Die Baugenehmigung wurde nämlich nach § 63 BauO NRW a.F.  (entspricht § 60 BauO NRW n.F.) erteilt. Nach Ziffer 3 Abs. 2 der Richtlinie wird die Gemeinde gemäß Nr. 16.22 Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung (VV BauO NRW) vom 12. Oktober 2000 (SMBl. NRW. 23210) im Baugenehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde beteiligt. Nach Nr. 16.22 Abs. 2 VV BauO NRW sind allein Baugenehmigungen für Sonderbauten nach § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW, die Bauvorhaben mit nicht unerheblichen Erdeingriffen in Kampfmittelverdachtsflächen betreffen, eine Nebenbestimmung anzufügen, wonach mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden darf, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben werden. Der feststellende Teil der Baugenehmigung, der die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem geltenden Recht bestätigt, bleibt unangetastet, der verfügende Teil, der die sogenannte „Baufreigabe“ beinhaltet, wird damit aufschiebend bedingt. Nur bei Sonderbauten erhält der Bauherr damit einen ausdrücklichen Hinweis, da dort die Kampfmittelüberprüfung Teil des Baugenehmigungsverfahrens ist. Vorliegend ist indes kein Sonderbau betroffen, da in der Baugenehmigung auf die Regelung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 Abs. 2 BauO NRW abgestellt wird, so dass ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 68 BauO NRW durchgeführt worden ist. Nach Nr. 16.22 Abs. 3 VV BauO NRW wird aber im vereinfachten Genehmigungsverfahren § 16 BauO NRW a.F. von der Bauaufsichtsbehörde nicht geprüft.

(b)

Auch die Tatsache, dass im Bebauungsplan keine Hinweise auf eine mögliche Kampfmittelbelastung genannt waren, war nicht aussagekräftig, weil der Bebauungsplan aus dem Jahre 1974 stammte.

Nach Ziffer 3.1 Abs. 3 der Richtlinie ist zwar bei der Aufstellung von Bebauungsplänen der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zu beteiligen; er wertet die Kampfmittelbelastung für die gesamte Fläche aus und teilt das Auswertungsergebnis und das staatliche Handlungserfordernis der Gemeinde mit. Die betroffenen Flächen sollen nach § 9 Abs. 5 BauGB im Bebauungsplan gekennzeichnet werden.

Allerdings stammen die vorgenannten Normen erst auf der Zeit nach Erlass des Bebauungsplans; § 9 Abs. 5 BauGB wurde mit Gesetz vom 08.12.1986 (BGBl. I S. 2191) zum 01.07.1987 neu gefasst und die Richtlinie datiert vom 08.05.2006. Die textlichen Ergänzungen zum Bebauungsplan vom 08.11.2010 (Anlage E2, Bl. 150 d.A.) bezogen sich auf einen gänzlich anderen Punkt, nämlich die Einsichtnahmemöglichkeit in DIN-Vorschriften.

(c)

Auch aus dem Inhalt des Baugrundgutachtens konnte die Beklagte nicht darauf schließen, dass die Frage der Kampfmittelbelastung geklärt war.

Unstreitig hat die Klägerin zwar das Baugrundgutachten vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) eingeholt. Indes hat das Landgericht zutreffend darauf verwiesen, dass hiermit Baugrunduntersuchungen durchgeführt und ein Vorbericht zum geotechnischen Gutachten ausgearbeitet werden sollte. Die Zielrichtung des Gutachtens war daher Auskunft über den Aufbau des Baugrunds und dessen bodenmechanische Eigenheiten wie z. B. seine Tragfähigkeit oder sein Setzungsverhalten zu geben und Erkenntnisse zum Grundwasservorkommen sowie der ggf. benötigten Bodenverbesserung zu liefern. Auch die Beklagte hat durch ihren Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass es nicht Auftrag des Geologen ist, die Kampfmittelfreiheit zu untersuchen.

Soweit zur Erstellung des Baugrundgutachtens 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden sind, konnte die Beklagte aber weder annehmen, dass vor den Rammkernsondierungsbohrungen eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden hatte, noch dass bei den Rammkernsondierungsbohrungen Blindgänger aufgefallen wären, da Kampfmittel –weil sie in der Regel ferromagnetisch sind – mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächen- oder Bohrlochdetektion oder Tiefensondierung, nicht aber durch Rammkernsondierungsbohrungen ermittelt werden. Dass anlässlich der Rammkernsondierungsbohrungen keine Detonation ausgelöst worden ist, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass deswegen von einer Kampfmittelfreiheit auszugehen ist, da es ebenso denkbar ist, dass zwar Kampfmittel vorhanden sind, aber aufgrund eines glücklichen Zufalls die durch die Rammkernsondierungsbohrungen bewirkten Erschütterungen nicht zur Detonation geführt haben.

(d)

Dass die Klägerin das Altgebäude samt Keller hatte abreißen lassen, war für die Beklagte ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig dafür, dass zuvor eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden haben könnte.

Hierbei kann dahinstehen, ob für den Abbruch nach Ziffer 4 der Richtlinie kein Nachweis erforderlich war. § 16 Abs. 1 BauO NRW a.F. verlangt, dass Grundstücke für bauliche Anlagen geeignet sein müssen. Da es gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F. für die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, und den Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. der Baugenehmigung bedarf, kommt es allein darauf an, ob mit dem Abbruch ein Erd- oder Bodeneingriff, also eine Maßnahme, bei der in den Boden eingegriffen werden soll, vorliegt. Die Beklagte hat unwidersprochen behauptet, auf dem kompletten Baugelände seien umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden.

Ist zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass vor der Ausführung der Abbrucharbeiten der Nachweis der Kampfmittelfreiheit hätte geführt werden müssen, war für die Beklagte jedenfalls unklar, ob eine Überprüfung tatsächlich stattgefunden hat, was erst recht gilt, wenn sie nach eigenem Vortrag die Abbrucharbeiten weder planerisch noch bauüberwachend begleitet hat. Dass bei den vorangehenden Abbrucharbeiten nichts passiert ist, schließt eine Kampfmittelbelastung nicht aus, sondern kann allein einer glücklichen Fügung geschuldet sein.

Gleiches gilt sinngemäß für die in der Vergangenheit nach 1945 und insbesondere im Jahre 1972 ausgeführten Baumaßnahmen auf dem Grundstück, da die hierbei bewirkten Erschütterungen auch aufgrund eines glücklichen Zufalls nicht zur Detonation im Erdboden verbliebener, aber unentdeckt gebliebener Kampfmittel geführt haben könnten.

(e)

Überdies ist die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht davon ausgegangen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war.

Denn ihr Projektleiter, der Zeuge G, soll nach bestrittenem Vortrag der Beklagten bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Streithelferin, der Zeugin E, telefonisch nachgefragt haben. Eine solche Nachfrage wäre indes entbehrlich gewesen, wenn aus Sicht der Beklagten die Frage der Kampfmittelfreiheit hinreichend geklärt gewesen wäre.

Der Zeuge G hat zudem im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bekundet, dass sie, die Beklagte, seinerzeit vom Rohbauunternehmen H die Nachfrage erhalten habe, ob Kampfmittelfreiheit bestehe. Die Beklagte habe der Anfrage des Rohbauunternehmen sicherheitshalber nachgehen wollen, so dass er deswegen fernmündlich nachgefragt habe. Damit aber war auch aus Sicht des Zeugen G die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend sicher geklärt, anderenfalls es keinen Anlass für diese fernmündliche Nachfrage gegeben haben könnte.

bb)

Die Klägerin war hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kampfmittelüberprüfung aufklärungsbedürftig.

Ein Hinweis könnte zwar entbehrlich gewesen sein, wenn die Klägerin Kenntnis von der Kampfmittelfreiheitnachweispflicht gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10 – NJW 2011, 1442; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – I-21 U 62/14 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2011 – I-23 U 218/09 – zitiert nach juris, jeweils zur Bedenkenhinweispflicht).

Eine solche Kenntnis ist indes weder dargetan, noch anderweit erkennbar. Der Parteivertreter der Klägerin, Herr I, hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass der Klägerin bei dem streitgegenständlichen Objekt das Kampfmittelproblem nicht bekannt gewesen sei. Erst in den Jahren hiernach sei die Klägerin anlässlich anderer Bauvorhaben von den jeweils damit betrauten Planungsbüros „vehement“ auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags zur Kampfmittelfreiheitsüberprüfung hingewiesen worden.

Zwar hat die Klägerin das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148-149 d.A.) erhalten. Die hierin enthaltenen Angaben waren zu den Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung aber derart wenig aussagekräftig, dass die Klägerin keine gesicherte Kenntnis von der Erforderlichkeit der Kampmittelüberprüfung haben konnte. Im Merkblatt ist lediglich die Rede von „ggf. vorhandener Kampfmittel“, deretwegen „vor Beginn der Ausschachtungsarbeiten Verbindung mit der städtischen Feuerwehr – Abteilung Vorbeugender Brandschutz…aufzunehmen“ sei. Da aber das Merkblatt keine Aussage dazu enthält, ob im Vorfeld eine Abstimmung oder gar der Nachweis der Kampfmittelfreiheit erforderlich ist, vermag der Zugang bei der Klägerin keine Kenntnis von der Kampfmittelnachweispflicht zu begründen. Ungeachtet dessen konnte die Klägerin davon ausgehen, dass sich die Beklagte um die Kampfmittelproblematik kümmern oder ihr zumindest einen Hinweis auf das Erfordernis der Kampfmittelüberprüfung erteilen würde.

cc)

Die Beklagte hat die Klägerin weder über die Relevanz der Kampfmittelüberprüfung beraten noch anderweit das Problem der Kampfmittelfreiheit hinreichend abgeklärt.

(1)

Unstreitig hat die Beklagte die Klägerin nicht auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

(2)

Auch hat die Beklagte das Problem der Kampfmittelfreiheit vor Ausführung der Neubauarbeiten nicht hinreichend geklärt. Die Beklagte hat zwar behauptet, der Zeuge G habe bei der Zeugin E zu einem nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt angerufen und die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber fest, dass es ein derartiges Telefonat nicht gegeben hat und damit die Beklagte die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht anderweit hinreichend geklärt hat.

Zwar hat der Zeuge G bekundet, dass es im Rahmen der Abwicklung des Bauvorhabens zwischen ihm und der Zeugin E mehrere Telefonate informeller Art zur Abklärung anstehender Fragen gegeben habe. Nachdem nach Hinweis des Rohbauunternehmens die Frage nach der Kampfmittelfreiheit „aufgepoppt“ sei, habe er bei der Bauaufsicht angerufen und dort von der Zeugin E die Erklärung erhalten, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege.

Demgegenüber hat die Zeugin E jedoch bekundet, dass sie sich zwar an ein derartiges Gespräch nicht erinnern und es sein könne, dass es ein Telefonat gegeben habe, in dem die Frage hinsichtlich Kampfmittel aufgeworfen worden sei. Aber sie könne hierzu in einem Telefonat gar keine Aussage machen, so dass sie diesbezüglich keine Auskünfte erteile. Sie verfahre in dieser Weise in den letzten 30 Jahren, in denen sie bei der Streithelferin beschäftigt sei. Wenn sie also jemand anrufe, dann verweise sie den Anrufer an die Feuerwehr. Mehr könne sie hierzu nicht sagen, weil ihr kein Verzeichnis oder Ähnliches vorliege, anhand derer sie eine Kampfmittelbelastung bewerten könne. Hätte es also eine Nachfrage der Beklagten gegeben, hätte sie die Beklagte an die intern zuständige Feuerwehr verwiesen.

Der Senat folgt der glaubhaften Bekundung der Zeugin E. Sie hat zunächst einen nachvollziehbaren und damit plausiblen Grund dafür genannt, weswegen sie grundsätzlich keine entsprechenden Auskünfte am Telefon erteile. Nicht nur sei nach ihrer Aussage die Feuerwehr für die Beantwortung derartiger Fragen zuständig. Vielmehr könne sie auch gar keine verlässliche Auskunft erteilen, weil ihr überhaupt keine entsprechenden aussagekräftigen Unterlagen vorlägen. Auch vor dem Hintergrund einer engen Abstimmung zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und ihr hätte sie eine derartige Auskunft weder erteilt noch erteilen können. Für die Richtigkeit ihrer Bekundung streitet auch, dass sie entsprechende Unsicherheiten offen zugegeben und nicht etwa in Abrede gestellt hat, dass es ein derartiges Telefonat gegeben haben kann, in dem die Beklagte die Frage der Kampfmittelbelastung gestellt hat.

Der Umstand, dass der Zeuge G bekundet hat, die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, streitet nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit ihrer Aussage. Denn die Aussage des Zeugen G weist Plausibilitätsdefizite auf. Nach der Bekundung des Zeugen G sei die Frage der Kampfmittelfreiheit erst aufgrund der Nachfrage des Rohbauunternehmens „aufgepoppt“, weswegen sich die Beklagte veranlasst gesehen habe „sicherheitshalber“ bei der Bauaufsicht nachzufragen. Ist die Beklagte jedoch bis zur Nachfrage des Rohbauunternehmen nach eigenem Vortrag davon ausgegangen, dass entweder keine Kampfmittelproblematik vorliegt oder aber die Frage der Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war, ist unplausibel, weswegen sie dann dem Rohbauunternehmen nicht ihre entsprechende Erkenntnis mitgeteilt, sondern – aus ihrer Sicht in unnötiger Weise – weitere Ermittlungen angestellt haben will. Insofern hätte es nahegelegen, dass die Beklagte dem Rohbauunternehmen mitgeteilt hätte, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war bzw. keine Kampfmittelproblematik vorlag. Denn der Zeuge G hat ausgesagt, dass für ihn die Frage der Kampfmittelfreiheit „eh klar“ gewesen sei. Warum trotz dieser bestehenden Klarheit, dass keine Kampfmittelproblematik gegeben war, gleichwohl weiterer Handlungsbedarf bei der Beklagten gesehen worden ist, erschließt sich mithin nicht. Überdies erscheint wenig nachvollziehbar, dass die Beantwortung der Anfrage des Rohbauunternehmen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es weitere Anfragen hinsichtlich anderer Umstände gegeben hatte – nicht dokumentiert worden ist. Ein Vermerk hinsichtlich des Telefonats ist nach Bekundung des Zeugen G nicht gefertigt worden. Unterlagen, aus denen sich die Beantwortung der Frage nach der Kampfmittelfreiheit ergeben konnte, soll es nach Aussage des Zeugen G nicht geben. Dass also das Rohbauunternehmen gerade vor dem Hintergrund des Umfangs des Bauvorhabens auf eine schriftliche Beantwortung der gestellten Frage nach der Kampfmittelfreiheit verzichtet haben könnte, erscheint kaum lebensnah.

Allein der Umstand, dass es sich bei der Zeugin E um eine Mitarbeiterin der Streithelferin handelt, streitet nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin E.

Da mithin aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass die Beklagte gerade nicht bei der Zeugin E und damit dem Bauordnungsamt hinsichtlich der Kampfmittelproblematik nachgefragt hat, steht ebenfalls fest, dass die Beklagte die Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend abgeklärt hat. Insofern kann auch dahinstehen, ob der von der Beklagten behauptete Anruf überhaupt ausreichend gewesen wäre, um anzunehmen, dass die Beklagte nicht pflichtwidrig oder jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt haben könnte. Da feststeht, dass sich die Beklagte gerade nicht bei der Zeugen E nach der Kampfmittelfreiheit erkundigt hat, bleibt es bei der Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und dabei, dass sie den ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Beweis (vgl. Lorenz, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, Stand: 01.02.2021, § 280 BGB Rn. 78) des Nichtvertretenmüssens nicht erbracht hat.

b)

Das Unterlassen der Antragstellung bzw. des an die Klägerin zu erteilenden Hinweises auf die Kampfproblematik ist auch schadensursächlich geworden.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin, wenn sie ordnungsgemäß von der Beklagten auf die Pflicht nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW zum Nachweis der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden wäre, einen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der eigentlichen Arbeiten zur Errichtung des Neubaus gestellt hätte. Da die Beklagte eine Hinweispflicht verletzt hat, muss sie darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Rat nicht gefolgt wäre, sie also keinen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt hätte, so dass es ebenfalls zu dem Schaden gekommen wäre. An einer solchen Darlegung fehlt es. Zudem streitet eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens für die Klägerin (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 280 Rn. 149), so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung gestellt hätte, zumal angesichts des erheblichen Umfangs der Neubaumaßnahmen nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass die Klägerin das Risiko eingegangen wäre, ohne Abklärung der Kampfmittelproblematik die Gebäude zu errichten und damit die – sich letztlich tatsächlich realisierte – Gefahr in Kauf zu nehmen, im Nachhinein Gebäude teilweise abreißen oder jedenfalls nur mit erheblichem zusätzlichen Aufwand die Kampfmittelüberprüfung durchführen lassen zu können.

Hätte die Beklagte alternativ statt des gebotenen Hinweises selbst den Antrag gestellt, so wäre eine Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der Neubauarbeiten erfolgt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat es dahinstehen lassen, ob die unterlassene Antragstellung durch die Beklagte oder die unterlassene Hinweiserteilung sich schadensursächlich ausgewirkt hat, weil in beiden Fällen der Schaden adäquat kausal verursacht worden wäre.

Wäre entweder aufgrund des gebotenen Hinweises der Beklagten ein Antrag durch die Klägerin auf Kampfmittelüberprüfung bei der zuständigen Ordnungsbehörde gestellt worden oder aber ein Antrag durch die Beklagte selbst eingereicht worden, hätte die bei der Streithelferin zuständige Abteilung die Angelegenheit an die Bezirksregierung Arnsberg weitergeleitet. Der Einwand der Beklagten, dass im Falle der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung gerade keine Weiterleitung an die Bezirksregierung Arnsberg erfolgt wäre, verfängt angesichts der feststehenden Umstände nicht. Im Falle einer Antragstellung wäre zunächst die Feuerwehr der Streithelferin mit der Angelegenheit befasst worden. Beachtlich ist hierbei, dass die Feuerwehr, die die Streithelferin gemäß §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 2 Feuerschutzhilfeleistungsgesetz (FSHG) in der vom 21.02.2004 bis 31.12.2015 geltenden Fassung zu unterhalten hatte, zwar auch Aufgaben der Gefahrenabwehr erfüllte, in Nordrhein-Westfalen indes keine (Sonder-)Ordnungsbehörde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.05.2010 – 11 U 304/09 – BeckRS 2010, 16648; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.1988 – 11 U 295/87 – BeckRS 2015, 19436), sondern lediglich eine Untergliederung der Ordnungsbehörde, also der Streithelferin, ist. Insofern wäre ein entsprechender Antrag intern an die Feuerwehr weitergeleitet worden, die dann die Bezirksregierung Arnsberg eingeschaltet hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Streithelferin es gleichwohl unterlassen hätte, auf einen entsprechend gestellten Antrag hin die Bezirksregierung Arnsberg einzuschalten, sind weder erkennbar noch dargetan. Insbesondere hat die Zeugin E bekundet, dass der intern zuständigen Feuerwehr zwar auch Luftbildaufnahmen vorlägen; indes liege der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Feuerwehr gerade wegen des Umstandes, dass ihr nicht sämtliche Luftbildaufnahmen vorliegen, ohne Einschaltung der Bezirksregierung Arnsberg überhaupt nicht verlässlich beurteilen konnte, ob sich ein Blindgängerverdachtspunkt ergeben könnte.

bb)

Soweit die Beklagte behauptet, dass selbst dann, wenn sie sich direkt an die Feuerwehr gewandt hätte, ihr die Feuerwehr die Auskunft erteilt hätte, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, unterstellt die Beklagte, dass die Feuerwehr ihr eine falsche Auskunft gegeben hätte. Hierfür sind indes keinerlei Umstände erkennbar oder dargetan, zumal aufgrund bestehenden Gesetzesbindung der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, gerade nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Feuerwehr entgegen ihrer Pflicht zur Erteilung einer richtigen Auskunft eine falsche Auskunft erteilt hätte. Denn wie bereits ausgeführt, lag der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Annahme, die Feuerwehr hätte gleichwohl auf einer erkannt unsicheren Auswertungsgrundlage eine verbindliche, aber im Ergebnis unzutreffende Auskunft erteilt, einer tragfähigen Grundlage entbehrt.

cc)

Nach der eingeholten amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg (Bl. 163-164 d.A.) steht fest, dass bei einer entsprechenden Antragstellung auf Kampfmittelüberprüfung eine Luftbildauswertung vorgenommen worden und auch im Jahre 2012 ein entsprechender Blindgängerverdachtspunkt aufgefallen und das Grundstück deshalb als Verdachtsfläche eingestuft worden wäre. Soweit die Beklagte einwendet, dass auch bei einem rechtzeitigen Hinweis und Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung angesichts des seinerzeitigen Standes der Technik entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen hätten, ist dies durch den Inhalt der amtlichen Auskunft vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) widerlegt, da sich hiernach die Auswertemethodik und die Qualität der Bilder seit 2012 nicht verändert hätten. Dann aber wären bei entsprechender Antragstellung vor dem Baubeginn entsprechende Sondierungsmaßnahmen veranlasst worden.

c)

Zutreffend hat das Landgericht auch einen Schaden bejaht. Wie bereits ausgeführt, tragen der Bund und die Länder nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung. Alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung nach Ziffer 2 Satz 10 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen ist die Geländeoberkante zum 08.05.1945, woraus folgt, dass zwar diejenigen Kosten, die dadurch entstanden sind oder entstehen, dass nach den Abbrucharbeiten das Gelände über der Bezugsebene entsprechend verfüllt oder verdichtet worden ist, nicht von der Beklagten zu tragen sind. Ersatzfähig sind indes diejenigen Mehrkosten, die gerade dadurch entstanden sind oder entstehen, dass vor dem Beginn der eigentlichen Bauarbeiten kein Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt worden ist und deswegen Gebäude entweder teilweise rückgebaut werden müssen oder aber aufgrund der nunmehr bestehenden Bebauung nur mit erheblichem zusätzlichem Aufwand Kampfmittelüberprüfungsarbeiten möglich sind.

d)

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin im Sinne des § 254 BGB ist nicht gegeben.

aa)

Soweit die Beklagte meint, ein Mitverschulden der Klägerin sei deswegen anzunehmen, weil sie vor Vornahme der Abbrucharbeiten verpflichtet gewesen sei, einen entsprechenden Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen, ist beachtlich, dass die Klägerin mit ihren Abbrucharbeiten einen Zustand geschaffen hat, bei dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst sogar in deutlich leichterer Weise die Bodensondierung hätte durchführen können. Denn durch den Abriss der vorhandenen Bebauung ist der Zugang zur maßgeblichen Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung deutlich erleichtert worden. Erst infolge der Neubebauung ohne vorherige Abklärung der Kampfmittelbelastung ist der Zugang zur Bezugsebene durch die Bebauung erheblich erschwert worden und kann nur noch durch aufwändige Maßnahmen wieder gewährleistet werden, wobei dahinstehen kann, ob ein Abriss des auf dem Blindgängerverdachtspunkt aufstehenden Gebäudes oder ein großräumiger Aufbruch der Bodenplatte des Gebäudes erforderlich sein wird oder aber eine seitliche Ausschachtung neben dem Gebäude mit einer horizontalen Beprobung sich als ausreichend erweisen sollte.

bb)

Ein Mitverschulden kann auch nicht damit begründet werden, dass die Klägerin es nach bestrittenem Vortrag der Beklagten unterlassen hätte, der Beklagten das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) zu übermitteln. Wie bereits ausgeführt, war hierin zwar ein allgemeiner Hinweis zu Kampfmittelüberprüfung enthalten; die Angaben zur Erforderlichkeit und Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung waren indes – wie bereits gezeigt – wenig aussagekräftig und hätten die Beklagte nicht zwingend auf die Erforderlichkeit einer Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

5.

Der Hilfsantrag der Beklagten auf Aufhebung und Zurückverweisung ist unbegründet. Als wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommen insbesondere Verstöße gegen 286 ZPO in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Februar 2020 – 13 UF 127/17 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Mai 2019 – 2 U 66/18 – zitiert nach juris). Hier ist das Vorbringen der Beklagten so zu verstehen, dass sie meint, das Landgericht habe in vorweggenommener Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Fehlens entsprechender Vermerke vom behaupteten Gespräch mit der Zeugin E festgestellt, dass es dieses Gespräch nicht gegeben habe. Ob bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags der Beklagten von einem Verfahrensfehler auszugehen wäre, ist zweifelhaft, da das Landgericht gerade nicht unterstellt hat, dass es dieses Telefonat nicht gegeben habe, sondern das genaue Gegenteil. Es hat ausdrücklich ausgeführt, dass – den streitigen Anruf als erfolgt unterstellt – die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, weil sie bei der Feuerwehr hätte anrufen müssen. Indes kann dies dahinstehen, da keine aufwändige Beweisaufnahme droht, da vorliegend lediglich zwei Zeugen zu vernehmen waren.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Kurz beleuchtet – Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Kurz beleuchtet - Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Nach bislang richterrechtlich geprägten Grundsätzen, die zwischenzeitlich. Eingang in die seit dem 1. Januar 2018 geltende, hier gemäß Art. 229 § 39 EGBGB noch nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 648a BGB gefunden haben, besteht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 314 BGB ein – eine Vergütungspflicht für nicht erbrachte Leistungen ausschließendes – außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers, wenn der Werkunternehmer Vertragspflichten derart verletzt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (vgl. nur BGH, NJW 2016, 1945 [1949], Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen; beispielhaft aus dem Schrifttum Joussen/Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl. 2020, vor §§ 8, 9 VOB/B Rdnr. 14).

Unabhängig von § 8 Abs. 3 VOB/B ist der Auftraggeber also nur dann berechtigt, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Vertragspflichten in dem vorbezeichneten Sinn gravierend verletzt.

Ein solcher Sachverhalt kann auch gegeben sein, wenn es zu einer vom Auftragnehmer zu vertretenden ganz beträchtlichen Verzögerung des Bauvorhabens gekommen ist und es dem Auftraggeber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht zugemutet werden kann, eine weitere Verzögerung durch Nachfristsetzung hinzunehmen oder eine solche von vornherein keinen Erfolg verspricht (BGH, Urteil vom 08. März 2012 –VII ZR 118/10). Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwerwiegenden Vertragsverletzung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). Eine fristlose Kündigung ohne Nachfristsetzung ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftragnehmer trotz Abmahnungen des Auftraggebers mehrfach und nachhaltig gegen eine Vertragspflicht verstößt und wenn das Verhalten des Auftragnehmers ein hinreichender Anlass für die Annahme ist, dass der Auftragnehmer sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 –VII ZR 140/95). Insbesondere ist der Auftraggeber berechtigt, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags unberechtigt und endgültig verweigert und es deshalb der vertragstreuen Partei nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98).

Kurz beleuchtet – Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Kurz beleuchtet - Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Prüfbar i. S. d. § 14 Nr. 1 VOB/B ist die Rechnung, wenn sie – ggf. unter Beifügung von Aufmaßen und anderen Unterlagen – nachvollziehbar angibt, welche Massen der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird. Eine prüffähige Abrechnung setzt voraus, dass der Besteller die Berechtigung der Forderung, gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen, überprüfen kann. Die Voraussetzungen, unter denen diese Prüfung möglich ist, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999, Az. VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867 [1868]). In vielen Fällen sind Aufmaßzeichnungen erforderlich, um dem Auftraggeber die Feststellung zu ermöglichen, worauf sich bestimmte Aufmaßblätter bzw. Aufmaßberechnungen beziehen (vgl. KG, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 21 U 182/0). Die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ist aber kein Selbstzweck, sondern richtet sich danach, in welchem Umfang der Besteller im Einzelfall des Schutzes nach § 14 Nr. 1 VOB/B bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, Az. X ZR 191/02, NJW-RR 2005, 1103). Außerdem ist der Teil der Forderung fällig, der prüfbar abgerechnet ist und der nach Abzug der Abschlags- und Vorauszahlungen verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003, Az. VII ZR 288/02, NJW-RR 2004, 445 [446]).

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer - per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden - Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

1. Beabsichtigt die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen, kann das Kartellvergaberecht allenfalls dann Anwendung finden, wenn der Wert dieser Leistungen den Schwellenwert übersteigt.
2. Ist der Vergaberechtsweg nicht eröffnet, kann der Vergabesenat das Verfahren entsprechend § 17a GVG in den zuständigen Rechtsweg verweisen, wenn der Antragsteller sein Rechtschutzziel in diesem Rechtsweg weiterverfolgen will und kann (Anschluss an BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – XIII ZB 119/19, IBRRS 2020, 0495 = VPR 2020, 73; Beschluss vom 23.01.2012 – X ZB 5/11, IBR 2012, 216 = VPRRS 2012, 0076).
3. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zivilrechtsweg erfolgt nach der Form des staatlichen Handelns. Grundrechtsbindungen, die die öffentliche Hand in besonderer Weise treffen, führen nicht zur Einordnung als Verwaltungsstreit (Anschluss BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007 – 6 B 10/07 -, IBR 2007, 385 = VPRRS 2007, 0193).
4. Im Fall der Verweisung kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht in Betracht.
OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 – 17 Verg 3/23

Gründe

I.

In Vorbereitung auf die Verpachtung landeseigener (Flurstück 148/1) bzw. im Eigentum der Antragsgegnerin zu 2 (Flurstücke 149/2 und 151) stehender Flächen zum Betrieb eines Campingplatzes am Nordstrand von … mit einer Laufzeit vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2048 veröffentlichte das Nationalparkamt Vorpommern auf seiner Homepage in Abstimmung mit der Antragsgegnerin am 01.02.2023 eine Bekanntmachung. Darin umriss es das Vorhaben, gab Gelegenheit zur Bewerbung und wies auf die im weiteren Verfahren erforderliche Vorlage eines Entwicklungskonzepts und die Nichtgeltung von Vergaberecht hin. Gegenstand der Bekanntmachung waren u.a. ein Rückbauplan, eine Reduzierung der Pachtfläche, die erforderliche Einzäunung, ein Stellplatzplan einschließlich Vorgaben zur Verkehrslenkung und zu Umweltauflagen sowie Vorgaben zur Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Dass und mit welchen Einschränkungen der Betrieb eines Campingplatzes auf den im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft liegenden Flächen überhaupt zulässig ist, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V.

Die Antragstellerin – die den Campingplatz derzeit und bereits seit Jahrzehnten betreibt – reichte eine Bewerbung ein. Nach einem ersten Gespräch wurde sie wie auch andere Bewerber zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Vorab erhielt sie eine Aufstellung des Auswahlgremiums (überschrieben mit: „Auswahlgremium für die Bewertung der Interessenbekundungen zur Verpachtung der landeseigenen Campingplatzflächen in … und nachfolgender Ausschreibung und Vergabe der Pachtsache“) und folgende Auflistung der Zuschlagskriterien (Anlage ASt 9):

1. Quantitative Kriterien: 20%

Angebot Pachtpreis

2. Qualitative Kriterien: 80%

a) Vollständigkeit des Konzeptes (35%)

– Abfall, Wasser, Energie

– Arbeitskräfte (z.B. Dauer der Beschäftigung, Art der Entlohnung, Inklusion)

– wirtschaftliche Stabilität

– Regionalität (z.B. Verwendung oder Angebote regionaler Produkte)

– ECO-Camping; mind. 10 Verbesserungen im Zeitraum von 3 Jahren; Zeitplan der Umsetzung

– Verwendung nachhaltiger Materialien

b) Nationalpark und Bildung, familienfreundliche Maßnahmen (15%)

– Gästeinformationen hinsichtlich Verhalten im Nationalpark, Lebensräume

– feste Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten

– Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele), Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung)

– Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk

– Mitarbeiterschulungen

c) Stellplatzplan und dazugehörige Parkflächen (10%)

d) Rückbau vorhandener Gebäude (37 Gebäude im Bestand s. Rückseite; 10%)

e) Innovative Ideen (10%)

Mit E-Mail vom 18.08.2023 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, das Bewerberverfahren sei abgeschlossen und ihr Angebot sei auf dem 3. Platz.

Am 06.09.2023 stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, zunächst gerichtet nur gegen das Nationalparkamt, später erweitert auf die Antragsgegnerin zu 2. Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich tatsächlich um eine Dienstleistungskonzession, so dass eine EU-weite Ausschreibung habe erfolgen müssen. Es würden zahlreiche pachtuntypische Leistungen verlangt. Im Vordergrund stehe die Einräumung des Rechts zum Angebot von Campingleistungen. Die Antragsgegner würden letztlich Campingdienstleistungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen.

Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt:

1. Ein Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 160 Abs. 1 GWB gegen eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet der Antragsgegnerinnen eingeleitet.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren „Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners“ in ihren Rechten verletzt ist, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beizuladenden oder eventuellen Dritten nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

3. Die Antragsgegnerinnen sind verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem unionsrechts-konformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.

4. Hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

6. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsgegner zu 1 hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die beantragte Akteneinsicht zu verweigern,

3. die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Er hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil der Pachtvertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Nebenpflichten seien nicht pachtuntypisch und von untergeordneter Bedeutung.

Die Beigeladene ist ebenfalls von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens ausgegangen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen und die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter für notwendig erklärt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil der Vertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Es handele sich nicht um eine Dienstleistungskonzession, weil für den Pächter kein relevantes Betriebsrisiko im Sinne des § 105 Abs. 2 Satz 2 GWB bestehe. Auch fehle es an einem Beschaffungsbezug. Schwerpunktmäßig gehe es um den Betrieb eines Campingplatzes. Nach dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe für die öffentliche Hand die Geldeinnahme deutlich im Vordergrund. Die Pflichten des Campingplatzbetreibers seien nicht pachtuntypisch und deshalb kein Grund für die Annahme einer Umgehung des Vergaberechts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.10.2023 Bezug genommen.

Gegen den ihr am 24.10.2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 06.11.2022 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichtanwendung des Kartellvergaberechts sei eine Frage der materiellen Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Die Frage sei zudem zu bejahen. Zwar liege mangels Betriebsrisiko keine Dienstleistungskonzession vor, entgegen der Auffassung der Vergabekammer sei jedoch ein klarer Beschaffungsbezug für einen Dienstleistungsauftrag gegeben, weil der Pachtvertrag dem Pächter – auch unter Berücksichtigung der Verordnung über Camping- und Wochenendplätze (CWVO M-V) – zahlreiche pachtuntypische Leistungen auferlege. Dies betreffe etwa die aus dem Zweck der Erhaltung der Dauercampingplätze folgende Betriebspflicht, Rückbauverpflichtungen, Gästeinformationen hinsichtlich des Verhaltens im Nationalpark, die Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten, die Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele, Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung), die Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk und Mitarbeiterschulungen. Bei dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe die Geldeinnahme gerade nicht deutlich im Vordergrund, sondern die naturschutzkompatible Nutzung und die Verhinderung der Schließung der Fläche, die künftige Reduzierung der Pachtfläche, den Schutz durch Zäune, einen Stellplatzplan, Verkehrslenkung, Umweltauflagen, Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Es gehe um die Einhaltung der Ziele der Nationalparkverordnung und den damit verbundenen Umweltschutz. Die Antragsgegner würden für das Land Mecklenburg-Vorpommern Campingdienstleistungen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen und seien im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig. Das Betreiben eines Campingplatzes sei dabei auch zweifellos eine öffentliche Aufgabe, weil Campingtourismus für das Land Mecklenburg-Vorpommern eine hohe Bedeutung habe, insbesondere zur Förderung des Fremdenverkehrs. Mit den Verpflichtungen zur Verkehrslenkung, der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht und vor allem mit der Verpflichtung zur Information über den Nationalpark übertrage das Nationalparkamt eigentlich ihm obliegende Aufgaben auf den Betreiber des Campingplatzes, da Umweltbildung nach § 2 Abs. 6 BNatSchG eine Verpflichtung der Behörden des Bundes und der Länder sei.

Hinsichtlich etwaiger Vergabefehler rügt die Antragstellerin im Wesentlichen, die Beigeladene könne die Eignungsanforderungen nicht nachgewiesen haben, es sei eine nicht bekannt gemachte Abschichtung im Teilnehmerkreis vorgenommen worden, die Antragsgegner seien von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen, im Auswahlverfahren hätten wesentliche Vergabeunterlagen wie eine umfassende Leistungsbeschreibung und ein Vertragsentwurf gefehlt, es seien nicht bekannt gemachte Unterkriterien angewandt worden und das gesamte Verfahren leide an zahlreichen Transparenzmängeln.

Die Antragstellerin meint, im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags müsse der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund verwiesen werden. Es gehe um das „Ob“ des Zuganges zu einer Pachtfläche für 25 Jahre. Dieses „Ob“ des Zuganges sei nach der Zwei-Stufen-Theorie dem Verwaltungsrecht unterworfen. Entscheidend sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Antragstellerin darstelle, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage berufe. Es sei auf den Charakter des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet werde. Insoweit stütze sie ihre Zugangsansprüche auf die Pachtfläche zentral auf öffentlich-rechtliche Vorschriften und es bestehe ein Anspruch auf Beteiligung aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot). Der hierzu durchzuführende Ausschreibungs- und Auswahlvorgang sei ein hoheitlicher Vorgang, der öffentlich-rechtlichen Normen der Nationalparkverordnung unterliege. Der streitgegenständliche – öffentlich-rechtliche – Vertrag würde Rechte der Antragstellerin verletzten und wegen ihres grundrechtlichen Teilhabeanspruchs gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG zur Wirksamkeit ihrer schriftlichen Zustimmung als betroffene Dritte bedürfen. Im Fall der Verweisung würde sie im entsprechenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht ausführen, dass sie weiter Rechtsschutz im streitgegenständlichen De-Facto-Verfahren begehre und ihre Anträge an die Systematik der VwGO anzupassen seien. Ihr Rechtsschutzbegehren bliebe inhaltlich jedoch das Gleiche: Die Antragsgegner sollten dazu verpflichtet werden, ein ordentliches (Verwaltungs-) Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Beteiligungsrechte der Antragstellerin durchzuführen.

Hinsichtlich des Verlängerungsantrags nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB führt die Antragstellerin aus, selbst wenn der Senat den Nachprüfungsantrag als unzulässig ansehe, sei die aufschiebende Wirkung zu verlängern, um den Erfolg im dann vor dem Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren nicht von vornherein zu vereiteln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift und den Schriftsatz vom 13.11.2023 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Der Beschluss der 3. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Oktober 2023 – 3 VK 5/23 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren „Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners zu 1 und der Antragsgegnerin zu 2 in ihren Rechten verletzt ist.

3. Den Antragsgegnerinnen wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

4. Der Senat verlängert gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer und damit das Zuschlagsverbot bis zur Entscheidung über die Beschwerde.

5. Hilfsweise für den Fall, dass der Senat über den vorstehenden Verlängerungsantrag nicht bis zum Ablauf der Frist des § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB zu entscheiden vermag:

Der Senat verlängert die aufschiebende Wirkung zunächst vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB.

6. Hilfsweise: es wird festgestellt, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

7. Den Antragsgegnerinnen werden bei Fortbestehen der Vergabeabsicht aufgegeben, ein unionsrechtskonformes Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durchzuführen.

8. Hilfsweise: Der Senat wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit hin (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB).

9. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

10. Die Antragsgegnerinnen haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

11. Hilfsweise und vorsorglich für den Fall, dass der Senat der Auffassung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit folgen sollte:

Der Senat verweist den Rechtsstreit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund.

Der Antragsgegner zu 1 beantragt,

die sofortige Beschwerde auf Kosten der Antragstellerin sowie den auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es fehle an einer Beschaffung. Das Betreiben eines Campingplatzes sei keine öffentliche Aufgabe und die Antragsgegner würden sich auch keinen Dienstleister beschaffen, der an ihrer Stelle den Campingplatz betreibe. Vielmehr gebe die Nationalparkverordnung nur den rechtlichen Rahmen für den Pachtvertrag vor. Die angeführten Nebenpflichten seien teilweise bereits nicht pachtuntypisch, im Übrigen insgesamt unbedeutend und nicht prägend im Sinn des § 111 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung verwiesen.

Die Beigeladene hält die Beschwerde ebenfalls für unbegründet. Hauptgegenstand des Vertrags sei die Pacht. Eine Beschaffung liege nicht vor. Hilfsweise fehle es an der Antragsbefugnis und einer rechtzeitigen Rüge. Die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigende Vergaberechtsverstöße lägen ohnehin nicht vor. Die hilfsweise beantragte Verweisung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Antragstellerin ihr Rechtschutzziel außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens gar nicht erreichen könne. Neues Vorbringen gebiete die allein unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie in Betracht kommende Verweisung nicht. Den vermeintlichen Ansprüchen aus öffentlichrechtlichen Erwägungen fehle zudem die erforderliche Anknüpfung zum Vergaberecht. Jedenfalls sei aber eine Eilentscheidung des Vergabesenats im Fall der Verweisung nicht möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

II.

1. Der Senat hat zunächst das Passivrubrum berichtigt. An dem Verfahren vor dem Vergabesenat wie auch vor der Vergabekammer ist nach den §§ 162, 174 GWB der Auftraggeber beteiligt. Auftraggeber kann nach §§ 98, 99 GWB – bei Konzessionen in Verbindung mit § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB – nur ein Rechtsträger sein, nicht aber eine Behörde. Insoweit kann sich das Verfahren nur gegen das Land als Gebietskörperschaft im Sinn des § 99 Nr. 1 GWB richten, nicht aber gegen das Nationalparkamt.

Der so bezeichnete Antragsgegner zu 1 wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift des Ministerpräsidenten vom 17. Dezember 2012 – StK 140 – 109.1 – (VV Meckl.-Vorp. Gl. Nr. 100 – 19) im gerichtlichen Verfahren und damit auch vor dem Vergabesenat durch den zuständigen Fachminister vertreten. Eine Weiterübertragung auf nachgeordnete Behörden ist in allgemeiner Form nicht erfolgt, eine Übertragung im Einzelfall ist nicht aufgezeigt.

2. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 171, 172 GWB), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Denn der Nachprüfungsantrag ist – wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt – bereits unzulässig.

a) Nach § 155 GWB ist der Vergaberechtsweg nur eröffnet, wenn es um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession im Sinn der §§ 97 ff. GWB geht. Als Konzsession sieht die Antragstellerin das angestrebte Vertragsverhältnis mit Blick auf das fehlende Betriebsrisiko zu Recht selbst nicht mehr an. Aber auch ein öffentlicher Auftrag über die Beschaffung von Leistungen im Sinn des § 103 Abs. 1, Abs. 4 GWB liegt nicht vor.

aa) Der Pachtvertrag als solcher ist kein öffentlicher Auftrag. Während in Fällen der Nachfrage durch die öffentliche Hand die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB greift, fehlt es bei einem Auftreten als Anbieter eigener Leistungen – hier als Verpächter – bereits an einer Beschaffung. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Zweifel gezogen.

bb) Auch die in Aussicht genommenen zusätzlichen Verpflichtungen des Pächters rechtfertigen eine Einordnung des Vertragsverhältnisses als öffentlicher Auftrag nicht.

Dabei kann ein öffentlicher Auftrag im Zusammenhang mit der Überlassung eines Grundstücks durch einen öffentlichen Auftraggeber ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zugleich Bau- oder andere Verpflichtungen übernehmen soll, an denen die öffentliche Hand ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat. Allerdings liegt auch dann der Beschaffungsvorgang nicht in dem grundstücksbezogenen Geschäft, sondern in dem Auftrag und den mit ihm verfolgten Zielen, deren Verwirklichung die Überlassung des Grundstücks dient. Auch die Verknüpfung der beiden Vorgänge ändert zunächst nichts daran, dass die Verpachtung selbst keine Beschaffung ist (Radu in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 107 GWB (Stand: 15.09.2022), Rn. 16). Die Behandlung des Gesamtauftrags bestimmt sich in diesen Fällen nach § 111 GWB.

Der Senat vermag der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt zunächst keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, die Antragsgegner würden den Betrieb des Campingplatzes als eigene Aufgabe im eigenen Interesse ansehen und unter ihrer Aufsicht einem Dienstleister übertragen, also entsprechende Dienstleistungen des Vertragspartners beschaffen wollen. Zwar besteht ein sogar verfassungsrechtlich verbürgtes öffentliches Interesse an Umwelt- und Naturschutz (Art. 20a GG). Auch mag das Land den Tourismus fördern. Dieser allgemeine Befund macht aber den Betrieb gerade dieses Campingplatzes ebensowenig zu einer öffentlichen Aufgabe wie die §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V und die Auflagen, bei dem Betrieb auch über die gesetzlichen Regelungen hinaus naturschutzrechtliche Belange zu wahren und bestehende Dauercampingplätze teilweise zu erhalten. Erst recht ist der Betrieb des Campingplatzes keine Aufgabe der Daseinsvorsorge.

Die Verringerung der Pacht- und Stellflächen während des laufenden Vertrags ist schon begrifflich keine Leistung des Pächters, sondern eine schlichte Begrenzung des Pachtvertrags.

Den in den Unterlagen zum Ausdruck kommenden Pflichten des Pächters fehlt weitgehend bereits der Beschaffungscharakter. Dies betrifft neben den allgemein formulierten Anforderungen an die wirtschaftliche Stabilität und die eingesetzten Arbeitskräfte insbesondere naturschutzrechtliche Vorgaben. Mit diesen beschaffen die Antragsgegner keine Dienstleistungen eines Auftragnehmers, sondern setzen – soweit sie nicht ohnehin bereits kraft Gesetzes gelten und dem Vertrag nur deklaratorische Bedeutung zukäme – nur die Rahmenbedingungen, unter denen aus ihrer Sicht ein zulässiger Betrieb des Campingplatzes im Naturschutzgebiet gewährleistet ist. Dies betrifft etwa die Gästeinformationen zum Verhalten und zu Lebensräumen im Nationalpark und Mitarbeiterschulungen, aber auch die Planung von Stellplätzen und Parkflächen.

Eine Beschaffung von Bau- und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag kann allenfalls hinsichtlich der Mitwirkung im Nationalpark, fester Bildungsangebote, der Unterbringung im Freiwilligenmanagement, der Einzäunung und des Rückbaus vorhandener Baulichkeiten anzunehmen sein. Konkrete Vorgaben lassen sich der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt insoweit indes nicht entnehmen und für die Umweltbildungsangebote hat der Antragsgegner zu 1 in der mündlichen Verhandlung klargestellt, diese würden von Rangern des Nationalparks übernommen. Auf dieser Grundlage kommt diesen Leistungen hinsichtlich des Gesamtvertrags kein prägender Charakter zu und ist nicht ansatzweise ersichtlich, sie könnten ihrerseits im Sinn des § 111 Abs. 3 GWB die Schwellenwerte überschreiten und dem Vergaberecht unterliegen. Dies betrifft insbesondere die mögliche Unterbringung von Freiwilligen etwa im Zusammenhang mit dem Bundesfreiwilligendienst, aber auch den Rückbau von Baulichkeiten, der sich offenbar insbesondere auf drei Kleinstgebäude, Wege und Leitungen bezieht. Dass die vorgelegten Konzepte darüber hinausgehende, den Schwellenwert überschreitende Leistungen enthalten und die Antragsgegner diese beauftragen möchten, macht auch die Antragstellerin nicht geltend.

b) Zwar macht die Antragstellerin zutreffend geltend, das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags sei nicht nur für die Eröffnung des Vergaberechtswegs, sondern auch für die Anwendung materiellen Vergaberechts und damit die Begründetheit relevant. Wie bei anderen doppelrelevanten Tatsachen genügt deshalb für die Zulässigkeit, dass ein Sachverhalt vorgetragen wird, der im Fall seiner Richtigkeit die Zulässigkeit begründete. Ob die vorgetragenen Umstände zutreffen, bleibt dann der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorbehalten. Der Senat hätte dann die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist. Eine Verweisung käme nicht in Betracht.

Hier fehlt es aber bereits an einem solchen Sachverhalt. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich – wie oben ausgeführt – gerade kein öffentlicher Auftrag entnehmen. Dann aber ist bereits die Zulässigkeit zu verneinen.

3. Angesichts der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags hat der Senat über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag zu entscheiden und das Verfahren entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht in Stralsund zu verweisen.

a) Eine Verweisung des nicht statthaften Nachprüfungsantrags durch einen Vergabesenat an das Gericht eines anderen Rechtswegs kommt in entsprechender Anwendung des § 17a GVG grundsätzlich in Betracht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 11; Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes erfordern aber nur dann eine Verweisung, wenn der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Nur in diesen Fällen hat der Vergabesenat bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg durch eine bindende Verweisung des Verfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verhindern, dass eine Rechtsschutzlücke entsteht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 18).

Hier hat die Antragstellerin ausdrücklich erklärt, ihr Rechtschutzbegehren hilfsweise im Verwaltungs-, höchst hilfsweise im Zivilrechtsweg weiterverfolgen und ggf. die Anträge entsprechend anpassen zu wollen. Ihr geht es darum, dass ein Vertragsschluss zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen unterbleibt und die Antragsgegner zur Durchführung eines (Verwaltungs-) Vergabeverfahrens verpflichtet werden beziehungsweise die Verpflichtung festgestellt wird. Dies ist grundsätzlich auch im Verwaltungs- oder Zivilprozess möglich. Soweit mit dem Antrag zu 6 hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags begehrt wird, stellt dies zwar eine Besonderheit des GWB-Vergaberechts dar und kann in dieser Form in einem anderen Rechtsweg nicht erreicht werden. Weil aber die Bedingung noch nicht eingetreten ist, wird auch dieser Hilfsantrag von der Verweisung umfasst, lediglich von der Bindungswirkung ist er ausgenommen (BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 -, BGHZ 225, 59-90, Rn. 23; Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 17a GVG, Rn. 13a). Schließlich ergibt sich ein Ausschluss der Verweisung auch nicht daraus, dass die Antragstellerin zu den öffentlichrechtlichen Grundlagen ihres vermeintlichen Anspruchs erst mit der Beschwerde vorgetragen hat, weil die Vergabekammer eine Verweisung ohnehin nicht hätte aussprechen können und deshalb kein Anlass zu einem entsprechenden Vorbringen bestand und insoweit die Beschwerde auf neuen Vortrag gestützt werden kann.

b) Eröffnet ist der Zivilrechtsweg (§ 13 GVG), zuständig ist das Landgericht Stralsund (§§ 23, 71 GVG, 29 ZPO).

Die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs hängt davon ab, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Für diese Zuordnung ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich. Handelt der Staat privatrechtlich und wird der Vertrag in den Formen des Privatrechts vergeben, so ist grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit privatrechtlicher Natur. Umgekehrt ist prinzipiell der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich das staatliche Handeln in den Bahnen des öffentlichen Rechts vollzieht, der Vertrag also in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben wird (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312-317, BVerwGE 74, 368-373, Rn. 10 – 11). Nicht entscheidend ist dabei der Umstand, ob die öffentliche Hand im Vergabeverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen – etwa aus Art. 3 GG – unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang bei der Auswahl eines Vertragspartners durch die öffentliche Hand eine derartige Bindung besteht, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung. Das Zivilrecht wird insoweit als „Basisrecht“ von den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert, über die die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit zu entscheiden haben (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 6 B 10/07 -, BVerwGE 129, 9-20, Rn. 9).

Auf dieser Grundlage ergibt sich die Eröffnung des Zivilrechtswegs nicht bereits aus einer Selbstbindung des Auftraggebers durch freiwillige Unterwerfung unter vergaberechtliche Grundsätze (dazu Bock in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 40 VgV (Stand: 30.10.2023), Rn. 39 mwNachw.). Eine solche Selbstbindung ist in der Bekanntmachung durch Verweis auf die Nichtgeltung von Vergaberecht ausgeschlossen. Die Einordnung als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ergibt sich aber nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze daraus, dass das angestrebte Vertragsverhältnis dem Privatrecht zuzuordnen ist. Für die Regelung in einem öffentlichrechtlichen Vertrag ist nach den obigen Ausführungen kein Raum. Ob sich also aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) ein Anspruch der Antragstellerin auf weitergehende und förmliche Beteiligung an der Verteilung des Pachtlands im Naturschutzgebiet ableiten lässt, ist von den Zivilgerichten zu klären. Die sogenannte Zweistufentheorie führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Sie besagt nur, dass der Zugang zu einer öffentlichen Leistung wie Subventionen öffentlichrechtlich ausgestaltet sein kann, auch wenn die anschließende Umsetzung privatrechtlich erfolgt. Anders als bei Subventionen geht es hier aber nicht um Leistungen im öffentlichen Interesse (siehe oben) und gibt es keine Anspruchsgrundlage im öffentlichen Recht, die den Zugang regelt und den Streit darüber öffentlichrechtlich erscheinen lässt.

c) Der Senat entscheidet über die Verweisung ohne mündliche Verhandlung (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG analog). Soweit im Zivilprozess bei Aufhebung des Prozessurteils und gleichzeitiger Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit durch das Berufungsgericht eine mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 281 ZPO, Rn. 9, 11, 12), gilt das hier nicht, weil die Vergabekammer eine Verweisung gar nicht hätte aussprechen können und zudem – anders als im Zivilprozess – im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags eine mündliche Verhandlung nicht zwingend ist (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB). Zur Frage der Verweisung hat der Senat mit der Eingangsverfügung ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

4. Die Verlängerung der kraft Gesetzes bis zum 21.11.2023 laufenden aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und damit des Zuschlagsverbots nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB kommt nicht in Betracht.

a) Über den Antrag hat der Senat jedenfalls deshalb zu entscheiden, weil er ausdrücklich auch für den Fall der Verweisung gestellt ist (weitergehend wohl OLG Naumburg, Beschluss vom 30. März 2022 – 7 Verg 2/22 -).

b) Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB hat der Senat in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Bei offenem Verfahrensausgang ist darüber hinaus das Beschleunigungsgebot und insbesondere zu beachten, ob gewichtige Belange der Allgemeinheit einen raschen Abschluss des Vergabeverfahrens erfordern (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 17 Verg 8/18 -; Beschluss vom 3. Februar 2021 – 17 Verg 6/20 -).

Hier fehlt es – wie oben ausgeführt – bereits an der Erfolgsaussicht. Raum, die aufschiebende Wirkung unabhängig davon zu verlängern, besteht nicht. § 173 GWB betrifft nur das während des laufenden Beschwerdeverfahrens und bis zur Entscheidung des Vergabesenats geltende Zuschlagsverbot. Eine solche Endentscheidung hat der Senat aber nicht mehr zu treffen. Für den eröffneten Zivilprozess greift die Regelung nicht. Ein Antragsteller trägt insoweit das Risiko der Wahl des zutreffenden Rechtswegs. Eine Rechtschutzlücke entsteht nicht, weil auch das zivilgerichtliche Verfahren Möglichkeiten des Eilrechtschutzes bietet.

5. a) Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des unselbstständigen Eilverfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 175 GWB (Stand: 21.09.2023), Rn. 91) hat der Senat nicht zu entscheiden, da sie als Teil der Kosten zu behandeln sind, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (§ 17b Abs. 2 Satz 1 GVG analog). Lediglich die Notwendigkeit der Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter des Antragsgegners zu 1 ist für den Fall auszusprechen, dass durch das Zivilgericht die Erstattung seiner Aufwendungen ausgesprochen wird. Für die Antragstellerin und die Beigeladene ergibt sich die Notwendigkeit – sollte es hierauf nach der Kostenentscheidung ankommen – bereits unmittelbar aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das Eilverfahren (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74) ist auf fünf Prozent der Bruttoauftragssumme festzusetzen (§ 50 Abs. 2 GKG). Dabei orientiert sich der Senat an der Laufzeit des angestrebten Vertrags, der jeweiligen Größe der Pachtflächen während dieser Zeit und dem von der Antragstellerin vorgeschlagenen Quadratmeterpreis.

b) Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sind demgegenüber nicht der Endentscheidung vorbehalten, weil es sich insoweit nicht um Kosten aus einem gerichtlichen Verfahren handelt. Die Antragstellerin hat diese Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -), worüber bereits jetzt durch den Senat entschieden werden kann. Die Hinzuziehung anwaltlicher Vertreter durch den Antragsgegner zu 1 und die Beigeladene war notwendig.